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Archiv "Schlusswort" (15.04.2011)

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264 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 15

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15. April 2011

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gen bekannt, so dass es empfehlenswert erscheint, bei einer Lese-Rechtschreib-Störung auch den aktuellen Stand der expressiven und rezeptiven Sprachentwick- lung zu überprüfen, um entsprechende Defizite in die- sen Bereichen gegebenenfalls in das therapeutische Konzept mit einfließen zu lassen.

Zudem könnte im Falle von vorrangig wahrneh- mungsgebundenen Rechtschreibfehlern eine Diagnos- tik der auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsfä- higkeiten (2) einschließlich der Leistungen der phono- logischen Bewusstheit hilfreich sein, zumal sich zum Beispiel ein Training der Phonemdifferenzierung und -identifikation positiv auf die Rechtschreibleistungen auswirken kann (3), während von einem rein sprach- freien auditiven Training nach den heutigen Erkennt- nissen keine Transfereffekte auf die Lese-Rechtschreib- Leistungen erwartet werden dürfen (3).

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0263c

LITERATUR

1. Nickisch A: Minimale Hörstörungen im Kindesalter. Bedeutung, Aus- wirkungen und Behandlung als Übersicht. Sprache-Stimme-Gehör 2009; 33: 110–5.

2. Nickisch A, Gross M, Schönweiler R, et al.: Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen. Konsensus-Statement der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. HNO 2007; 55:

61–72. PMID: 17211614

3. Nickisch A: Behandlungsmethoden von auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen: Bewertungskriterien. Kinderärztliche Pra- xis 2005; 76: 216–23.

4. Schulte-Körne G: The prevention, diagnosis, and treatment of dysle- xia. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(41): 718–27.

Dr. med. Andreas Nickisch Heiglhofstraße 63 81377 München

A.Nikisch@kinderzentrum-muenchen.de

Schlusswort

Die Diagnostik der LRS gemäß den ICD-10-Kriterien verlangt den Ausschluss von Hörstörungen, allerdings spezifiziert das ICD-10 nicht, welche Hörstörungen ge- meint sind. Zu vermuten ist, dass die peripheren Hör- störungen hierzu gezählt werden. Auch wenn die Häu- figkeit der von Herrn Nickisch genannten Hörstörun- gen beeindruckend hoch ist, so ist der Zusammenhang dieser Hörstörungen mit der LRS nicht aufgezeigt.

Hörstörungen können Einfluss auf die schulische Leis- tungsentwicklung haben, allerdings ist der Einfluss als unspezifischer Risikofaktor für die Lernleistung zu be- trachten.

Der Begriff auditive Wahrnehmungsstörung ist sehr unklar definiert und umfasst eine Vielzahl von Fähig- keiten der Verarbeitung von sprachlichen und nicht- sprachlichen Reizen. Diese Wahrnehmungs- und Diffe- renzierungsleistung ist meist schlecht von Aufmerk- samkeitsleistungen, Gedächtniskapazität, phonologi- scher Bewusstheit und Intelligenz abgrenzbar. Der Zu- sammenhang mit der LRS ist zum Teil sehr gering und

altersabhängig. Daher fehlt zurzeit die empirische Grundlage für diagnostische Verfahren, die zuverlässig und spezifisch für die LRS auditive Wahrnehmungs- funktionen messen.

Die Bedeutung der Sprachperzeption für die LRS ist unbestritten, allerdings ist hier zwischen den neurobio- logischen Korrelaten dieser Sprachperzeption, die bei der LRS verändert gefunden wurden, und der klini- schen Diagnose einer rezeptiven oder expressiven Sprachstörung zu unterscheiden (1). Die Störungen der Sprachperzeption der Kinder mit rezeptiven und/oder expressiven Sprachstörungen sind im Vergleich zu Kin- dern mit einer LRS andere (2).

Hiervon sind Fähigkeiten abzugrenzen, wie die pho- nologische Bewusstheit, die sowohl eine Bedeutung für die Prädiktion der Lese- und Rechtschreibfähigkeit auf- weist als auch für die vorschulische Prävention erfolg- reich eingesetzt wird. Da bei einem Teil der Kinder mit einer LRS die phonologischen Fähigkeiten auch über die Vorschulzeit hinaus einen wichtigen Faktor für die Lese- und Rechtschreibentwicklung darstellen, steht mit dem BAKO (3) ein diagnostisches Verfahren zur Verfügung, dass diese Fähigkeiten misst. Dieses diagnostische Ver- fahren ist für alle Kinder mit einer LRS zu empfehlen, die bereits vorschulisch Schwierigkeiten in der Laut- wahrnehmung und -differenzierung aufweisen. Aktuelle Ergebnisse einer Metaanalyse deutschsprachiger Inter- ventionsstudien zur LRS zeigen allerdings, dass die Wirksamkeit der Förderung phonologischer Bewusstheit nur für das erste Grundschuljahr besteht.

Die Bedeutung der Diagnostik der Okulomotorik für die LRS ist nach wie vor Anlass einer sehr kontrover- sen Diskussion. Die Behandlung einer vermeintlichen Störung der Okulomotorik durch einen operativen Ein- griff zur Beseitigung der Ursache der LRS kann als Kunstfehler betrachtet werden, da dieser Eingriff durch die Studienlage nicht begründet und unterstützt wird (4). Geradezu fatal ist die Empfehlung von Herrn Gorz- ny, die bisher einzig evaluierten Therapieformen zu un- terlassen und Kinder mit einer LRS mit einer Prismen- brille zu behandeln (5).

Da die LRS meist über die gesamte Lebensspanne die Betroffenen beeinträchtigt, ist auch die Förderung für Erwachsene mit einer LRS ein wichtiges Anliegen.

Dass sich die Volkshochschulen der Förderung der Le- se-Schreib-Kompetenz bei funktionellen Analphabeten annehmen, ist sehr wichtig und zu begrüßen. Jedoch ist dieses Angebot nicht spezifisch für den Bedarf der Er- wachsenen mit einer LRS. Diese Erwachsenen benöti- gen meist eine spezifische Förderung, denn ihnen fehlt nicht, wie bei den meisten Analphabeten durch die so- zialen Umstände bedingt, die Unterrichtung, sondern spezifische Hilfe zur Steigerung ihrer Lesegeschwin- digkeit und der Rechtschreibkompetenz.

Die Hamburger Schreibprobe ist insbesondere ein bei Lehrern sehr beliebtes Verfahren, das in Schulen sehr verbreitet ist. Allerdings sagt der Verbreitungsgrad nichts über die Güte im Sinne State-of-the-Art eines Verfahrens aus. Sobald die neuen Normen zur Verfü- gung stehen, kann eine Neubewertung des Verfahrens

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erfolgen. Kritisiert wurde die HSP wegen mangelnder Differenzierungsfähigkeit von Tacke (6). Das heißt, dass die HSP im Durchschnitt zu höheren Leistungs- werten (Prozenträngen) führt im Vergleich zu anderen Rechtschreibtests – zumindest in den Bundesländern, wo die Rechtschreibleistung im deutschlandweiten Ver- gleich recht hoch ist. Dieser Effekt beeinträchtigt nach- haltig den klinischen Einsatz in der Diagnostik. Die Hamburger Leseprobe ist ein Verfahren, dass nach An- sicht des Testautors, bei dem persönlich der Test erwor- ben werden muss, ebenfalls eine sehr weite Verbreitung erfahren sollte. Der Test wurde nach Angabe des Autors im Jahr 1993 entwickelt, liegt seit dem Jahr 2000 mit bundesweiten Normen vor und erreicht jetzt den Zehn- jahreszeitraum, nach dem ein Test als veraltet angese- hen wird.

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0264

LITERATUR

1. Schulte-Körne G: Lese-Rechtschreibstörung und Sprachwahrneh- mung. Psychometrische und neurophysiologische Untersuchungen zur Legasthenie. Münster: Waxmann Verlag 2001.

2. Robertson EK, Joanisse MF, Desroches AS, Ng S: Categorical speech perception deficits distinguish language and reading impairments in children. Dev Sci 2009; 12(5): 753–67.

3. Stock C, Marx P, Schneider W: Basiskompetenzen für Lese-Recht- schreibleistungen (BAKO 1–4). Göttingen: Hogrefe 2003.

4. American Academy of Ophthalmology: Policy Statement Learning Disabilities, Dyslexia, Vision. http://www.aao.org/about/policy/upload/

Learning-Disabilities-Dyslexia-Vision-2009.pdf

5. Trauzettel-Klosinski S, Schäfer WD, Klosinski G: Legasthenie Grundla- gen des Lesens – Lese-Rechtschreib-Störung – okuläre Lesestö- rung. Der Ophthalmologe 2002; 99(3): 208–27.

6. Tacke G, Völker R, Lohmüller R: Die Hamburger Schreibprobe: Pro- bleme mit einem neuen Rechtschreibtest Psychologie in Erziehung und Unterricht 2001; 48(2): 135–45.

7. Schulte-Körne G: The prevention, diagnosis, and treatment of dysle- xia. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(41): 718–27.

Prof. Dr. med. Gerd Schulte-Körne

Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie Klinikum der Universität München

Pettenkoferstraße 8a 80336 München

Gerd.Schulte-Koerne@med.uni-muenchen.de

Interessenkonflikt

Alle Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Kaplan-Meier-Kurve

Im Rahmen einer Studie sollen Überlebenszeiten (in Wochen) von 100 Patienten bestimmt werden. Das erste Ereignis (+) trat nach 2 Wochen auf. Nach 3 Wo- chen erfolgten zwei Zensierungen (C; „censored“) und nach 5 Wochen eine weitere. Nach 7 Wochen traten vier Ereignisse auf, gefolgt von weiteren drei Ereignis- sen nach 8 Wochen.

Wie lautet der (auf eine Dezimalstelle gerundete) Kaplan-Meier-Schätzer S (t = 7) für die Wahrscheinlichkeit, dass die Überlebenszeit größer als sieben Wochen ist?

a) S(7) = 5,1 % b) S(7) = 0,07 % c) S(7) = 94,9 % d) S(7) = 91,8 %

Die Quiz-Fragen wurden vom Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI), Mainz, entwickelt.

STATISTIK-QUIZ

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Die Lösungen sind online abrufbar:

www.aerzteblatt.de/11m0265

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