Eva-Maria John
Fachhochschule Gelsenkirchen
Kritische Erfolgsfaktoren von Unternehmensgründungen durch Frauen: Ansatzpunkte für eine effizientere Förderung?
Nr. 5 August 2001
WESTFÄLISCHE-WILHELMS-UNIVERSITÄT MÜNSTER
Diskussionsbeiträge des
Instituts für Unternehmensgründung und -entwicklung
Leonardo-Campus 18 • D-48149 Münster
Kritische Erfolgsfaktoren von Unternehmensgründungen durch Frauen:
Ansatzpunkte für eine effizientere Förderung?
Eva-Maria John
1. Einleitung und Problemstellung
Unternehmensgründungen ziehen das öffentliche Interesse auf sich. Fragen der Gleichberechtigung der Geschlechter und der wirtschaftlichen Betätigung von Frauen stehen ebenso im Brennpunkt öffentlicher Diskussionen. So nimmt es nicht wunder, dass sich sowohl die Forschung mit betriebswirtschaftlichen Fragen der Unterneh- mensgründungen durch Frauen beschäftigt hat, als auch die Politik spezielle Förde- rungsprogramme für weibliche Unternehmensgründer in grosser Zahl und mit nicht unbeträchtlichen Budgetansätzen geschaffen hat und bereit hält.
Allerdings hat sich die Betriebswirtschaftslehre noch kaum für den Zusammenhang zwischen den Ergebnissen der oben genannte n Forschungsarbeiten und den aufge- legten Förderprogrammen interessiert.
Es fehlen Untersuchungen, die den Fragen nachgehen, ob (1) die in den empirischen Untersuchungen – etwaig - genannten Defizite weiblicher Unternehmensgründungen tatsächlich von frauenspezifischer Gründungsförderung aufgegriffen werden kann und ob dies, wenn ja, (2) in wirtschaftlich sinnvoller Weise erfolgen kann.
Die vorliegende Analyse versucht dieses Forschungsdefizit zu verringern. Ihre zent- rale Überlegung lässt sich folgendermaßen formulieren: Da es sich auch bei Unter- nehmensgründungen von Frauen um ökonomische Wahlhandlungen handelt, müss- ten effiziente Förderprogramme diese Entscheidungen dort, wo abbaubare Restrikti- onen oder Hemmnisse vorliegen, mit geringen Kosten positiv beeinflussen, wobei ex ante festgelegte Ziele, etwa zu Gleichberechtigung, Beschäftigung usw. anvisiert werden sollen. Förderprogramme, die nur etwaige Entscheidungen zur Wahl zwi- schen, z. B. familiär bedingter Arbeitslosigkeit und der Aufnahme einer z.B. nur zur Minderung der Steuerlast des „verdienenden“ Ehemannes dienenden „Verlustexis-
tenz“ führen, wären als nicht effizient einzuordnen. Der Aufsatz versucht diese Zu- sammenhänge explizit zu machen, mithin zu untersuchen, welche Arten von Förde- rung die Entscheidung von Frauen zwischen (Investitionen in) Angestelltentätigkeit oder Unternehmensgründung wirtschaftlich effizient beeinflussen könnten.
Der Beitrag beginnt mit einer Darstellung des Standes der empirischen Unterneh- merinnenforschung, sowohl hinsichtlich der Ergebnisse, als auch der daraus abge- leiteten Handlungsempfehlungen (2). Danach wird eine einfache allgemeine Analyse der Effizienz idealtypischer frauenspezifischer Gründungsförderung gegeben, wobei insbesondere auf die Fehlschlüsse bei der Implementierung der hier spezifischen Förderung eingegangen wird (3).
Im Anschluss daran werden – analog zum Vorgehen bei Marktsegmentierungen - Ansatzpunkte für eine Zielgruppenbestimmung staatlicher Förderungsprogramme entwickelt (4). Dabei wird zuerst anhand einer Gründungstypologie (4.1.) eine Sys- tematik unterschiedli cher unternehmerischer Aktivitäten gegeben, die dann einmün- det in eine nutzentheoreti sche Fundierung der unterschiedlichen Entscheidungen (4.2.). Damit ist die Basis gelegt für eine den unterschiedlichen Bedürfnissen und Entscheidungsgrundlagen von Gründerinnen von Weltfirmen (Jill Sander) und lokalen Bügeleien Rechnung tragende, differenzierende Betrachtung der Förderungsnotwendigkeiten von Unternehmens gründungen durch Frauen. Die Abweichung der hier nur indirekt thematisierten deutschen Förderungsrealität vom wirtschaftlich Gebotenen wird dabei quasi nebenbei evident. Der Beitrag wird abgeschlossen von einem Ausblick auf weitere Forschungsmöglichkeiten (5).
2. Zum Stand der empirischen Unternehmerinnenforschung
Mit zunehmenden Anteil weiblicher Unternehmer wächst auch das Forschungsinte- resse an weiblichen Selbständigen, Gründerinnen und Unternehmerinnen. Im Mittel- punkt des Forschungsinteresses steht dabei die Frage nach der Gleichartigkeit bzw.
Andersartigkeit weiblicher und männlicher Unternehmer und deren Auswirkungen auf den Unternehmens erfolg.
2.1. Zentrale Ergebnisse
Die deutsche Gründerinnenforschung besteht derzeit aus vier neueren empirischen Studien: der sehr breit angelegten „Münchner Gründerstudie“ von Brü- derl/Preisendörfer und Ziegler (1995)1, in der Unternehmerinnen ein eigenes Kapitel gewidmet ist, der zum Großteil auf die gleichen Daten basierten Arbeit von Jung- bauer-Gans (1993)2 und den Arbeiten von Döbler (1998)3 und Voigt (1994) 4. In allen Studien werden Personenspezifika, lebens geschichtliche Hintergründe und Verhal- tensweisen von Gründerinnen (Unternehmerinnen), ihre Gründungsmotive, die Cha- rakteristika der von ihnen geführten Betriebe und Erfolgskennzahlen der Betriebe erfasst und entsprechenden männlichen Kontrollgruppen gegenüber gestellt5.
Die Ergebnisse der bisherigen Forschungsbemühungen zeigen für Deutschland ten- dentiell in die gleiche Richtung: Zwar wagen immer mehr Frauen den Schritt in die berufliche Selbständigkeit6 und führen auch Betriebe mit gleicher Überlebenswahr- scheinlichkeit wie ihre männlichen Kollegen. Die von Frauen gegründeten Unterneh- men sind aber umsatzschwächer, expandieren weniger stark, schaffen weniger Ar- beitsplätze und erwirtschaften weniger Gewinn7.
Die beobachtete Diskrepanz wird im wesentlichen darauf zurück geführt, dass Frauen (-betriebe) eine geringere Humankapital-8, Sozialkapital-9 und Geldkapital- ausstattung10 aufweisen als männlich geführte Unternehmen. Unter Rekurs auf unterschiedliche Theorieansätze (Humankapitaltheorie, Diskriminierungstheorie, To- ken-These, Organisations ökologie und Ressourcentherorie) wird Ursachenforschung für die schlechtere Ressour cenausstattung weiblicher Betriebe und dadurch vermu-
tete schlechtere Performance der Unternehmen betrieben. So konstatiert Döbler (1998):
„Kaum bestritten wird, dass die Schwierigkeiten von Frauen mit Banken nicht allein auf diskriminie- rende Praktiken bzw. Vorurteile der überwiegend männlichen Bankpartner zurückgeführt werden kön- nen, sondern umgekehrt auch in bestimmten weiblichen ‚Defiziten‘, z. B. unzureichendem Verhand- lungsgeschick oder fehlender Artikulation von Forderungen verursacht sind.“11
Für die USA stellt sich die Situation für Unternehmerinnen vergleichsweise günstiger dar. Im April 2001 stellte die National Foundation for Women Business Owners in ihrem aktuellen Report12 fest, dass frauengeführte Unternehmen im Zeitraum zwi- schen 1992 und 1997 weiterhin stärker wachsen, als die US-Wirtschaft insgesamt.
Dieses Wachstum sei nicht allein auf eine Zunahme an von Frauen initiierten Unter- nehmensgründungen, sondern auf die Expansion (Performance) der bestehenden, durch Frauen geführten Unternehmen zurück zu führen (sowohl bezogen auf die Umsätze als auch bezogen auf die Beschäftigtenzahlen):
„What this tells us is that [...] these firms are growing larger and more substantial, and are making greater contributions to the economy“13.
Gleichzeitig werden unterschiedliche Wachstumspfade von weiblich und männlich geführ ten Unternehmen erkannt, die offensichtlich nicht auf den Unternehmenserfolg durchschlagen:
„The diversity of characteristics and life experiences that fast-growth women owners bring to their firms illustrates that there is no single or best path to owning a fast-growing firm.“14
Coleman (1998) beobachtet auch für die USA, dass Banken frauengeführten Unter- nehmen vergleichsweise seltener Darlehen gewähren als männlich geführten Unter- nehmen, dass Frauen geringere Darlehensbeträge als Männer beantragen und Un- ternehmerinnen bei erfolgter Darlehensgewährung höhere Zinsen bezahlen als ihre männlichen Kollegen15. Gleichzeitig stellt sie fest, dass nicht das Geschlecht, son- dern die Unternehmensgröße (positiv) und das Unternehmensalter (negativ) auf die Wahrscheinlichkeit der Gewährung eines Darlehens wirken. Das Geschlecht erweist sich hingegen nicht als signifikant16. Bezogen auf die Höhe der für das Darlehen zu
entrichtenden Zinsen zeichnet sie ein ungünstigeres Bild. Als Haupteinflussfaktoren identifiziert sie die Höhe des Darlehens, die Größe des Unternehmens und Dauer seiner Beziehung zur Bank. Dennoch erweist sich in Bezug auf die Höhe der Zinsen das Geschlecht als signifikant: Frauen zahlen höhere Zinsen als Männer.
Boden / Nucci (1998) 17 replizieren die Ergebnisse von Brüderl et al. (1995) bezogen auf eine schwächere Humankapital- und (Geld-)Kapitalausstattung weiblicher Grün- derinnen gegenüber ihren männlichen Kollegen, sowie einen daraus resultierenden negativen Einfluss auf den Geschäftserfolg. Darüber hinaus finden sie aber Belege für einen Zusammenhang zwischen der Ausstattung eines Start-up Unternehmens mit beiden Ressourcen: Unternehmer beiderlei Geschlechts mit geringer Humankapitalausstattung starten ihre Betriebe auch mit weniger (Geld-)Kapital.
Darüber hinaus bestätigen Boden / Nucci starke konjunkturelle Einflüsse auf den Gründungserfolg bei beiden Geschlechtern.
Deutlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede in der Performance von frauen- geführ ten und männergeführten Unternehmen, insbesondere mit Blick auf relevante finanzielle Erfolgkennzahlen stellen Shim/Eastlick (1998) fest18.
Hinweise auf die Diskriminierung von frauengeführten Betrieben, nicht durch Banken, sondern durch ihre Klientel finden Fasci und Valdez (1998)19.
Für Norwegen können Alsos / Ljunggren (1998) keine Unterschiede in der Ressour- cenausstattung und in den Erfolgsaussichten zwischen frauengeführten und männer- geführten Unternehmen ausmachen20. Dies gilt explizit auch für den Zugang zu (Geld-) Kapital21.
Auch die länderübergreifende Studie von Kolvereid/Shane/Westhead (1993) findet angesichts kultureller Unterschiede mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwi- schen Unternehmerinnen und Unternehmern22.
Tabelle 1 bietet eine Übersicht über ausgewählte Ergebnisse der empirischen Grün- dungsforschung.
Tabelle 1: Synopse wesentlicher empirischer Unternehmerinnen-Studien
Studie Datenbasis/statistische Methoden Wichtigste Ergebnisse 165 Fragebögen an Unternehmer-
innen; davon 67 aus einer Handelsre- gisterstichprobe und 98 aus einer Adressverzeichnisstichprobe, Baden- Württemberg
Döbler (1998)
Getrennte und vergleichende Aus- wertung beider Stichproben,
Univariate deskriptive Datenanalyse;
Parameterfreie Analyse: t-test, χ2-Test Multivariate Datenanalyse
Allgemeines Ergebnis:
• Es ist nicht möglich nachzuweisen, dass eine gute
Ressourcenausstattung zu einer Erhöhung der Erfolgspotentiale des gegründeten Unternehmens führt
Frauen versus Männer
• Unternehmensgründerinnen maximieren nicht primär Wachstum, Gewinn oder andere betriebswirtschaftliche Größen
• Frauenbetriebe wachsen im Verhältnis zu Männerbetrieben deut- lich langsamer
• Die Humankapitalausstattung von Gründerinnen ist sehr hetero- gen und im Mittel geringer als die von Gründern
• Frauengründungen erfolgen häufiger aus einem nicht erwerbstäti gen Status
• Unternehmerinnen weisen gegenüber Männern eine starke Konzentration auf den lokalen und regionalen Markt auf, die sich signifikant durch deren überwiegend handwerkliche Ausrichtung erklärt
• Unternehmerinnen verfügen über geringere finanzielle Startressourcen als Unternehmer
• Unternehmerinnen fühlen sich durch Banken am stärksten diskriminiert
Frauen versus Frauen
• Unternehmerinnen, deren Biographie keine familiär bedingten Unterbrechungszeiten aufweisen, nähern sich in ihrer Verfügung über Humankapital männlichen Gründern stark an und weisen in Bezug auf ihre Gründungs bereiche ein deutlich heterogeneres Profil auf als Unternehmerinnen mit Unterbrechungszeiten
• Unternehmerinnen haben gegenüber allen erwerbstätigen Frauen mehr Führungserfahrung
Studie Datenbasis/statistische Methoden Wichtigste Ergebnisse Mündliche Befragung von 1849 Unter-
nehmensgründern, davon ausgewertet 1710, davon 1163 (68 %) männlich und 547 (32 %) weiblich,
München und Oberbayern Brüderl/ Prei-
sendörfer/
Ziegler (1995)
„Münchner Gründerstudie“
Deskriptive Datenanalyse, Multivariate Modellschätzungen, Parameterfreie Analyse: t-test, χ2-Test
Frauen versus Männer
• Die Humankapitalausstattung von Gründerinnen ist signifi- kant geringer als die von Gründern
• Frauen gründen mit geringerem Startkapital
• Frauen beschäftigen im ersten Jahre weniger Beschäftigte
• Frauen erzielen einen deutlich geringeren Umsatz im ersten Jahr
• Frauen gründen deutlich seltener Handelsregisterfirmen als Män- ner
• Frauen gründen Betriebe in „frauentypischen“ Bereichen (Randständige Selbständigkeitsexistenzen)
• Frauenbetriebe haben geringere Überlebenschancen, dieser Unterschied ist aber nicht signifikant!
• Die verschiedenen Einflussfaktoren auf die
Überlebenswahrscheinlichkeit und auf die Wahrscheinlichkeiten eines Beschäftigten- und Umsatzwachstums wirken bei Frauen und Männern fast gleichartig
Münchner Gründerstudie, davon je nach Fragestellung ausgewertet bis zu 1727
IHK-Studie23 Jungbauer-
Gans (1993)
Deskriptive Datenanalyse,
Parameterfreie Analyse: t-test, χ2-Test Multivariate Analyse
Frauen versus Männer
• Frauen gründen ihren Betrieb signifikant häufiger mit der Intention eines Nebenerwerbs
• Frauen gründen häufiger Betriebe mit ausschließlich lokaler Reichweite
• Männer haben weitreichendere betriebswirtschaftliche Ziele und zeigen eine stärkere Internalisierung einer unternehmerischen Einstellung
• Frauen lassen sich bei der Gründungsvorbereitung signifikant seltener von Banken, Steuerberatern und Rechtsanwälten beraten
• Frauen bereiten ihre Betriebsgründung deutlich schlechter vor als Männer
• Frauenbetriebe haben einen signifikant geringeren Beschäftigtenzuwachs
• Die Determinanten der Beschäftigungsentwicklung wirken bei Frauen- und Männerbetrieben annähernd gleich
• Die Umsatzzahlen von Frauenbetrieben liegen unter den Werten der Männerbetriebe, auch wenn nach Betriebsarten (Vollerwerbs /Nebenerwerbsbetriebe, Kleingewerbe/Handelsregisterbetriebe, Wirtschaftsbereichen) getrennt analysiert wird
• Frauenbetriebe haben keinen Vorteil durch einen höheren Frauen anteil in der Branche (Token-These nicht bestätigt)
Studie Datenbasis/statistische Methoden Wichtigste Ergebnisse 570 Fragebögen an Unternehmer,
davon 300 männlich (52,6%) und 270 weiblich (47,4 %); zwei Begleitstudien (Interviews mit Existenzgründerinnen in Ostdeutschland und eine Studen- tenbefragung)
Voigt (1994)
Deskriptive Datenanalyse:
Randauszählungen, einfaktorielle Varianzanalyse
Frauen versus Männer
• Unternehmerinnen haben eine geringere Schulbildung
• Unternehmerinnen haben eine weniger theorieorientierte Berufsausbildung
• Unternehmerinnen haben eine längere Berufserfahrung
• Unternehmerinnen sind seltener verheiratet
• Bankkredite machten einen größeren Anteil an der Gründungsfinanzierung von Frauen aus
• Keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen bezüglich Ø unternehmerischem Erfolg
Ø Risikoaversion
Ø Strategischer Orientierung
Ø Nutzung von Netzwerken und Weiterbildungsmöglichkeiten
Interviews mit 149 Unternehmens - gründern, davon 114 (76,5 %) männ- lich und 35 (23,5 %) weiblich; Norwe- gen
Alsos/
Ljunggren (1998)
Deskriptive Datenanalyse,
Parameterfreie Analyse: χ2-Test, U-Test
Frauen versus Männer
• Frauengeführte Betriebe und männergeführte Betriebe unterschei den sich hinsichtlich ihrer Erfolgsaussichten nicht!
• Frauen schreiben signifikant seltener Businesspläne
• Frauen beantragen häufiger staatliche Förderung
• Frauen stellen weniger Angestellte ein
• Frauen und Männer unterscheiden sich nicht hinsichtlich der Aktivi täten, die sie im Gründungsprozess entfalten (Anzahl der Aktivitäten, Kategorie von Aktivitäten, Dauer des Gesamtprozes - ses)
• Frauen und Männer beginnen ihren Gründungsprozess
gleichermaßen mit der Organisation eines start-up Teams und der Durchführung von Marktanalysen
• Frauen schreiben ihre Business-Pläne (wenn überhaupt) später im Gründungsprozess
• Frauen beantragen Fremdkapital früher
• Frauen starten Verkaufsförderaktionen später
Studie Datenbasis/statistische Methoden Wichtigste Ergebnisse 4637 Unternehmen im Privatbesitz mit
weniger als 500 Angestellten (National Survey of Small Business Finance), davon 3797 (82 %) mit männlichen Eigentümern und 840 (18 %) mit weib- lichen Eigentümer, USA
Coleman (1998)
Parameterfreie Analyse: t-test, χ2-Test Multivariate Regression
Frauen versus Männer
• Die „weiblichen Unternehmen“ waren kleiner
• Die „weiblichen Unternehmen“ waren jünger
• Die „weiblichen Unternehmen“ hatten häufiger nur eine Eigentümerin
• Die „weiblichen Unternehmen“ waren häufiger in der Dienstleis - tungsbranche
• Die „weiblichen Unternehmen“ nutzten bestimmte
Finanzierungsinstrumente seltener (Kreditlinien, financial leases, equipment loans)
• Das Geschlecht des Unternehmenseigner verändert die Wahr- scheinlichkeit der Gewährung eines Bank-Darlehens nicht, aber:
• Die „weiblichen Unternehmen“ zahlen höhere Zinsen: Einfluss des Geschlechts ist neben anderen Einflussfaktoren signifikant Fragebögen beantwortet von 452
spanischstämmigen Unternehmern, davon 348 (77%) männlich und 104 (23 %) weiblich, USA
Shim/Eastlick (1998)
Deskriptive Datenanalyse Parameterfreie Analyse: χ2-Test,
Frauen versus Männer
• Das Ausbildungsniveau von Frauen und Männer war gleich
• Die Frauen waren jünger
• Die Frauen hatten weniger Berufserfahrung
• Die Frauen waren weniger oft verheiratet
• Die frauengeführten Unternehmen unterschieden sich nur in drei von 11 getesteten Variablen (Unternehmensalter, Zahl der Ange- stellten, Jahres -Umsätze)
• Die Wachstumsraten (Umsatz und Mitarbeiter) waren für frauengeführte und männergeführte Betriebe gleich, ebenso die Gewinne und Gewinnentwicklung
Fragebögen beantwortet von 604 Buchführungspraxen, davon 276 ( 46
%) männlich geführt und 328 (54%) weiblich geführt, USA
Fasci/Valdez (1998)
Multivariate Regression
Frauen versus Männer
• Die Wahrscheinlichkeit, ein besseres Gewinn-Umsatz-Verhältnis zu erzielen, ist für Männer signifikant höher
• Das Geschlecht hatte den höchsten Einfluss aller Variablen auf das Gewinn-Umsatz-Verhältnis. Getestet wurden: Einkom - men/Gewinn, Humankapital, Geschlecht, Alter des Betriebs, Be- rufserfahrung des Gründers, Familienstand, Sitz der Praxis (home-based versus eigene Geschäftsräume), Arbeitsstunden, Anzahl der Mitarbeiter, Geschäftsgebahren hinsichtlich neuer Herausforderungen und Flexibilität.
Studie Datenbasis/statistische Methoden Wichtigste Ergebnisse Schriftliche Befragung von
209 britischen Unternehmern, davon 192 (92%) männlich und 17 (8 %) weiblich
138 Unternehmern aus Neuseeland, davon 122 (88%) männlich und 16 (12
%) weiblich
250 Unternehmern aus Norwegen, davon 219 (88%) männlich und 31 (12%) weiblich;
nur unabhängige Unternehmern mit mindestens einem Mitarbeiter wurden einbezogen.
Kolvereid/
Shane/
Westhead (1993)
Faktoranalyse
Multivariate Varianzanalyse
Frauen versus Männer
• Frauen und Männer bewerten ihre Umwelt gleich bezogen auf die Verfügbarkeit von Produktionsfaktoren; gleichzeitig bestehen be- züglich dieser Bewertung signifikante kulturelle Unterschiede
• Frauen und Männer bewerten ihre Umwelt gleich bezogen auf die Stabilität des Umfeldes; gleichzeitig bestehen bezüglich dieser Bewertung signifikante kulturelle Unterschiede
• Politische Unsicherheit wird von Unternehmerinnen stärker wahrgenommen als von Unternehmern
Daten des Characteristics of Business Owners Survey des U.S. Bureau of the Census, 3976 Unternehmer, davon 1802 (45%) männlich und 2174 (55%) weiblich, USA
Zwei Kohorten:
1980-1982 und 1985-1987 Boden /Nucci
(1998)
Deskriptive Analyse, Multivariate Regression
Full-Information Maximum Likelihood
Allgemeine Ergebnisse
• Die Überlebensrate der 1980-1982 Kohorte war deutlich höher als die der 1985-1987 Kohorte
• Die Unternehmer (männlich und weiblich) der 1980-1982 Kohorte hatten eine deutlich höhere Humankapitalausstattung als die der 1985-1987 Kohorte.
• Die (Geld-)Kapitalausstattung der Gründungsbetriebe korreliert positiv mit der Berufserfahrung des Gründers (männlich und weib lich)
Frauen versus Männer
• Betriebe, die von Frauen gegründet werden, haben eine geringer (Geld-)Kapitalausstattung
• Die Frauen haben eine geringer Humankapitalausstattung
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die deutschen Studien tendentiell auf eine schlechtere Ressourcenausstattung (Humankapital und Geldkapital), weni- ger ambitionierte Gründungsmotive und geringere Erfolgs-, insbesondere Wachs- tumspotentiale frauengeführter gegenüber männergeführten Unternehmen hin deu- ten. Darüber hinaus gründen (deutsche) Frauen sehr häufig sogenannte „Randexis- tenzen“ (lokal basierte Ein-Frau Unternehmen zur bloßen Subsistenzsicherung oder gar als Nebenerwerb) in frauentypischen, dienstleistungsnahen Wirtschaftszweigen.
Belege für eine (empfundene) Diskriminierung von Unternehmerinnen durch Banken findet Döbler (1998), Belege gegen eine (tatsächliche) Diskriminierung Voigt (1994).
Im internationalen Kontext werden die Defizite frauengeführter Unternehmen abge- schwächt bestätigt. Boden und Nucci (1998) finden zudem einen Zusammenhang zwischen der Humankapitalausstattung des Gründers und der (Geld -)Kapitalaus- stattung des gegründeten Betriebes. Allerdings belegen nicht alle Studien eine schlechtere Humankapitalausstattung von Unternehmerinnen gegenüber ihren männlichen Kollegen. Darüber hinaus schlagen mögliche Unterschiede in der Unter- nehmensführung nicht zwangsläufig auf den Betriebserfolg durch (Shim/ Eastlick 1998), Alsos/Ljunggren (1998).
Dafür finden Fasci/Valdez (1998) und Coleman (1998) Belege für die Diskriminierung von frauengeführten Betrieben durch ihre Kunden (Fasci/Valdez) und Banken (Cole- man).
Ergänzend sei noch darauf verwiesen, dass Deutschland mit einer ‚Unternehmerin- nenquote‘ von 26,5 % im Jahr 1995 dem internationalen Kontext vergleichbar ist: In den USA betrug der Anteil weiblicher Unternehmerinnern an allen Unternehmern 1997 27 %24, in Norwegen 1996 ebenfalls 27 %25.
Im weiteren Verlauf der Arbeit werden vor allem die deutschen Forschungsergeb- nisse in den Mittelpunkt der Argumentation gestellt. Auf Grundlage der in den Stu- dien konstatierten Defizite und Unterschiede frauengeführter Unternehmen soll die Frage aufgeworfen werden, welche politischen Handlungsempfehlungen daraus sinnvoll abgeleitet werden können – und welche nicht.
2.2 Interpration und Handlungsempfehlungen
Jungbauer-Gans attestiert den deutschen Unternehmerinnen trotz ihres geringeren Wachstums- und Erfolgspotentials, dass sie – gegeben die festgestellten Defizite in der Ressourcenausstattung bestünden nicht – genauso qualifizierte Unternehmerin- nen mit den gleichen Erfolgsaussichten seien, wie Männer:
„Werden jedoch die unterschiedlichen Humankapital- und Ressourcenausstattungen der Betriebe berücksichtigt, verschwindet der Geschlechtseffekt völlig.“26
Sie folgert daraus daraus:
„An Banken, Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern und andere Förderinstitutio- nen ist deshalb zu appellieren, Frauen bei ihrem Schritt in die Selbständigkeit stärker zu unterstützen, [...]. Es darf vor allem nicht die gleiche Meßlatte angelegt werden, weil Frauen oft unter ungünstigeren Bedingungen starten.“27
In die gleiche Richtung denkt Voigt (1994), wenn sie Überlegungen anstellt, bei der Gewährung öffentlicher Hilfen von der Bedingung abzusehen, „derzufolge es sich bei dem zu gründenden Unternehmen um eine nachhaltig tragfähige Vollexistenz han- deln muss“28. Ähnlich ist auch ihre Forderung zu bewerten, Finanzierungshilfen für Unternehmerinnen durch staatliche Stellen abzuwickeln, um der Diskriminierung von Unternehmerinnen durch Banken (hier: der Hausbank) entgegenzuwirken.
Empfehlungen, spezielle Fortbildungsprogramme für Unternehmerinnen zu initiieren, mit denen Defizite in der Humankapitalausstattung kompensiert werden können, so- wie die Gründung frauenspezifischer Netzwerke runden den vorgeschlagenen Maß- nahmenkatalog ab29.
Dies wirft die Frage auf, ob vor dem Hintergrund der empirischen Befunde die Schlussfolgerung sinnvoll ist, eine frauenspezifische Gründungsförderung, die an ty- pisch weiblichen Verhaltensmustern ansetzt und Kompensationen für die unterstell- ten „Defizite“ der Unternehmerinnen anbietet, könnte die Situation zum Besseren verändern30.
Allein auf Basis der referierten Ergebnisse lassen sich derartige Empfehlungen für ein kompensatorisches Konzept zur Förderungen weiblicher Existenzgründungen meines Erachtens nicht begründen, solange nicht Klarheit über die Zielsetzungen und die Wirkungszusammenhänge derartiger Maßnahmen besteht. Daher wird im folgenden die Zielsetzung und Effizienz frauenspezifischer Gründungsförderung ge- nauer beleuchtet.
3. Effizienz Frauenspezifische Gründungsförderung
Die Auseinandersetzung mit der Frage nach der Effizienz frauenspezifischer Grün- dungsförderung setzt voraus, dass Klarheit darüber besteht, anhand welcher Krite- rien die Effizienz der Maßnahmen bewertet werden soll, anders gesagt: Die Wirk- samkeit bzw. Leistungsfähigkeit der Maßnahmen (im Verhältnis zu den aufgewand- ten Mitteln) kann nur anhand klar definierter Ziele gemessen werden.
3.1 Gesamtwirtschaftliche Betrachtung
Brüderl et al. (1998) sehen die ökonomische (volkswirtschaftliche) Effi zienz der För- derprogramme als bestätigt an, die die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft insge- samt mehr erhöhen als eine alternative Verwendung der Mittel31.Aus dieser Zielvor- gabe schließen sie:
„Der Beleg, dass die staatliche Finanzierung die [...] Bestandschancen der geförderten Betriebe ver- bessert, ist ein notwendiges, aber nicht hinreichendes Argument für die Beibehaltung dieser Förder- programme.“32
Ein empirischer Nachweis der gesamtwirtschaftlichen Effizienz staatlicher Grün- dungsförderung steht meines Wissens genauso aus, wie seine theoretische Fundie- rung33. Damit bleibt auch offen, ob frauenspezifisch konzipierte Gründungsförderung die Leistungsfä higkeit einer Volkswirtschaft erhöhen kann. Die Steigerung der ge- samtwirtschaftlichen ökonomischen Effizienz scheidet nach dem bisherigen Stand der Forschung als glaubwürdiges Ziel staatlicher Gründungsförderung mithin aus.
Entsprechend kann frauenspezifische Gründungsförderung nach dem bisherigen Stand der Gründungsforschung nicht ökonomisch, sondern nur normativ begründet werden. Dabei sind vielfältige (normative) Zielfunktionen denkbar: Maximierung der Anzahl weiblicher Unternehmensgründungen, Maximierung der Arbeitsplätze, Mini- mierung der staatlichen Sozialleistungen, Maximierung des Steueraufkommens, Ma- ximierung der Börsenkapitalisierung von frauengeführten Unternehmen, Maximierung
der (Umsatz-) Wachstumsraten frauengeführter Unternehmen, Minimierung von Ge- schlechterdifferenzen auf dem Arbeitsmarkt, u.a.m.
So stellt Voigt folgende Ziele in den Mittelpunkt ihres Forschungsinteresses:
• aus gesellschaftlicher Perspektive
- die Gleichberechtigung der Frau,
- die allgemeine Unterstützung unterprivilegierter Gruppen, sowie
- Umweltschutzgesichtspunkte,
• aus volkswirtschaftlicher Perspektive
- die Schaffung von Arbeitsplätzen und
- die Intensivierung des Wettbewerbs,
- sowie die Bedeutung des Mittelstands für die Bewältigung des strukturellen Anpassungsbedarfs der deutschen Volkswirtschaft hin zu einer Dienstleis- tungsgesellschaft
• und schließlich aus betriebswirtschaftlicher Perspektive
- den Erfolg von Unternehmens gründungen.34
Bei der Bewertung ihrer Ergebnisse und Ableitung ihrer Handlungsempfehlungen rangiert die Maximierung weiblicher Unternehmensgründungen zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frau und Mann als Oberziel35.
Brüderl et al. stellen die Frage, ob eine „Selbständigkeit als erfolgversprechende Al- ternative für Frauen“ zu bewerten sein kann, an den Anfang ihrer Überlegungen zur Analyse von Unternehmerinnen und legen damit implizit Gleichberechtigungs- und Beschäfti gungsziele zugrunde36, ebenso – allerdings expliziter - Jungbauer-Gans / Preisendörfer (1992) und Jungbauer-Gans (1993).
Frauenspezifische Gründungsförderung könnte demnach an recht unterschiedlichen Zielen gemessen werden. Im folgenden werden die in der wissenschaftlichen Litera- tur am häufigsten genannten Ziele ‚Chancengleichheit zwischen Frau und Mann‘ und
‚Beschäftigung‘ bei der Analyse der Effizienz frauenspezifischer Gründungsförderung gleichberechtigt zugrunde gelegt, insbesondere auch deshalb, weil die Praxis staatli- cher Gründungsförderung sich an eben diesen Zielen orientiert.37
Fraglich bleibt allerdings weiter, ob die diskutierten empirischen Befunde ausreichen, eine Kausalität zwischen diesen Zielen und den vorgeschlagenen - und praktizierten
! - Maßnahmen abzuleiten. Denn auch wenn frauenspezifische Gründungsförderung im politischen Willens bildungsprozess über eine normative Zielfunktion legitimiert wird, ist ihre an diesen Zielen gemessene Effizienz zu gewährleisten. Im wesentli- chen muss sichergestellt sein, dass die avisierten Ziele anders nicht kostengünstiger erreicht werden können und dass Fehlschlüsse bei der Implementierung entspre- chender Maßnahmen vermieden werden.
Kosten und Nutzenaspekte frauenspezifischer Gründungsförderung
Eine – wenn nicht die - zentrale Zielsetzung frauenspezifischer Gründungsförderung ist das Erreichen der Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann:
„Wenn man dem Wert der Gleichberechtigung von Mann und Frau zustimmt, kann in einer marktwirt- schaftlich verfassten Gesellschaft nicht bei Forderungen wie ‚Gleicher Lohn für gleiche Arbeit‘, ‚Frau- enförderung im öffentlichen Dienst‘ oder ‚Quotierung in politischen Parteien‘ haltgemacht werden“38.
Frauen sollen demnach auch im Wirtschaftsleben Rahmenbedingungen für unter- schiedliche individuelle Lebensentwürfe vorfinden, in denen sie nicht gegenüber Männer diskriminiert werden.
Diese Zielfunktion unterstellt, konkurriert frauenspezifische Gründungsförderung
- mit staatlichen bildungspolitischen Maßnahmen, insbesondere Maßnahmen zur Unterstützung von Frauen bei der Bildung von Humankapital in aussichtsreichen, bisher noch von Männern dominierten Bereichen,
- Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familienarbeit (wie zum Beispiel der Einführung von Pflichterziehungsurlaub für Väter),
- Maßnahmen zur Verbesserung der Wiedereingliederung in das Berufsleben nach eventuellen Familienpausen,
- Maßnahmen gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz und gegen physische und psychische Gewalt im familiären Umfeld.
Kurzum: sämtliche staatlichen Maßnahmen, die geeignet sind, einen gesellschaftli- chen Wandel zu einer geschlechtsbezogen herrschaftsfreien Gesellschaft zu fördern stehen im Wettbewerb zu spezifischen Förderprogrammen.
Neben Gleichberechtigungszielen wird frauenspezifische Gründungsförderung auch mit Beschäftigungszielen legitimiert. Auch bezogen auf diese Zielsetzung konkurriert sie mit zahlreichen anderen denkbaren staatlichen Maßnahmen. Beispielhaft seien
- ABM-Maßnahmen
- Strukturpolitische Maßnahmen, inklusive Subventionen für wirtschaftlich schwa- che Branchen und Regionen und
- Konjunkturpolitische Maßnahmen (Geld- und Fiskalpolitik) genannt.
Sämtliche angesprochenen Aktionen sind mit direkten und indirekten Kosten verbun- den. Direkte Kosten entsprechen den messbaren Ausgaben, die durch die jeweilige staatliche Maßnahme verursacht werden; indirekte Kosten aus den Anpassungen aller Gesellschaftsmitglieder an das durch diese Maßnahmen veränderte Anreizsys- tem der Gesellschaft.39 Bei dem Versuch, mit einem politischen Instrument - wie hier – mehr als ein Ziel zu erreichen, sind insbesondere Wechselwirkungen im Zielerrei- chungsgrad zu berücksichtigen.
Auf der Nutzenseite sind die Auswirkungen einer frauenspezifischen Gründungsför- derung mit dem Ziel der Gleichstellung von Frau und Mann nicht eindeutig. Sicher ist, dass mit frauenspezifischen Gründungsprogrammen nur (potentielle) Unternehme- rinnen erreicht werden: Der Anreiz für Frauen, ein eigenes Unternehmen zu gründen steigt ceteris paribus. Damit wird nur ein sehr kleiner Ausschnitt des immer noch nach Geschlechtern segregierten Arbeitsmarktes erreicht; nicht erwerbstätige Frauen bleiben nahezu unberücksichtigt. Manchen wird durch Gründungsförderung der Schritt in die Selbständigkeit möglicherweise nahe gelegt, der Schritt in eine (viel- leicht adäquatere) abhängige Beschäftigung bleibt ihnen aber weiter verwehrt. Die grundlegenden arbeitsmarktpolitisch relevanten Ge schlechterdifferenzen werden mit frauenspezifischer Gründungsförderung nicht adressiert. Es sind dagegen in erster Linie Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Wahl des Studienfa- ches, die die Entscheidung und Erfolgsaussichten von Frauen, am Erwerbsleben teilzunehmen oder eben nicht, bestimmen40 - möglicherweise auch aufgrund negati- ver Erfahrungen mit bestehenden Diskriminierungspraktiken in abhängigen Beschäf- tigungsverhältnissen.
Fraglich bleibt auch, ob es gelingt, einen gesellschaftlichen Wandel des Frauenbildes zu unterstützen, indem Frauen der Schritt in die berufliche Selbständigkeit ermöglicht wird, der nach dem Stand der Gründungsforschung in Deutschland zum überwie- genden Teil die Gründung einer Randexistenz bedeutet. Schließlich werden über- wiegend wenig kapitalintensive Betriebe gegründet, davon 84 % Kleingewerbebe- triebe, 41 % Nebenerwerbsbetriebe, 72 % allein mit dem Ziel der Subsistenzsiche- rung und 66 % Betriebe ausschließlich für den lokalen Markt (Bügeleien!)41. Die über- durchschnittlich häufige Gründung von Frauenbetrieben „aus der Not“ staatlich zu fördern, könnte bedeuten, auch auf dem ‚Selbständigenmarkt‘ eine geschlechtsspe- zifische Segregation zu zementieren42. Darüber hinaus wird hier deutlich, dass frauenspezifische Gründungsförderung auch mit Blick auf Beschäftigungsziele nur eingeschränkt wirken kann: Deutliche Beschäftigungswirkungen sind wegen der ge- nannten Beschränkungen der Gründungen nach dem gegenwärtigen Stand der em- pirischen Forschung offensichtlich nicht zu erwarten.
Eine umfassende Kosten-Nutzen Analyse unterschiedlicher Maßnahmen zur Förde- rung der Gleichberechtigung der Geschlechter in der Gesellschaft steht allerdings noch aus und kann hier auch nicht geleistet werden. Zu bedenken bleibt allerdings:
„Auch in der Frauenpolitik gilt wie in vielen anderen Bereichen staatlicher Regulierung, dass der Staat Rahmenbedingungen setzen muss, die nicht die falschen Anreize [...] geben.“ 43
3.2 Einzelwirtschaftliche Betrachtung
In der politischen Realität wird die ökonomische Effizienz staatlicher Gründungsför- derung nur einzelwirtschaftlich geprüft: Hat staatliche Gründungsförderung einen positiven Effekt auf die Erfolgsaussichten neu gegründeter Unternehmen? Die Beja- hung dieser Frage setzt voraus, dass gesicherte Hypothesen über die kritischen Er- folgsfaktoren von Unternehmensgründungen bestehen, an denen staatliche Grün- dungsprogramme ansetzen können. Auch hier besteht noch Forschungsbedarf44.
Bezogen auf eine frauenspezifische Gründungsförderung verschärft sich der Begrün- dungszwang. Die empirischen Befunde der Gründungsforschung versagen – wie
oben gezeigt wurde - schon für eine eindeutige Formulierung klarer Kausalzusam- menhänge zwischen den vermute ten weiblichen Defiziten und dem Unternehmens- erfolg. So gelingt selbst der Nachweis, dass eine gute Ressourcenausstattung frau- engeführter Betriebe zu einer Erhöhung der Erfolgspotentiale führt, nur tendentiell45. Voigt (1994) stellt beispielsweise Defizite in der Humankapitalausstattung der von ihr befragten Unternehmerinnen gegenüber ihren männlichen Kollegen fest, ohne gleichzeitig unterschiedliche Erfolgsaus sichten beider Geschlechter bei ihren Grün- dungsaktivitäten nachweisen zu können. Auch die Ergebnisse der anderen Studien sind in Bezug auf diese Frage nicht eindeutig. Brüderl et al. finden keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen dem Geschlecht der Gründerperson und den Bestandsaussichten des Unternehmens46. Darüber hinaus belegt die Unternehmerin- nenforschung eine sehr große Heterogenität der Gründerinnen, die mit pauschalen frauenspezifischen Programmen sehr unterschiedlich erreicht werden.
Auch die einzelwirtschaftliche Effizienz frauenspezifischer Gründungsförderung bleibt infolgedessen fragwürdig. Dies liegt an drei wesentlichen Fehlschlüssen bei der Implementierung speziell an Unternehmerinnen adressierter Maßnahmen.
Fehlschlüsse bei der Implementierung frauenspezifischer Gründungsförderung Staatliche Gründungsförderung unterscheidet zwischen Unternehmern (U) und An- gestellten (A)47. Das Ziel ist, möglichst vielen Angestellten den Schritt in eine tragfä- hige Selbständigkeit und damit den Wandel zum Unternehmer zu ermöglichen oder zu erleichtern48.
Frauenspezifische Gründungsförderung unterscheidet zusätzlich zwischen Frauen (F) und Männern (M). So werden in NRW beispielsweise die Zinsen, die bei der Be- willigung einer Gründungsfinanzierung durch die Deutsche Ausgleichsbank anfallen, für Unternehmerinnen pauschal subventioniert49.
Abbildung 1 gibt einen Überblick über die Kombinationsmöglichkeiten dieser Diffe- renzierungen:
Abb. 1: Berufliche Wahlmöglichkeiten von Frauen und Männern
F M
A AF AM
U UF UM
mit: AF: weibliche Angestellte AM: männliche Angestellte UF: Unternehmerinnen UM: Unternehmer
Unternehmern, Angestellten, Frauen und Männern werden bestimmte – empirisch belegte – Eigenschaften und Verhaltensweisen zugeschrieben, so dass sich vier
„Typen“ identifizieren lassen. Ziel staatlicher Gründungsförderung ist dabei, Perso- nen, die Typenkreisen zugeordnet werden können, die ein A im Akronym aufweisen, Wege in die Selbständigkeit aufzuzeigen, um damit neben den oben diskutierten Gleichberechtigungszielen auch Beschäftigungsziele zu verwirklichen. Ein Blick auf die Personengruppen, die als Adressaten staatlicher Förderprogramme differenziert werden, zeigt die Problematik dieser Kombinatorik in einem ersten Schritt auf. Dabei werden im Sinne der Zielsetzung dieser Arbeit nur die Frauen betrachtet; für die Männer lassen sich – natürlich! - analoge Beispiele ableiten:
Fallacy 1: Frau = Frau
Fallacy 2:Angestellte = Angestelle
Anne Mulcahy, die Vorstandsvorsitzende der Kopiermarke Xerox und Hewlett-Pa- ckard-Chefin Carleton Fiorina werden dem gleichen Typus zugeordnet wie die Spie- gel Autorin Michaela Schiessl, die über die beiden Damen schreibt. Außerdem finden sich hier die Referentin der Stabsabteilung Controlling des Krupp-Thyssen Konzerns und meine Haus haltshilfe. Auch die vierfache Mutter, die im Kindergarten halbtags arbeitet, gehört zu den weiblichen Angestellten und – bei einem Verständnis von An-
gestellten vor allem als Nicht-Unternehmerin – auch ihre schwangere Freundin, die kurz vor dem Magister-Examen steht.
Gerade für die beiden Letztgenannten verändern staatliche (frauenspezifische) Grün- dungsförderprogramme die Entscheidungsgrundlage gegebenenfalls sehr wesent- lich, während äußerst zweifelhaft ist, ob die Vorstandsvorsitzende eines multinatio- nalen Konzerns mit entsprechenden Programmen erreicht würde: Ob sich die Ent- scheidungsgrundlage der Frauen beim Übergang von einem abhängigen Beschäfti- gungsverhältnis oder einem Erwerbslosenstatus zum Unternehmerinnendasein durch frauenspezifische Gründungsförderung verändert, hängt offensichtlich davon ab, welche Alternativen die je weils betrachtete Frau besitzt. Ungeachtet der empiri- schen50 Ergebnisse ist im Kontext der Diskussion frauenspezifischer Gründungs- förderung weder die eine Annahme „Frauen seien gleich“ noch die zweite Annahme
„Angestellte sei gleich Angestellte“ sinnvoll. Die erste Annahme steckt aber implizit im Untersuchungsdesign jeder Studie, die Frauen mit Männern, also Unternehmerin- nen mit Unternehmern vergleicht51. Aus diesen Ergebnissen auf die Sinnhaftigkeit frauenspezifischer Gründungsförderung zu schließen, hieße die zweite Annahme auch noch zu akzeptieren.
Vielmehr ist davon auszugehen, dass vor allem die (unterschiedlich hohen) Opportu- nitätskosten der Frauen ihre Entscheidungsgrundlage über einen möglichen Schritt in die Selbständigkeit bestimmen.
Fallacy 3: Unternehmerin = Unternehmerin
Kajsa Leander, Jil Sander, Helga Schuler Wolle, Innegrit Volkhardt, Jane E. Royston, Doris Rieder auf der einen und die vielen Inhaberinnen eines Einpersonen-Schreib- büros oder einer Bügelei bilden den zweiten Typus. Auch hier – und gerade das be- legt die empirische Gründungsforschung in eindeutiger Weise – werden extrem un- terschiedliche Frauen, die sehr unterschiedliche Unternehmen führen, in einem Topf geworfen. So konstatiert Döbler (1998), die Schwierigkeit bei der Interpretation seiner Ergebnisse ergäbe sich aus „den mannigfachen Wechselbeziehungen, die nicht nur zwischen den drei Ressourcenkomplexen oder auch zwischen den definierten Er- folgspotentialen nachgewiesen werden können, sondern auch und vor allem die viel- schichtigen Interdependenzen umfassen, die zwischen der Ausbildung, Verfügung
und Nutzung der Ressourcenkompexe und bestimmten personalen und sozialen Merkmalen bestehen, die insgesamt und vereinfacht gesagt, dem Privatbereich der Frauen zuzurechnen sind.“52
Auch das Cluster „Unternehmerin“ ist also zu grob: Bezogen auf ihre beruflichen Ziele und die von ihnen entwickelten Strategien zur Durchsetzung ihrer Ziele haben Jil Sander und Anne Mulcahy sicher untereinander mehr Gemeinsamkeiten als zu der Grundgesamtheit der ihnen zugeordneten Typenkreise. Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass beide Frauen im Privatleben völlig unterschiedliche Lebensentwürfe praktizieren: Die eine ist Mutter zweier Söhne, die andere lebt in einer kinderlosen Partnerschaft. Wachstumsunternehmen, die auch messbare Beschäftigungseffekte entfalten, werden aber genau von solchen Frauen gegründet und/oder geführt, also von Frauen, so die Hypothese, die mit einer frauenspezifischen Gründungsförderung möglicherweise gerade nicht erreicht werden. Genau hier wird die zentrale kritische Vermutung einer frauenspezifischen Gründungsförderung am deutlichsten: Mit der darin enthaltenen Typologisierung allein nach dem Ge schlecht werden die ‚falschen‘
Zielgruppen staatlicher Förderprogramme gebildet.
3.3 Zwischenergebnis
Die Wirkung staatlicher Existenzförderung unterscheidet sich danach, wer wie mit entsprechenden Maßnahmen erreicht wird. Dies gilt ungeachtet der zugrunde ge- legten Zielsetzungen. Effiziente Maßnahmen setzen dabei an Kriterien an, die geeig- net sind, die Entscheidungsgrundlage der Adressaten zu verändern. Zu einer Kon- zeption solcher Maßnahmen sind Opportunitätskostenbetrachtungen der zu Fördern- den in die Überlegungen zu integrieren. Äußere Kriterien, wie beispielsweise das Geschlecht der geförderten Person, reichen zur Identifikation von Zielgruppen staat- licher Existenzgründung nicht aus. Diese Einsicht fußt auf der Erkenntnis, dass zum einen gerade auch erfolgsrelevante Unterschiede im Verhalten von Unternehmerin- nen und Unternehmern sehr ausdifferenziert sind und noch wesentlicher als durch das Geschlecht beispielsweise durch die Herkunft bestimmt werden können. So be- obachtet Bourdieu (1987), „dass Kleidung ebenso wie Sprache und überhaupt alle persönlichen Merkmale an Manipulationsstrategien teilhat, die fast bewusst eingesetzt werden: [...]. 53
Zum anderen können sich - wie die Gegenüberstellung der angestellten Mutter Mul- cahy und der erfolgreichen Unternehmensgründerin Sander zeigt – Personen mit völlig unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen, mit unterschiedlicher Humanka- pitalausstattung, mit unterschiedlichem privatem Hintergrund und unterschiedlichen Zielen berufliche Positionen erarbeiten, die sich durch ähnliche hohe Opportunitäts- kosten bei Aufgabe des Erreichen beschreiben lassen.
Entsprechend kann jeder Unternehmer und jede Unternehmerin, jede Angestellte und je der Angestellte sinnvoll nur durch ein Merkmalsbündel beschrieben werden.
Nur dann lassen sich zuverlässige Aussagen darüber generieren, wie sich ihr Ver- halten mit welchen Auswirkungen für die Gesamtheit ändern wird, wenn sie bei freier Entscheidung eine Veränderung der Rahmenbedingungen vorfinden. Dies entspricht der Logik und Vorgehens weise beim Design von Marktstudien, die im Rahmen des Marketing eingesetzt werden und das Ziel verfolgen, die potentiellen Kunden eines Unternehmens so in Gruppen zu segmentieren, dass sich die Gruppenzugehörigen bei freier Entscheidung möglichst ho mogen verhalten und zwischen den Gruppen eine möglichst große Unterschiedlichkeit im Verhaltensmuster gegeben ist54.
Ansatzpunkte für eine Fundierung einer solchen Unternehmer(innen) -Typologisie- rung werden im folgenden Abschnitt diskutiert.
4. Ansatzpunkte für eine Zielgruppenbestimmung staatlicher Förderpro- gramme
Die bisherige Analyse belegt, dass eine sinnvolle Zielgruppenbestimmung für staatli- che Existenzförderung an den Entscheidungsgrundlagen der potentieller Adressaten ansetzen muss. Je nach den Zielen, die Unternehmerinnen und Unternehmer mit dem Gang in ihre Selbständigkeit verfolgen, sind sie durch die Rahmenbedingungen, aus denen heraus und in die hinein sie gründen, mit unterschiedlichen Restriktionen konfrontiert. In einem ersten Schritt wird daher eine Taxonomie von unternehmeri- schen Aktivitäten vorgelegt. Im zweiten Schritt wird diese Taxonomie durch nutzen- theoretische Überlegungen fundiert.
4.1 Taxonomie unternehmerischer Aktivitäten
Versuche, unternehmerische Gründungsaktivitäten zu typologisieren, sind in der Gründungsliteratur zahlreich vorgelegt worden. Im deutschsprachigen Raum existie- ren dazu insbesondere Arbeiten, die an den persönlichen Eigenschaften der Unter- nehmer ansetzen55. Diesem Ansatz soll hier – aus den oben abgeleiteten Erkennt- nisse heraus – nicht gefolgt werden. Im angelsächsischen Raum dominieren demge- genüber Arbeiten, die an den Spezifika der gegründeten Unternehmen anknüpfen56. Dieses Konzept wird hier verfolgt, da es für die Ableitung der mit der Gründung ver- bundenen Zielsetzung und – bei Realisierung dieser Ziele – den daraus resultieren- den Ergebnissen wesentliche Anhaltspunkte liefern kann. Dabei ist zu beachten, dass die Grenzziehung zwischen unterschiedlichen Unternehmenstypen nicht rein willkürlich erfolgt: Organisationen reagieren unterschiedlich auf unterschiedliche un- ternehmerischen Aktivitäten, so dass bei Zugrundele gung entsprechender Typolo- giesierungskonzepte für empirische Arbeiten prinzipiell die gleichen Ungenauigkeiten auftreten können, die in den vorangegangenen Abschnitten adressiert wurden:
„Therefore, when building data bases for empirical research, it is important for researchers to control for differences in the characteristics of the organizations they study which result from differences in the type of entrepreneurial activity being undertaken within them.“57
Diesem Anspruch kann am ehesten eine Typologie genügen, die eine sehr weite De- finition von unternehmerischer Aktivität zugrunde legt und diese schrittweise hierar- chisch untergliedert. Damit ist gewährleistet, dass sämtliche unternehmerischen Akti- vitäten, die potentiell Wachstumsimpulse für eine Volkswirtschaft geben, erfasst wer- den, also auch die, die nicht in der Anmeldung eines Gewerbes oder einer Handels- registereintragung münden. Gleichzeitig wird durch die schrittweise Bildung von Subgruppen eine innere Logik der Hierarchie gesichert, in der Überschneidungen ausgeschlossen sind.
Im folgenden wird in Anlehnung an Kunkel (1999) eine derart konzipierte Typologisie- rung von unternehmerischen Aktivitäten vorgestellt, die fünf Hierarchiestufen um- fasst:
Ausgangspunkt: Unternehmerische Aktivitäten
Ausgangspunkt der hier dargestellten Taxonomie bildet das Verständnis von unter- nehmerischer Aktivität als ‚Management radikalen und diskontinuierlichen Wandels oder strategischer Erneuerung, gleich ob dies innerhalb oder außerhalb bestehender Organisationen stattfindet und ob diese Erneuerung zu der Bildung neuer Geschäfts- einheiten führt oder nicht.‘58
Erste Analyseebene: Kontext
Daran anknüpfend wird der Kontext und damit die Rahmenbedingungen, in die hinein gegründet wird, als erstes Klassifizierungskriterium gewählt: Kunkel (1999) unter- scheidet auf der ersten Analyseebene Corporate Entrepreneurship und Independent Entrepreneurship. Unter Corporate Entrepreneurship werden dabei unternehmeri- sche Aktivitäten gefasst, die innerhalb einer bestehenden Organisation stattfinden, unter Independent Entrepreneurship die unternehmerischen Aktivitäten, die durch einen Einzelnen oder ein Team unabhängig von bestehenden Organisationen ent- faltet werden.
Hier ergibt sich der erste Entscheidungspunkt bei der Konzeption staatlicher Maß- nahmen zur Förderung unternehmerischer Aktivitäten: Sollen sämtliche unternehme- rischen Aktivitäten im Sinne einer aktiven Strukturpolitik gefördert werden, oder nur unabhängige Exi stenzgründungen? Bezug nehmend auf die hier geführte Diskussion staatlicher (frauenspezifischer) Gründungsförderung in Deutschland, die nur auf Existenzgründungen zielt, wird im folgenden auch nur dieser Typ weiter verfolgt.
Wichtig scheint allerdings schon an dieser Stelle der Hinweis, dass diese politische Entscheidung vor dem Hintergrund der formulierten Ziele der Fördermaßnahmen, insbesondere der Ziele Beschäftigung und Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann nicht notwendigerweise sinnvoll ist.
Zweite Analyseebene: Wachstumspotential
Auf der nächst unteren Analyseebene unterscheidet Kunkel (1999) die unabhängigen Gründungen nach ihrem Wachstumspotential in high-growth und low-growth Seg- mente. Damit werden die – in empirischen Arbeiten mehrfach belegten – Unter- schiede zwischen Organisationen erfasst, die entweder „nur“ darauf abzielen, das Einkommen des Gründers zu sichern oder, im Gegensatz dazu, auf den Aufbau einer
wachsenden, wirtschaftlich leistungsstarken Organisation gerichtet sind. Auch diese Unterscheidung sollte sich in der der Konzeption einer (auch) auf Beschäftigung zie- lenden Gründungsförderung wider spiegeln.
Dritte Analyseebene: Einkommenspotential
Im nächsten Schritt werden die unterschiedlichen Wachstumstreiber der high-growth und low-growth Gründungen identifiziert und für die weitere Bildung von Subgruppen herangezogen.
High-growth
So lassen sich unabhängige, auf Wachstum orientierte Gründungen danach unter- scheiden, ob das Wachstumspotential des Geschäftsmodells auf dem Vorhanden- sein bisher unbefriedigter oder unzureichend befriedigter, latenter Bedürfnisse im Markt beruht, die adressiert werden („need-driven“), oder angebotsseitig durch die Bereitstellung oder Verbesserung bestehender Produkte durch eine neue Technolo- gie verursacht ist („techno logy-driven“). Diese Unterscheidung macht deutlich, dass für den Bestand und den (Wachstums-)Erfolg von high-growth Geschäftsmodellen andere staatliche Maßnahmen als Gründungsprogramme möglicherweise wesent- lich relevanter sind. Beispielhaft sei hier auf die Wettbewerbspolitik, insbesondere die (De-)Regulierung von Ausnahmebereichen, das Patentrecht, staatliche Verordnun- gen zum Kundenschutz und außenwirtschaftliche Maßnahmen, die das junge Unter- nehmen vor Importkonkurrenz schützen oder ihm den Zugang zu dringend benötig- ten Ressourcen erleichtern können, verwiesen.
Low-growth
Unabhängige low-growth Gründungen lassen sich in die drei Bereiche Subsistenz- sicherung, Nebenerwerb und Hobby/Lifestyle ordnen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die jeweiligen Kategorien immer noch sehr heterogene Gründungsentwürfe subsumieren können:
Subsistenzsicherung kann auf die Einkommenssubstitution einer Person oder einer Familie gerichtet sein. Möglich sind hier Modelle, bei denen sich nur einer der Part- ner selbständig macht, während der andere weiter abhängig beschäftigt bleibt oder auch Familienbetriebe, in denen das gesamte Haushaltseinkommen durch die Exis-
tenzgründung gesichert werden soll. Ansatzpunkte zur Förderung entsprechender Gründungen können sehr unterschiedlich ausfallen, da Situationen denkbar sind, in denen die existenzgründende Person auf mannigfache – auch finanzielle - Unterstüt- zung aus dem familiären Umfeld zugreifen kann oder durch die Berufstätigkeit des anderen Partners Zugang zu einem beruflichen Netzwerk erhält. Demgegenüber fin- den sich hier auch Existenzgründer und Existenzgründerinnen, die – gerade auf- grund der Zwänge der abhängigen Berufstätigkeit des Partner – wesentlicher auf Unterstützung angewiesen sind. Auch hier gilt, dass an Stelle der Gründungsförde- rung andere politische Maßnahmen möglicherweise erfolgsrelevanter sind, wie bei- spielsweise (allgemeine) staatliche Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familien- und Berufsarbeit. Möglich ist auch, in dieser Klasse Gründungsmotive zu finden, die darauf abzielen, das Einkommen des Gründers oder - bei Eheleuten - seines Partners, im Sinne eines steuerorientierten „Abschreibungsmodells"59 zu maxi mieren. Die Sinnhaftigkeit einer staatlichen Förderung derartiger Selbständi- genmodelle ist problematisch.
Das Gesagte gilt uneingeschränkt auch für Nebenerwerbsbetriebe, wie beispiels- weise Beratungsgesellschaften von Professoren, die nicht beabsichtigen, ihren Be- amtenstatus aufzugeben, wodurch sie das Wachstumspotential und die strategi- schen Optionen ihrer Betriebe stark einschränken60.
Existenzgründungen unter der Rubrik Hobby/Lifestyle sind primär dadurch motiviert, den Gründer bei der Finanzierung seines Hobbys zu unterstützen. Als Beispiel ist hier der Hobby-Funker zu nennen, der einschlägige Einführungskurse gibt, um sein Equipment zu finanzieren. Diese Betriebe sind in der Regel nicht darauf angelegt, überhaupt Profite zu erwirtschaften.
Vierte Analyseebene: Geschlecht
Auf der letzten Analyseebene lassen sich sämtliche unabhängige Gründungskatego- rien auch noch danach unterscheiden, ob der Initiator weiblich oder männlich ist. Hier wird die oben angesprochene Vielfalt auch weiblicher Existenzgründungen deutlich.
Abbildung 2 fasst die vorgestellte Typologie unternehmerischer Aktivitäten zusam- men:
Abb. 2: Taxonomie unternehmerischer Aktivitäten
Insgesamt belegt die Typologisierung unternehmerischer Aktivitäten die Vielfalt von Gründungsmotiven und daraus resultierenden unterschiedlichen Wachstumseffekten auf die Gesamtwirtschaft. Deutlich wird auch, dass mit Gründungsförderung unter- schiedliche Ziele erreicht werden, je nachdem, welcher ‚Unternehmertypus“ mit den Maßnahmen erfasst wird. Daher muss in einem ersten Schritt Klarheit über die Ziele der Gründerinnenförderung bestehen.
In einem zweiten Schritt ist zu bedenken, wie unterschiedliche Adressaten von För- derprogrammen erreicht werden können. Das hängt – wie oben gezeigt wurde –ins- besondere davon ab, auf we lcher Entscheidungsgrundlage die Gründer ihren Entschluss für den Schritt in die Selbständigkeit getroffen haben. Dabei ist von we- sentlicher Bedeutung, welche Opportunitätskosten die Existenzgründung für den Gründungsinitiator aufwirft: Der Gründer oder die Gründerin eines Hobby/Lifestyle
Ausgangspunkt Kontext Wachstumspotential Einkommenspotential Geschlecht Unternehmerische
Aktivitäten
Corporate
Ventures need-driven
unabhängige
Gründungen high-growth technology- driven
Subsitenz- sicherung low-growth
Nebenerwerb Hobby/Lifestyle
männlich weiblich
männlich weiblich
männlich weiblich männlich weiblich männlich weiblich
Betriebes wird in der Regel keine nennenswerten Opportunitätskosten haben, die Gründerin eines potentiellen High-Growth Unternehmens dagegen sehr wohl: ein hohes entgangenes Einkommen aus abhängiger Beschäftigung, Verlust an Sicher- heit, Verlust von Image und beruflichen Netzwerkkontakten bei Misserfolg u.a.m. sind hier zu nennen. Staatliche Gründungsförderung wird die Entscheidungsgrundlage von Gründerinnen und Gründern – so das Zwischenergebnis - immer dann verän- dern können, wenn es gelingt, die Opportunitätskostenüberlegungen der Akteure durch entsprechende zusätzliche Erträge zu verändern.
Zur theoretischen Fundierung dieser Ergebnisse wird im nächsten Schritt eine nut- zentheoretische Analyse skizziert, die darauf abzielt, Kausalzusammenhänge zwi- schen den Präfe renzen der Akteure und der Effizienz staatlicher Fördermaßnahmen abzuleiten.
4.2 Nutzentheoretische Fundierung
Nachfolgend wird auf einen theoretischen Rahmen zurück gegriffen, der die Entscheidungsgrundlage von Personen abbildet, die sich entweder für eine abhän- gige Beschäftigung oder eine selbständige Existenz entscheiden61. Innerhalb dieser
„Modellwelt“ wird abgeleitet, an welchen Ansatzpunkten staatliche Gründerinnenför- derung ansetzen kann, um die Entscheidung einzelner Personen zugunsten eines Unternehmerinnendaseins zu verändern. Dabei wird insbesondere deutlich, dass Personen mit unterschiedlichen Präfe renzen und Nutzenniveaus von staatlichen Maßnahmen in Stärke und Richtung unterschiedlich erreicht werden. Die entspre- chenden Auswirkungen unterschiedlicher Gründungsförderungskonzepte werden abschließend diskutiert. Dabei wird deutlich, dass hier noch wesentlicher Forschungsbedarf besteht.
Die Nutzentheorie unterstellt, dass Individuen ihre Entscheidungen so treffen, dass aus ihren Handlungen der größte für sie erreichbare Nutzen resultiert. Dabei induzie- ren bestimmte Resultate von Handlungsalternativen einen positiven Nutzen (Zufrie- denheit) und andere einen negativen Nutzen (Unzufriedenheit). Das Zusammenwir- ken aller aus einer Handlung resultierender Nutzeneffekte bestimmt ihren Gesamt- nutzen. Bezogen auf die Berufswahl folge ich Douglas/Shepherd (1999), die den Nutzen eines Berufes determiniert sehen durch:
- das Einkommen,
- den Arbeitsaufwand,
- das Risiko,
- die Unabhängigkeit und
- den weiteren Faktoren (z. B. soziale Anerkennung, Möglichkeit zuhause zu arbei- ten)
die mit seiner Ausübung verbunden sind.
Unterschiedliche Personen bewerten die Richtung und Stärke des Nutzeneffektes der oben genannten Determinanten unterschiedlich. Einzig beim Einkommen kann ein grundsätzlich positiver Nutzeneffekt unterstellt werden, dessen Höhe jedoch je nach den Präfe renzen und dem bereits erreichten Nutzenniveau der betrachteten Person variiert.
Formal lässt sich dieser Zusammenhang in statischer Betrachtung62 wie folgt abbilden:
Uij = F (Yj, Wj, Rj, Ij, Oj)
mit
Uij = Gesamtnutzen, der für eine Person i aus dem Beruf j (zu einem Zeitpunkt ) Yj = Einkommen des Berufs j
Wj = Arbeitseinsatz für den Beruf j Rj = Risiko des Berufs j
Ij = Unabhängigkeit im Beruf j Oj = andere Faktoren des Berufs j
Die Entscheidung, ob eine Frau im konkreten Einzelfall als abhängig Beschäftigte oder als Unternehmerin arbeiten wird, hängt demnach vom Zusammenspiel sämtli- cher äußeren Bedingungen ab, die sie vorfindet. Eine Frau wird nach dieser Vorstel- lung den Beruf wählen, der ihr individuelles Nutzenniveau maximiert. Welche Nut- zendeterminanten die Wahl im Einzelfall beeinflussen, ist dabei von dem persönli- chen Präferenzniveau einer Frau und von den Alternativen abhängig, zwischen de-
nen sie wählen kann. Unterschiede in der Möglichkeit Berufs- und Familienarbeit zu vereinbaren, sind in der Nutzenfunktion durch den Arbeitseinsatz und die anderen Faktoren, die die Berufswahl beeinflussen, erfasst. Das schließt auch die Möglichkeit ein, dass abhängig Beschäftigte – genauso wie Unternehmerinnen – entsprechende Konzepte beispielsweise über Teilzeitangebote oder Telearbeitsplätze realisieren.
Bei einer Gegenüberste llung der Entscheidung zugunsten einer abhängigen Be- schäftigung und einem Unternehmerinnendasein lassen sich aus diesen Überlegun- gen folgende Aussagen ableiten63:
1. Eine hohe Arbeitseinsatzbereitschaft, hohe Risikobereitschaft64 und eine starke Präferenz für Unabhängigkeit65 erhöhen den Anreiz Unternehmer(in) zu werden.
Allerdings ist jede dieser Haltungen dafür weder notwendig noch hinreichend. Es ist beispielsweise denkbar, dass eine Frau, die stark avers hinsichtlich Risiko, Ar- beitsbereitschaft und Unabhängigkeit ist, trotzdem in einer Selbständigensituation genug verdient, um sie für die Unbequemlichkeiten, die aus dem hohen Ar- beitseinsatz, der hohen Risikoübernahme und der Unabhängigkeit resultieren, mehr als zu kompensieren. Ebenso denkbar ist, dass eine Frau, die über starke Risikotoleranz, Arbeitsbereitschaft und Unabhängigkeit verfügt, trotzdem in einer Abhängigkeitssituation genug verdient, um sie für die Unbequemlichkeiten hin- sichtlich dieser von ihr negativ bewerteten Begleitumstände der Berufswahl mehr als zu kompensieren. Entsprechende Kombinations möglichkeiten können sich für beide Berufsfelder auch ergeben, wenn in einer Alterna tive die Möglichkeit zur Vereinbarkeit der Familien- und Berufsarbeit beispielsweise durch die Möglich- keit, zuhause zu arbeiten, ausgeprägter vorhanden ist und die Frau diesen Nut- zenaspekt sehr stark gewichtet.
2. Allgemein lässt sich festhalten, dass eine Frau mit hoher Humankapitalausstat- tung, ho her Arbeitseinsatzbereitschaft, hoher Risikobereitschaft und einer starken Präferenz für Unabhängigkeit höhere Anreize hat, Unternehmerin zu werden, als eine Person mit schwächeren Ausprägungen dieser Merkmale. (Bevor diese Ab- sicht in die Tat umgesetzt werden kann, muss allerdings eine entsprechende Gelegenheit gegeben sein.) Eine Frau mit geringerer Humankapitalausstattung und mit schwacher Ausprägung der Merkmale Arbeitsbereitschaft und Bereit-