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A Verantwortung in der Wissenschaft

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© 2011 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 1617-9439/11/1212-3 Physik Journal 10 (2011) Nr. 12 3 M e i n u n g

Meinung von Prof. Dr. Ulrich Rüdiger, Rektor der Universität Konstanz und Professor für Experimentalphysik.

A

ls gravierende Verstöße gegen die Grundsätze der Redlich- keit und guter wissenschaftlicher Praxis hat der Verwaltungsge- richtshof Baden-Württemberg die Datenfälschungen von Jan Hendrik Schön gebrandmarkt. Damit hat sich der ehemalige Konstanzer Physiker, so urteilten die Richter am 14. September 2011 in Mann- heim, als unwürdig zum Führen des Doktorgrades erwiesen. Mit diesem Richterspruch ist nicht nur eine gerichtliche Auseinander- setzung im Sinne der Universität Konstanz ausgegangen. Das Urteil weist weit über diesen Einzelfall hinaus: Schwerwiegendes wissen- schaftliches Fehlverhalten rechtfer- tigt demnach im Nachhinein den Entzug des Doktorgrades wegen Unwürdigkeit – im Einklang mit

§ 35 Abs. 7 des Landeshochschul- gesetzes Baden-Württemberg.

Damit hat ein deutsches Gericht zum ersten Mal den Begriff der Unwürdigkeit wissenschaftsbe- zogen ausgelegt und sich klar zu den Grundsätzen guter wissen- schaftlicher Praxis bekannt. Dass diesen Grundsätzen in richterlicher Instanz der Stellenwert zugebilligt wird, der ihnen als unabdingbare Basis jedweder Möglichkeit von Wissenschaft zukommt und sie in gesellschaftlichem Auftrag schützt, ist nicht hoch genug einzuschätzen.

Dabei beziehen sich die Fäl- schungen, die Jan Hendrik Schön nachgewiesen wurden, nicht auf seine im Jahr 1998 an der Uni- versität Konstanz abgeschlossene Dissertation. Die von den Bell Labs in den USA eingesetzte Beasley- Kommission datierte die 16 Fälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens, die sie Schön nachweisen konnte, in die Zeit seiner Anstellung bei Bell, somit nach Erlangung des Dok- torgrades. Die Bell Labs entließen Schön daraufhin 2002. Ein Aus- schuss der Deutschen Forschungs-

gemeinschaft (DFG), die universi- täre Kommission „Verantwortung in der Wissenschaft“ und Untersu- chungen des Promotionsausschus- ses an der Universität Konstanz bestätigten und ergänzten die Er- gebnisse der Beasley-Kommission.

Jan Hendrik Schöns Doktorarbeit blieb jedoch, mit Ausnahme hand- werklicher Fehler, unbeanstandet.

Trotzdem haben wir nach nochma- liger Prüfung durch unseren Pro- motionsausschuss Schön 2004 den Doktorgrad mit der Begründung entzogen, dass er sich durch sein späteres Verhalten als unwürdig zur Führung des Doktorgrades er- wiesen hat. Genau hierin liegt eine wichtige Abgrenzung zu den in den vergangenen Monaten in den Medi- en viel diskutierten Plagiatsvorwür- fen: Der „Fall Schön“ unterscheidet sich grundlegend von diesen Vor- gängen, da wir ihm kein Plagiat im Rahmen der Doktorarbeit vorge- worfen haben. Auf Schöns Wider- spruch folgte 2009 dessen Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg, der stattgegeben wurde.

Vor dem Hintergrund der Be- deutung des wissenschaftlichen Fehlverhaltens von Jan Hendrik Schön konnten wir dieses Urteil nicht akzeptieren. Mit der Beru- fung ging es der Universität Kons- tanz um die grundsätzliche Frage, wie Universitäten auf schwere wis- senschaftliche Vergehen reagieren können. Das Urteil des höherins- tanzlichen Gerichts in Mannheim hob das Freiburger Urteil nicht nur zu meiner großen Erleichterung auf. Die gesamte wissenschaftliche Gemeinschaft wird es mit gro- ßer Genugtuung aufgenommen haben. Dass das Vertrauen in die Echtheit und die Dokumentation von Originaldaten und in die Re- produzierbarkeit experimenteller Ergebnisse aller wissenschaftlichen Tätigkeit zugrunde liegen muss, ist für mein Fach, die experimentelle

Physik, eine Selbstverständlichkeit.

Für alle anderen exakten Wissen- schaften gilt fraglos dasselbe – wie es überhaupt ohne das Prinzip wis- senschaftlicher Redlichkeit keine Wissenschaft geben kann.

Diese Tatsache zweifelte auch das Freiburger Urteil nicht an. Die Richter stellten aber fest, dass ein Entzug des Doktorgrades aufgrund nachträglicher Unwürdigkeit nicht allein mit wissenschaftlichem Fehlverhalten nach der Promotion begründet werden könne. Hätte dieses Urteil auch in der nachfol- genden Instanz Bestand gehabt, hätten wir uns ernsthaft Gedanken um den entsprechenden Passus im Landeshochschulgesetz Baden- Württemberg machen müssen.

Ich möchte hier nicht die Frage stellen, was „geeigneter“

sein könnte, Unwürdigkeit in wissenschaftlichen Belangen zu begründen als die Fälschung von Forschungsergebnissen. Das Mannheimer Urteil geht denn auch davon aus, dass hier ein ideal- typischer Fall von Unwürdigkeit und mithin für den berechtigten Entzug des Doktorgrades vorliegt.

Wissenschaft genießt in unserer modernen Gesellschaft einen großen Vertrauensvorschuss, der wiederum zu größter Verantwort- lichkeit verpflichtet. Nicht nur, weil diese Gemeinschaft Jahr für Jahr viele Steuermilliarden in die Wis- senschaft investiert, haben wir die Pflicht, unser Wirken den strengs- ten Regeln zu unterwerfen.

Verantwortung in der Wissenschaft

Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg weist durch seine

wissenschaftsbezogene Auslegung des Begriffs der Unwürde weit über den Fall Schön hinaus.

Ulrich Rüdiger

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