Dr. Wilhelm Adamy
Qualität der Arbeitsförderung
verbessern - DGB-Vorschläge zur Reform der Arbeitsmarktinstrumente
Veranstaltung der FES/DGB am 8. Juni 2011 in Berlin
1. Bewertung – Instrumentenreform 1.1 Positive Elemente
Ziele: effizienter Mitteleinsatz, größere Individualität und höhere Qualität
Zusammenfassung von Lohnkostenzuschüssen
Rechtliche Absicherung gewerkschaftlicher Initiative WeGebAU
Berufseinstiegsbegleitung als arbeitsmarktpolitische Regelförderung
erweiterte AusbildungsbegleitungB
BR: „optimal bestückter Instrumentenkasten“ - ohne Einschränkung der arbeitsmarktpolitischenHandlungsmöglichkeiten?
1.2. Abschaffung von Rechtsansprüchen
• Existenzgründung Arbeitsloser massiv zurückgefahren
• Streichung der Entgeltsicherung für Ältere bei Aufnahme schlechter bezahlter Jobs
• wirkungsloser Vermittlungsgutschein bleibt Pflichtleistung
1.3 Einschränkung öffentlich geförderter Beschäftigung
• Streichung von ABM auch in ALV
• Streichung des Beschäftigungszuschusses für
Hartz IV-Empfänger mit besonderen Vermittlungsproblemen
• Deckelung der Trägerkosten
• Betonung des Nachrangprinzips bei Ein-Euro-Jobs
1.4 Weiterbildung
• Ausweitung des Bildungsgutscheins benachteiligter bildungsferner Zielgruppen
• Steuerung über Durchschnittskosten fördert Maßnahmen von der Stange
1.5 Rotstift ist handlungsleitend
• EGT SGB III um ca. 15 % jährlich reduziert (1,8 Mrd. € 2015)
• sonstige Arbeitsförderung um 12 - 15 % jährlich reduziert (6 Mrd. € bis 2015)
• Beschluss des Bundeskabinetts Juni 2010 erfordert zusätzliche strukturelle Einsparungen von 800 Mio. € in 2012 bzw. 1 Mrd. in 2013 ff.
• Bund fordert „Effizienzgewinne in Hartz IV“:
1,5 Mrd. € in 2012 bzw. 2,0 Mrd. € 2013 ff.
• Bereits Mai 2011 im Hartz IV 27 Prozent weniger Menschen in geförderten Maßnahmen
2. Gesamtbewertung des Gesetzentwurfs
• Vereinfachung wird überschätzt
BA: „Die notwendigen Anpassungen … übersteigen
zunächst deutlich die aufgrund der Zusammenlegung von Instrumenten entfallenden Kosten.“
• Gründungszuschuss eröffnet nur sehr eingeschränktes Ermessen
• Schieflage zwischen Fordern und Fördern vergrößert sich
• für private Vermittler wird Klientelpolitik betrieben
• Perspektiven für Langzeitarbeitslose verschlechtern sich
• öffentlich geförderte Beschäftigung unterläuft Tarifpolitik und fördert Rotation
• Fiskalisch motivierte Spaltung am Arbeitsmarkt wird forciert
• Instrumenteneinsatz wird gegenüber intensiver Vermittlung und Betreuung überschätzt
• Zuweisungsmechanismus – wie Gutscheine – überfordern
„schwächere“ Erwerbslose
• Flexibilität wird gegen Rechtsansprüche ausgespielt
⇒ Abschaffung von Rechtsansprüchen, reduzierte Mittel, neue
Zuweisungs- und interne Steuerungsmechanismen verstärken sich in negativer Wirkung
3. Gesetzentwurf gibt keine Antwort auf arbeitsmarktpolitische
Herausforderungen
• Bildungsoffensive ist gestoppt
• unterwertige und prekäre Beschäftigung breitet sich aus
• Fachkräftebedarf und gleichzeitig hohes Arbeitsmarktrisiko bestimmter Gruppen
• keine Gleichbehandlung Arbeitsloser bei arbeitsmarktpolitischen und sozialen Integrationshilfen
• interne Flexibilität – contra externe Flexibilität – billig und prekär passt nicht zu Qualitätsprodukten
• Verschiebebahnhöfe zu Lasten der Beitragszahler
• kein anderes Land verweist gesundheitlich Angeschlagene so
stark auf Arbeitsmarkt ohne adäquate Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen
4. Gewerkschaftliche Anforderungen 4.1 Besserer Übergang Schule - Beruf
• Bundesregierung: vertiefte Berufsorientierung und
Berufswahlvorbereitung nur aus Beitragsmitteln finanzieren
– Bundesprogramm „Bildungsketten“ entfällt
– „Stigmatisierung“ junger Hilfebedürftiger soll vermieden werden
• DGB:
– Übertragung u. a. der Ausbildungsvermittlung unabhängig von Einkommenssituation - auf ALV
– BvB zu 50 % aus Landesmitteln finanzieren
– Rechtsanspruch auf (außerbetriebliche) Ausbildung
⇒ Beitragssystem bisher Reparaturbetrieb für Defizite im schulischen Bildungs- und Ausbildungssystem
4.2 Berufliche Weiterbildung
• DGB: flächendeckende Qualifizierungsberatung
– Vergaberecht muss Qualität und nicht Kosten fördern – Auftragsmaßnahmen für besondere Gruppen.
• festes Budget für Berufsabschlüsse wie in ALV auch bei Hartz IV einführen
• pauschale Aufwandsentschädigung von 10 % oder Abschlussprämie als Bildungsanreiz
• Bundesprogramm „Zweite Chance“ zum Berufsabschluss
⇒ Aus- und Weiterbildung längerfristig die beste Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik
4.3 Nachhaltige Integration
und Überwindung von Hilfebedürftigkeit
• Gesetzliche Verpflichtung zu Nachhaltigkeit und Vermeidung unterwertiger Beschäftigung sowie zur Chancengleichheit konkretisieren
• Sanktionen und Zuschüsse an Arbeitgeber nur bei Mindestlöhnen von 8,50 Euro
• keine Sanktionen bei Ein-Euro-Jobs und keine härteren Sanktionen für Jugendliche
• Integrationsverpflichtung auch für erwerbstätige Arme
• nachgehende Betreuung bei instabiler Eingliederung
⇒ kurz und billig darf nicht das arbeitsmarktpolitische Ziel sein
⇒ AMP darf nicht zur Verschärfung prekärer und nicht existenzsichernder Arbeit beitragen
4.4 AMP-Flankierung des Strukturwandels
• Ausbau der Qualifizierungsberatung in KMU
• Verpflichtung zu rechtskreisübergreifenden Arbeitsmarkt und Qualifizierungsprogrammen unter Beteiligung der VA
• Innovationstopf zur regionalen Umsetzung des Arbeitsmarktmonitors
• Ausweitung des Transfer KuG auf 24 Monate bei Berufsausbildung
⇒ Verzahnung mit anderen Politikbereichen fördern
4.5 Qualität öffentlich geförderter Beschäftigung verbessern
• Förderung von Eingliederungsbetrieben
• Beibehaltung des Beschäftigungszuschusses
• sozialversicherte Förderung auch in ALV notwendig
• separates Budget für sozialen Arbeitsmarkt in Hartz IV
• periodische Überprüfung der Eingliederungsperspektive
• regionaler Konsens zu sozialem Arbeitsmarkt und Vetorecht der Sozialparteien
⇒ Sozialer Arbeitsmarkt für Zielgruppen auf absehbare Zeit notwendig
4.6 Missbrauch von Beitragsmitteln verhindern
F Abschaffung des sog. Eingliederungsbeitrags (5 Mrd. €/Jahr) F Arbeitsförderung für Hartz IV nicht aus Beitragsmitteln
(650 Mio. € jährlich)
F keine Finanzierung des Insolvenzgeldes aus Beitragsmitteln (1,2 Mrd. €)
F Rentenbeiträge für Menschen in Behindertenwerkstätten will Bund Beitragszahlern aufdrücken (120 Mio. € jährlich)
F keine Halbierung des Mehrwertsteuerpunktes mit dem eine Beitragssenkung um 1 Prozentpunkt zugesichert wurde
F Verschiebebahnhof belastet Lohnnebenkosten und fördert Umverteilung zu Lasten kleinerer Beitragszahler
F gesamtwirtschaftliche Perspektive bei Instrumenten wie Finanzierung notwendig