SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 24/07
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SINAMÖHR UNDMATTHIASGUBLER, VINAROBLESINC. SANMIGUEL, CA, USA
s.moehr@vinarobles.com
C
hile liegt als schmaler, langer Landstreifen zwi- schen den schneebedeckten Anden und dem süd- lichen Teil des Pazifiks. Trotz dieser Randlage hat es sich als «Global Player» auf dem Weltmarkt positio- nieren können. Dominiert wird der chilenische Wein- markt von einigen Giganten, die den Kleinen zukünf- tig wohl noch weniger Spielraum lassen werden. Chi- le ist auch heute noch ein sehr attraktives Investiti- onsland, auch wenn der globale Weinmarkt als gesät- tigt gilt. Die Bodenpreise betragen einen Bruchteil derer in Europa oder Kalifornien. Sehr oft werden Neuanlagen unveredelt erstellt, da man die Reblaus in Chile nicht kennt. Eine vergleichbare Traubenqualität kostet in Chile weniger als ein Zehntel der sonst übli- chen Traubenpreise. Die Qualität der Weine ist weit- gehend überdurchschnittlich. Beste Voraussetzungen also für den Export!Grosse Viñas – viel Wein
Lag der Pro-Kopf-Konsum der Chilenen Anfang der 70er Jahre noch bei über 40 Litern Wein im Jahr, sind es heute lediglich noch etwa rund 15 Liter. Diese Än- derung im Konsumverhalten ging nicht ohne enor- men Strukturwandel bei den Viñas vor sich. Nach dem Ende der Ära Salvador Allende – in der viele Geld bringende Industriezweige verstaatlich worden sind – und der Machtübernahme durch die Militärs unter Augusto Pinochet hatte sich das Land den ausländi- schen Märkten wieder geöffnet. Zudem zwangen die desolate Weinqualität und der sinkende Konsum die Viñas dazu, ihre Situation neu zu überdenken. Dank staatlicher Unterstützung für Forschung und Ausbil- dung konnten die Weine qualitativ stark verbessert werden. Dies kam den wenigen grossen Viñas zugute.
Sie konnten sich in dieser Zeit zu Marktführern vor al- lem im Export entwickeln, was sich bis heute nicht verändert hat. Eine Weinlesekontrolle gibt es in Chile nicht; Ende Herbst werden die Quantitäten erfasst und den zuständigen Behörden (SAG: Servicio Agrí- cola y Ganadero) mitgeteilt. Überhaupt werden die Gesetze in Chile im Vergleich zu anderen Wein- bauländern der Neuen Welt sehr locker gehandhabt;
der Spielraum ist gross!
Der Pflanzboom
Chile gehört jetzt zu den führenden Ländern, was das Preis-Leistungs-Verhältnis betrifft. Allerdings konnte es sich den Kräften des globalen Wettbewerbs eben- falls nicht entziehen. Eine krasse Überbewertung des Exportpotenzials führte in den vergangenen 10 bis 15 Jahren zu einem Pflanzboom in nie da gewesenem Ausmass, das heisst seit 1985 um volle 47 300 ha auf nun 114 450 ha! Dadurch entstand eine massive Überproduktion, was Wein- wie auch Traubenpreise ins Purzeln brachte.
Die für südamerikanische Verhältnisse einzigartige politische Stabilität Chiles – anfänglich Militärdikta- tur, dann Demokratie – lockt schon seit über 30 Jah- ren ausländische Investoren an. Einer der ersten war 1979 der aus Spanien stammende Miguel Torres. Spä- ter gesellten sich Unternehmen wie Marnier, Casa La- WEINBAU
Viña Chillán – ein Schweizer Projekt in Chile
Die Verfasser dieses Berichts haben drei Monate in Chile verbracht. Bei Weinreisen und vor allem durch die zweimonatige praktische Tätigkeit auf der Viña Chillán (ehemals Viña Tierra y Fuego) verschafften sie sich einen Einblick in das Weinland Chile: Die chilenische Weinland- schaft ist ähnlich wie diejenige Australiens geprägt von einigen Weingiganten. Die Riesen do- minieren den Markt nach monopolistischem Muster. Die meisten dieser Viñas schauen auf eine lange, traditionsreiche Geschichte zurück. Dies erklärt ihren heutigen Erfolg und ihre Grösse.
Ein Flügel der Viña durch eine Reihe Carmenère Reben gesehen.
SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 24/07 7 postolle und die Domaines Barons de Rothschild (Los
Vascos) dazu. Auch diese drei Betriebe sind heute feste Grössen im chilenischen Weinmarkt. In ihrem Sog zog es unzählige weitere Investoren nach Chile.
Viña Chillán
Die Geschichte der Viña Chillán begann Ende der 90er Jahre. Drei Schweizer – Roland Lenz, Ruedi Rüesch und Michele Rüfenacht – traten südlich von Chillán im Weingeschäft auf den Plan. Inmitten von Brachland stellten sie eine Bodega mit Restaurant und Gästehaus auf. Die Rebfläche setzt sich aus rund 17 ha Neupflanzungen rund um die Bodega und 12 ha al- ten Reben im weiteren Umkreis zusammen. Roland Lenz, der in der Ostschweiz bereits einen Rebbaube- trieb von 12 ha besitzt, ist für die Weinbereitung zu- ständig und reist dreimal im Jahr nach Chile. Ruedi Rüesch lebt mit seiner Familie in Chile und ist für die Bodega und den Weinbau verantwortlich. Michele Rüfenacht führt heute als Pächter das Restaurant. Seit 2006 ist ein zusätzlicher privater Investor beteiligt.
Adresse des Weinguts: Viña Chillán, Km 7 Camino Tres Esquinas, Bulnes, 8a Region Chile. Tel. 0056 (42) 197 1573, www.vinachillan.cl.
Rebbau auf der Südhalbkugel
Die Viña liegt am südlichen Ende der chilenischen Weinbauregionen, rund 450 km südlich von Santiago de Chile. Die Region hat an Bedeutung verloren, galt aber früher als wichtiges Weinanbaugebiet. Das Kli- ma ist im Winter sehr feucht und kühl, im Sommer mehrheitlich trocken und heiss; also geradezu ideal für einen erfolgreichen Rebbau. Die Viña Chillán pro- duziert Weine für ein gehobenes Preissegment aus praktisch allen international verbreiteten Rotwein- sorten (s. Kasten) inklusive Carmenère und Uva Pais.
Bei den Weissen beschränkt sich der Sortenspiegel im Wesentlichen auf Chardonnay und Sauvignon blanc.
Die Erträge schwanken zwischen 200 g/m2bei den über 100-jährigen Reben und 600 g/m2bei den Neu-
anlagen. Botrytis oder Essigfäule sind Fremdwörter;
die Viña ist sogar auf dem Weg, biologisch zertifiziert zu werden. Die Reben werden zwischen Juni und Au- gust geschnitten; der Austrieb erfolgt um den 20. Sep- tember und die Blüte Ende November/Anfang De- zember. Die Traubenlese geschieht von Hand von Mitte März bis Mitte Mai. Die lange Vegetationsperi- ode erlaubt ein optimales Ausreifen sämtlicher ange- pflanzter Traubensorten. Die Zuckerwerte bewegen sich zwischen 100 und 105 °Oechsle, die pH-Werte liegen bei tiefen 3.1 bis 3.4. Erstaunlich sind die eher niedrigen Säurewerte von 5 bis 6 g/L bei der Lese; ein Aufsäuern ist weitgehend unbekannt.
WEINBAU
Chiles Wein in Zahlen Produktion
Flaschenwein (Liter) Wert (US$)
Viña Concha y Toro 64 978 902 157 852 895
Viña San Pedro 22 020 469 47 304 402
Viña Santa Rita 10 627 022 41 321 029
Viña Cono Sur 17 349 715 37 375 025
Viña Montes 3 888 181 23 651 408
Viña Errázuriz 4 531 411 21 428 904
Viña Undurraga 7 089 178 20 562 647
Hauptexportländer
Liter Total Wert (US$)
Vereinigtes Königreich 81 917 253 160 852 659
USA 53 938 436 146 299 908
Deutschland 39 454 838 53 275 719
Kanada 23 671 833 53 004 413
Dänemark 27 156 044 48 112 862
Holland 17 195 231 40 144 992
Irland 11 887 800 37 489 484
Quelle: ChileVid, Asociación de Productores de Vinos Finos de Exportación, Las Condes, Chile; www.chilevid.cl
Sortenspiegel Chile (Stand Februar 2007)
Gesamtfläche (ha) 114 448
Hauptsorten rot (ha)
Cabernet Sauvignon 40 441
Merlot 13 142
Carmenère 6 489
Syrah 2 988
Pinot Noir 1 361
Cabernet Franc 1 099
Malbec 1 014
Hauptsorten weiss (ha)
Sauvignon Blanc 8 379
Chardonnay 8 156
Moscatel de Alexandria 6 026
Riesling 305
Viognier 222
Gewürztraminer 191
Quelle: ChileVid, Asociación de Productores de Vinos Finos de Exportación, Las Condes, Chile; www.chilevid.cl
Reife Carmenère Trauben auf der Viña Chillàn.
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Weinproduktion
Sehr interessant ist der Carmenère, eine einstmalige Bordeauxsorte, die in Chile erst vor rund 15 Jahren in bestehenden Anlagen wiederentdeckt worden ist.
Obwohl spät reifend, hatte man die Sorte mit Merlot verwechselt, zu früh gelesen und verkannt. Heute gilt Carmenère als die einzige autochthone Rebsorte Chi- les. Charakteristisch sind die dunkle Farbe, das wür- zige Bouquet und die in jungen Jahren strengen Tan- nine des Weins. Auf der Viña Chillán werden die Trau- ben in Edelstahltanks zu fünf Tonnen und die besse- ren Qualitäten in Plastikgebinden zu 600 kg Fas- sungsvermögen vergoren. Die Extraktion erfolgt sehr schonend, da die Trauben rasch sehr viel Farbe und Gerbstoffe freisetzen. Die Trauben werden bei 0 °Oechsle abgepresst und nach einer kurzen Klär- phase im Tank in die Barriques gefüllt, wo sie den bio-
logischen Säureabbau durchlaufen. Nach einer Aus- bauphase von rund einem Jahr werden die meisten Weine sortenrein abgefüllt und mit der Zusatzbe- zeichnung «Reserva» vermarktet. Im Rebbau wie auch in der Weinbereitung hebt sich die Viña deutlich von der regionalen Konkurrenz ab. Die Weine werden zum grössten Teil in die Schweiz und nach Deutsch- land exportiert (Informationen sind erhältlich bei Weingut Roland und Karin Lenz, Iselisberg, 8524 Uesslingen). Mit der Produktionssteigerung kommen auch Märkte im asiatischen Raum und in Nordameri- ka dazu.
Literatur
Nickenig R.: «Chile, woran denken Sie?» Der Deutsche Weinbau, Nr. 22, 14–16, 2003.
WEINBAU
Viña Chillán – un projet suisse au Chili
Trois mois de travail et de voyage au Chili ont permis à deux jeunes professionnels suisses, Sina Möhr et Matthias Gubler, de prendre la mesure de la viticulture dans ce pays enserré entre les Andes et le Pacifique Sud. La stabilité politique, une législature accommodante pour les investisseurs, un climat garant de bonne qualité, mais aussi la chute dramatique de la consommation domestique de vin par habitant sont autant de facteurs qui poussent la production chilienne à se cher- cher des débouchés à l’étranger. Une évaluation trop optimiste du potentiel d’exportation et les prix bas du sol ont contri- bué depuis 15 ans à une énorme expansion des vignobles. Le marché du vin chilien est dominé par quelques géants. Par- mi les acteurs sur ce marché intervient aussi depuis les années 90 la Viña Chillán (anciennement Viña Tierra y Fuego) qui est née d’une initiative des Suisses Roland Lenz, Ruedi Rüesch et Michele Rüfenacht. Mais la Viña se démarque de la concurrence tant au niveau de la viticulture que de la vinification : sa production vise le haut de gamme, le gros de ses vins est exporté vers la Suisse et l’Allemagne.
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ÉSUMÉEin alter Weinkeller in Chile.
Über 100-jährige Uva Pais Rebe.