A 2398 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 45|
11. November 2011TUBERKULOSEDIAGNOSTIK
Blutuntersuchungen lösen den Tuberkulin-Hauttest allmählich ab
Das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK) empfiehlt in bestimmten Situationen den Einsatz von In-vitro-Verfahren für Umgebungsuntersuchungen.
S
eit 2005 stehen zum Nach- weis einer Tuberkulose ne- ben dem Tuberkulin-Hauttest nach Mendel-Mantoux auch Blutunter- suchungen zur Verfügung. Diese Nachweismethoden, sogenannte Interferon-Gamma-Release-Assays (IGRAs) wurden daraufhin mit dem Hauttest kombiniert. Nach der aktuellen Datenlage zeichnet sich jedoch ab, dass die In-vitro-Tests langfristig das Potenzial haben, den Tuberkulin-Hauttest abzulösen.Da Sensitivität* und Spezifität von IGRAs bei Erwachsenen derje- nigen des Tuberkulin-Hauttests im Allgemeinen überlegen sind, wird bei Kontaktpersonen ab dem 15. Le- bensjahr – im Gegensatz zur frühe- ren Kombination beider Testverfah- ren – prinzipiell nur noch der routine- mäßige Einsatz eines Bluttests in der Umgebungsuntersuchung angeraten.
Ältere Kinder: Beide Tests können angewendet werden
Bei vorhersehbarer fehlender Ak- zeptanz eines Tuberkulin-Hauttests nach BCG-Impfung beziehungswei- se bei Immunsupprimierten, bei de- nen eher mit einem falschnegati- ven Testergebnis gerechnet werden muss (HIV-Infizierte, Dialysepa- tienten, Patienten vor Therapie mit TNF-alpha-Inhibitoren), ist der pri- märe Einsatz von IGRA-Tests be- reits früher empfohlen worden (2).Da für Kinder (insbesondere un- ter fünf Jahren) bislang noch zu wenige IGRA-Test-Studiendaten vorliegen, ist in dieser Altersgrup- pe der Tuberkulin-Hauttest nach wie vor die Methode der ersten
Wahl. Der Einsatz eines IGRA bei der Umgebungsuntersuchung von solchen jungen Kontakt-Kindern kann lediglich zusätzlich zum Tu- berkulin-Hauttest in Betracht gezo- gen werden, wenn durch die Kom- bination beider Methoden eine ma- ximale Sensitivität erreicht werden soll; bei älteren Kindern können beide Tests angewendet werden.
Im Säuglingsalter und bei Klein- kindern bis zum fünften Lebensjahr drohen durch eine frühe Generalisa- tion der Tuberkulose schwere Er- krankungsformen wie die tuberku- löse Meningitis oder die Miliartu- berkulose, die mit einer hohen Le- talität einhergehen. Es wird daher empfohlen, bei Kontaktpersonen unter fünf Jahren unverzüglich und unabhängig vom Ergebnis des ini- tialen Tuberkulin-Hauttests mit der täglichen Gabe von Isoniazid zu beginnen (Chemoprophylaxe), so- fern eine Tuberkulose der Thorax- organe beim Kind radiologisch aus- geschlossen ist.
Die neuen Empfehlungen unter- streichen die Notwendigkeit einer sorgfältigen Vorauswahl enger Kon- taktpersonen, damit positive Test- befunde mit hoher Wahrscheinlich- keit auch eine frische Infektion widerspiegeln und so den Nutzen einer Chemoprävention erhöhen.
Hier erfolgt, wie bei der Detektion einer latenten tuberkulösen Infek - tion (LTBI) vor dem Einsatz von TNF-alpha-Inhibitoren, nun auch für die Umgebungsuntersuchungen eine Erweiterung der Indikations- stellung für den Einsatz von IGRA- Tests auf Personen über 50 Jahre.
Wegen des mit dem Lebensalter ansteigenden Risikos einer INH- Hepatitis sollten bei einer präven -
tiven Therapie in diesen Alters - klassen aber engmaschige Kontrol- len erfolgen. Aufgrund der höhe- ren Spezifität der IGRAs kann ne- ben der bei negativem Testbefund nicht notwendigen Chemopräventi- on auch auf die weitere Durchfüh- rung eines Röntgenthorax verzich- tet werden.
Zur Diagnose der latenten tuberkulösen Infektion
Nachtestungen „schwach“ positiver Testergebnisse sind nicht zielfüh- rend, da aufgrund des fehlenden Goldstandards für die Detektion ei- ner latenten Infektion bei einem zweiten – jetzt negativen – Tester- gebnis nicht unterschieden werden kann zwischen einem zuvor falsch- positiven IGRA-Ergebnis-Test, ei- ner zwischenzeitlichen Elimination von M. tuberculosis oder einer zu- fallsbedingten Reversion.
Bei einem definierten aktuellen Kontakt zu einem infektiösen In- dexpatienten und entsprechend ho- her Prävalenz einer Infektion sollte bei jeder IGRA-Test positiven Kon- taktperson daher (wie beim Tuberku- lin-Hauttest auch) nach Ausschluss einer Organtuberkulose von einer latenten Infektion ausgegangen und eine Chemoprävention empfohlen
werden.
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Prof. Dr. med. Robert Loddenkemper
LITERATUR
1. Diel R, Loytved G, Nienhaus A et al.: Neue Empfehlungen für die Umgebungsuntersu- chungen bei Tuberkulose. Pneumologie 2011; 65: 359–78.
2. Diel R, Hauer B, Loddenkemper R et al.:
Empfehlungen für das Tuberkulose-Scree- ning vor Gabe von TNF-alpha-Inhibitoren bei rheumatischen Erkrankungen. Z Rheu- matol 2009; 5: 411–6.
*bei Übertragung der Sensitivitätswerte für die aktive Tuberkulose auf die Sensitivität bei der Detektion der LTBI