V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 66. Februar 2004 AA361 Die Leber ist ein Organ mit
extrem hoher Regenerations- fähigkeit. Dennoch gibt es verschiedene Krankheitsbil- der, bei denen es akut oder auch chronisch zu einem mas- siven Untergang von Hepato- zyten kommt, der trotz der hohen Regenerationsfähigkeit nicht zu kompensieren ist.
Diesen Zelluntergang zu stop- pen ist laut Aussage von Prof.
Michael Manns (Hannover) eines der wesentlichen For- schungsziele in der modernen Hepatologie.
Wie dies aussehen könnte, machte in Wiesbaden Prof.
Christian Trautwein (Hanno- ver) am Beispiel des akuten Leberversagens deutlich. Der Wissenschaftler untersucht vor allem die Akut-Phase-Ant- wort als Reaktion auf Trau- men, Stress oder Infektionen.
Die Reaktion wird durch Zytokine reguliert; vor allem das Interleukin-6 (IL-6) so- wie der Tumornekrosefaktor (TNF) sind in diesen Prozess involviert. „Es gibt Beobach- tungen, wonach die Serum- konzentrationen beider Me- diatoren bei Patienten mit Lebererkrankungen signifi- kant erhöht sind“, berichtete der Wissenschaftler.
Treibt TNF die Hepatozyten in den Zelltod?
Besonders auffällig war das bei Patienten mit akutem Le- berversagen. Die nachfolgen- den Untersuchungen zeigten eindeutig, dass erhöhte TNF- Spiegel negativ mit dem Überleben der Patienten kor- relieren.Anhand von Tiermo- dellen, in denen spezifisch die Signaltransduktionswege von TNF moduliert werden konn- ten, wiesen Trautwein und Mitarbeiter nach, dass sich die Tiere durch eine Blocka- de der TNF-abhängigen Si- gnalwege vor einem experi-
mentell induzierten akuten Leberversagen bewahren las- sen. TNF scheint den Weg in die Entzündung und für die Zellen den Weg in die Apopto- se zu bahnen.
„Beim IL-6 machten wir ei- ne völlig andere Beobach- tung“, sagte der Wissenschaft- ler. Im Gegensatz zum TNF führte die Ausschaltung der IL-6 abhängigen Signalwege sogar zum schnelleren Unter- gang von Leberzellgewebe. Es kam bei akuten Schädigungen zu einem forcierten Zellun- tergang, und auch bei chroni- schen Schädigungen trat mehr Fibrose als normal auf. Das deutete bereits an, dass es sich beim IL-6 wahrscheinlich um eine Art Schutzfaktor han- delt, eine Vermutung, die durch die weiteren Untersu- chungen bestätigt wurde.
Selektive Blockade einzelner Signalkaskaden
Die Forscher entwickelten ei- nen Agonisten des IL-6, das so genannte Hyper-IL-6. Mit diesem Wirkstoff, der eine Art Hyperstimulation des schützenden Zytokins be- wirkt, ließ sich eine Conca- navalin-A-induzierte Leber- schädigung im Tierexperi- ment verhindern, die Tiere waren vor dem Zelluntergang bewahrt.
Es wurden erste klinische Studien mit Hyper-IL-6 ge- startet, deren Ergebnisse ab- zuwarten sind. Der selektiven Blockade einzelner Signal- kaskaden in der Leber dürfte nach Angaben Trautweins – jedoch unabhängig von deren Ausgang – die Zukunft in der modernen Hepatologie ge- hören. Christine Vetter
Bericht zum Symposium „Aktuelle Hepa- tologie“ beim Kongress für Innere Medi- zin in Wiesbaden, Veranstalter: Falk Foundation e.V.