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Archiv "Urteil im Prozess gegen Berliner Krankenschwester: Zur Herrin aufgeschwungen" (06.07.2007)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 276. Juli 2007 A1951

P O L I T I K

D

ie Richter gingen akribisch vor. Sie versuchten, das Un- geheuerliche und auch die Umstän- de der Mordserie an der Berliner Charité zu ergründen. Warum hatte sich die Krankenschwester Irene B.

zur Herrin über Leben und Tod auf- geschwungen? Gab es Versäumnis- se in der Klinik? Am Ende resümier- te der Vorsitzende Richter Peter Faust: „Wir wissen nicht genau, warum Irene B. die Menschen getö- tet hat.“ Die Charité musste sich vorhalten lassen, dass offensichtlich Mängel vorgelegen hätten. Über das Arbeitsklima auf der kardiologi- schen Intensivstation habe man zum Teil „ernüchternde Erkenntnisse“

gewonnen.

Lebenslange Haft wegen Mordes an fünf Patienten, so urteilte das Berliner Landgericht. Die 55 Jahre alte Irene B. habe Schwerstkranke zu Tode gespritzt, „wenn sie meinte, sie müssten jetzt sterben“. Weder Mitleid noch Überforderung hätten eine Rolle gespielt. Irene B. habe ih- re eigenen Vorstellungen von Leben und Würde zum Maßstab gemacht.

„Aber es gibt kein mehr oder weni- ger schutzwürdiges Leben“, hielt Faust der so kühl und distanziert wirkenden Angeklagten entgegen.

Niemand hatte um einen solchen „Dienst“ gebeten

„Dieser Fall hat absolut nichts mit Sterbehilfe zu tun“, stand für das Gericht fest. Keiner der zwischen Juni 2005 und Oktober 2006 Ermor- deten oder der Angehörigen hatte Irene B. um einen solchen Dienst gebeten. Sie habe ihre Opfer – vier Männer und eine Frau – auch nicht schmerzverzerrt erlebt. Sie waren komatös oder bewusstlos. Von einer 48-jährigen Frau wusste die Kran- kenschwester sogar, dass sie zu Hause sterben wollte. Der Transport war vorbereitet, als Irene B. die

Überdosis eines blutdrucksenken- den Medikaments verabreichte.

Irene B. hat vier Tötungen ge- standen. Sie würde es wieder tun, meinte sie kurz nach ihrer Verhaf- tung. Sie habe ihre Opfer „sanft hinübergeleitet“, um deren „Würde wiederherzustellen“. Ein psychiatri- scher Gutachter sagte im Prozess, die trotz einer narzisstischen Per- sönlichkeitsstörung voll schuldfähi- ge Frau habe sich als „Mitwirkende eines göttlichen Willens“ gesehen.

Tiefgreifende Reue zeigte sie nicht.

„Meine Taten waren ein absurder Irrtum“, erklärte die Angeklagte in ihrem Schlusswort. Von einem Feh- ler oder von Schuld sprach sie nicht.

Mit strengem Blick und zuweilen arroganten Zügen ließ Irene B. ihre ehemaligen Kollegen im Zeugen- stand passieren. Sie, die 1995 in der Charité angefangen hatte, war nicht beliebt und eher eine Außenseiterin, wurde aufgrund ihrer immensen Er- fahrung aber respektiert. Sie hätten die Angeklagte als fachkompetente Pflegekraft erlebt, die sich vor allem der Schwerstkranken angenommen habe, lobten Ärzte. Pfleger und Krankenschwester dagegen zeich- neten ein differenzierteres Bild.

Von Ruppigkeiten gegenüber Pa- tienten war die Rede. Mehrere Fälle von Tätlichkeiten wurden geschil- dert. Einer verwirrten Frau schlug

URTEIL IM PROZESS GEGEN BERLINER KRANKENSCHWESTER

Zur Herrin aufgeschwungen

Lebenslange Haft wegen Mordes an fünf Patienten, entschieden

die Richter. Die Frage nach dem Warum aber blieb auch im Prozess offen.

Die Charité hat zu Beginn des Gerichtsverfahrens eine vierköpfige Untersuchungs- kommission eingesetzt:

Klaus Bepler, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsge- richt, Ricarda Klein, Direkto- rin für Patienten- und Pfle- gemanagement am Univer- sitätsklinikum Hamburg, Prof. Dr. Jens Reich, Mitglied des Nationalen Ethikrats, Prof. Dr. Peter Suter, Präsi- dent der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften. Was war deren Auftrag?

Frei:Sie sollten der Frage nachgehen, ob es auf der Inten- sivstation organisatorische Mängel oder Versäumnisse ge- geben hat, deretwegen die Si- cherheit von Patienten gefähr- det war. Darüber hinaus wollten wir wissen, ob es Kommunikati-

onsmängel innerhalb und zwi- schen den Berufsgruppen gab oder gar Verstöße gegen Dienstpflichten. Und schließlich wollten wir von der Kommission Vorschläge erhalten, um die Pa- tientensicherheit zu verbessern.

Anfang Juli sollen erste Ergeb- nisse vorliegen. Einen detaillier- ten Bericht will die Kommission im Sommer nachreichen.

Hat deren Arbeit bisher schon Konsequenzen nach sich gezogen?

Frei:Nicht unmittelbar. Wir haben von selbst Maßnahmen ergriffen. So wurde die Pflege- dienstleitung der Station sus- pendiert. Gegen sie läuft ein arbeitsrechtliches Verfahren.

Darüber hinaus haben wir Pfle- gekräfte und einen Arzt der Station innerhalb des Hauses versetzt, um sie zu entlasten

und aus der Schusslinie zu nehmen. Die Betreffenden ha- ben nicht das Gefühl, etwas Gravierendes falsch gemacht zu haben. Aber wir müssen ab- warten, was die Kommission uns noch rät.

Haben Sie darüber hinaus etwas unternommen?

Frei:Wir haben allen Mitar- beitern auf Intensivstationen vermehrt Supervisionen ange- boten. Das wird auch genutzt.

Wir haben das Fehlermeldesys- tem CIRS flächendeckend ein- geführt. Etabliert ist nun auch eine strukturierte Komplikati- ons- und Mortalitätskonferenz, im Rahmen derer alle Todesfälle besprochen werden. Dafür kommen Intensivmediziner je- weils von einer anderen Station dazu.

Fragen: Sabine Rieser

3 FRAGEN AN…

Prof. Dr. med. Ulrich Frei, Ärztlicher Direktor der Charité-Universitätsmedizin Berlin

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sie auf die Finger, einem anderen Patienten boxte sie gegen den Arm.

Auch sei Irene B. in den letzten zwei Jahren „verbal-aggressiv“ aufgetre- ten. Eine jüngere Kollegin war als Zeugin einer körperlichen Attacke zur Stationsschwester gegangen.

Dort endete die Sache. Es gab nicht einmal ein Gespräch mit Irene B.

Monate später, Mitte August 2006, war es ein Pfleger, dem das Verhalten der Krankenschwester verdächtig vorkam. Irene B. stand damals am Bett eines 77-jährigen Patienten. Therapeutische Maßnah- men sollte es nicht mehr geben. Der Pfleger aber hörte, wie eine Ampul- le in den Mülleimer flog. Minuten später war der Mann tot. Wie ein Ermittler sicherte der Pfleger die leere Ampulle. Zu einem Vorgesetz- ten aber ging er nicht. „In unserem Beruf geht es darum, Leben zu ret- ten. Da schien es mir absurd, je- manden als Mörder zu verdächti- gen“, versuchte er sich als Zeuge zu rechtfertigen.

Heftige Kritik des Gerichts an der Klinik

Man redete über Irene B., aber kei- ner mit ihr. Ärzte erfuhren Ende September von einem Tötungsver- dacht. „In der Gesamtschau hatte es für mich die Priorität Gerücht“, er- klärte ein Oberarzt. Es dauerte sie- ben weitere Tage, bis der Klinikchef informiert wurde. Noch am selben Tag wurde Irene B. verhaftet. Drei der verurteilten Morde geschahen nach dem ersten Verdacht.

Heftig fiel die Kritik der Richter an der Klinik aus. Beobachtete Rup- pigkeiten in Wort und Tat, die ohne Konsequenzen blieben – „eine Ad- ministration, die das zulässt, macht sich mitschuldig und gegebenen- falls strafbar“, sagte Faust. „Die Protagonisten und Beobachter sind ungeeignet für ihre Arbeit und gehören entfernt.“ Das gelte auch für Kollegen der Angeklagten, die den ungeheuerlichen Tötungsver- dacht hegten und dennoch schwie- gen. Für „arbeitsrechtliche Beden- kenträgerei“ oder Angst vor unge- rechtfertigten Verdächtigungen sei kein Raum, wenn das Leben von Menschen auf dem Spiel stehe. n Kerstin Rebien

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ie rund 6 500 Belegärzte in Deutschland müssen weiter auf eine leistungsgerechtere Be- zahlung warten. Zwar hatten sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Krankenkassen bereits im Februar auf eine neue Vergü- tungsregelung geeinigt, doch an- gesichts zäher Verhandlungen zwi- schen den Kassenärztlichen Vereini- gungen (KVen) und Krankenkassen kommt deren Umsetzung auf Lan- desebene nur schleppend voran.

„Die Kassen tun sich mit der Um- setzung schwer“, beklagt der Vorsit- zende des Bundesverbandes der Be- legärzte (BDB), Dr. med. Klaus Schalkhäuser. Nach der Bundesemp- fehlung sollen für belegärztliche Leistungen rund 74 Millionen Euro mehr im Jahr zur Verfügung gestellt werden. Zudem wurde der Einheitli- che Bewertungsmaßstab (EBM) zum 1. April 2007 um ein Belegarztkapi- tel 36 ergänzt. Finanziert werden sollen die Leistungen außerhalb der budgetierten Gesamtvergütung (DÄ, Heft 9/2007).

Massive Einnahmeverluste

Weil die Verhandlungen zwischen Ärzten und Kassen ins Stocken ge- raten seien, müssten nun Schieds- ämter entscheiden, berichtet Schalk- häuser. Doch drängt die Zeit. Denn seit Einführung des EBM 2000plus klagen viele Belegärzte über Ein- nahmerückgänge. Besonders dra- matisch entwickelte sich die Lage in Niedersachsen. Dort kam es nach Angaben des Landesverbandes der Belegärzte zu Verlusten von bis zu 70 Prozent. Doch weil sich die Kas- sen sperrten, werde wohl auch in Niedersachsen das Schiedsamt an- gerufen werden müssen, sagt KV- Sprecher Detlef Haffke. In Hessen traf das Schiedsamt für den Bereich der AOK bereits eine Entscheidung.

Danach werden die belegärztlichen

Leistungen nach EBM-Kapitel 36 mit 4,7 Cent und die sonstigen Leis- tungen mit 4,5 Cent extrabudgetär vergütet.

Regierung für EBM-Vergütung

Doch den monatelangen Streit in- nerhalb der Belegärzteschaft dürf- ten die bislang spärlichen Schieds- amtsentscheidungen nicht entschär- fen. Wegen der anhaltenden Hono- rarmisere wandten sich einzelne Gruppen von Belegärzten in verschie- denen Bundesländern von ihrem Bundesverband ab. Dahinter stecken unterschiedliche Ansichten, welcher Vergütungssystematik das Beleg- arztwesen unterliegen soll. Während Schalkhäuser auf den Verbleib im Kollektivvertrag der Vertragsärzte- schaft setzt, sehen andere ihr Heil im DRG-System der Krankenhäuser.

So schloss der Bundesverband der Deutschen Chirurgen (BDC) im vergangenen Jahr einen Rahmen- vertrag mit dem Bundesverband Deutscher Privatkliniken, der Di- rektabrechnungen auf DRG-Basis vorsieht. Wegen der anhaltenden Unsicherheiten werde man daran festhalten, für Belegärzte außerhalb des KV-Systems eigenständige Ver- handlungsmöglichkeiten zu schaf- fen, sagt Dr. med. Jörg-Andreas Rüggeberg, Vizepräsident des BDC.

Doch stehen die Zeichen trotz schleppender Honorarverhandlun- gen auf einen Verbleib der Belegärz- te im KV-System. Mittlerweile set- ze auch die Regierung auf eine EBM-Lösung, berichtet Schalkhäu- ser mit Verweis auf ein Gespräch zwischen ihm und Vertretern des Bundesgesundheitsministeriums.

Dies könnte sich jedoch ändern, schränkt der BDB-Chef ein, wenn es nicht schnell zu befriedigenden Verhandlungsergebnissen zwischen KVen und Kassen komme. n Samir Rabbata

BELEGÄRZTLICHE VERGÜTUNG

Zähe Verhandlungen

Auch vier Monate nachdem sich KBV und Krankenkassen

auf eine bessere Bezahlung von Belegärzten geeinigt

haben, steht eine Umsetzung der Beschlüsse aus.

Referenzen

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