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Archiv "Benjamin Franklin: Verbundenheit mit der Medizin" (03.02.2006)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 5⏐⏐3. Februar 2006 AA241

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er Mann hatte Nerven. Die Großmächte führten wieder ein- mal Krieg gegeneinander, und das Überleben seines Landes in dem Kon- flikt hing ganz wesentlich von seinem Geschick als Diplomat am französi- schen Hof ab. Doch trotz dieser Ver- antwortung, die auf seinen Schultern lastete, fand er Muße, sich Gedanken darüber zu machen, wie man die Phy- siologie des menschlichen Digestiv- traktes verbessern könnte: „Ich würde ein Preisgeld für die Entdeckung eines Medikamentes aussetzen, welches mit unserem Essen und den Saucen ver- mischt wird und das dafür sorgt, dass das natürliche Lassen der Winde unse- res Körpers nicht als abstoßend, son-

dern als so angenehm wie Parfüm emp- funden würde.“

Die pharmakologische Beeinflus- sung der Darmwinde stand auf seiner Prioritätenliste nicht sehr weit oben, sodass er auf eine Publikation dieses Gedankenganges wohlweislich ver- zichtete. Die meisten anderen Geistes- blitze, ob wissenschaftlich, politisch oder philosophisch, pflegte der gelern- te Drucker meist relativ schnell und zur Freude einer immer größeren Vereh- rergemeinde in dicken Lettern setzen zu lassen. Er war eines der großen Uni- versalgenies der Neuzeit und wird in diesem Jahr in seinem Heimatland ge- bührend gefeiert: Benjamin Franklin.

Vor 300 Jahren, am 17. Januar 1706 in Boston, geboren, gibt es vielerlei Gründe, sich seiner zu erinnern.

Die beiden wichtigsten sind sei- ne Erfindung des Blitzableiters, mit dem der Mensch nicht länger einer als Verderben bringend er- achteten Naturgewalt hilflos ge- genüberstand, und sein Anteil an der Gründung der USA. Im Al- ter von 70 Jahren gehörte er 1776 zu den Mitautoren der Un- abhängigkeitserklärung. Danach schickte ihn der Kongress nach Frankreich, um dort Unterstüt- zung für den Unabhängigkeits- krieg gegen England zu gewin- nen. Auch dies gelang – ohne sei- ne diplomatischen Bemühungen hätten sich die 13 ehemaligen Kolonien vielleicht nie als un- abhängiger Staat konstituieren können.

Franklins Ruf war ihm nach Europa vorausgeeilt, denn seit seinem berühm- ten Experiment mit dem Drachen im Gewittersturm galt er als einer der größ- ten Naturforscher der Epoche. Franklin war sein ganzes Leben lang ein begei- sterter Mann der Wissenschaft. Ent- scheidend war für ihn: Die Wissenschaft musste praktischen Nutzen haben, muss- te das Leben der Menschen verbessern.

Dazu ist die Medizin in besonderem Maße angetan – folgerichtig faszinierte die Heilkunde den Mann, der nur eine kurzzeitige Schulausbildung genossen hatte, ungemein. Als sein älterer Bruder John, der in Boston lebte (Franklin selbst war als 17-jähriger Druckerlehr- ling von zu Hause weggelaufen und nach Philadelphia gegangen), ihm von seinen Blasenbeschwerden schrieb und über Dysurie klagte, suchte Ben sofort nach einer praktischen Lösung. Er kon- zipierte einen dünnen Silberkatheter, den er bei einem Schmied anfertigen ließ, flexibel und mit einem Draht in sei- nem Lumen zu bewegen, sodass er beim Einführen den Windungen der Harn- röhre angepasst werden konnte.

Persönliches Leid motivierte ihn zu seinem publizistischen Feldzug für eine umstrittene Prophylaxe. Als Lehrling in der Druckerwerkstatt seines Bruders James hatte er für dessen Zeitung „The New England Courant“ noch die Buch- staben für Artikel gesetzt, in denen das Blatt gegen die damals heftig diskutier- te Pocken-Inokulation zu Felde zog. Ei- nige Jahre später wurde er einer der ak- tivsten Verfechter der von der engli- schen Diplomatengattin Lady Mary Montagu nach Europa gebrachten Methode, einem Vorläufer der später von Jenner propagierten Impfung. Als

Benjamin Franklin

Verbundenheit mit der Medizin

Der Naturforscher war ungemein von der

Heilkunde fasziniert. Er konzipierte unter anderem einen Harnkatheter und die Bifokalbrille.

Der amerikanische Staatsmann und Erfinder Benjamin Franklin wurde vor 300 Jahren in Boston geboren.

Abb.:Picture Alliance/KPA Zeichnung:KF

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A242 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 5⏐⏐3. Februar 2006

Franklin in Philadelphia längst ein er- folgreicher Geschäftsmann und offiziel- ler Drucker der Kolonie Pennsylvania geworden war, schlug die Infektion auch in seiner Familie zu. Sein vierjähri- ger Sohn Folger Franklin, genannt Franky, fiel 1736 den Pocken zum Op- fer. Er schrieb Essays und propagierte die Inokulation. Einer seiner späteren Weggefährten, Thomas Jefferson, setzte Franklins Werk fort und wurde zum be- kanntesten Befürworter der Jenner- schen Impfung in den USA.

Eine von Franklins Erfindungen fand – was keineswegs seine Absicht ge- wesen war – Eingang in die Medizinge- schichte des 18. Jahrhunderts. Es war die Glasharmonika, ein aus Glaskolben unterschiedlicher Größe bestehendes Musikinstrument, dem man Töne entlocken konnte, die ein späteres Zeit- alter wahrscheinlich als psychedelisch bezeichnet hätte. Die Sphärenklänge der Glasharmonika wurden von keinem Geringeren als Franz Anton Mesmer, Namensgeber des „Mesmerismus“, re- gelmäßig als Hintergrundmusik für sei- ne Séancen benutzt, bei denen er das

„Fluidum“, den „thierischen Magnetis- mus“ mithilfe von Metallstäben und nicht zuletzt seinen heilenden Händen durch die Körper seiner Patienten strö- men ließ. Mesmers Erfolge, die eher ge- sellschaftlicher als medizinischer Art waren, konnte ein durch und durch ra- tional denkender Mensch wie Franklin nicht nachvollziehen. Wie sein Biograf Philip Dray schreibt, war Franklin zu- sammen mit wissenschaftsinteressier- ten Freunden wahrscheinlich der Erste, der die Wirkung eines Placebos doku- mentierte. Im Garten seines Hauses in Passy bei Paris ließ er einen Mesmer- Doppelgänger auftreten und Patienten an „magnetisierte“ Gegenstände fas- sen. Mehrere äußerten körperliche Be- glückung, als sie sich des Magnetismus teilhaftig glaubten. Ein zwölf Jahre alter Junge, dem man erzählt hatte, dass ein Baum „mesmerisiert“ sei, bekam die Augen verbunden und wurde dann auf- gefordert, den betreffenden Baum her- auszufinden. Bei einem der Bäume ge- riet er in Konvulsionen, vermeinte das Fluidum zu verspüren und fiel schließ- lich in Ohnmacht – natürlich war der Baum in keiner Weise behandelt wor- den. Franklins Urteil über diese Mo-

deerscheinung der Heilkunde war nüchtern: „Dies ist ein Effekt, der keine äußere, physikalische Ursache hat, son- dern der nur von der Einbildung her- vorgerufen sein kann.“

Noch während seiner Zeit als Ge- sandter der im Entstehen begriffenen Vereinigten Staaten in Frankreich (1776 bis 1785) machte Franklin eine weitere Erfindung, die noch heute Mil- lionen von Patienten zugute kommt, die an einer harmlosen Alterserscheinung leiden, der Presbyopie. Wahrscheinlich ist ihm beim Lesen der unzähligen Präliminarentwürfe und Konzepte für den von ihm ausgehandelten Friedens- schluss mit England im November 1782 die Notwendigkeit deutlich geworden, über eine Sehhilfe zu verfügen, die es erlaubt, gleichzeitig das Kleingedruckte wie auch das Pokerface des ihm gegen- übersitzenden Unterhändlers zu er- gründen. Ihm kam eine Idee: „Die Kon- vexität einer Brille, durch die ein Mann am deutlichsten und

besten in der richti- gen Leseentfernung sieht, ist nicht die beste für größere Distanzen. Daher hatte ich zwei ver-

schiedene Brillen, zwischen denen ich je nach Gelegenheit wechselte, da ich beim Reisen gern lese, aber auch gern die Umgebung betrachte. Dieses Vorge- hen fand ich doch recht mühsam und hatte oft auch nicht beide Brillen zur Hand, sodass ich die Gläser entzwei- schnitt und je eine Hälfte mit der ande- ren in einer Fassung vereinte. Auf diese Art kann ich die Brille ständig tragen, ich muss nur die Augen nach oben oder unten bewegen, wenn ich deutlich in der Ferne oder Nähe sehen will – die richti- ge Brillenstärke ist stets dabei.“

Als Franklin 1785 von dem Künstler Charles Willson Peale porträtiert wur- de, trug er seine neue Brille mit erkenn- barem Stolz. Sie nützte ihm auch bei sei- nem letzten historischen Akt, dem Ent- wurf der Verfassung der Vereinigten Staaten im heimischen Philadelphia.

Als 1787/88 dieses Werk geschaffen wurde, war Franklin der elder states- man unter den Vätern der Constitution.

Verfassung, Bifokalbrille und Blitzab- leiter funktionieren bis auf den heuti- gen Tag, wenngleich viele Presbyopen

heute die Gleitsichtbrille, die auch mitt- lere Distanzen abdeckt, bevorzugen.

Die letzten Jahre seines Lebens ver- brachte er als Patient. Er litt unter zwei Krankheiten, die damals vor allem An- gehörige der besser gestellten Klassen befielen, Blasensteine und Gicht. Zwar frönte er den Freuden der Tafel, doch das Rauchen lehnte er ab, und sein Umgang mit geistigen Getränken war sehr zu- rückhaltend. Franklin war, im Gegen- satz zu den meisten Zeitgenossen, ein Freund frischer Luft. Interessant ist sei- ne Einschätzung der Pathogenese der Erkältung, die er seinem Freund Benja- min Rush (der einzige Arzt unter den Unterzeichnern der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung) mitteilte:

„Ich bin oft in kalten Wintern gereist und habe mich extremer Kälte ausgesetzt, doch dabei keine Erkältung bekommen.

Die Menschen fangen sich eher vonein- ander eine Erkältung ein, wenn sie zu- sammen in engen Räumen, Kutschen etc. eingeschlossen sind und einer des anderen Transpira- tionen einatmet.“

Die gesunde Le- bensführung ließ ihn 84 Jahre alt wer- den; Benjamin Franklin starb am 17.

April 1790. Seine Verbundenheit zur Medizin dokumentierte Franklin unter anderem mit der Gründung des heute noch existierenden Pennsylvania Hos- pital, seine Sorge um die Ausbildung nachfolgender Generationen mit der Konstituierung eines College, aus dem die University of Pennsylvania hervor- ging. Seine Hochachtung vor Ärzten war ungebrochen, wie aus einigen Aphorismen in seinem großen Werk

„Poor Richard’s Almanac“ hervor- geht. Die Belastungen, unter denen der ärztliche Berufsstand leidet, würdigte er in seinem „There is more old drunk- ards than old doctors“; allzu enge Ver- traulichkeit mit dem behandelnden Arzt wehrte er jedoch mit seinem Rat- schlag „He’s a fool that makes his doc- tor his heir“ ab. Über alle Berufs- und Standesgrenzen hinweg ist sein Aufruf zu einem Leben in Pflichterfüllung und ohne sündhafte Exzesse von bleiben- der Kraft: „Early to bed and early to rise makes a man healthy, wealthy and wise.“ Ronald D. Gerste

„Early to bed and early to rise makes a man healthy,

wealthy and wise.“

Benjamin Franklin

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