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Kley, Andreas; Vallender, Klaus A. (Hg.) (2012): Grundrechtspraxis in Liechtenstein. Schaan: Verlag der Liechtensteinischen Akademischen Gesellschaft (Liechtenstein Politische Schriften, Bd. 52).

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Academic year: 2022

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Politische Schriften

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Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Verlag der Liechtensteinischen Akademischen Gesellschaft

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ISBN 978-3-7211-1087-6

Satz: Atelier Silvia Ruppen, Vaduz Druck: Gutenberg AG, Schaan

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

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Der Staatsgerichtshof ist als liechtensteinisches Verfassungsgericht in den letzten Jahren immer mehr zu einem materiellen Grundrechtsver- ständnis übergegangen und hat damit die Grundrechte, namentlich auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR, entfaltet und zu beachtlicher Wirksamkeit gebracht. Seit dem Erscheinen von Wolf- ram Höflings «Die liechtensteinische Grundrechtsordnung» im Jahre 1994 existiert keine neuere Darstellung der liechtensteinischen Grund- rechtspraxis mehr. Diese Lücke bewog die Herausgeber im Kontakt mit dem Doyen des liechtensteinischen Verfassungsrechts und Gründer des Liechtenstein-Instituts, Gerard Batliner, die Herausgabe eines Handbu- ches zur Grundrechtspraxis des Staatsgerichtshofes an die Hand zu neh- men. Gerard Batliner war es leider nicht vergönnt, das Erscheinen des Werkes zu erleben.

Das Handbuch soll die moderne Rechtsprechung zu den Grund- rechten in konziser und leicht verständlicher Form darlegen und so für Lehre und Praxis ein aktuelles «Handwerkszeug» bieten. Daneben soll es die interessierten Menschen, Bürgerinnen und Bürger, im Sinne eines Nachschlagewerks über ihre Rechte, ihre «Verfassungserzwingungs- macht» (Michael Kloepfer), informieren. Das Buch wird auch – hinsicht - lich der Grundrechtsdogmatik und Grundrechtspraxis – über die Lan- desgrenzen hinaus Kunde von der Aufgeschlossenheit des Landes geben.

Die Herausgeber haben vielfach zu danken. Der Dank gilt zu- nächst den Autoren der einzelnen Beiträge, ohne deren engagierten Ein- satz das Gemeinschaftswerk nicht realisierbar gewesen wäre.

Weiter gilt grosser Dank dem Liechtenstein-Institut, insbesondere seinem Präsidenten Guido Meier sowie Gerard Batliner, welche sich schnell von der Idee begeistern liessen und die Herausgabe dieses Buches durch Bereitstellung der Institutsinfrastruktur und der erforderlichen fi- nanziellen Ressourcen ermöglichten. Gedankt sei in diesem Zusammen-

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onsaufgaben übernahm, sowie der Leiterin der Administration des Liechtenstein-Instituts, Roswitha Meier, für die speditive Abwicklung der Projektorganisation.

Wir danken sodann der Merlin-Stiftung, Vaduz, welche den Druck des Buches mit einem namhaften finanziellen Beitrag unterstützt hat.

Das Buch hätte in dieser Form nicht fertiggestellt werden können ohne die Mitwirkung von Dr. theol. Christian Kissling MLaw. Er hat sämtliche Manuskripte formell bereinigt und vereinheitlicht, die Regis- ter erstellt und die Druckvorbereitung vorgenommen. Ihm gebührt für diese Leistung Dank und Anerkennung.

Nicht zuletzt danken die Herausgeber dem Verlag der Liechten- steinischen Akademischen Gesellschaft, Schaan, insbesondere dem Ver- lagsleiter, Herrn Norbert Jansen, für die kollegiale und unkomplizierte Zusammenarbeit.

St. Gallen und Zürich, im Juni 2012 Andreas Kley und Klaus A.Vallender

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I.

ALLGEMEINE GRUNDRECHTSLEHREN 11

Geschichtliche Entwicklung der Grundrechte

in Liechtenstein Andreas Kley 13

Quellen der Grundrechte: landesrechtlicher und

völkerrechtlicher Grundrechtsschutz Mark E. Villiger 33 Adressaten der Grundrechte Wolfram Höfling 41 Träger der Grundrechte Wolfram Höfling 57 Schranken der Grundrechte Wolfram Höfling 83

II.

EINZELNE GRUNDRECHTE 111

A. Menschenwürde, persönliche Freiheiten, Niederlassungs-

freiheit und Kommunikationsgrundrechte 111 Der Schutz der Menschenwürde und des Rechts

auf Leben Peter Bussjäger 113

Freiheit der Person, Hausrecht sowie Brief- und

Schriftengeheimnis Marzell Beck / Andreas Kley 131

Niederlassungsfreiheit Ralph Wanger 147

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Meinungsfreiheit Hilmar Hoch 195 Vereins- und Versammlungsrecht Peter Nägele 215

Petitionsrecht Markus Wille 235

B. Rechtsgleichheit, Willkürverbot, Verfahrensgrundrechte 247 Rechtsgleichheit und Grundsatz von Treu und Glauben

Andreas Kley / Hugo Vogt 249

Willkürverbot Hugo Vogt 303

Recht auf den ordentlichen Richter Tobias Michael Wille 331 Keine Strafe ohne Gesetz Tobias Michael Wille 407 Recht auf wirksame Verteidigung Tobias Michael Wille 435 Legalitätsprinzip im Abgaberecht Herbert Wille 485 Beschwerderecht Tobias Michael Wille 505 Begründungspflicht Tobias Michael Wille 541 Anspruch auf rechtliches Gehör Hugo Vogt 565 Verbot der formellen Rechtsverweigerung, Verbot der

Rechtsverzögerung, Verbot des überspitzten Formalismus

Hugo Vogt 593

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Staatsangehörigkeit Ralph Wanger 621 Politische Rechte Bernhard Ehrenzeller / Rafael Brägger 637

D. Wirtschaftliche Grundrechte 687

Eigentumsgarantie Klaus A. Vallender / Hugo Vogt 689 Handels- und Gewerbefreiheit Klaus A. Vallender 723 Koalitionsfreiheit Klaus A. Vallender / Hugo Vogt 753 Grundfreiheiten und Grundrechte im EWR-Recht

Carl Baudenbacher 775

III.

VERWIRKLICHUNG DER GRUNDRECHTE

IM PROZESSRECHT 855

Die Beschwerde an den Staatsgerichtshof Peter Bussjäger 857

Anhang

Stichwortverzeichnis 875

Abkürzungs-Verzeichnis 883

Literatur-Verzeichnis 888

Verzeichnis der Autoren 895

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ALLGEMEINE

GRUNDRECHTSLEHREN

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in Liechtenstein

Andreas Kley

Übersicht

I. Ursprünge der Menschen- und Grundrechte 1. Angelsächsische Rechtstradition

2. Französische Revolution

3. Lehre aus der Geschichte: Menschenrechte als Abwehrrechte II. Freiheits- und Menschenrechte im Deutschen Bund bis 1870 und

in Liechtenstein ab 1862

1. Landständische Verfassung von 1818 2. Verfassung von 1862

3. Verfassung von 1921

4. Punktuelle Erweiterung des Grundrechtskataloges

III. Universeller und regionaler Menschenrechtsschutz nach 1948 IV. Zweck und Funktionen der Grundrechte: objektives Recht und

subjektive Rechte

1. Französische Entwicklung: Menschenrechte als objektives Recht

2. Amerikanische Entwicklung: Menschenrechte als subjektive Rechte

3. Menschenrechte in einem neuen Kontext

V. Individualrechtliches Leitbild der Menschen- und Grundrechte Spezialliteratur-Verzeichnis

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I. Ursprünge der Menschen- und Grundrechte

1. Angelsächsische Rechtstradition

Die Ursprünge der Menschenrechte gehen auf die Antike zurück; erste konkrete Ansätze einer Umsetzung von Menschenrechten im modernen Sinn sind jedoch erst im Mittelalter feststellbar.1 England kodifizierte 1215 die «Magna Charta Libertatum»,2welche den englischen Baronen gewisse Rechte gegenüber dem König einräumte. Später wurden diese Rechte auf alle Untertanen erstreckt. Im 17. Jahrhundert folgten die «Pe- tition of Rights» (1627), die «Habeas Corpus Akte» (1679), die vor will- kürlicher Verhaftung schützte, und schliesslich die «Bill of Rights»3von 1689, die einen ersten Grundrechtskatalog enthielt.4Die (Staats-) Philo- sophen und Schriftsteller Hugo Grotius, John Milton, James Harring- ton, John Locke, Voltaire, Thomas Paine und Jean-Jacques Rousseau entwickelten in Europa den Gedanken der Menschenrechte weiter.

Einen ersten präzisen Ausdruck der Menschenrechte gab der ame- rikanische Kontinentalkongress in der Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 mit der Feststellung, dass «alle Menschen gleich geboren sind; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräusserlichen Rech- ten ausgestattet sind; dass zu diesen Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit gehören».5Die alleinige Tatsache des Menschseins begründet somit unveräusserliche Rechte, die das Gemeinwesen in je- dem Fall respektieren muss. Die amerikanische Unabhängigkeitserklä- rung fusste einerseits auf dem aufklärerischen Naturrecht und anderer- seits auf der ständisch-mittelalterlichen Rechtstradition der Absageer- klärung: Ein Monarch, der das Bündnis mit seinen Untertanen verletzt,

1 Siehe im Einzelnen etwa Stern Klaus, Die Idee der Menschen- und Grundrechte, in:

Merten Detlef / Papier Hans-Jürgen (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Band I: Entwicklung und Grundlagen, Heidelberg 2003, S. 5 ff. Eine frühere Fassung dieses Beitrags wurde publiziert in: Andreas Kley, Grundrechte in Liechtenstein – europäischer Kontext und Geschichte, in: Fest- schrift 25 Jahre Liechtenstein-Institut, LPS 47, Vaduz 2011, S. 235 ff.

2 Vgl. Gosewinkel / Masing, Verfassungen, S. 87 ff.

3 Vgl. Gosewinkel / Masing, Verfassungen, S. 97 ff., 112 ff., 119 ff.

4 Vgl. Kley Andreas, Verfassungsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl., Bern 2008, S. 58 ff.

5 Schambeck Herbert u. a., Dokumente zur Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, Berlin 1993, S. 113, oder Gosewinkel / Masing, Verfassungen, S. 136 ff.

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darf von diesen abgesetzt werden.6Im Falle der amerikanischen Unab- hängigkeit war die Sachlage freilich komplizierter, denn die Absage rich- tet sich nicht an die britische Krone allein, sondern an Grossbritannien insgesamt und insbesondere an die beiden Häuser in Westminster. Die Erklärung von 1776 suchte in beredten Worten darüber hinwegzugehen.

Die Funktion der Absageerklärung ist inzwischen im Verständnis der Unabhängigkeitserklärung völlig in den Hintergrund getreten. Vielmehr wird diese heute als ein Dokument des Naturrechtes verstanden, das die Menschenrechte in die Welt einführte.

2. Französische Revolution

Die französische Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers7 stellte tatsächlich eine Erklärung (déclaration) und nicht eine Konstitu- ierung dieser Rechte dar. Sie sollte jeder Verfassung vorausgehen und die Verfassung hatte nur die Aufgabe, diese Rechte zu sichern. Die Déclara- tion sollte also nicht Teil der Verfassung sein; dadurch entzog sie sich dem Einfluss der höchsten, verfassungsändernden Gewalt. Sie hatte ei- nen vorstaatlichen und naturrechtlichen Charakter und wandte sich nicht an das französische Volk allein, sondern sozusagen an die Mensch- heit an sich.

Der zentrale Art. 2 der Déclaration lautet:

«Der Endzweck aller politischen Vereinigung ist die Erhaltung der natürlichen und unabdingbaren Menschenrechte. Diese Rechte sind die Freiheit, das Eigentum, die Sicherheit, der Widerstand ge- gen Unterdrückung.»

Die Déclaration wurde in grosser Eile verabschiedet und strebte keine vollständige Kodifikation der Freiheit an. Nicht in der Erklärung aufge- nommen wurden etwa die Niederlassungsfreiheit, die Versammlungs- und Vereinsfreiheit, die Wirtschafts- und Erwerbsfreiheit und das Recht auf Schulunterricht. Auch fehlten Sozialrechte. Später hat man dies in

6 Vgl. Angermann Erich, Ständische Rechtstraditionen in der amerikanischen Unab- hängigkeitserklärung, in: Historische Zeitschrift 200 (1965), S. 61 ff.

7 Gosewinkel / Masing, Verfassungen, S. 165 ff.

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den Verfassungen und weiteren Menschenrechtserklärungen nachgeholt.

Die Unvollständigkeit der Erklärung war schon deshalb kein Problem, weil sie die Freiheit an sich und generell verkünden wollte. Art. 5 enthält nämlich eine allgemeine Freiheitsvermutung:8

«Das Gesetz hat nur das Recht, solche Handlungen zu verbieten, die der Gesellschaft schädlich sind. Alles, was durch das Gesetz nicht verboten ist, kann nicht verhindert werden, und niemand kann genötigt werden, zu tun, was das Gesetz nicht verordnet.»

Dieses sog. liberale Prinzip hatte im Ancien Regime gerade nicht gegol- ten («Was nicht erlaubt ist, ist verboten»). Es ist im Gesetzmässigkeits- prinzip verkörpert. In einer alten Formulierungen des schweizerischen Bundesgerichts wird das so ausgedrückt: «Enthält das Verwaltungsrecht keine Beschränkung der individuellen Betätigung, so besteht eben Frei- heit.»9

Bedeutsam war in der Erklärung auch die Schrankenregelung von Art. 4 der Déclaration:

«Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was einem andern nicht schadet. Die Ausübung der natürlichen Rechte jedes Men- schen hat also nur die Grenzen, die den andern Mitgliedern der Ge- sellschaft den Genuss der gleichen Rechte sichert. Diese Grenzen können nur durch das Gesetz bestimmt werden.»

Art. 4 geht auf Vorschläge von Abbé Sieyès zurück, der argumentierte,

«Freiheit könne nie grenzenlos sein und finde ihre Schranke stets in der Freiheit des Nächsten».10Es ist nach der Rechtsprechung des Staatsge- richtshofes die Aufgabe des Gesetzes, diese Schranke zu ziehen.

8 Vgl. Kley, Geschichte des öffentlichen Rechts, S. 307.

9 BGE 46 I 215, vgl. auch 47 I 215, 97 I 355.

10 Sieyès Emmanuel Joseph, Einleitung zur Verfassung, Anerkennung und erklärende Darstellung der Menschen- und Bürgerrechte. Am 20. und 21. Juli 1789 im Verfas- sungsausschuss verlesen, in: ders., Politische Schriften 1788–1790, 2. Aufl., Mün- chen / Wien 1981, S. 239 ff., S. 247; Hafen Thomas, Staat, Gesellschaft und Bürger im Denken von Emmanuel Joseph Sieyès, Diss. St. Gallen, Bern 1994, S. 125.

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Die französische Menschenrechtserklärung hat insgesamt die fol- gende Bedeutung:

– Sie ist in universeller und in historischer Mission verkündet wor- den. Ähnlich wie bei der amerikanischen Unabhängigkeitserklä- rung von 1776 erfüllte die französische Nationalversammlung eine weltgeschichtliche Mission: Sie verkündete den Völkern die Frei- heit auf naturrechtlicher Grundlage. Das zeigt sich auch daran, dass die Déclaration eine Ewigkeitsgarantie aufweist. Die späteren Ver- fassungsgeber bauten auf ihr auf und tasteten sie nicht an.

– Sie ist mehr als ein Katalog von Individualrechten, nämlich auch ein Ausdruck einer freiheitlichen und demokratischen Staatstheo- rie basierend auf dem Naturrecht. Das zeigen die organisations- rechtlichen Bestimmungen. Diese verbinden die Kodifikation der Freiheit mit einer gewaltenteiligen Staatsorganisation (Art. 16), die darauf ausgerichtet ist, die Freiheit zu realisieren.

Mit der französischen Eroberungspolitik in der Zeit des Direktoriums und von Napoléon Bonaparte verbreitete sich die Idee der Menschen- rechte in Europa. Die militärische Gewalt der französischen Invasions- armeen diskreditierte zwar zunächst ihren Gehalt. Ihre Idee blieb indes- sen auch nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft untergründig erhalten. Die Restaurationsepoche ab 1815 vermochte entgegen ihrem Anspruch das Ancien Régime nicht mehr wiederherzustellen. Vielmehr hatte der Geist der Aufklärung auch die Monarchen schon ergriffen, ohne dass ihnen das bewusst war. So errang der österreichische Kaiser die Herrschaft über das Veltlin, weil er den Veltlinern die Rechtsgleich- heit zusicherte – ganz im Gegensatz zu Graubünden, das die Veltliner nur als Untertanen haben wollte. Nach 1815 blieben die menschrecht - lichen Ideale der französischen Revolution, namentlich die Idee einer all- gemeinen Rechtsgleichheit, erhalten. Die Monarchen entdeckten, dass die Rechtsgleichheit und die ideellen Freiheiten ihre Herrschaft nur be- grenzt gefährdeten und deshalb zunehmend zugelassen werden konnten.

3. Lehre aus der Geschichte: Menschenrechte als Abwehrrechte Aus der Erfahrung der Unterdrückung durch die monarchische Staats- gewalt sind die Menschenrechte primär als Abwehrrechte konzipiert:

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Staatseingriffe in die Individualsphäre sollen verhindert werden. Damit war aber noch nichts darüber gesagt, wie diese Abwehr zustande kom- men sollte. Die Menschenrechte waren ein staatsphilosophisches Postu- lat an die Nation, den Monarchen oder den Gesetzgeber, er solle sich doch in seiner Tätigkeit von ihnen leiten lassen und sie beachten. Sie hat- ten zunächst einmal weniger einen rechtlichen, als vielmehr eine pro- grammatischen Gehalt, der sich an die politischen Akteure richtete.

II. Freiheits- und Menschenrechte im Deutschen Bund bis 1870 und in Liechtenstein ab 1862

1. Landständische Verfassung von 1818

Die Wirksamkeit der aufklärerischen Ideen zeigte sich im Konstitutio- nalismus. Dieser forderte die Festschreibung der Rechte und Pflichten des Monarchen und des Staates sowie der Bürger in einer Verfassungs- urkunde. Der Konstitutionalismus folgte insofern den politischen Ideen der Aufklärung. Allerdings war die Stellung des Monarchen vorerst noch ausser Reichweite; dieser blieb souverän und von der Verfassung unberührt. Aber es setzte sich im Laufe der Jahrzehnte immer mehr die Auffassung durch, dass auch der Fürst keine Souveränität ausserhalb der Verfassung habe und vollumfänglich an diese gebunden sei.

Liechtenstein wurde 1815 Mitglied des Deutschen Bundes; die Deutsche Bundesakte von 1815 bestimmte in Art. 13: «In allen Bundes- staaten wird eine landständische Verfassung stattfinden.»11 Mit diesem Artikel wurde es Pflicht für jedes Mitglied des Bundes, eine Verfassung zu erlassen. Fürst Johann I. erfüllte diese Pflicht mit dem Erlass der Landständischen Verfassung vom 9. November 1818.12 Dabei handelte es sich um eine Urkunde, die sich strikt an den Geist der Restauration hielt;13 sie organisierte lediglich die Landstände und formulierte sogar Nicht-Grundrechte, indem § 16 ein Petitionsverbot aussprach und mit

11 Huber, Dokumente, S. 75 ff., oder Gosewinkel / Masing, Verfassungen, S. 740 ff.

12 Vgl. Beiträge zu Volksrechten, S. 259 ff.

13 Quaderer Rupert, Die Entwicklung der liechtensteinischen Volksrechte seit der vor- absolutistischen Zeit und der Landstände seit 1818 bis zum Revolutionsjahr 1848, in: Beiträge zu Volksrechten, S. 9 ff., S. 17 ff.

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der Einbettung von Liechtenstein im Deutschen Bund und in Österreich begründete. Diese Verfassung atmete noch ganz den Geist der absolutis- tischen Zeit: Gemäss der Dienstinstruktion von 180814waren nach abso- lutistischer Manier «die staatliche Macht und das öffentliche Recht» im Fürsten konzentriert: «Regis voluntas suprema lex.»15 Die Idee der Grund- und Menschenrechte hatte in diesen Vorstellungen keinerlei Raum.

Von grösster Bedeutung war in diesem Zusammenhang Art. 57 der Wiener Schlussakte der Ministerkonferenzen vom 15. Mai 1820,16 der den deutschen Fürsten vorschrieb oder vielmehr ihnen zusicherte, dass die «gesammte Staatsgewalt in dem Oberhaupte des Staats vereinigt blei- ben» müsse. Zudem könne der Souverän durch die Landständische Ver- fassung «nur in der Ausübung bestimmter Rechte an die Mitwirkungen der Stände gebunden werden», was bedeutete, dass die Fürsten im All- gemeinen ausserhalb der Verfassung, d. h. ungebunden und frei blieben.17 Im Revolutionsjahr 1848 erhoben die liberal gesonnenen Volksteile von Liechtenstein unter Führung von Peter Kaiser die Forderung nach einer Verfassung mit allen Elementen einer rechtsstaatlichen Ordnung, nämlich Gewaltentrennung, Volksvertretung und Einräumung von Grundrechten. Liechtenstein nahm als Mitglied des Deutschen Bundes an der Paulskirchenversammlung teil. Die verfassungsrechtliche Revolu- tion scheiterte allerdings. Aber immerhin war Liechtenstein von 1849 bis 1852 faktisch ein konstitutionelles Fürstentum.18 Fürst Alois II. nahm aber im Reaktionserlass vom 20. Juli 1852 die 1848/49 gemachten Zuge- ständnisse – im Nachvollzug der Entwicklung in Preussen und Öster- reich – teilweise wieder zurück:19Die Landesverfassung von 1818 «be- hält so lange Gesetzeskraft, bis die ausdrückliche Abänderung derselben von Uns beschlossen und dieser Beschluss als Gesetz kundgemacht wor- den sein wird».20Von einem neuen Geist zeugte aber, dass einige Zuge-

14 Text: Beiträge zu Volksrechten, S. 247 ff.

15 Malin Georg, Die politische Geschichte des Fürstentums Liechtenstein von 1800–

1815, Vaduz 1953, S. 49.

16 Text: Huber, Dokumente, S. 81 ff., oder Gosewinkel / Masing, Verfassungen, S. 748 ff.

17 Vgl. Batliner, Einführung S. 32 f.

18 Vgl. Geiger, Volksvertretung, S. 37 f.

19 Vgl. Geiger, Volksvertretung, S. 39.

20 Text: Beiträge zu Volksrechten, S. 271.

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ständnisse in Kraft blieben, so etwa die Befreiung vom Mühlzwang, die Fronen sowie gewisse ewige Bodenlasten. Es handelte sich hier zwar nicht um Menschenrechte, aber um wichtige Zugeständnisse, welche die Stellung des Individuums verbesserten. Sie können also in gewisser Weise als grundrechtsnah angesehen werden.

2. Verfassung von 1862

Zu Beginn der 1860er Jahre führten die meisten Staaten des deutschen Bundes freiheitlichere Verfassungen ein. Liechtenstein folgte nicht so- gleich nach; Fürst Alois starb 1858 und zunächst regierte die Fürsten- mutter. Das Liechtensteiner Volk fürchtete deshalb, ohne Fürsten zum

«Waisenkind im grossen Vaterlande» zu werden.21Als Fürst Johann II.

1860 im Alter von 20 Jahren die Regentschaft antrat, ergriff er sogleich die Initiative. Allerdings erwies sich die Ausarbeitung einer Verfassung als schwierig, weil sich die Landstände nicht mit dem kopierten österrei- chischen Vorbild begnügen wollten. Schliesslich resultierte 1862 eine Verfassung, die sich in ihrem Wortlaut an verschiedene süddeutsche Ver- fassungen anlehnte. Der Landtag und der Fürst nahmen die Verfassung an. Liechtenstein folgte damit endgültig einem ausgeweiteten Konstitu- tionalismus, der in sich den Keim zu einer vertieften aufklärerisch- rechtsstaatlichen Entwicklung aufwies.

Bei der Verfassung von 1862 handelte es sich um eine Vollverfas- sung mit Grundrechtskatalog und vollständigem Staatsorganisations- recht.22Selbstverständlich begann die Verfassung im Ersten Hauptstück mit der Regierung des Fürsten (§§ 1–3). Dieser stand nach wie vor aus- serhalb der Verfassung; § 3 verwies dementsprechend auf die Hausge- setze. Im zweiten Hauptstück waren die allgemeinen Rechte und Pflich- ten der Landesangehörigen normiert (§§ 4–22). Die Pflichten und die Regelung der Staatsangehörigkeit zeigen das Vorhandensein des Ver- tragsdenkens:23 § 4 verpflichtete die Aufenthalter zu Beachtung der Gesetze, im Gegenzug erhielten diese auch den gesetzlichen Schutz.

21 Vgl. Geiger, Volksvertretung, S. 39.

22 Text: Beiträge zu Volksrechten, S. 273 ff.

23 Vgl. zum Paktgedanken Batliner, Einführung, S. 33.

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Entscheidend an der Verfassung von 1862 war die dem Landesfürsten abgerungene Selbstbindung. «Eine Änderung der einmal gegebenen Ver- fassung konnte fortan nur in den verfassungsmässigen Formen und un- ter massgeblicher Beteiligung der Volksvertretung erfolgen.»24Der Mo- narch hatte einen Teil seiner Souveränität aus der Hand gegeben. Zwar konnte sich der Landtag nicht einmal selbst versammeln, aber der Fürst konnte die Verfassung ohne Zustimmung des Landes nicht mehr ändern.

Auf diese Art und Weise war eine Verrechtlichung der Souveränität des Fürsten eingetreten.

Für die Grundrechte hatte das keine direkten Auswirkungen, da ihr Katalog sich einigermassen bescheiden ausnahm:

– Rechtsgleichheit (§ 7),

– Freiheit der Person und der «äusseren» Religionsausübung (§ 8 Abs. 1),

– Freiheit der «Gedankenmitteilung» und der Presse (§ 8 Abs. 2), – Recht auf den ordentlichen Richter (§ 9 Abs. 1),

– strafprozessuale Garantien (§§ 9 Abs. 2, 10–13, 16),

– Eigentum und Loskauf von Bodenzinsen (§§ 14, 15), nicht aber die Gewerbefreiheit, da die wirtschaftliche Betätigung durch verlie- hene Privilegien bestimmt wurde (§ 17),

– Vereinsrecht (§ 18),

– Recht auf Beschwerdeführung und Petitionsrecht (§§ 19, 20).

Der Grundrechtskatalog wies noch eine Reihe von weiteren Regelungen auf, die nach heutigem Verständnis keine Grundrechte darstellten, aber doch mit der Idee kollektiver und korporativer Freiheit in enger Verbin- dung standen, so etwa die Wehrpflicht (§ 21) und die Organisation der Gemeinden (§ 22).

Die Einhaltung dieser Grundrechte wurde aber, entsprechend dem Geist der damaligen Zeit, nicht von einem Verfassungsgericht überprüft.

Das neunte Hauptstück über die Gewähr der Verfassung (§§ 119–124) anerkannte als Mittel der Gewähr lediglich die Verbindlicherklärung für die Landesangehörigen, aber nicht für den Fürsten (§ 119), das Verfas- sungsänderungsverbot ohne Zustimmung des Fürsten (§ 121), die Regie- rungsannahmeerklärung des Fürsten (§ 123) und den Eid der Staatsdie-

24 Batliner, Einführung, S. 34.

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ner (§ 124). § 122 sah die Zuständigkeit des Bundesschiedsgerichts für die Fälle vor, in denen «über die Auslegung einzelner Bestimmungen der Verfassungsurkunde Zweifel entsteht, und derselbe nicht durch Über- einkunft zwischen der Regierung und dem Landtage beseitigt werden kann». Diese Bestimmung bezieht sich auf das Schlussprotokoll der Wiener Ministerkonferenzen vom 12. Juni 1834,25die die herausragende Stellung des Fürsten gemäss der Bundesakte zu sichern suchte. Deren Art. 1 verpflichtete die Bundesglieder, Art. 57 der Bundesakte26«in sei- nem Umfange unverletzt zu erhalten». Art. 2 ff. dieses Schlussprotokolls sah ein Schlichtungs- und Schiedsgerichtsverfahren vor, um derartige Streitigkeiten zu erledigen. Dabei kam dieses Verfahren in Gang, «wenn die Stände, in der Absicht ihre Befugnisse zu erweitern, Zweifel über den Sinn einzelner Stellen der Verfassungsurkunden erregen sollten» (Art. 2).

Für das Schiedsgericht war Art. 1 des Schlussprotokolls bindend: Es war also ein Verfahren, das von vornherein den Status quo und die herausra- gende Stellung des Fürsten zu sichern suchte. § 122 der Verfassung von 1862 war somit keine Bestimmung, welche die Grundrechte der Verfas- sung sichern wollte oder konnte; sie suchte vielmehr die souveräne Ge- walt der Fürsten auch für die Zukunft aufrecht zu erhalten.27Aus einer andern Optik lässt sich mit Herbert Wille feststellen, dass die Verfas- sungsgerichtsbarkeit «für diese Zeitepoche nur dem Anschein nach»28 bestand.

Die Grundrechte der Verfassung von 1862 boten insgesamt nur ei- nen unvollkommenen Schutz: Es bestand keine Gerichtsbarkeit, welche einzelne Streitfälle beurteilen konnte. Ferner unterstanden etliche Grundrechte schon gemäss Verfassungstext (§ 8 Abs. 2, § 18) dem Ge- setzesvorbehalt. Die Verfassung von 1862 machte im Wesentlichen zu- nächst eine symbolische Konzession an die Idee der Individualfreiheit.

Freilich konnten die Fürsten des Deutschen Bundes damals nicht ahnen, dass sie bereits auf dem Weg einer Verrechtlichung der Staatsgewalt wa- ren, die auch ihre souveräne Rechte beschränken sollte. § 122 der Ver- fassung von 1862 sollte schon wenige Jahre nach seinem Inkrafttreten obsolet werden; die kleindeutsche Lösung ab 1866 bzw. 1870 hob die

25 Text: Huber, Dokumente, S. 123 ff.

26 Vgl. oben Anm. 16.

27 Wille H., Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 15 ff.

28 Wille H., Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 18.

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Ordnung von 1815/1820 und mit ihr das Schiedsgericht auf.29Liechten- stein blieb neben Luxemburg als einziges deutsches Fürstentum ausser- halb der kleindeutschen Lösung übrig.

Die kleindeutsche Lösung führte auch zu einer staatsrechtlichen Umbildung Österreichs. Österreich gab sich 1867 ein Staatsgrundgesetz im Geist des Konstitutionalismus, das sich aus verschiedenen Einzeler- lassen zusammensetzte.30Ihm stimmten Krone und Volksvertretung zu.

Wesentlich war vor allem das Staatsgrundgesetz von 1867 über die allge- meinen Rechte der Staatsbürger,31das über die prekären Gewährleistun- gen der liechtensteinischen Verfassung von 1862 hinausging. Österreich unternahm so bereits einen grösseren Schritt in Richtung Konstitutiona- lismus.

3. Verfassung von 1921

Nach dem Ersten Weltkrieg brachen das deutsche und das österrei- chische Kaiserreich zusammen. Beide Länder entwickelten sich zu bun- desstaatlichen Ordnungen, geordnet in der Weimarer Reichsverfassung von 1919 bzw. dem österreichischen Bundes-Verfassungsgesetz von 1920. Der Erste Weltkrieg führte auch in Liechtenstein zu Umwälzun- gen: Es entstanden politische Parteien, die Gesellschaft begann sich aus- zudifferenzieren. Der Krieg hatte zu grossen Sozialproblemen geführt, was entsprechende Forderungen nach staatlicher Intervention nach sich zog. Nach langen Auseinandersetzungen kam es zur Verfassung von 1921.32 Diese entwickelte die Verfassung von 1862 in entscheidenden Punkten weiter und verwirklichte vor allem einen viel besseren Grund- rechtsschutz. Die Verbesserungen bestanden darin, dass:

– der Katalog der Grundrechte ausgebaut wurde,

– der Fürst in das System der Verfassung einbezogen und das Volk ebenfalls als Souverän anerkannt wurde (Art. 2),33

29 Brauneder, Verfassungsgeschichte, S. 153.

30 Gosewinkel / Masing, Verfassungen, S. 1503 ff. mit allen Staatsgrundgesetzen je vom 21. Dezember 1867.

31 Vgl. Brauneder, Verfassungsgeschichte, S. 155.

32 Vgl. im Einzelnen die Darlegung von Quaderer, Der historische Hintergrund.

33 Deshalb spricht Batliner, Einführung, S. 40 f., zu Recht von einer elliptischen Ver- fassung mit diesen beiden Polen Fürst und Volk.

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– die Grundrechte nicht mehr unter dem allgemeinen Gesetzesvor- behalt standen und

– der Staatsgerichtshof mit der Rechtsprechung über die Grund- rechte betraut wurde.

Im Vergleich zur Verfassung von 1862 enthielt die Verfassung die fol- genden neuen Grundrechte:

– die Niederlassungsfreiheit (Art. 28),

– die politischen Rechte für die Landesangehörigen (Art. 29), – der gleiche Zugang zu den Ämtern für alle Landesangehörigen

(Art. 31 Abs. 1),

– die integrale Freiheit der Person, das Hausrecht und das Brief- und Schriftengeheimnis (Art. 32 Abs. 1),

– die Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 36),

– die integrale Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 37, 39), – die Meinungsfreiheit (Art. 40),

– das Vereins- und Versammlungsrecht (Art. 41).

Bei der erweiterten Liste von in der Verfassung von 1921 festgeschriebe- nen Grundrechten blieb es vorerst; während Jahrzehnten wurden keine ungeschriebenen Rechte anerkannt.

Von entscheidender Bedeutung war die Einführung des Staatsge- richtshofs, der als Organ über die Einhaltung der Grundrechte zu wa- chen hatte. Liechtenstein vollzog damit die Wende zum Rechtsstaat. Es bekannte sich zur Verfassung als Grundlage aller staatlichen Gewalt und zum Vorrang der Verfassung vor dem einfachen Gesetz und überwand damit das althergebrachte Justizsystem.34 Nach Erlass der Verfassung verzögerte sich zwar die Ausarbeitung des Staatsgerichtshofgesetzes, da sich Liechtenstein nicht direkt an ein ausländisches Vorbild anlehnte.35 Im Ergebnis kam aber mit dem Gesetz von 1925 eine verfassungsge- richtliche Kontrolle der Grundrechte zustande, die sich europaweit se- hen lassen konnte.

34 Wille, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 22 ff.

35 Wille, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 34 ff.

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4. Punktuelle Erweiterung des Grundrechtskataloges

Der Verfassungsgeber erweiterte den Grundrechtskatalog vorsichtig:

1971 stellte er fest, dass der Ausdruck «Landesangehörige», der in man- chen Gewährleistungen vorkommt,36beide Geschlechter umfasst; er tat also einen Schritt in die Richtung der Gleichberechtigung der Ge- schlechter und verschaffte den Frauen das politische Stimmrecht. Aller- dings wurde die volle Gleichberechtigung der Geschlechter erst 1992 eingeführt.37Im Jahr 2000 wurde das politische Stimmrechtsalter auf 18 Jahre gesenkt38 und im Jahr 2005 führte der Verfassungsgeber die Art.

27bis und 27ter ein, welche neu die Menschenwürde, das Folterverbot, das Recht auf Leben und das Verbot der Todesstrafe festschrieben. Der Staatsgerichtshof anerkannte 1998 das Willkürverbot als ungeschriebe- nes Grundrecht der Verfassung und ging damit von der Theorie der Lü- ckenlosigkeit der Verfassung ab.39Die historische Entwicklung verbes- serte den Grundrechtsschutz in Liechtenstein massgeblich und schloss damit direkt an die rechtsstaatlichen Entwicklungen des Auslands an.

Dazu trug vor allem auch die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofsbei.

Dieser lehnte sich an die Rechtsprechung der Verfassungsgerichte der Nachbarstaaten an und entwickelte ab den 1980er Jahren eine dynami- sche Praxis.40Er orientierte sich am Primat der Grundrechte und gab ih- nen verfassungsrechtlich eine stärkere Position, indem er sich bei den Prüfkriterien im Falle von Grundrechtseingriffen zusätzlich am Verhält- nismässigkeitsprinzip orientierte. Ferner unterwarf er die Eingriffe der Anforderung, dass der Kerngehalt der Grundrechte gewahrt bleibt.41 Auf diese Weise ist eine Rechtsprechung zu den Grundrechten entstan- den, die ihre Entscheide nachvollziehbar begründet und damit deren Akzeptanz massgeblich erhöht.42

Die vom Fürsten initiierte Verfassungsreform von 2003 beliess den Grundrechtskatalog zwar unberührt, aber im Gefüge der Staatsgewalten

36 Vgl. LGBl. 1971 Nr. 22 etwa zu Art. 31 oder 43 LV.

37 LGBl. 1992 Nr. 81; vgl. Art. 31 Abs. 2 LV.

38 Art. 29 Abs. 2 LV gemäss LGBl. 2000 Nr. 55.

39 Kley, Kommentar; Hoch, Schwerpunkte, S. 78 Anm. 58 m.w.H.

40 Hoch, Schwerpunkte, S. 71 ff.

41 Hoch, Schwerpunkte, S. 72.

42 Hoch, Schwerpunkte, S. 73.

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stärkte er seine eigene Stellung. Die Auswirkungen der Reform sind da- her für die Grundrechte nur vordergründig unbedenklich; jede Stärkung der Exekutivgewalt gefährdet die Menschenrechte, wenn nicht gleichzei- tig die Kompetenzen des obersten Gerichts angemessen erweitert wer- den.43

III. Universeller und regionaler Menschen - rechtsschutz nach 1948

Die Gräuel des Zweiten Weltkriegs führten zur Einsicht, dass die uni- verselle Beachtung der Menschenrechte eine wichtige Voraussetzung für den Weltfrieden darstellt. In der Charta der Vereinten Nationen (UNO) vom 26. Juni 1945 verpflichteten sich die Mitglieder, die Menschenrechte zu achten. Am 10. Dezember 1948 verabschiedete die Generalversamm- lung der UNO die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Diese stellt zwar keinen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag dar; ihr Inhalt wird gleichwohl grösstenteils dem zwingenden Völkergewohnheitsrecht zugeordnet. Die Erklärung war einerseits eine wichtige Leitlinie für die Abfassung der universellen und regionalen Menschenrechtsabkommen, andererseits beeinflusste sie direkt die Verfassungsgeber in vielen Staa- ten. Die UNO, der Liechtenstein erst 1990 beitrat, beschloss am 16. De- zember 1966 die beiden Weltpakte für bürgerliche und politische Rechte sowie für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Sie sind für das Fürstentum Liechtenstein 1999 in Kraft getreten.44

Auf regionaler Ebene sind die Europäische Menschenrechtskon- vention vom 4. November 1950, der Liechtenstein 1982 beitrat,45die Eu- ropäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961, die Amerikanische Men- schenrechtskonvention vom 22. November 1969 und die afrikanische Banjul-Charta vom 19. Juli 1981 zu erwähnen. Daneben bestehen auf UNO-Ebene und im Europarat, dem Liechtenstein 1978 beitrat, zahl- reiche weitere Abkommen, welche spezielle Aspekte des Menschen-

43 Vgl. Batliner, Fragen.

44 LGBl. 1999 Nr. 57 f.

45 LGBl. 1982 Nr. 60/1.

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rechtsschutzes betreffen, so etwa die UNO-Konvention gegen die Fol- ter von 10. Dezember 1984.46

Vor allem auf internationaler und teilweise auch auf nationaler Ebene haben die Menschenrechte heute zwei neue Dimensionen erhal- ten. Die Menschenrechte dienen nicht nur der Abwehr staatlicher Ein- griffe in die Individualsphäre, sondern zusätzlich werden auch gewisse Sozialrechte anerkannt, wie das Recht auf Bildung, das Recht auf Woh- nung oder das Recht auf Arbeit. Diese Sozialrechte schaffen die Voraus- setzungen dafür, dass wirtschaftliche Bedingungen bestehen, damit alle in den Genuss der traditionellen Menschenrechte gelangen können. In der jüngsten Zeit wird eine weitere Generation der Menschenrechte dis- kutiert, nämlich sog. Gruppenrechte.47Diese schützen nicht mehr aus- schliesslich das Individuum, sondern bestimmte Gruppen von Men- schen als Kollektiv. Als wichtige Beispiele sind für die Drittweltstaaten das Recht auf Entwicklung, das Recht auf Selbstbestimmung oder das Recht auf eine lebenswerte Umwelt zu nennen (Art. 22, 20, 24 Banjul- Charta). Diese neuen Entwicklungen von Sozial- und Gruppenrechten dürfen freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die zentrale Aufgabe der Menschenrechte die Abwehr staatlicher Eingriffe in die Sphäre der Individuen ist und bleibt.

Das internationale Recht hat sich in den multilateralen Konventio- nen intensiv der Menschenrechte angenommen. Von grösster Bedeutung ist dabei die Europäische Menschenrechtskonvention. Dabei sind bei ihr weniger die im Konventionstext selbst eingeräumten Rechte entschei- dend als vielmehr der internationale Durchsetzungsmechanismus, der durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sichergestellt wird. Der Konvention bzw. dem Europarat gehören fast 50 Mitglied- staaten an. Der Gerichtshof entwickelt die Menschenrechte der Konven- tion durch Auslegung in den ihm vorgelegten Fällen weiter. Er versteht die Konvention nicht als ein historisches Dokument, sondern als ein

«living instrument» / «instrument vivant», das stets vor dem Hinter- grund der aktuellen Bedrohungen für die Freiheit der Menschen inter-

46 Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedri- gende Behandlung oder Strafe; Inkrafttreten für das Fürstentum Liechtenstein:

2. Dezember 1990, LGBl. 1991 Nr. 59.

47 Vgl. Riedel Eibe, Menschenrechte der dritten Dimension, in: EuGRZ 1989, S. 9 ff.

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pretiert werden muss.48Auf diese Art und Weise entsteht ein internatio- naler Grundrechtsstandard, der das Schutzniveau auf einzelstaatlichem Niveau massgeblich bestimmt.

Die Freiheitsrechte werden ausserdem auch im Rahmen des Euro- päischen Wirtschaftsraums und der Europäischen Union geschützt. Im EWR bestehen die vier wirtschaftlichen Freiheiten (Kapitalverkehr, Freizügigkeit, Dienstleistungen, Warenverkehr),49 deren Einhaltung durch Liechtenstein in letzter Instanz vom EFTA-Gerichtshof in Lu- xemburg überwacht wird. Im Rahmen der Europäischen Union, der Liechtenstein nicht angehört, hat der Vertrag von Lissabon einen um- fangreichen Grundrechtskatalog vorgesehen, der zahlreiche klassische Freiheitsrechte, Sozialrechte und politische Staatsziele aufweist. Sollte die EU die Europäische Menschenrechtskonvention ratifizieren, wie das in Art. 6 Abs. 2 des Vertrags von Lissabon vorgesehen ist und durch das 14. Zusatzprotokoll zur EMRK ermöglicht wird, so wird sich die Be- deutung der Konvention und des Gerichtshofes noch bedeutend erhö- hen.50Allerdings steht dieser grosse Schritt noch aus, da der Beitritt in einem Beitrittsabkommen statuiert werden müsste, in dem die Mitglied- staaten wiederum ein Vetorecht haben.

IV. Zweck und Funktionen der Grundrechte:

objektives Recht und subjektive Rechte

1. Französische Entwicklung: Menschenrechte als objektives Recht Der Gedanke, dass der Einzelne nicht nur gegenüber dem Staat, sondern auch gegenüber mächtigen Privatpersonen oder Personenvereinigungen geschützt werden muss, ist alt. So hatte sich die französische Revolution ausdrücklich gegen die Zwangskorporationen und Zünfte gewandt und die Bildung mächtiger Personenzusammenschlüsse verboten. Dieses sog.

48 Vgl. Urteil VO v. Franceof 8 July 2004, Reports of Judgements an Decisions 2004- VIII, S. 1 ff., S. 43, § 82; Tyrer v. the United Kingdom, judgement of 25 April 1978, Series A no. 26, pp. 15–16, § 31.

49 Siehe dazu in diesem Handbuch den Beitrag von Carl Baudenbacher, S. 775 ff.

50 Vgl. z. B. Frenz Walter, Handbuch Europarecht. Band 4: Europäische Grundrechte, Berlin 2009, S. 15 ff., insb. S. 20 N. 48, S. 23 N. 59.

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«Le-Chapelier-Gesetz»51war fast hundert Jahre in Kraft. In der franzö- sischen Revolution bestand ein ausgeprägter Zusammenhang zwischen politischer Bürgerfreiheit und freiheitlicher Zivilgesetzgebung. Die Déclaration sollte als Leitlinie für die gesamte Gesetzgebung dienen.52 Die Verfassung von 1791 bestimmte denn auch im ersten Titel über die Grundrechte: «Il sera fait un Code de lois civiles communes à tout le Royaume.»53 Diesen Kodifikationsauftrag setzte Napoléon 1804 um:

Der «Code Napoléon» trug wesentlich dazu bei, «der französischen Ge- sellschaft wichtige Errungenschaften der Revolution zu erhalten: die Abschaffung der Privilegien und die Gleichheit vor dem Gesetz, die Be- wahrung des Grundeigentums und insbesondere der neuen Eigentums- verhältnisse durch den Verkauf der Nationalgüter».54 Die Menschen- rechte waren in Frankreich somit als objektives Recht konzipiert. In der Hauptsache war der Gesetzgeber dafür verantwortlich, dass er das poli- tische Programm der Grundrechte in seiner Tätigkeit umsetzte.

2. Amerikanische Entwicklung: Menschenrechte als subjektive Rechte

Die Entwicklung in Amerika verlief anders und überlagerte die europäi- sche objektivrechtliche (oder institutionell-konstitutive) Grundrechts- konzeption beinahe. Die amerikanische Bill of Rights55(1791 als Nach- trag zur Verfassung erlassen) wurde fast gleichzeitig wie die französische Erklärung der Menschenrechte ausgearbeitet. Bei beiden Dokumenten wirkte übrigens der amerikanische Politiker Thomas Jefferson mit. Die amerikanische Erklärung war vom englischen Recht bestimmt und ka- suistischer, d. h. für den Gerichtsgebrauch abgefasst. Die zehn ersten Amendments der Unionsverfassung von 1791 waren als Teil des unmit-

51 Vgl. die Ansprache von Le Chapelier vom 14. Juni 1791 in der französischen Na- tionalversammlung, in: Müller Ulrich (Hrsg.), Lust an der Geschichte: Die franzö- sische Revolution 1789–1799. Ein Lesebuch, München 1988, S. 120–125.

52 Vgl. Grimm Dieter, Deutsche Verfassungsgeschichte 1776–1866, Frankfurt a. M.

1988, S. 41.

53 Text: Godechot Jacques (Hrsg.), Les constitutions de la France depuis 1789, Paris 1995, S. 33 ff., S. 37, oder Gosewinkel / Masing, Verfassungen, S. 165 ff.

54 Schunck Peter, Geschichte Frankreichs, München / Zürich 1994, S. 198.

55 Gosewinkel / Masing, Verfassungen, S. 155 ff.

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telbar geltenden Rechts vor Gericht einklag- und durchsetzbar. Es han- delte sich um subjektive Rechte.56Die Hauptverantwortung für die Um- setzung dieser Rechte trugen die Bürger, die ihren Fall vor Gericht brach- ten, und die Gerichte. Dieses Verständnis der Freiheitsrechte sollte sich im 20. Jahrhundert auch in Frankreich und in ganz Europa durchsetzen.

3. Menschenrechte in einem neuen Kontext

Die bürgerlichen Freiheitsrechte sind zu einer Zeit entstanden, als die Trennung von öffentlichem Recht und Privatrecht noch kaum sichtbar war. Aus diesem Grunde war es nur folgerichtig, dass Johann Caspar Bluntschli die individuellen Freiheitsrechte dem Privatrecht und die po- litischen Rechte dem öffentlichen Recht zuordnete.57Erst die rechtsdog- matische Trennung des öffentlichen Rechts vom Privatrecht liess verges- sen, dass die Freiheitsrechte für die gesamte Rechtsordnung richtung- weisend sind und ihre programmatische Schicht dem Gesetzgeber als Leitgrundsatz dient.58 Wichtig ist das vor allem für Rechtsgebiete wie das Arbeitsvertragsrecht, in denen das wirtschaftlich-soziale Machtge- fälle sehr ausgeprägt ist.

Die wirtschaftliche Entwicklung im 20. und 21. Jahrhundert führte zur Frage nach der umfassenden Geltung der Grundrechte. Verpflichten die Grundrechte etwa auch Grossunternehmungen mit einer Macht wie öffentliche Institutionen als unmittelbar anwendbares Recht? Damit war die Idee der direkten Drittwirkung der Grundrechte entstanden. Histo- risch gesehen handelt es sich dabei um eine Spielart der objektivrecht - lichen Grundrechtsdimension, die mit subjektivrechtlicher Grund- rechtswirkung ergänzt wird. Die objektivrechtliche (oder konstitutiv- institutionelle) Tragweite der Grundrechte wird mit einem subjektiven Anspruch versehen und vermag dadurch in Privatrechtsverhältnisse di- rekt zu wirken.

56 Vgl. Heideking Jürgen, Geschichte der USA, Tübingen / Basel 1996, S. 75.

57 Vgl. Bluntschli Johann Caspar, Allgemeines Staatsrecht, 2. Aufl., Zürich 1857, Band II, S. 476 ff., S. 483; vgl. auch Leisner Walter, Grundrechte und Privatrecht, Mün- chen 1960, S. 30 Anm. 67 m.w.H.

58 Vgl. Saladin Peter, Grundrechte im Wandel, 3. Aufl., Bern 1982, S. 295; Müller Jörg Paul, Einleitung zu den Grundrechten, in: Aubert / Eichenberger / Müller / Rhinow / Schindler, Rz. 41 ff.

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V. Individualrechtliches Leitbild der Menschen- und Grundrechte

Der Sozial- und Interventionsstaat des 21. Jahrhunderts übernimmt eine umfassende Verantwortung für das menschliche Leben. Orientiert an ei- nem staatskaritativen Leitbild entstehen zahllose Pflichten und Verant- wortlichkeiten des Staates. Das Gemeinwesen ist jetzt etwa dafür ver- antwortlich, dass sich die Menschen nicht unvernünftig verhalten oder

«falsche» Meinungen vertreten. Aus diesem Grund sind verschiedene Gebote der political correctness zu Rechtspflichten umgegossen wor- den. Das zeigt beispielhaft etwa das Kinder- und Jugendgesetz vom 8. Dezember 2008.59 Seine zahlreichen Ziele umfassen nicht zuletzt die Gesinnung der Kinder und Jugendlichen, wenn etwa die Erziehung zur Achtung der Menschenrechte und zu Toleranz (Art. 1 Bst. f) gefordert wird. Die Kinder und Jugendlichen werden vor den zahlreichen geisti- gen Gefahren geschützt; so sieht Art. 63 Bst. d den Schutz vor «Diskri- minierung wie Sexismus und Rassismus, politischer Radikalisierung wie Rechtsradikalismus, Gewalt, Gewalt- und Kriegsverherrlichung sowie anderen Formen der Menschenverachtung» vor (interessanterweise ist der Linksradikalismus keine Gefahr). Diese umfassenden Schutzvorstel- lungen und Allzuständigkeiten stehen freilich in einem diametralen Ge- gensatz zur liberalen Freiheitsidee, die es dem Menschen zutraut, dass er selber die Freiheit vernünftig und sinnvoll gebrauchen kann. Ein zwar für die Freiheit wenig vertrauenswürdiger Gewährsmann, aber in seinen Formulierungen bestechender Autor, Carl Schmitt, formulierte die Idee grundrechtlicher Freiheit so: «Was Freiheit ist, kann nämlich in letzter Instanz nur derjenige entscheiden, der frei sein soll. Sonst ist es nach al- len menschlichen Erfahrungen mit der Freiheit schnell zu Ende.»60Die Steigerung des Sozial- und Interventionsstaates zum Präventionsstaat gefährdet direkt die liberale Freiheitsidee einer zunächst allgemeinen Freiheit, die freilich beschränkbar ist. Diese Entwicklung ist in allen eu- ropäischen Staaten in Gang und es ist zur Zeit nicht abzusehen, ob sie

59 LGBl. 2008 Nr. 29, LR 852.0.

60 Schmitt Carl, Freiheitsrechte und institutionelle Garantien der Reichsverfassung (1931), in: ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924–1954, Berlin 1958, S. 140 ff., insb. S. 167; ähnlich ders., Grundrechte und Grundpflichten (1932), ebd., S. 181 ff., insb. S. 208 f.

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sich in Richtung Präventionsstaat akzentuiert oder nicht.61 Äusseres Merkmal des Präventionsstaates ist der unablässige Erlass neuer Gesetze, welche die Freiheit letzten Endes in die gewünschte Richtung lenken wollen. Selbst im Falle, wo diese Gesetze in freiheitsfördernder Absicht erlassen werden, bedrohen sie die Freiheit, die es nun einmal dem Indi- viduum überlassen möchte, ob es die Freiheit gebraucht und gegebenen- falls in welche Richtung es sie benützt.

Spezialliteratur-Verzeichnis

Batliner Gerard, Einführung in das liechtensteinische Verfassungsrecht, in: Batliner Gerard (Hrsg.), Die Liechtensteinische Verfassung 1921. Elemente der staatlichen Ordnung, LPS 21, Vaduz 1994, S. 15 ff. (zit.: Batliner, Einführung); Beiträge zur geschichtlichen Entwick- lung der politischen Volksrechte, des Parlaments und der Gerichtsbarkeit in Liechtenstein, Anhang: Verfassungstexte 1808–1918, LPS 8, Vaduz 1981 (zit.: Beiträge zu Volksrechten);

Brauneder Wilhelm, Österreichische Verfassungsgeschichte, 11. Aufl., Wien 2009 (zit.

Brauneder, Verfassungsgeschichte); Geiger Peter, Die liechtensteinische Volksvertretung in der Zeit 1848–1918, in: Beiträge zu Volksrechten, S. 29 ff. (zit.: Geiger, Volks vertretung);

Gosewinkel Dieter / Masing Johannes, Die Verfassungen in Europa, München 2006 (zit.:

Gosewinkel / Masing, Verfassungen); Huber Ernst Rudolf (Hrsg.), Dokumente zur Deut- schen Verfassungsgeschichte, Band 1, Stuttgart 1961 (zit. Huber, Dokumente); Kley An- dreas, Geschichte des öffentlichen Rechts der Schweiz, Zürich 2011 (zit.: Kley, Geschichte des öffentlichen Rechts).

61 Vgl. Kley, Geschichte des öffentlichen Rechts, S. 466 ff.

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Quellen der Grundrechte: landesrechtlicher und völkerrechtlicher Grundrechtsschutz

Mark E. Villiger

Übersicht I. Einleitung II. Subsidiarität

III. Landesrechtliche Gewährleistung 1. Verfassungskatalog

2. Gewährleistung in letzter Instanz durch den Staats- gerichtshof (StGH)

IV. Völkerrechtliche Gewährleistung

1. Europarat, namentlich die Europäische Menschenrechts- konvention (EMRK)

2. Universeller Menschenrechtsschutz – Vereinte Nationen (UNO)

3. Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht 3.1 Stellung des Völkerrechts im innerstaatlichen Recht 3.2 Rang des Konventionsrechts im innerstaatlichen Recht 3.3 Unmittelbare Anwendbarkeit des Konventionsrechts V. Zusammenfassung

Spezialliteratur-Verzeichnis

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I. Einleitung

Grund- und Freiheitsrechte werden in Liechtenstein durch das inner- staatliche Recht, vor allem durch die Landesverfassung,1 sowie durch zahlreiche Verträge des Völkerrechts gewährleistet. Auf diese zwei Grundrechtsquellen geht der folgende Beitrag ein.

II. Subsidiarität

Gemeinsam für den Menschenrechtsschutz insgesamt ist, dass gemäss dem Grundsatz der Subsidiarität vorab die innerstaatlichen Behörden für den Grundrechtsschutz verantwortlich sind.2Grundrechtsbeschwer- den sind zuerst vor den Liechtensteiner Behörden geltend zu machen.

Der völkerrechtliche Schutz kommt erst dann zum Zuge, wenn die in- nerstaatlichen Behörden die geltend gemachte Grundrechtsverletzung nicht «heilen» können oder wollen.

III. Landesrechtliche Gewährleistung

1. Verfassungskatalog

Das IV. Hauptstück der Landesverfassung des Fürstentums Liechten- stein führt einen reichhaltigen Katalog der Grundrechte an. Dieser um- fasst u. a.:3

– Art. 27bis: Achtung und Schutz der Würde des Menschen (Abs. 1);

Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe (Abs. 2);

– Art. 27ter: Recht auf Leben; Verbot der Todesstrafe;

– Art. 28: Niederlassungsfreiheit; Recht auf Vermögenserwerb (Abs. 1);

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Mark E. Villiger

1 Einzelne Gesetze enthalten ebenfalls Bestimmungen mit Bezug zu Grundrechten;

vgl. z. B. das in Art. 5 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGlG) statuierte Dis- kriminierungsverbot.

2 Vgl. Villiger, Principle of Subsidiarity, S. 25 ff.

3 Vgl. hier Höfling, Grundrechtsordnung des Fürstentums Liechtenstein, Rz. 28 ff.;

zur Grundrechtssubjektivität von Ausländern vgl. Rz. 18.

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– Art. 31: Gleichheitsgrundsatz und Geschlechtergleichheit (Abs. 1 und 2);

– Art. 32: Freiheit der Person, Hausrecht, Brief- und Schriftenge- heimnis (Abs. 1); Recht auf gesetzmässige Verhaftung und Haft so- wie Hausdurchsuchung (Abs. 2);

– Art. 33: Recht auf den ordentlichen (gesetzlichen) Richter (Abs. 1);

Ge setzmässigkeit der Strafe (Abs. 2); Recht auf Verteidigung (Abs. 3);

– Art. 34–35: Eigentumsgarantie und Enteignungsschutz;

– Art. 36: Handels- und Gewerbefreiheit;

– Art. 37–39: Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Weltan- schauung und der Religionsausübung;

– Art. 40: Meinungsäusserungsfreiheit;

– Art. 41: Vereins- und Versammlungsfreiheit;

– Art. 42: Petitionsrecht an den Landtag und den Landesausschuss;

– Art. 43: Beschwerderecht und effektiver Rechtsschutz mit Begrün- dungspflicht bei ablehnenden Entscheidungen.

2. Gewährleistung in letzter Instanz durch den Staats gerichtshof (StGH)

Eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung des innerstaatlichen Grund- rechtsschutzes spielt der StGH. Er überprüft auf Verfassungsbe- schwerde hin die Einhaltung dieser Grundrechte durch die Behörden. Er gewährt einen umfassenden Grundrechtsschutz mit direkten Konse- quenzen im Falle der Gutheissung einer Beschwerde (Art. 15 ff.

StGHG). Der StGH hat über den Text der Verfassung hinaus auch un- geschriebene Grundrechte entwickelt, darunter das Willkürverbot und einen umfassenden Anspruch auf rechtliches Gehör.4

35 Quellen der Grundrechte: landes- und völkerrechtlicher Grundrechtsschutz

4 Höfling, Grundrechtsordnung des Fürstentums Liechtenstein, Rz. 63, 72.

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IV. Völkerrechtliche Gewährleistung

1. Europarat, namentlich die Europäische Menschen - rechts konvention (EMRK)

Wichtigstes Element des völkerrechtlichen Grundrechtsschutzes für Liechtenstein ist zweifelsohne die EMRK. Liechtenstein wurde Mitglied des Europarates im Jahre 1978. 1982 trat das Land der EMRK bei. Diese ist derzeit für 47 europäische Staaten verbindlich. Die Konvention ge- währt im Wesentlichen jene Rechte, welche auch die Landesverfassung vorsieht, wobei die Einzelheiten des Grundrechtsschutzes teilweise aus- führlicher formuliert werden als im Landesrecht. Liechtenstein hat im Weiteren alle Zusatzprotokolle (ZP) zur EMRK ratifiziert mit Aus- nahme des 12. ZP (allgemeiner Gleichheitsgrundsatz). Liechtenstein hat mehrere Vorbehalte zur EMRK und zu den Zusatzprotokollen ange- bracht.5

Die individuellen Rechte der EMRK und der Protokolle (z. B.

Art. 2–14 EMRK) können letztinstanzlich beim Europäischen Gerichts- hof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg von allen Privatpersonen (d. h. von In- und Ausländern) und auch von Vereinigungen («nicht- staatliche Organisationen» gemäss Art. 34 EMRK) eingeklagt werden.

Immerhin gilt es, diverse Zulässigkeitsbedingungen einzuhalten, z. B. die Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs und die Frist von sechs Monaten seit der letztinstanzlichen Entscheidung gemäss Art. 35 Abs. 1 EMRK. Bei Beschwerden gegen Liechtenstein muss in der Regel in letz- ter Instanz der StGH aufgesucht werden; dieser soll auch tatsächlich in die Beschwerdesache eintreten und sie nicht für unzulässig erklären (Subsidiarität).

Die Urteile des EGMR sind verbindliche und unanfechtbare Fest- stellungsurteile. Die Staaten sind verpflichtet, sich danach auszurichten (Art. 46 EMRK). Von den insgesamt 85 Beschwerden, die seit 1982 ge- gen Liechtenstein in Strassburg eingereicht worden sind, hat der Ge-

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Mark E. Villiger

5 Eine vollständige Liste findet sich unter <www.conventions.coe.int> (Rubrik se- arch/Reservations and Declarations/By a State/Suchbegriff «Liechtenstein»), be- sucht am 1.6.2010; vgl. auch Westerdiek, Vorbehalte Liechtensteins, S. 549 ff.

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richtshof in vier Fällen Urteile gefällt.6In diesem Zeitraum hat der Ge- richtshof insgesamt über 11 000 Urteile erlassen.

Neben der EMRK ist Liechtenstein auch Vertragspartei einer Reihe von weiteren Übereinkommen des Europarates im Menschenrechtsbe- reich. Zu den wichtigsten dieser Übereinkommen zählt die Konvention zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Be- handlung oder Strafe, der Liechtenstein 1992 beigetreten ist. Diese Kon- vention garantiert keine Individualrechte, stellt jedoch einen Ausschuss (Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter, CPT) auf, der in re- gelmässigen Abständen Einrichtungen in den Mitgliedstaaten besucht, in welchen Personen ihre Freiheit entzogen wird, und über die Besuche Be- richt erstattet. Liechtenstein ist bisher dreimal aufgesucht worden.7Zu erwähnen wäre ferner die Europäische Charta der Regional- und Min- derheitensprachen (Beitritt 1998), deren Überwachungsausschuss regel- mässige Besuche, auch in Liechtenstein, durchführt. Liechtenstein ist Mitglied der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intole- ranz, diese hat drei Berichte über Liechtenstein verfasst.8Liechtenstein ist hingegen nicht der Europäischen Sozialcharta beigetreten.

2. Universeller Menschenrechtsschutz – Vereinte Nationen (UNO) 1990 trat Liechtenstein der UNO bei. Diese hat verschiedene Konven- tionen verabschiedet, welche dem Menschenrechtsschutz dienen.9Den Konventionen ist in der Regel gemeinsam, dass die Mitgliedsstaaten pe- riodische Berichte über die nationale Umsetzung der im betreffenden Konventionsrecht enthaltenen Verpflichtungen einreichen sollen.

37 Quellen der Grundrechte: landes- und völkerrechtlicher Grundrechtsschutz

6 Vgl. die Urteile gegen Liechtenstein: Wille, vom 28.10.1999, Nr. 28396/98, Recueil CourEDH 1999-VII S. 279 ff., betr. Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 10 EMRK);

Frommelt, vom 15.5.2003, Nr. 49158/99, Recueil CourEDH 2003-VII S. 407 ff., betr. Anhörung im Haftverfahren (Art. 5 Abs. 4 EMRK); Steck-Risch, vom 19.5.

2005, Nr. 63151/00, betr. Waffengleichheit vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 6 Abs. 1 EMRK); von Hoffen, vom 27.7.2006, Nr. 5010/04, betr. Dauer eines Straf- verfahrens (Art. 6 Abs. 1 EMRK).

7 D. h. in den Jahren 1993, 1999 und 2007; die Berichte finden sich in <www.cpt.

coe.int>, besucht am 1.6.2010.

8 D. h. in den Jahren 1998, 2003 und 2008; die Berichte finden sich in <www.coe.

int/t/dghl/monitoring/ecri/default_en.asp>, besucht am 1.6.2010.

9 Der nachfolgend angegebene Stand der Mitglieder entspricht jeweils dem 1.6.2010.

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Liechtenstein ist allen wichtigen UNO-Menschenrechtskonventio- nen beigetreten, teils unter Anführung von Vorbehalten und Erklärun- gen. Die wichtigsten dieser Konventionen sind die zwei Internationalen Pakte über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Pakt I) sowie über bürgerliche und politische Rechte (Pakt II). Pakt I gleicht der Sozi- alcharta des Europarates und verpflichtet derzeit 160 Staaten. Pakt II, der im Wesentlichen der EMRK entspricht, umfasst 165 Mitglieder. Pakt II kennt ein Individualbeschwerdesystem, das auch von Liechtenstein übernommen worden ist; allerdings kann der zuständige UNO-Men- schenrechtsausschuss zu den Beschwerden (communications) nur emp- fehlende, keine verpflichtende Stellungnahmen (views) abgeben. Für Pakt I ist ein Beschwerdesystem erarbeitet worden, das noch nicht in Kraft getreten ist.

Unter den weiteren UNO-Menschenrechtskonventionen, denen Liechtenstein beigetreten ist, seien erwähnt:

– Konvention zur Beseitigung der Rassendiskriminierung von 1966 (Beitritt 2000) mit der Möglichkeit, Petitionen (petitions) einzurei- chen;

– Konvention zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen von 1979 (Beitritt 1995) mit der Möglichkeit, Beschwerden (communi- cations) einzureichen;

– Konvention gegen Folter und andere grausame und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1984 (Beitritt 1990) mit Beschwerdemöglichkeit. Ein Zusatzprotokoll zur Konvention sieht einen Unterausschuss vor, der innerstaatliche Besuche an Or- ten durchführt, an welchen Personen ihre Freiheit entzogen wird;

– Konvention über die Rechte des Kindes von 1989 (Beitritt 1995).

Bisher ist vor keiner dieser Instanzen ein Beschwerdeverfahren von ei- ner Einzelperson gegen Liechtenstein eingeleitet worden.

Ferner überprüft der UNO-Menschenrechtsrat im Rahmen der so- genannten Universal Periodic Review (UPR) regelmässig die nationale Umsetzung der menschenrechtlichen Verpflichtungen der UNO-Mit- gliedsstaaten auf ihre Übereinstimmung mit dem internationalen Men- schenrechtsschutz. Diese Kontrolle wird gegenseitig von den Staaten ausgeübt (sog. peer review). Auch ein Beschwerdeverfahren ist einge- richtet worden. UPR und Beschwerdeverfahren gelten auch für Staaten, welche die erwähnten UNO-Konventionen bzw. das einhergehende Be- 38

Mark E. Villiger

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schwerderecht nicht übernommen haben. Liechtenstein unterzog sich 2008 einer UPR.10

3. Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht 3.1 Stellung des Völkerrechts im innerstaatlichen Recht

Liechtenstein folgt der Lehre des Monismus bzw. dem System der auto- matischen Adoption: Der internationale Vertrag tritt zugleich auf völ- kerrechtlicher und auf landesrechtlicher Ebene in Kraft. Das Völker - vertragsrecht gilt fortan ohne weiteres, d. h. ohne einen zusätzlichen staat lichen Akt.

3.2 Rang des Konventionsrechts im innerstaatlichen Recht

Die liechtensteinische Rechtsordnung enthält keine ausdrückliche Rege- lung darüber, welchen Rang Staatsverträge innerstaatlich einnehmen.

Völkerrechtliche Abkommen können materiell Verfassungs-, Gesetzes- oder Verordnungsrang haben. Seit der Verfassungsrevision von 2003 sieht die Verfassung die Überprüfbarkeit der Verfassungsmässigkeit von Staatsverträgen durch den Staatsgerichtshof vor, sodass diese formell Unterverfassungsrang haben. Gleichzeitig können aber gemäss Art. 15 Abs. 2 StGHG zahlreiche staatsvertragliche Individualrechte wie verfas- sungsmässige Rechte mit Verfassungsbeschwerde geltend gemacht wer- den und haben somit materiell Verfassungsrang. Dies gilt explizit für die EMRK, den UNO-Pakt II sowie die Übereinkommen gegen die Folter, die Geschlechter- und die Rassendiskriminierung.11

3.3 Unmittelbare Anwendbarkeit des Konventionsrechts

Den betreffenden internationalen Verträgen ist zu entnehmen, ob sie für die unmittelbare Anwendung spezifisch genug sind. Beispielsweise sind

39 Quellen der Grundrechte: landes- und völkerrechtlicher Grundrechtsschutz

10 Informationen über die UPR Liechtensteins sind über <www.liechtenstein.li> (Ru- brik Staat/Aussenpolitik/Menschenrechte) abrufbar; besucht am 1.6.2010.

11 Ausführungen entnommen dem vierten Länderbericht Liechtensteins vom 11.8.

2009 gemäss Art. 18 des Übereinkommens über die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 18.12.1979, <www.liechtenstein.li/4._laender bericht.pdf>, besucht am 1.6.2010. Vgl. ferner Thürer, Liechtenstein und die Völ- kerrechtsordnung, S. 108 ff.; Becker, Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landes- recht, S. 199 ff., S. 275 ff., S. 655 ff.

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Art. 2–14 EMRK unmittelbar anwendbar und können daher direkt ge- genüber allen liechtensteinischen Behörden geltend gemacht werden.

V. Zusammenfassung

Liechtenstein weist einen ausserordentlich reichhaltigen Grundrechts- schutz auf. Die Konkurrenz zwischen innerstaatlichen und völkerrecht- lichen Quellen bereichert zweifelsohne auch die Rechtsprechung der Gerichte, namentlich des StGH, der die EMRK geradezu vorbildlich be- rücksichtigt hat. Dass die Vielzahl der internationalen Konventionen zu praktischen Schwierigkeiten in Liechtenstein (etwa im Hinblick auf die periodischen Berichterstattungen) geführt habe, ist nicht ersichtlich.12 Immerhin bedeutet es für einen Kleinstaat einen beträchtlichen Auf- wand, den eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzu- kommen. Diese Konventionen haben keineswegs zu einer Beschwerde- flut gegen Liechtenstein geführt. Dies erklärt sich wohl mit dem Subsi- diaritätsprinzip und einem gut funktionierenden nationalen Grund- rechtssystem.

Spezialliteratur-Verzeichnis

Becker Stefan, Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein, Diss. Freiburg (Schweiz) 2003 (zit.: Becker, Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht); Borchardt Klaus- Dieter, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, 3. Aufl., Heidelberg 2006 (zit.: Borchardt, Grundlagen); Meckler Markus A., Der Kleinstaat im Völkerrecht. Das Fürstentum Liechtenstein im Spannungsfeld zwischen Souveränität und kleinstaatenspezi- fischen Funktionsdefiziten, Frankfurt a. M. u. a. 2006 (zit.: Meckler, Kleinstaat im Völker- recht); Villiger Mark E., The Principle of Subsidiarity in the European Convention on Hu- man Rights, in: Caflisch Lucius u. a. (Hrsg.), Liber Amicorum Luzius Wildhaber. Human Rights – Strasbourg Views, Kehl. 2007, S. 25 ff. (zit.: Villiger, Principle of Subsidiarity);

Westerdiek Claudia, Die Vorbehalte Liechtensteins zur Europäischen Menschenrechts- konvention, in: Europäische Grundrechte-Zeitschrift 1983, S. 549 ff. (zit.: Westerdiek, Vor- behalte Liechtensteins).

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Mark E. Villiger

12 Vgl. hierzu Meckler, Kleinstaat im Völkerrecht.

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