Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 12½½½½23. März 2001 AA721
S E I T E E I N S
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ie halte nicht an Regelungen fest, die ihr nicht praktikabel er- schienen, erklärt Bundesgesund- heitsministerin Ulla Schmidt (SPD), sobald es um die Abschaffung des Kollektivregresses geht. Als wenig praktikabel hat sie offenbar auch die Zusammenarbeit mit zwei Ab- teilungsleitern eingeschätzt. Vor kurzem wurde bekannt, dass Ulrike Riedel, Parteimitglied der Grünen, ihren Posten räumen musste. Sie lei- tete die Abteilung III (Gesundheits- vorsorge/Krankheitsbekämpfung) im Bundesgesundheitsministerium. Rie- del hatte mit Andrea Fischer in Sa- chen Gentechnik und Präimplantati- onsdiagnostik (PID) auf einer Linie gelegen. Zuvor musste Dr. med.Hermann Schulte-Sasse seinen Hut nehmen (Abteilung II: Gesundheits- versorgung/Krankenversicherung).
Ihm wurden angeblich Meinungs-
verschiedenheiten mit Schmidt über die Aufhebung der Arzneimittel- budgets zum Verhängnis. Direkt nach ihrem Amtsantritt hatte sie Erwin Jordan als beamteten Staats- sekretär entlassen. Seinen Posten übernahm Dr. Klaus Theo Schröder.
Hohe politische Beamte auszu- tauschen ist üblich, wenn Regierun- gen oder Minister wechseln. Muss es sein? Nein, wenn der Betreffende das Musterbeispiel eines loyalen Be- amten ist und die Chemie stimmt. Ja, wenn es fachliche Differenzen gibt und Zweifel, dass man miteinander kann. Ulla Schmidt ist keine Fach- frau in der Gesundheitspolitik. Sie braucht umso mehr Spitzenbeamte, auf deren störungsfreie Zuarbeit sie sich verlassen kann.
Aber wen? Die beiden Abteilungs- leiterposten waren bislang noch offen.
Schmidt hatte also keine wirklichen
Wunschkandidaten in der Hinter- hand, oder geeignete Fachleute haben einen Arbeitsplatz mit Zwei-Jahres- Garantie (zunächst) abgelehnt. Am Montag wurde jedoch (zunächst aus der Presse) bekannt, dass Privatdo- zent Dr. med. Stefan Winter Nachfol- ger von Riedel wird. Er arbeitet bis- lang als Dezernent für die Bundesärz- tekammer (BÄK). Winter gilt als Be- fürworter der PID, zumindest in den Grenzen, die der Diskussionsentwurf des Wissenschaftlichen Beirats der BÄK bislang vorsieht. Den Nachfol- ger von Schulte-Sasse will das Bun- desgesundheitsministerium noch in dieser Woche präsentieren.
Schneller endete Schmidts Suche nach einer neuen Pressesprecherin.
Sabine Lauxen wurde versetzt, An- nelies-Ilona Klug ernannt. Sie hatte den Posten erstmals unter Horst Seehofer inne. Sabine Rieser
Personalwechsel im BMG
Die Neuen kommen
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eder fünfte Freizeitsportler im Fit- nessbereich konsumiert Doping- präparate. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Dr. med.Carsten Boos von der Medizinischen Universität Lübeck, die während ei- ner Anhörung des Sportausschusses des Bundestages vorgestellt wurde.
Danach werden weit häufiger Medi- kamente zum Muskelaufbau im Breitensport eingenommen, als man bisher glaubte (dazu erster Teil der Studie im DÄ 16/1998).
Sicher sind die vorgelegten Zahlen vorerst nur Spekulation, da Untersu- chungen in diesem Bereich sehr schwierig sind – dies räumt auch der Autor ein, dessen Studie bisher die einzige in Deutschland ist. Dennoch:
„Sollten die Zahlen auch nur zur Hälf- te stimmen, ist angesichts der Mit-
gliedszahlen in kommerziellen Fit- nessstudios von mindestens 200 000 Anabolikakonsumenten in Deutsch- land auszugehen“, warnt Boos.
Der Erwerb entsprechender Prä- parate auf dem Schwarzmarkt ist den Angaben der befragten 454 Frei- zeitsportler aus 58 Fitnessstudios (365 Männer und 89 Frauen) zufolge problemlos. Erschreckend ist zu- dem, dass 19 Prozent der Befragten (Durchschnittsalter 29 Jahre) als Be- zugsquelle für die Dopingpräparate ihren Arzt angeben. „Hierbei handelt es sich um einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz wie auch gegen die ärztliche Berufsordnung“, kriti- siert Boos. Dies könne nur mit „mer- kantilen Zwängen“, nicht aber mit Unwissenheit erklärt werden. Denn der hohe First-Pass-Effekt in der Le-
ber und das Toxizitätspotenzial der oralen anabolen Steroide, die 88 Pro- zent (!) der Sportler mit Medikamen- tenanamnese konsumieren, seien hin- länglich bekannt. 22 Prozent der Frei- zeitsportler nehmen Stimulanzien ein. Bei den oralen Präparaten do- minierten Methandion, Stanozolol, Oxandrolon und Clenbuterol, bei den parenteralen Präparaten Methandi- on, Stanozol, Testosteron und Nan- drolon. Die tägliche Steroideinnah- memenge variiert stark und liegt zwi- schen 33 und 67 mg. Der therapeu- tische Bereich wird häufig um das Zehn- bis Hundertfache überschrit- ten. Auch wenn Doping im Freizeit- bereich schwer kontrollierbar ist – Ärzte sollten ihre Fürsorgepflicht nicht dem Schönheitsideal ihrer Pati- enten unterordnen. Dr. med. Eva A. Richter