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Archiv "Wichtige Kofaktoren" (15.04.2011)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 15

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15. April 2011 263

M E D I Z I N

Berufspolitik

In dem Artikel fehlt schlicht der Hinweis, dass Lesen und Schreiben zwangsläufig viel mit Sehen und vor allem beidäugigem Sehen zu tun hat und bei Störun- gen dieser wichtigen Funktionen nicht funktionieren kann. Die Netzhaut ist anatomisch und entwick- lungsgeschichtlich der einzig beweglich vor die Schädelkalotte gelagerte Teil unseres Gehirnes. 80 % aller Informationen erhalten wir über das visuelle System, das 50 % des Energieverbrauchs des Ge- hirns beansprucht. Sehen ist motorische Arbeit der Pupillenmotorik, Akkomodation, Konvergenz und Fusion im Takt von Millisekunden. Dass Störungen in diesem komplexen System keine Lesestörungen hervorrufen könnten, erscheint geradezu absurd. Die üblichen Tests auf Sehschärfe und Stereosehen mit der Schnelldiagnose „Adlerauge“ reichen nicht aus.

Nötig ist eine Analyse der assoziierten Heterophorie, vulgo Winkelfehlsichtigkeit, mit Bestimmung von Bildlagefehlern mit polarisierten Testbildern nach der Mess- und Korrektions-Methode nach Haase.

Abweichungen von der Norm werden dann durch Anpassung einer Prismenbrille, selten durch eine Augenmuskeloperation, korrigiert.

Leider wird das Verfahren aus berufspolitischen Er- wägungen nur von wenigen hoch spezialisierten Au- genoptikern und Augenärzten angewendet. Aufgrund meiner positiven Erfahrungen an vielen Jugendlichen mit Lernstörungen halte ich dieses Verfahren für hilf- reicher als permanente Nachhilfe oder Psychotherapie, da sich üblicherweise erst durch die verbesserte Seh- funktion die Lese- und damit Gesamtleistungssituation positiv entwickeln kann.

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0263a LITERATUR

1. Schulte-Körne G: The prevention, diagnosis, and treatment of dysle- xia. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(41): 718-27.

Dr. med. Fritz Gorzny Schloßstraße 18 56068 Koblenz dr.fritz_gorzny@web.de

Interdisziplinäre Forschung

Als Sprachdidaktikerin begrüße ich, dass die Proble- matik der LRS im Ärzteblatt als Fortbildungsbeitrag thematisiert wird. Leider bleiben in der medizinisch- psychologischen Forschung – wie in der herkömmli-

steht in einer Dependenz zum Gesprochenen.

Durch die aktuelle Schriftlichkeitsforschung wer- den alle drei Prämissen infrage gestellt. Es ist in ei- nem Leserbrief nicht der Rahmen, die notwendige Revision bestehender Konzepte zur LRS zu diskutie- ren. Es wäre jedoch schon viel gewonnen, die LRS als einen interdisziplinären Forschungsgegenstand wahrzunehmen.

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0263b

LITERATUR

1. Röber C: Der Mythos der Lauttreue. Grundschule 2001; (6):

40–2.

2. Hinney, G: Wortschreibungskompetenz und sprachbewusster Un- terricht. Eine Alternativkonzeption zur herkömmlichen Sicht auf den Schriftspracherwerb. In: Bredel U, Müller A, Hinney G. (eds);

Schriftsystem und Schrifterwerb. Berlin: De Gruyter 2010.

3. Schulte-Körne G: The prevention, diagnosis, and treatment of dyslexia. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(41): 718–27.

Dr. phil. Gabriele Hinney Marienburger Platz 22 31141 Hildesheim ghinney@web.de

Wichtige Kofaktoren

Der vorliegende Artikel beschreibt in sehr kompetenter Weise die Diagnostik und Therapie der Lese-Recht- schreib-Störung aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht.

Um das Kind jedoch in seiner gesamten kognitiv- sprachlichen Entwicklung und nicht nur hinsichtlich des Erwerbs schriftsprachlicher Kompetenzen zu beur- teilen und einschätzen zu können, sollte die Bedeutung von peripheren Hörstörungen, peripheren Sehstörungen sowie auditiven und visuellen Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen als wichtige Kofaktoren bei Lese-Rechtschreib-Störungen nicht unerwähnt bleiben.

Beispielhaft aufgeführt können periphere Hörstörun- gen, insbesondere auch einseitige oder minimale Hör- beeinträchtigungen, nachweislich zu Einschränkungen im Bereich der Schulleistungen führen (1), so dass auf eine entsprechende Untersuchung des peripheren Hör- vermögens bei der Diagnostik einer Lese-Recht- schreib-Störung nicht verzichtet werden sollte.

Ferner sind enge Zusammenhänge zwischen Sprach- entwicklungsstörungen und Lese-Rechtschreib-Störun- chen Unterrichtspraxis – die Ergebnisse der aktuel- len Schriftlichkeitsforschung völlig unberücksichtigt (1, 2).

So beruht der Konsens der im Artikel vorgestellten Diagnostik und Therapie auf folgenden Prämissen:

Schriftspracherwerb folgt der Logik eines Ent- wicklungsmodells vom lautgetreuen Schreiben zum or- thographischen Schreiben.

Die sachanalytische Fundierung des Unterrichts ist für alle Lerngruppen angemessen.

Die geschriebene Sprache (die Orthographie) LITERATUR

1. Schulte-Körne G: The prevention, diagnosis, and treatment of dysle- xia. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(41): 718–27.

Dr. phil. Peter May, Dipl.-Psych.

Henriettenstraße 45 20259 Hamburg post@peter-may.de

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M E D I Z I N

gen bekannt, so dass es empfehlenswert erscheint, bei einer Lese-Rechtschreib-Störung auch den aktuellen Stand der expressiven und rezeptiven Sprachentwick- lung zu überprüfen, um entsprechende Defizite in die- sen Bereichen gegebenenfalls in das therapeutische Konzept mit einfließen zu lassen.

Zudem könnte im Falle von vorrangig wahrneh- mungsgebundenen Rechtschreibfehlern eine Diagnos- tik der auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsfä- higkeiten (2) einschließlich der Leistungen der phono- logischen Bewusstheit hilfreich sein, zumal sich zum Beispiel ein Training der Phonemdifferenzierung und -identifikation positiv auf die Rechtschreibleistungen auswirken kann (3), während von einem rein sprach- freien auditiven Training nach den heutigen Erkennt- nissen keine Transfereffekte auf die Lese-Rechtschreib- Leistungen erwartet werden dürfen (3).

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0263c

LITERATUR

1. Nickisch A: Minimale Hörstörungen im Kindesalter. Bedeutung, Aus- wirkungen und Behandlung als Übersicht. Sprache-Stimme-Gehör 2009; 33: 110–5.

2. Nickisch A, Gross M, Schönweiler R, et al.: Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen. Konsensus-Statement der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. HNO 2007; 55:

61–72. PMID: 17211614

3. Nickisch A: Behandlungsmethoden von auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen: Bewertungskriterien. Kinderärztliche Pra- xis 2005; 76: 216–23.

4. Schulte-Körne G: The prevention, diagnosis, and treatment of dysle- xia. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(41): 718–27.

Dr. med. Andreas Nickisch Heiglhofstraße 63 81377 München

A.Nikisch@kinderzentrum-muenchen.de

Schlusswort

Die Diagnostik der LRS gemäß den ICD-10-Kriterien verlangt den Ausschluss von Hörstörungen, allerdings spezifiziert das ICD-10 nicht, welche Hörstörungen ge- meint sind. Zu vermuten ist, dass die peripheren Hör- störungen hierzu gezählt werden. Auch wenn die Häu- figkeit der von Herrn Nickisch genannten Hörstörun- gen beeindruckend hoch ist, so ist der Zusammenhang dieser Hörstörungen mit der LRS nicht aufgezeigt.

Hörstörungen können Einfluss auf die schulische Leis- tungsentwicklung haben, allerdings ist der Einfluss als unspezifischer Risikofaktor für die Lernleistung zu be- trachten.

Der Begriff auditive Wahrnehmungsstörung ist sehr unklar definiert und umfasst eine Vielzahl von Fähig- keiten der Verarbeitung von sprachlichen und nicht- sprachlichen Reizen. Diese Wahrnehmungs- und Diffe- renzierungsleistung ist meist schlecht von Aufmerk- samkeitsleistungen, Gedächtniskapazität, phonologi- scher Bewusstheit und Intelligenz abgrenzbar. Der Zu- sammenhang mit der LRS ist zum Teil sehr gering und

altersabhängig. Daher fehlt zurzeit die empirische Grundlage für diagnostische Verfahren, die zuverlässig und spezifisch für die LRS auditive Wahrnehmungs- funktionen messen.

Die Bedeutung der Sprachperzeption für die LRS ist unbestritten, allerdings ist hier zwischen den neurobio- logischen Korrelaten dieser Sprachperzeption, die bei der LRS verändert gefunden wurden, und der klini- schen Diagnose einer rezeptiven oder expressiven Sprachstörung zu unterscheiden (1). Die Störungen der Sprachperzeption der Kinder mit rezeptiven und/oder expressiven Sprachstörungen sind im Vergleich zu Kin- dern mit einer LRS andere (2).

Hiervon sind Fähigkeiten abzugrenzen, wie die pho- nologische Bewusstheit, die sowohl eine Bedeutung für die Prädiktion der Lese- und Rechtschreibfähigkeit auf- weist als auch für die vorschulische Prävention erfolg- reich eingesetzt wird. Da bei einem Teil der Kinder mit einer LRS die phonologischen Fähigkeiten auch über die Vorschulzeit hinaus einen wichtigen Faktor für die Lese- und Rechtschreibentwicklung darstellen, steht mit dem BAKO (3) ein diagnostisches Verfahren zur Verfügung, dass diese Fähigkeiten misst. Dieses diagnostische Ver- fahren ist für alle Kinder mit einer LRS zu empfehlen, die bereits vorschulisch Schwierigkeiten in der Laut- wahrnehmung und -differenzierung aufweisen. Aktuelle Ergebnisse einer Metaanalyse deutschsprachiger Inter- ventionsstudien zur LRS zeigen allerdings, dass die Wirksamkeit der Förderung phonologischer Bewusstheit nur für das erste Grundschuljahr besteht.

Die Bedeutung der Diagnostik der Okulomotorik für die LRS ist nach wie vor Anlass einer sehr kontrover- sen Diskussion. Die Behandlung einer vermeintlichen Störung der Okulomotorik durch einen operativen Ein- griff zur Beseitigung der Ursache der LRS kann als Kunstfehler betrachtet werden, da dieser Eingriff durch die Studienlage nicht begründet und unterstützt wird (4). Geradezu fatal ist die Empfehlung von Herrn Gorz- ny, die bisher einzig evaluierten Therapieformen zu un- terlassen und Kinder mit einer LRS mit einer Prismen- brille zu behandeln (5).

Da die LRS meist über die gesamte Lebensspanne die Betroffenen beeinträchtigt, ist auch die Förderung für Erwachsene mit einer LRS ein wichtiges Anliegen.

Dass sich die Volkshochschulen der Förderung der Le- se-Schreib-Kompetenz bei funktionellen Analphabeten annehmen, ist sehr wichtig und zu begrüßen. Jedoch ist dieses Angebot nicht spezifisch für den Bedarf der Er- wachsenen mit einer LRS. Diese Erwachsenen benöti- gen meist eine spezifische Förderung, denn ihnen fehlt nicht, wie bei den meisten Analphabeten durch die so- zialen Umstände bedingt, die Unterrichtung, sondern spezifische Hilfe zur Steigerung ihrer Lesegeschwin- digkeit und der Rechtschreibkompetenz.

Die Hamburger Schreibprobe ist insbesondere ein bei Lehrern sehr beliebtes Verfahren, das in Schulen sehr verbreitet ist. Allerdings sagt der Verbreitungsgrad nichts über die Güte im Sinne State-of-the-Art eines Verfahrens aus. Sobald die neuen Normen zur Verfü- gung stehen, kann eine Neubewertung des Verfahrens

Referenzen

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