• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Behutsam unter die Haut: Die Tiefe in den Bildern von Torsten Sautter" (12.11.1987)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Behutsam unter die Haut: Die Tiefe in den Bildern von Torsten Sautter" (12.11.1987)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

„Kopf im Quadrat" von Torsten Sautter, Winter 1984/85, Tempera auf Packpapier auf Nessel, 86 x 86 cm DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Zum ersten Mal hatte ich Bilder Zum

Torsten Sautter vor gut zwei Jahren gesehen. In Berlin. Er hatte ausschließlich Köpfe ausgestellt. Die aus einem Halbdunkel auftauchen- den Gesichter mit ihrer Vielfalt des Ausdrucks, von ruhig und nach- denklich bis aufgewühlt, in warmen, stark gebrochenen Rotbrauntönen, gefielen mir spontan. Doch was ei- gentlich in mir vorgegangen war, merkte ich vierzehn Tage später, als ich die Bilder noch mal sehen wollte, sie jedoch nicht mehr in der Galerie hingen.

Ich fand heraus, wo Torsten Sautter arbeitete. Er .war noch Stu- dent an der Berliner Hochschule der Künste, Fachbereich 6, bei Profes- sor Wolfgang Petrick. Beinahe ver- barrikadiert hinter einigen seiner großen Bilder traf ich ihn in einem der Ateliers an, die sich sechs bis zehn Studenten teilen müssen. Ich wollte die Köpfe wiedersehen und andere Bilder kennenlernen. Denn die Bilder Torsten Sautters arbeiten, sie lassen den Betrachter nicht mehr los, auch wenn Verletzung, Isolie- rung und Verlorensein dargestellt sind.

Ausgesetzt

Anfangs malte Sautter nur Ein- zelfiguren, bezeichnenderweise heißt ein Werk „Einzelbild". Diese Beschränkung ist nicht zufällig, in- teressieren ihn doch Extremzustän- de des Menschen, und hier beson- ders das Ausgesetztsein im Leiden.

Der Maler geht den Figuren unter die Haut und zeigt ihr Inneres. Hier zeigt sich bei Betrachtern sicher Wi- derstand. Es gibt Menschen, die am Boden liegen, ihr Wundsein zeigen, ihre Garstigkeit und ihre Widersprü- che. Das stellt Anforderungen an die Bereitschaft, sich zu stellen, den eigenen Ängsten zu stellen.

Phönix

Sautter hat für einige Werke die Form des Triptychons gewählt, hat eine Kreuzigung gemalt und sich mit einem verwandten Mythos, dem des

Behutsam

u nter.,..coester die Haut

Die Tiefe in den Bildern von Torsten Sautter

„Rückenakt", 1986, Ölauf Holz, 128 x 89,5 cm

Phönix, beschäftigt. Malt er Hel- den? Gewiß nicht im Sinne eines strahlenden Siegers. Das „Phönix"

betitelte Triptychon zeigt vor allem Hinfälligkeit. Die Figuren gehen mit ihrem Schmerz und ihrer Versehrt- heit auf den Betrachter zu, lassen ihn Anteil nehmen oder fordern ihn heraus. Auch wenn anfangs Befrem- den vor den Bildern entsteht, arbei- ten sie jedoch nicht mit einer vorder- gründigen Schockwirkung.

Seinszustände

Die Untersuchung des mensch- lichen Körpers und seiner Befind- lichkeiten führte Sautter auch ins Anatomische. Er malte das mensch- liche Gehirn, das bei ihm zu einem ausgebreiteten Stilleben wird. Auch hier ist die Frage nach unserer Exi- stenz gestellt. Oder die Darstellung der männlichen und weiblichen Ge- nitalien. Sie werden direkt, ohne Umschweife gezeigt, wie Präparate (so der Titel eines Bildes), doch da- bei ohne schockierendes Kalkül, oh- ne Symbol-Chic.

In letzter Zeit sind zu den figür- lichen Themen auch Landschaften gekommen: keine realen Landschaf- ten, eher Seinszustände, Lagerungen und Schichtungen von Gefühlen.

A-3148 (82) Dt. Ärztebi. 84, Heft 46, 12. November 1987

(2)

Haut

Seinen Themen gemäß verfügt Sautter virtuos über die Rot- und Braunskalen. Es gelingt ihm, den Nuancenreichtum der menschlichen Haut in allen ihren Zuständen her- auszuarbeiten. Obwohl seine Bilder oft dunkel sind, spielt Farbigkeit die Hauptrolle, ist entscheidend für die langfristige Wirkung der Bilder. Die Farbtöne sind nicht aufdringlich, sondern geben sich erst allmählich preis, müssen entdeckt, erarbeitet und empfunden werden.

Es gibt bei Sautter keine festge- legten Entwürfe. Er nähert sich sei- nem Thema langsam. Das Darge- stellte entsteht in einem langwieri- gen Prozeß von Veränderungen, von Übermalen und wieder Wegkratzen.

Die Wesen treten so aus einer Tiefe hervor, nicht aber aus einer perspek- tivischen Räumlichkeit. Oft führt mehrjähriges Arbeiten an den Un- tergründen zu völlig neuen Bildern.

Mit ihren verletzten Oberflä- chen haben die Bilder eine taktile, sinnliche Präsenz, entstanden durch Abkratzen und Einritzen oder durch

Einarbeiten von strukturgebenden Materialien. Die Rohheit der Rah- men, teils aus gefundenem Holz, be- tont das Eigenleben jedes Werkes.

Überzeugend

In einer Zeit, deren Kunstspek- trum von kühlen Konzepten über Performance und Video bis zu lau- tem, schnellem Gestus reicht, kon- zentriert sich Sautter auf das Maleri- sche als dem Ursprünglichen in der abendländischen Kunst. Das Über- zeugende und die Kraft in seinen Arbeiten: Inhalt und Arbeitsweise bedingen einander. Den Schichten des Menschlichen, die freigelegt werden, entsprechen die Schichten des Malauftrags. Die behutsamen Entblößungen stimmen mit der lang- wierigen künstlerischen Arbeit über- ein, die sich nicht von einer schönen Stelle im Bild korrumpieren läßt.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Claus-H. Coester Winterfeldstraße 6

1000 Berlin 30

Torsten Sautter wurde 1961 in Dresden geboren; er studiert seit 1982 an der Hochschule der Künste in Berlin bei Professor Wolfgang Petrick, inzwischen in der Meister- klasse. Mitte der achtziger Jahre hatte Sautter die Gelegenheit, in den großen Räumen einer alten Fa- brik arbeiten zu können. Mehr Raum bedeutete für ihn mehr Mög- lichkeiten der Entfaltung. Seither malt Sautter, dessen Grundthema zuvor kleinformatige Köpfe waren, an großen Bildern mit mehreren Fi- guren. Seine Werke wurden in Ber- lin, 1986 in Ulm, im Mai 1987 in Köln und im September '87 in Bonn gezeigt. Bis zum 22. Novem- ber stellt er zusammen mit der Petrick-Klasse in der „Katakombe am Kreuzberg" in Berlin-Kreuz- berg (Monumentenstraße 24) aus.

Anläßlich des Kölner Kunstmark- tes eröffnet die Galerie Westernha- gen in Köln (Bismarckstraße 33), die sich auf junge Berliner Künstler spezialisiert hat, eine Accrochage mit Bildern von Torsten Sautter und fünf anderen jungen Künst- lern: „Berlin bleibt Nilreb" (bis zum 19. Dezember).

Musikmesse „Musica '87" in Hamburg — Vom 12. bis zum 15. No- vember findet die „Musica '87", ei- ne Messe für Musikinstrumente, Musikalien, Musikelektronik statt.

Die Messe, die unter dem Motto

„Musik zum Anfassen" steht, ist nicht nur für Profis interessant, auch Musikfreunde sollen durch Aktio- nen und Diskussionen zum Thema Musik zu ihrem Recht kommen. Live- Musik wird in über dreißig Konzerten während der Schau geboten. UR Eugene Delacroix im Frankfur- ter Städel — Bis zum 10. Januar zeigt das Städelsche Kunstinstitut in Frankfurt eine große Retrospektive des französischen Malers Eugene Delacroix, mit ca. 230 Gemälden und Zeichnungen die bisher umfang- reichste Ausstellung außerhalb Frankreichs. Die aus der Züricher Ausstellung übernommenen Gemäl- de werden in Frankfurt mit Werken aus der Graphischen Sammlung des Städel ergänzt. Nach Frankfurt wird die Retrospektive nur noch in Wa- shington zu sehen sein. hut

Ein Buch voller Details: Regie- protokolle des Berliner Rings — Im Jubiläumsjahr ist noch ein Berlin- Buch erschienen, aber ein unge- wöhnliches, nämlich für Opern- und Berlin-Fans zugleich: „Der Berliner Ring" , Götz Friedrichs Ring-In- szenierung, beschrieben von Nor- bert Ely, unter Mitarbeit von Peter Sykora Immer wieder wird zu Recht beklagt, daß es so wenig Re- gieprotokolle bemerkenswerter In- szenierungen gibt. Das Berliner Team der Ring-Tetralogie ging da- her von Anfang an sendungsbewußt sub specie aeternitatis an die Arbeit, in der Überzeugung, Probleme, an denen Richard Wagner zu seiner Zeit scheitern mußte, aktuell konge- nial zu lösen. Eine Einschätzung, die mit Wagners Theorien vertraute Kritiker sehr schnell teilten. Der Werdegang einer Produktion ist hier in analytischen Essays, beispielswei- se über das Raumkonzept

des

Zeit- tunnels, wie in umfassender Bilddo- kumentation von Entwürfen bis zur Aufführung festgehalten. Ein wert-

volles Buch mit vielen Details (wer es noch nicht wußte, erfährt etwa, daß der Cineast Friedrich auch aus aktuellen TV-Serien seine Anregun- gen bezieht), — auch wenn Norbert Ely gelegentlich in einen allzu popu- larisierenden Feuilletonstil verfällt.

Dieser „Berliner Ring" ist im Paul Neff Verlag, Wien, erschienen und für 248 DM zu haben. hun Die frühe Avantgarde in Düs- seldorf — Bis zum 6. Dezember ist in der Städtischen Kunsthalle Düssel- dorf die umfangreiche Ausstellung

„Die Axt hat geblüht . . ." — Euro- päische Konflikte der 30er Jahre in Erinnerung an die frühe Avantgarde

— zu sehen. Ausgehend von Beispie- len nationaler Selbstdarstellungen auf internationalen Ausstellungen der 30er Jahre, insbesondere der

„Exposition Internationale des Arts et Techniques dans la vie Moderne"

von 1937 in Paris, werden

hier Ar- beiten von bildenden Künstlern und

Architekten aus Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und der Sowjetunion gezeigt. SK Dt. Ärztebl. 84, Heft 46, 12. November 1987 (85) A-3149

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Das Ganze entpuppt sich als Etikettenschwindel, und man sieht sich mit einem weiteren Sammelband konfrontiert, der die Frage nach dem Bild als solche für so aktuell hält, dass man

While the macro level of the model produces a classical cusp catastrophe - a result that is preserved in the agent-based form - it is found that the behavior of the model

Yet there are both differences to evolutionary systems in biology and lessons to be learned from evolutionary biology, particularly in relation to the retention of information and

This constitutes a true indirect effect that works via usage shares in the other segment and contradicts the direct effects analyzed in the theoretical model above in appendix A

2.3 Unter hohem Druck zu verflüssigende Gase, chemisch instabil (in der Regel entzündbar) 3.1 Unter geringem Druck zu verflüssigende Gase,.. nicht entzündbar,

The initial value specification for ˜ c given in Theorem 2 shows that there is a tight relation between the absolute risk aversion and the optimal adaptive trading strategy: If A is

Our main result states that for CARA investors there is surprisingly no added utility from allowing for intertemporal updating of strategies, i.e., the expected utility is maximized

Weitere Erträge der Arbeit sind, dass die Dichotomie Mündlichkeit/ Schrift- lichkeit nicht mehr ausreicht, um der medialen Vielschichtigkeit zahlreicher Text- sorten gerecht zu