Schwarzbuch
Offener Brief an Ulla Schmidt
Die Ministerin verstehe die Ärzteschaft nicht, meint Dr. Ulrich Thamer.
D
r. med. Ulrich Thamer,Vor- sitzender der Kassenärztli- chen Vereinigung (KV) West- falen-Lippe, hat in einem offe- nen Brief an Bundesgesund- heitsministerin Ulla Schmidt heftig kritisiert, dass diese die Ärzteschaft in ihrem Schwarz- buch mit Begriffen wie Sabo- tage, Desinformation und kri- minelle Energie in Verbindung bringt. Besonders SchmidtsÄußerung, sie könne aus Ärz- ten „keine Millionäre ma- chen“, zeige, dass die Ministe- rin nicht verstehe, um was es der Ärzteschaft gehe.
Die Vertragsärzte setzten die Gesundheitspolitik gedul- dig um, nähmen Nullrunden hin, kassierten die Kassenge- bühr und trügen nach Zahlung der Gesamtvergütung durch die Krankenkassen die Risi- ken der Morbidität, schreibt Thamer unter anderem. Für Überschreitungen des Ausga- benvolumens für Arznei- und Heilmittel hafteten sie zudem mit ihrem Vermögen. Und di- rekt an die Ministerin ge- wandt: „Mit den im derzeiti- gen System enthaltenen über- wiegend noch versteckten Ra- tionierungen von Gesund- heitsleistungen bringen Sie Ärzte in ethische Konflikte.“
Mit dem am 6. April ver- öffentlichten „Schwarzbuch“
versuche Schmidt erneut, von den Schwächen der Gesund- heitsreform abzulenken. Das
„Schwarzbuch“ zeige, dass die Ministerin mit dem Rücken zur Wand stehe. Thamer: „Ih- re ständigen Diffamierungen und die verzerrenden Darstel- lungen Ihrer Reform mit poli- tikentlastenden Schuldzuwei- sungen werden dazu führen, dass Ihnen in absehbarer Zeit keiner mehr folgt und die Ärz- te sich frei organisieren.“ JF A K T U E L L
Ulrich Thamer, Vorsitzender der KV Westfalen-Lippe
Privatkliniken
Synergien nutzen
Eugen Münch sieht in der Gesundheitsreform 2003 vor allem Chancen.
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as GKV-Modernisierungs- gesetz eröffne den privaten Krankenhäusern, insbesonde- re den Klinikkonzernen und -ketten, gute Chancen zu ex- pandieren und ihre Marktpo- sition zu festigen. Mit Ein- führung diagnosebezogener Fallpauschalen, dem externen Benchmarking, der erneuten Teilöffnung der Krankenhäu- ser für klinikambulatorische und stationsersetzende Lei- stungen, durch die integrieren- de Versorgung und die Beteili- gung an medizinischen Ver- sorgungszentren könnten sich die Krankenhäuser in den Vertrags- und Qualitätswett- bewerb einschalten, so Eugen Münch, der Vorstandsvorsit-zende der Rhön-Klinikum AG, Bad Neustadt an der Saale, in einem Statement in „Die Er- satzkasse“ (Heft 1/2004).
Die Reform sei allerdings keine Jahrhundertreform. Da- gegen sei es ein „Quanten- sprung“, dass die Kranken- häuser weiter institutionell geöffnet werden sollen. Da- durch könnten Doppelunter- suchungen ohne Qualitätsver- lust weitgehend vermieden werden. Durch die Integration von Arztpraxen in eine sek- torenübergreifende Vertrags- struktur könnten die Kran- kenhäuser künftig ihre Inve- stitionen besser nutzen und von Synergie-Effekten profi- tieren. Niedergelassene Fach- ärzte könnten mit Kliniken kooperieren und/oder auch Arztpraxen an die Klinikbe- triebe andocken. Auch in Ver- sorgungszentren sieht Münch ein „Maximum an Vorteilen“, wenn niedergelassene Ärzte motiviert werden, nicht als Schutzbefohlene und Beauf- sichtigte, sondern als unter- nehmerisch Selbstständiger in Zentren mitzuwirken. HC
Pflegeversicherung
Weniger
Nachgutachten
Ergebnisse 2003 der privaten Begutachtung
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ie Zahl der Aufträge der privaten Krankenversi- cherung für eine Pflegebegut- achtung durch den Medizi- nischen Dienst Medicproof, Köln, ist 2003 von 104 746 Aufträgen auf 92 555 zurück- gegangen (–12 Prozent). Der Rückgang der Wiederholungs-/Nachgutachten ist zurückzu- führen auf die Direktiven von
zwei Grundsatzurteilen des Bundessozialgerichts vom 22.
August 2001 (Az.: B 3 P 21/00 R und B 3 P 4/01 R). Da- nach dürfen Wiederholungs- gutachten nur dann durch- geführt werden, wenn der
Verdacht besteht, dass sich der Hil- febedarf in pfle- gestufenrelevan- tem Umfang ver- ringert hat, jedoch nicht nach Wie- dervorlage und routinemäßig.
Seit Wirksam- werden der Urtei- le reduzierte sich die Zahl der Wie- derholungsgut- achten von 43 940 auf 15 547. Die Erstgutachten (2003: +1 275 auf 34 447) und die Gutachten nach Antrag auf eine andere Pflegestufe (2003: + 2 381 auf 23 346) sei- tens der Versicherten stie- gen leicht, können jedoch
die entfallenden Wiederho- lungsgutachten nicht kom- pensieren.
Von den rund 92 500 Auf- trägen wurden 72 562 Anträ- ge bewilligt, 9 570 dagegen abgelehnt sowie 11 423 ohne Pflegestufenzuordnung erle- digt. Nach wie vor ist unter den Bewilligungen die Stufe I mit 43,2 Prozent am stärksten besetzt. Auf die Pflegestufe II entfallen 40,3 und auf die Stu- fe III 16,5 Prozent der Fest- setzungen. Gegenüber 2002 hat sich die Pflegestufenver- teilung nur geringfügig verän- dert, der Anteil in Pflegestufe I ist leicht gestiegen, der in Stufe III leicht gesunken. Die Einstufungen in der Stufe II blieben unverändert. HC
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A1124 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1723. April 2004
Foto:Bernhard Eifrig
In der Pflegestation des Waldkrankenhauses in Berlin Spandau wird eine alte Dame gebadet.
Foto:Caro