• Keine Ergebnisse gefunden

Erfolgreiche Arbeitsmarktansätze zur Bekämpfung der Krise: Eine Einführung

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Erfolgreiche Arbeitsmarktansätze zur Bekämpfung der Krise: Eine Einführung"

Copied!
17
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

MUTUAL LEARNING PROGRAMME

THEMATISCHES SEMINAR – FRÜHJAHR 2009

Erfolgreiche Arbeitsmarktansätze zur Bekämpfung der Krise: Eine Einführung

Ein Seminar zum Thema

„Arbeitsmarktmaßnahmen in Reaktion auf die Folgen der Wirtschaftskrise“

Brüssel, 19. Mai 2009

Ein von GHK in Zusammenarbeit mit

CERGE-EI und Per Kongshøj Madsen vorgelegtes Dokument

6. Mai 2009

(2)

Diese Veröffentlichung wird im Rahmen des Gemeinschaftsprogramms für Beschäftigung und soziale Solidarität (2007-2013) (PROGRESS) unterstützt. PROGRESS wird von der Generaldirektion für Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit der Europäischen Kommission geleitet und wurde ins Leben gerufen, um die Ziele der Europäischen Union in den Bereichen Beschäftigung und Soziales – wie in der Sozialpolitischen Agenda beschrieben – finanziell zu unterstützen und auf diese Weise einen Beitrag zur Verwirklichung der einschlägigen Ziele der Lissabon-Strategie zu leisten.

Das auf sieben Jahre angelegte Programm ist an alle Interessengruppen gerichtet , die sich in der Lage sehen, die Ausarbeitung angemessener und effektiver Gesetze und Maßnahmen im Bereich der Beschäftigungs- und Sozialpolitik in der EU-27, den EFTA-/EWR-Ländern, den EU-Beitrittskandidaten und den potenziellen EU-Beitrittskandidaten zu unterstützen.

PROGRESS hat die Aufgabe, den Beitrag, mit dem die EU das Engagement und die Bemühungen der Mitgliedstaaten zur Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen und zum Aufbau einer solidarischen Gesellschaft unterstützt, zu stärken. Zu diesem Zweck spielt das Programm eine maßgebliche Rolle bei:

Bereitstellung von Analysen und strategischen Empfehlungen in den PROGRESS-Bereichen

Überwachung der Umsetzung der EU-Gesetze und -Maßnahmen in den PROGRESS- Bereichen, einschließlich Berichterstattung

Förderung von Maßnahmentransfer, Wissenserwerb und Unterstützung in den Mitgliedstaaten im Hinblick auf EU-Ziele und -Prioritäten

Bekanntmachung der Ansichten der Interessengruppen und der Gesellschaft als Ganzes

Weitere Informationen sind auf folgender W ebsite zu finden:

http://ec.europa.eu/employment_social/progress/index_en.htm

Die in dieser Publikation enthaltene Information stimmt mit der allgemeinen Haltung oder Meinung der Europäischen Kommission nicht unbedingt überein.

(3)

INHALT

1 DIE WICHTIGSTEN PUNKTE / ZUSAMMENFASSUNG 1

2 EINFÜHRUNG 2

3 AUCH IN KRISENZEITEN WERDEN ARBEITSPLÄTZE GESCHAFFEN 3 4 SCHÜTZT DIE MOBILITÄT – UND NICHT DIE ARBEITSPLÄTZE 4 5 LANGFRISTIG WIRD EIN STEIGENDES ARBEITSKRÄFTEANGEBOT ERFORDERLICH SEIN 5 6 EINE HOHE ARBEITSLOSIGKEIT REDUZIERT DAS EFFEKTIVE ARBEITSKRÄFTEANGEBOT 6 7 ES IST AUFGABE DER MAKROÖKONOMISCHEN POLITIK, EINE KURZFRISTIGE

ARBEITSKRÄFTENACHFRAGE ZU SCHAFFEN 7

8 EIN INTEGRIERTER POLITISCHER ANSATZ IST VON GRÖSSTER BEDEUTUNG – AUCH IN

KRISENZEITEN 8

9 ANHEBUNG DES QUALIFIKATIONSNIVEAUS 11

10 UMSETZUNGSSTRUKTUREN SIND WICHTIG 12

11 SCHLUSSBEMERKUNGEN 13

12 LITERATURHINWEISE 14

(4)

1 DIE WICHTIGSTEN PUNKTE / ZUSAMMENFASSUNG

Infolge der Wirtschaftskrise steht die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik weit oben auf der politischen Tagesordnung der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten. Lässt sich ein dramatischer Anstieg der Arbeitslosigkeit vermeiden? Welches sind die wirksamsten Mittel, die Beschäftigung zu steigern? Wie können kurz- und langfristige Beschäftigungsziele miteinander vereinbart werden?

Das vorliegende kurze Diskussionspapier soll keine detaillierte Bestandsaufnahme der zahlreichen konkreten Maßnahmen liefern, die sich in der gegenwärtigen Situation anbieten.

Stattdessen soll es eine Reihe allgemeiner Prinzipien und Leitlinien für die Gestaltung und Umsetzung erfolgreicher Arbeitsmarktansätze zur Bekämpfung der aktuellen Kri se aufzeigen und so eine Grundlage für tiefergehende Diskussionen schaffen.

Insgesamt werden sieben allgemeine Leitlinien beschrieben:

 Eine der Hauptaufgaben der Arbeitsmarktpolitik ist die Unterstützung der „geschützten Mobilität“ durch: (1) Schulungs- und Umschulungsmaßnahmen für Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Personen; (2) eine angemessene Einkommensbeihilfe für Arbeitslose, die ihnen während Umschulung und Arbeitssuche einen akzeptablen Lebensstandard ermöglicht; (3) gut funktionierende öffentliche Beschäftigungsdienste, die in der Lage sind, Qualifikationsangebot und -nachfrage sowohl kurz- als auch langfristig aufeinander abzustimmen.

Langfristig gesehen wird trotz allem ein steigendes Arbeitskräfteangebot erforderlich sein, um das Gleichgewicht zwischen aktiver und inaktiver Bevölkerung zu wahren.

Daher ist es wichtig, dass kurzfristige Maßnahmen zur Senkung der Arbeitslosigkeit nicht mit diesen langfristigen Zielen in Konflikt stehen.

Steigt die offene Arbeitslosigkeit an, wird sich das effektive Arbeitskräfteangebot verringern und die strukturelle Arbeitslosigkeit erhöhen. Ein solcher Anstieg ist daher so weit wie möglich zu vermeiden.

 Die Arbeitsmarktpolitik ist nicht in der Lage, innerhalb kurzer Zeit Arbeitsplätze zu schaffen. Hier sind aktive makroökonomische Maßnahmen erforderlich.

 Ein integrierter politischer Ansatz ist von höchster Wichtigkeit – auch in Krisenzeiten.

Die Flexicurity-Debatte liefert die wichtige Erkenntnis, dass eine positive

Wechselwirkung in Form einer Aufwärtsdynamik zwischen verschiedenen politischen Elementen unterstützt werden sollte, um so eine Win-Win-Situation für alle

Arbeitsmarktakteure zu schaffen. Eine äußerst relevante Strategie ist hier die Arbeitsplatzrotation.

 Eine Wirtschaftskrise sollte als Chance zur Anhebung des Qualifikationsniveaus betrachtet werden, was nicht nur dem Einzelnen, sondern auch der Gesellschaft zugute kommt.

 Überlegungen im Hinblick auf erfolgreiche Maßnahmen sollten die Gestaltung effektiver Umsetzungsstrukturen und die Beteiligung der Sozialpartner und lokalen Akteure einbeziehen.

(5)

2

2 EINFÜHRUNG

Infolge der Wirtschaftskrise, von der alle europäischen Länder betroffen sind, steht die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik weit oben auf der politischen Tagesordnung der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten. Lässt sich ein dramatischer Anstieg der Arbeitslosigkeit vermeiden? Welches sind die wirksamsten Mittel, die Beschäftigung zu steigern? Wie können kurz- und langfristige Beschäftigungsziele miteinander vereinbart werden?

Das vorliegende kurze Diskussionspapier soll keine detaillierte Bestandsaufnahme der zahlreichen konkreten Maßnahmen liefern, die sich in der gegenwärtigen Situation anbieten.

Schon allein das Format dieses Dokuments macht einen derartigen Versuch ziemlich zwecklos.

Stattdessen soll eine Reihe allgemeiner Prinzipien und Leitlinien aufgezeigt werden, die nach Meinung des Autors bei Gestaltung und Umsetzung erfolgreicher Arbeitsmarktansätze zur Bekämpfung der aktuellen Krise berücksichtigt werden sollten und eine Grundlage für tiefergehende Diskussionen schaffen.

(6)

3 AUCH IN KRISENZEITEN WERDEN ARBEITSPLÄTZE GESCHAFFEN

Einer von den Medien gerne bekräftigten Auffassung zufolge kommt der Arbeitsmarkt bei einer Rezession fast völlig zum Stillstand. Glücklicherweise ist dies nicht der Fall. Die allgemeine Arbeitsmarktmobilität ist immer hoch – auch während einer Konjunkturflaute –, obwohl sie natürlich auch zyklisch bedingt ist. Das Gleiche gilt für die Schaffung und den Abbau von Arbeitsplätzen.

0,00%

5,00%

10,00%

15,00%

20,00%

25,00%

30,00%

35,00%

1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002

Not with the same employer

Abb. 1: Stellenangebote auf dem dänischen Arbeitsmarkt 1980-2003. Quelle: Bredgaard et al., 2009. Not with the same employer = Nicht beim selben Arbeitgeber

Abbildung 1 zeigt den Anteil der dänischen Beschäftigten, die in der Zeit von 1980 bis 2003 von einem Jahr zum nächsten den Arbeitsplatz gewechselt haben (basierend auf Registerdaten). Der Verlauf der Kurve verdeutlicht, dass zwischen 25 und 30 Prozent der Beschäftigten mobil sind, wenn man ihren Status im Jahr x mit dem im Jahr x+1 vergleicht.

Für den gegenwärtigen Kontext besteht die Hauptaussage darin, dass die Mobilität – und somit die Zahl der Stellenangebote – während der gesamten Periode, das heißt von 1980 bis 2003, recht hoch war, obwohl gewisse, dem Konjunkturzyklus unterliegende Schwankungen zu beobachten sind. Zwar ist bekannt, dass die Zahl der Übergänge auf dem dänischen Arbeitsmarkt im Vergleich zu anderen europäischen Ländern recht hoch ist, doch es besteht kein Grund zu der Annahme, dass der zyklische Einfluss in Dänemark geringer ist als in anderen Ländern (Danish Technological Institute, 2008).

(7)

4

4 SCHÜTZT DIE MOBILITÄT – UND NICHT DIE ARBEITSPLÄTZE

Zwar erliegt man bei einer Rezession leicht der Versuchung, die Mobilität zwischen Arbeitsplätzen sowie deren Abbau zu reduzieren, der Aufschwung wird jedoch nicht durch eine verzögerte Umstrukturierung begünstigt, sondern durch Förderung der Mobilität in Richtung von Sektoren und Firmen mit Wachstumspotenzial. Während einer Rezession ist es daher wichtig, die „geschützte Mobilität“ durch folgende arbeits marktpolitische Maßnahmen zu unterstützen:

 Schulungs- und Umschulungsmaßnahmen für Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Personen (Letztere werden anhand eines Frühwarnsystems ermittelt, das die Firmen zur Ankündigung von Massenentlassungen verpflichtet).

 Eine angemessene Einkommensunterstützung für Arbeitslose, die ihnen während Umschulung und Arbeitssuche einen akzeptablen Lebensstandard ermöglicht.

 Gut funktionierende öffentliche Beschäftigungsdienste, die dem Arbeitsmarkt mehr Transparenz verleihen und Arbeitgeber und Arbeitnehmer effizient aufeinander abstimmen können. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, das Matching nicht nur als kurzfristiges Verfahren zu betrachten, sondern effektive Maßnahmen für die Prognose des zukünftigen Fachkräftebedarfs und die Nutzung der daraus resultierenden Erkenntnisse in die Wege zu leiten.

Diese Maßnahmen sind daher nicht nur kurzfristig von Vorteil. Vielmehr fördern Sie das Potenzial der Wirtschaft, sich den neuen internen und externen Gegebenheiten durch ei nen strukturellen Wandel anzupassen, und legen so den Grundstein für eine mittel- und langfristige Arbeitsbeschaffung (vgl. zum Beispiel Bradley & Stephens, 2007).

(8)

5 LANGFRISTIG WIRD EIN STEIGENDES ARBEITSKRÄFTEANGEBOT ERFORDERLICH SEIN

Bei einer Rezession und steigender Arbeitslosigkeit werden jedes Mal aufs Neue Stimmen laut, die den Abbau des Arbeitskräfteangebots fordern, zum Beispiel durch Freistellung oder Vorruhestand.

Angesichts des langfristigen Trends zu einer alternden europäischen Bevölkerung s ollte man vor allem von Programmen absehen, die dauerhafte wirtschaftliche Anreize für ein vorzeitiges oder vorübergehendes Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt beinhalten und zu einer langfristigen Reduzierung des Arbeitskräfteangebots führen. Hier ist neben Fingerspitzengefühl auch ein Bewusstsein für die Umkehrbarkeit der Maßnahmen erforderlich, die in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit eingeführt werden. In der gegenwärtigen Situation ist es daher überaus wichtig, Maßnahmen mit kurzfristiger Wirkung, aber ohne Beeinträchtigung der langfristigen Ziele zu ergreifen.

Die dänische Arbeitsmarktpolitik bietet einige gute Beispiele für die Probleme, aber auch die Chancen, die sich präsentieren, wenn kurz- und langfristige Erwägungen zur Anpassung des Arbeitskräfteangebots gegeneinander abzuwägen sind.

So wurde 1979 in Reaktion auf die steigende Arbeitslosigkeit in den 1970er Jahren die Vorruhestandsleistung („Efterløn“) eingeführt. Diese Leistung war seither Gegenstand verschiedener Reformen, um die negativen Auswirkungen auf das Arbeitskräfteangebot zu reduzieren. Die Wirkung dieser Reformen blieb jedoch begrenzt, und politisch gesehen hat sich Efterløn zu einem Teil des dänischen „Wohlfahrtspakets“ entwickelt. Andere EU- Länder machten ähnliche Erfahrungen mit Vorruhestandsprogrammen, deren Folgen nur schwer wieder rückgängig gemacht werden konnten.

Ein gegensätzliches Beispiel sind die 1993 eingeführten Freistellungsvereinbarungen (bezahlte Freistellung), die ab Mitte 1990 angesichts des Konjunkturaufschwungs und der niedrigen Arbeitslosigkeit allmählich wieder eingestellt wurden. Hierbei handelt es sich also um ein umkehrbares Instrument.

(9)

6

6 EINE HOHE ARBEITSLOSIGKEIT REDUZIERT DAS EFFEKTIVE ARBEITSKRÄFTEANGEBOT

Ein viel zitiertes Argument der allgemeinen Wirtschaftswissenschaft lautet: „Angebot schafft Nachfrage“, das heißt, ein steigendes Arbeitskräfteangebot schafft ähnlich steigende Beschäftigungszahlen. Dies ist auch das empirische Argument, das hinter der Kritik an angebotsbeschränkenden Maßnahmen in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit steht. Das Argument besagt, dass derartige Maßnahmen früher oder später zu einer geringeren Beschäftigung, nicht aber zu einer geringeren Arbeitslosigkeit führen.

Die potenzielle Kausalität zwischen Arbeitskräfteangebot und Beschäftigung geht jedoch in beide Richtungen. Ein effektives Arbeitskräfteangebot wird bis zu einem gewissen Maße direkt von der Arbeitskräftenachfrage bestimmt. Dies ist ein Element der Hysterese, die in den 1980er Jahren in aller Munde war, im Verlauf des Aufschwungs der letzten Jahre jedoch in Vergessenheit geriet. Das Hauptargument der Hysterese lautet, dass ein kurzfristiger Anstieg der Arbeitslosigkeit zu einem dauerhaften Anstieg der strukturellen Arbeitslosigkeit führt. Einer der Gründe hierfür ist, dass die Arbeitslosen allmählich ihre Kompetenzen verlieren und daher auch arbeitslos bleiben. Somit führen Veränderungen im Hinblick auf Verhalten, Wissen und Kompetenzen der Arbeitslosen, wie zum Beispiel das Vergessen der Arbeitsabläufe und -methoden oder der Verlust des Interesses oder der Fähigkeit, einen neuen Arbeitsplatz zu bekommen, dazu, dass sich die Beschäftigungschancen unter Umständen verringern.

Auch der Umfang der Erwerbsbevölkerung wird von der Arbeitskräftenachfrage beeinflusst.

Ein starker Aufschwung führt dazu, dass mehr Menschen – insbesondere aus den

„schwächeren Gruppen“ wie Einwanderer, ältere Arbeitskräfte und Behinderte – nach einer Beschäftigung suchen. Ein Konjunkturtief und eine hohe Arbeitslosigkeit bewirken das Gegenteil. Hält man dagegen die Arbeitslosigkeit auf einem geringen Niveau, s o wird das Arbeitskräfteangebot und auch die Integration von Arbeitsmarktrandgruppen hierdurch direkt stimuliert.

Diese Überlegungen führen zu zwei wichtigen Schlussfolgerungen. Erstens sollte man darauf achten, dass die Maßnahmen zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit nicht von dem erfahrungsgemäß brüchigen Konzept der „strukturellen Arbeitslosigkeit“ beeinflusst werden.

Zweitens ist die Nachfrage nach Arbeitskräften an sich ein wichtiger Faktor, der die strukturelle Arbeitslosigkeit beeinflusst. Lässt man also einen Anstieg der tatsächlichen Arbeitslosigkeit zu, besteht das Risiko, dass dieser Anstieg zu einer strukturellen Arbeitslosigkeit führt, das heißt, die Arbeitslosen verlieren nach und nach ihre Beschäftigungseignung und somit auch die Fähigkeit zur Einflussnahme auf die Lohnverhandlungen. Eine starke Arbeitskräftenachfrage wird dagegen das Arbeitskräfteangebot stimulieren und ermöglicht ein höheres Beschäftigungsniveau.

(10)

7 ES IST AUFGABE DER MAKROÖKONOMISCHEN POLITIK, EINE KURZFRISTIGE ARBEITSKRÄFTENACHFRAGE ZU SCHAFFEN

Eine einfache, aber wichtige Tatsache ist, dass die Arbeitsmarktpolitik als solche kurzfristig keine neuen Arbeitsplätze schaffen kann. Geht die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen zurück, folgt – allen arbeitsmarktpolitischen Bemühungen zum Trotz – auch ein Rückgang der Beschäftigung. Wenn aber andererseits eine ausreichende Nachfrage besteht, kann die Arbeitsmarktpolitik den abgeleiteten Arbeitskräftebedarf durch Stimulierung eines effektiven Arbeitskräfteangebots unterstütze n. Überdies kann eine solide Arbeitsmarktpolitik, wie oben erwähnt, die mittel- und langfristige Wirtschaftskapazität dadurch steigern, dass sie das Qualifikationsniveau der Erwerbsbevölkerung und die Verteilung des Arbeitskräfteangebots auf Berufe und Sektoren verbessert.

Will man die Arbeitskräftenachfrage anhand makroökonomischer Maßnahmen steigern, sind öffentliche Bauinvestitionen das effektivste Mittel für eine kurzfristige Arbeitsbeschaffung.

Erstens sind relativ arbeitsintensive Produktionsverfahren vor allem im Bauwesen zu finden, daher ist die Zahl der pro Milliarden Euro geschaffenen Arbeitsplätze höher als in anderen Sektoren.

Zweitens sind öffentliche Investitionen einer Steuersenkung überlegen, da Letztere nur dann wirksam sind, wenn sie zu einem höheren Privatkonsum führen. Dies ist in Krisenzeiten jedoch unwahrscheinlich, da die Verbraucher lieber sparen, anstatt zu konsumieren. Öffentliche Investitionen sind auch dem öffentlichen Konsum und einer steigenden öffentlichen Beschäftigung vorzuziehen, die nicht so ohne Weiteres rückgängig gemacht werden kann, wenn sich der Konjunkturzyklus ändert.

Schließlich wird man öffentliche Investitionen nicht nur aus beschäftigungsfördernden Gründen, sondern auch ihrer eigentlichen Vorteile wegen tätigen, so dass man Verbesserungen an öffentlichen Gebäuden, Straßen, Schienennetz und Abwassersystemen auch aufgrund von Unterinvestition in den vorangegangenen Jahren sowie aufgrund allgemeiner Vorteile für Energieverbrauch, Umwelt und Lebensqualität der Bürger rechtfertigen kann.

Zusätzlich zu öffentlichen Investitionen sind unter Umständen auch Investitionen in das private Wohnungswesen erforderlich, was in vieler Hinsicht dieselbe positive Wirkung auf die Beschäftigung hat wie öffentliche Investionen. So lä sst sich die Unterstützung der Wohnungsbranche durch Energieeinsparungen und zum Beispiel die allgemeine Notwendigkeit rechtfertigen, die Qualität der Sozialwohnungen zu verbessern.

Abschließend sollte man auch den langfristigen Vorteil immaterieller öff entlicher Investitionen in Bildung sowie in Forschung und Entwicklung zur Unterstützung des strukturellen Wandels betonen.

(11)

8

8 EIN INTEGRIERTER POLITISCHER ANSATZ IST VON GRÖSSTER BEDEUTUNG – AUCH IN KRISENZEITEN

Die Flexicurity-Debatte, die vor einigen Jahren auf der politischen Bildfläche Europas erschien, hat uns gelehrt, dass Beschäftigungspolitik nicht nur als Arsenal einzelner politischer Instrumente zu verstehen ist. Genau das Gegenteil ist der Fall: Der Schlüssel zum Erfolg ist die Förderung einer positiven Wechselwirkung in Form einer Aufwärtsdynamik zwischen verschiedenen politischen Elementen, um so eine Win-Win- Situation für alle Beteiligten zu schaffen.

Der Erfolg des dänischen Flexicurity-Modells ist zum Beispiel nicht den einzelnen Elementen dieses Modells, sondern dem erfolgreichen Zusammenspiel von Arbeitslosenversicherungssystem, aktiver Arbeitsmarktpolitik und einem Arbeitsmarkt mit relativ geringem Schutz für reguläre Arbeitskräfte zu verdanken. Die wichtigste Lektion der Flexicurity-Praxis lautet daher: Der Erfolg liegt in einem integrierten politischen Ansatz und in der Suche nach Lösungen, von denen alle Seiten profitieren.

Arbeitsplatzrotation ist ein typisches Beispiel für eine Flexicurity -Politik, die mehrere Zwecke erfüllt, indem sie die Schulung der Erwerbsbevölkerung mit der Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt verbindet. Abbildung 2 verdeutlicht den traditionellen Ansatz zu aktiven Programmen für Arbeitslose.

Abb. 2: Traditioneller Ansatz zur Integration der Arbeitslosen durch AAM

Bei diesem Ansatz erhalten Arbeitslose die Möglichkeit zur Teilnahme an Schulungsprogrammen, um ihre Wiederbeschäftigungschancen zu verbessern. Wie eine Reihe von Evaluationen gezeigt hat, sind derartige Programme zur Wieder eingliederung jedoch nicht immer erfolgreich, allerdings hängt dies von der Zielgruppe, der Höhe der bereitgestellten Mittel und der allgemeinen Arbeitsmarktsituation ab (Card et al., 2009, Martin & Grubb, 2001). Einer der Gründe für die enttäuschenden Resultate könnte sein, dass es in Zeiten geringer Arbeitskräftenachfrage schwierig ist, die Programme nachfrageseitig zu orientieren.

Der alternative Ansatz der Arbeitsplatzrotation, der in den 1990er Jahren einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangte, ist in Abbildung 3 dargestellt (Compston & Madsen, 2001).

Grundprinzip dieser integrativen Strategie ist die Kombination einer Freistellung von Beschäftigten zu Fortbildungszwecken mit der Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitslose, die als Ersatz für den Fortbildungsteilnehmer eingestellt werden – und vielleicht zuvor für die Aushilfstätigkeit geschult wurden (wie durch das Fragezeichen in

AAM Arbeits

-los Beschäftigt

?

(12)

eine Reihe von Vorteilen:

Sie ermöglicht gezielte Schulungsaktivitäten für Beschäftigte und Arbeitslose, da die Aufgaben der Teilnehmer bekannt sind. Arbeitsplatzrotation schafft Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitslose und gibt ihnen die Chance, die „statistische Diskriminierung“ zu überwinden und praktische Erfahrung zu sammeln. Der integrative Ansatz unterstützt Innovation und strukturellen Wandel und hält die Beschäftigung auf hohem Niveau.

Abb. 3: Arbeitsplatzrotation als integrativer Ansatz

Obwohl die Arbeitsplatzrotation in erster Linie in Zusammenhang mit Fortbildung von Beschäftigten zum Einsatz kommt, wäre sie auch bei Freistellung aus anderen Gründen, wie Erziehungs- oder Langzeiturlaub denkbar. Die in Dänemark praktizierten Vereinbarungen für eine bezahlte Freistellung, die in den 1990er Jahren von sich reden machten, enthielten eine Reihe solcher Optionen.

Zusätzlich zur Arbeitsplatzrotation gibt es noch eine Reihe von Flexicurity -Maßnahmen, die im Falle einer Rezession relevant sind (Wilthagen, 2009). Einige Beispiele sind in Tabelle 1 im Format der bekannten Wilthagen-Matrix dargestellt. Die Gründung und Unterstützung von Institutionen, die den Übergang am Arbeitsmarkt und die Aufwärtsdynamik in Form einer institutionellen Komplementarität fördern, ist also in Krisenzeiten genauso wichtig wie in Wachstumsphasen (Schmid, 2008).

AAM/

BWB

Arbeits -los Beschäftigt

?

(13)

10 Arbeitsplatz-

sicherheit

Beschäftigungs- sicherheit

Einkommens- sicherheit

Kombinierte Sicherheit (Pflege und Arbeit) Numerische

Flexibilität (Heuern und Feuern)

Befristete Beschäf- tigung in anderen Firmen

Arbeitskräfte- pools

Zahlung von Leistungen als Lohnsubvention oder

Bildungsbeihilfe

Hypotheken- beihilfe

Arbeitszeit- flexibilität

Kürzere Arbeitszeit, Arbeitszeit- konten

Mehrere Arbeits- verhältnisse

Teilzeit- arbeitslosen- unterstützung, reduzierte Arbeitsstunden

Freistellungs- vereinbarungen

Funktionale Flexibilität (zwischen Positionen)

Arbeitsplatz- rotation

Praktikum in anderen Firmen, Umschulung

Umschulung für einen neuen Arbeitsplatz

Anerkennung von früher erworbenen Kenntnissen Lohnflexibilität

(variabler Lohn)

Lohn- anpassung

Lohnergän- zung an neuem Arbeitsplatz

Zusätzliche Arbeitslosen- unterstützung als Kompensation

Erhöhung der Familienbeihilfe

Quelle: Aus einem Vortrag von Ton Wilthagen zum Thema „Einsatz von Flexicurity - Maßnahmen in Krisenzeiten“ auf einer Konferenz am 25. März 2009 in Prag

(14)

9 ANHEBUNG DES QUALIFIKATIONSNIVEAUS

Die Vorteile, die ein höheres Qualifikationsniveau für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft hat, sind gut dokumentiert. Für den Einzelnen bedeutet es mehr Beschäftigung im Verlauf des Arbeitslebens, ein geringeres Arbeitslosigkeitsrisiko, bessere Bezahlung und bessere Arbeitsplatzqualität. Gleichzeitig führt ein höheres Bildungsniveau auf gesellschaftlicher Ebene zu einem größeren effektiveren Arbeitskräfteangebot.

Langfristig gesehen ist die Förderung der formalen und informellen Bildung daher ein wichtiges Element der Beschäftigungspolitik.

Eine Wirtschaftskrise bedeutet eine Bedrohung, aber auch eine Chance für die Anhebung des Qualifikationsniveaus der Erwerbsbevölkerung.

Eine Bedrohung aus den folgenden Gründen:

 Werden Arbeitskräfte während einer Krise entlassen und eventuell langfristig arbeitslos, gehen ihre bestehenden Fähigkeiten verloren (dies entspricht einem der

Standardargumente der Hysterese)

 In Krisenzeiten sehen sich die Unternehmen aufgrund fehlender Mittel veranlasst, das Schulungsangebot für ihre Belegschaft zu reduzieren

 Berufsausbildungssysteme, die auf Lehrlingsverträgen oder in hohem Maße auf Firmenpraktika basieren, laufen während einer Krise Gefahr, dass Unternehmen weniger Lehrlinge einstellen. Das Ergebnis ist ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, wenn der Aufschwung einsetzt.

Andererseits ist die Krise auch als Chance für die Verbesserung des Bildungsniveaus der Erwerbsbevölkerung zu betrachten:

 Im Gegensatz zu Hochkonjunkturzeiten bestehen brachliegende Kapazitäten für Bildung und Ausbildung der Beschäftigten

 Die Arbeitslosen sind infolge steigender Zahlen eine naheliegende Zielgruppe für Bildung und Ausbildung

 Das langjährige Argument, dass die Schulung der Arbeitslosen einen Lock-in-Effekt verursachen kann, hat in Zeiten allgemein hoher Arbeitslosigkeit wenig er Gewicht

Schließlich ist zu bedenken, dass infolge des schnellen Tempos, mit dem nach der Krise der Wiederaufbau erfolgt, auch der Bedarf an einer für die neuen Wachstumssektoren geschulten Erwerbsbevölkerung steigt. Daher geht es nicht nur um die allgemeine Anhebung des Qualifikationsniveaus, sondern auch um die Anpassung der Fähigkeiten an die geänderte Arbeitskräftenachfrage.

Eine fähigkeitsorietierte aktive Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik ist während einer Wirtschaftskrise somit wohlbegründet. Aus den oben genannten Gründen empfiehlt sich zudem ein integrativer Ansatz, der sich zum Beispiel – wie durch das Konzept der

(15)

12

10 UMSETZUNGSSTRUKTUREN SIND WICHTIG

Die Diskussion über Beschäftigungsmaßnahmen in Krisenzeiten dreht sich fast immer um dieselben Themen: Welche Instrumente sollen Priorität erhalten, und wie gestaltet man innovative Programme für bestimmte Zielgruppen? Es sollte jedoch, auch als abschließende Bemerkung, darauf hingewiesen werden, dass die Krise die politischen und administrativen Strukturen und die an Gestaltung und Umsetzung der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik beteiligten Akteure stark unter Druck setzt. Ein einfacher Grund hierfür ist, dass nicht nur die vom System zu bewältigenden Arbeitslosenzahlen, sondern auch die Erwartungen im Hinblick auf die vom System erzielten Ergebnisse steigen. Die Diskussionen über erfolgreiche Arbeitsmarktansätze zur Bewältigung der Krise sollten daher auch Überlegungen enthalten, wie die an der Gestaltung der Beschäftigungspolitik beteiligten Netze und die für deren Umsetzung verantwortlichen administrativen Systeme verbessert werden können.

Kurz gesagt, man sollte:

 jenseits der traditionellen Grenzen der Bildungs-, Umwelt- und Arbeitsmarktpolitik einen integrierten Ansatz verfolgen;

 relevante Akteure einschließlich der Sozialpartner in die Gestaltung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise auch auf lokaler Ebene einbeziehen, um die Maßnahmen zu verbessern und die allgemeine Verantwortung für die Maßnahmen nach ihrer

Umsetzung zu unterstützen;

 auf allgemeinen beschäftigungspolitischen Leitlinien bestehen und gleichzeitig eine flexible Anpassung an lokale Bedürfnisse und Bedingungen ermöglichen;

 bereit sein, die erforderlichen wirtschaftlichen Mittel – auch für Verwaltung und Umsetzung der Maßnahmen – bereitzustellen.

(16)

11 SCHLUSSBEMERKUNGEN

Kein Land und keine einzelne Wirtschaft ist in der Lage, die Wirtschaftskrise und das Beschäftigungsproblem alleine zu lösen. Daher benötigen wir gemeinsame europäische Maßnahmen, um die Arbeitsbeschaffung und die geschützte Mobilität mithilfe einer soliden makroökonomischen Politik zu fördern. Gleichzeitig ist rasches Handeln gefragt, wenn wir nicht Tausende von Arbeitsplätzen verlieren wollen. In diesem Zusammenhang könnte es hilfreich sein, die Grundprinzipien des nordischen Ansatzes zu Wachstum und Wohlfahrt („Nordic Approach to Growth and Welfare", Magnusson et al., 2008) genauer zu studieren und von den Erfahrungen der nordischen Länder im Hinblick auf die Wechselbeziehung zwischen Arbeitsmarktpolitik, allgemeiner Wirtschaftspolitik und sozialem Dialog zu profitieren.

(17)

14

12 LITERATURHINWEISE

Bradley, David H.; Stephens, John D. (2007): „Employment Performance in OECD Countries. A Test of Neoliberal and Institutionalist Hypotheses“, Comparative Political Studies, Vol. 40(12), S. 1486-1510.

Bredgaard, T.; Larsen, F.; Madsen, P.K. (2009): Flexicurity på dansk, CARMA Research Papers 2009:2.

Card, D.; Kluve, J.; Weber, A. (2009): „Active Labor Market Policy Evaluations: A Meta- Analysis“, IZA-Diskussionspapier Nr. 4002.

Compston, H., et Madsen, P.K., « Conceptual innovation and public policy: unemployment and paid leave schemes in Denmark », 2001, Journal of European Social Policy, vol. 11(2), p.117 - 132

Magnusson, L. et al. (2008): The Nordic Approach to Growth and Welfare: European Lessons to be Learned? ETUI, Brüssel.

Martin, J. P.; Grubb, M. (2001): „What Works and for Whom: A Review of OECD Countries' Experiences with Active Labour Market Policies“, Swedish Economic Policy Review, Vol. 8(2), S. 9-56.

Schmid, G. (2008): Full Employment in Europe. Managing Labour Market Transitions and Risks, Cheltenham: Edward Elgar.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Sie warnte Firmen, nicht zu kurzfristig zu denken: „Gerade den Stimmen in der deutschen Wirtschaft, die zweifeln, ob es richtig ist, Sanktionen zu verhängen, kann ich immer

IP • September / Oktober 2014 75 Eine Frage der Etikette – und Strategie.. Im Nachkriegseuropa versuchte die CIA aktiv, auf

Neuinvestitionen zur Verbesserung des öffentlichen Verkehrs wie die Planung einer modernen Stadt-Umland-Bahn zwischen Erlangen und Nürnberg sowie von Erlangen nach Eckental

Aber die Arbeit unter den Bedingungen der Pandemie ist auch eine große Chance: Wir haben neue Aufgabenfelder für die Apotheken er- schlossen?. Und es hat sich gezeigt, dass

tungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen. Der geplante § 11 Abs. 7 AufenthG‐E 

Zu einer nicht näher bezifferbaren Reduzierung des Erfüllungsaufwands führt die Abschaffung des Einvernehmenserfordernisses der Staatsanwaltschaft bei Ausweisungen und

Nach § 33 BeschV darf die Ausübung einer Beschäftigung, also auch eine betriebliche Berufsausbildung und ein Praktikum 13 nicht erlaubt werden, wenn Ausländer/innen

ermutigt die Behörden, zur Erzwingung einer Mitwirkung Haft zu beantragen. Beugehaft ist aber unzulässig, denn sie dient nicht der Sicherung der Überstellung. Abschiebungshaft ist