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In den Bläschen werden

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In den Bläschen werden

manche Moleküle konzentriert, andere ferngehalten.

Der Inhalt der Bläschen kann sich verfestigen. Steht das hinter Leiden des Gehirns?

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHAFT

Das Steigen des

Meeresspiegels

im Gefolge des Klimawandels ist zur Zeit eines der ganz heißen Forschungsthemen – auch deshalb, weil es eine ziemlich komplexe Angelegenheit ist.

VONM A R T I N K U G L E R

R

und 600 Millionen Menschen leben an Meeresküsten, etwa in den boomenden Megacitys Guangzhou oder Mumbai, aber auch in Metropolen wie New York. Für sie ist der Anstieg des Meeresspiegels infolge des Klimawandels eine unmittelbare Bedrohung – und dieser dürfte sich beschleunigen: In jüngster Zeit verschob sich die Küstenlinie um jährlich drei Millimeter nach oben, bis Ende des Jahrhunderts dürften es zehn Millimeter pro Jahr sein.

Das bedeutet, dass sich der Meeresspiegel in- nerhalb eines Menschenlebens um einen Meter er- höhen könnte. Und das hat viele Folgen: Offen- sichtlich ist, dass tief liegende Küstenregionen von Überflutungen bedroht sind. Allerdings sind die Zusammenhänge viel komplexer als gemeinhin an- genommen, praktisch im Wochenrhythmus er- scheinen derzeit wichtige Studien zum Thema.

Mit großer Sorge wird etwa die Zukunft von Atollen verfolgt. Klar ist, dass diese nicht so bald versinken werden, denn mit jedem größeren Sturm werden von den Wellen auch Sedimente aufge- schüttet. Trotzdem könnten sie schon in wenigen Jahrzehnten unbewohnbar sein, wie Forscher um Curt Storlazzi diese Woche berichteten: Der zuneh- mend höhere Wellengang bei Stürmen führt unter anderem zu vermehrten Schäden an der Infrastruk- tur und vor allem zu einem Eindringen von Meer- wasser in die Grundwasserlinse unter den Inseln – sodass den Bewohnern schlicht das Wasser ausge- hen wird (Science Advances, 25. 4.).

Reichere Küstenländer können sich zum Teil dagegen wappnen, etwa durch Schutzbauten an den gefährdeten Küsten. Diese können aber nicht alle Gefahren bannen – und sie können sogar neue Probleme verursachen. So ist es etwa möglich, dass sich auf der Landseite von Schutzmauern das Grundwasser staut, weil es nicht mehr ungehindert ins Meer abfließen kann. Eine unliebsame Folge ist, dass Kläranlagen – die aus praktischen Gründen möglichst tief liegen – ihre Funktionstüchtigkeit einbüßen: Laut einer Studie von Michelle Hummel sind davon fünfmal mehr Menschen betroffen als von der direkten Bedrohung durch den Meeres- spiegelanstieg (Earth’s Future, 24. 3.).

Die Lehre daraus ist – wie auch Forscher um Andy Keeler (am 4. April in derselben Zeitschrift) betonten –, dass Maßnahmen gegen den steigen- den Meeresspiegel zwar kurzfristig Schutz bieten können, aber längerfristig die Gefahren sogar noch verschärfen können. Der Meeresspiegelanstieg ist eben eine ziemlich komplexe Angelegenheit.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“

und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com diepresse.com/wortderwoche

E L E M E N T E

Cannabis einst: Die Pflanze kam vor 5000 Jahren mit den Yamnaya

Im Nahen Osten wurde vor 10.000 Jahren Bier gebraut, andere Drogen aber waren dort früh nicht im Gebrauch, so sah es die Archäologie bisher. Ein Kongress in Mün- chen zeichnete nun ein anderes Bild: Opiumkonsum war vor 3000 Jahren ein Teil von Ritualen in Zypern, und Cannabis war gar schon vor 5000 Jahren mit den Yam- naya aus dem Kaukasus nach Westen gekommen. Und zumindest dort, wo es hergekommen ist, hat man auch Asche von gerauchtem gefunden (Science 360, S. 249).

Cannabis heute: App soll Folgen des Konsums vor Augen führen

Cannabis dämpft die Aufmerksamkeit und die Reaktion, auch das Gedächtnis leidet, aber Konsumenten der (im- mer öfter legalen) Droge tun sich nicht immer leicht da- mit, die Folgen für ihre Handlungsfähigkeit einzuschät- zen. Deshalb will Psychologin Harriet de Wit (Chicago) eine App entwickeln – „Am I stoned?“ –, den ersten Schritt dazu hat sie bei einem Kongress in San Diego prä- sentiert: Dabei geht es um computergenerierte Aufgaben, das Lösen einer einzigen davon kann bis zu 20 Minuten dauern. Folgemodelle sollen realitätsnäher werden.

24 WISSEN 0

29. APRIL 2018 ////DIEPRESSE.COM////

Ähnlich wie sich in Lavalampen bei Energiezufuhr Flüssigkeiten voneinander scheiden, geht es im Zellinneren zu. Barbara Dombrowski/laif/picturedesk.com

ZellbiologieinneuerPhase?

Gibt es im Cytoplasma nicht nur Organellen mit Membranen, sondern auch Bläschen, die durch Phasentrennung gebildet werden? Vieles deutet darauf hin.

VONJÜRGEN LANGENBACH

E

rinnern Sie sich noch an die Lavalampen, mit einer Flüssig- keit gefüllte Leuchten aus Glas, in denen bei Energiezu- fuhr – von einer Glühbirne oder einem Teelicht – bunte Bläschen aufstiegen und herabsanken? Das kam daher, dass die Flüssigkeit aus zwei Kom- ponenten gemischt war, die bei Erwär- mung ihre Dichte ändern und sich voneinander scheiden – in einer spe- ziellen Phasentrennung: liquid/liquid phase differentiation, LLPD –, die leichtere steigt dann in Blasen hoch.

Ganz Ähnliches bekamen Studen- ten zu Gesicht, als sie sich in einem Sommerkurs in Woods Hole, Massa- chusetts, in neueste Mikroskopiertech- niken einübten, sie sollten das an „P Granules“ tun, dem Namen nach win- zige Körnchen (aus RNA und Prote- inen), sie spielen in Keimzellen des Fa-

denwurms C. elegans bei der Ge- schlechtsbestimmung mit. Aber was sich unter dem Mikroskop zeigte, wa- ren keine Körnchen, sondern Bläschen.

Die Überraschung war groß – obgleich 1830 schon Ähnliches an anderen Zell- bestandteilen aufgefallen war, es war in Vergessenheit geraten –, und sie war bei den Instruktoren der Studenten, Tony Hyman und Cliff Bragwynne (MPI Molekulare Zellbiologie und Ge- netik, Dresden) so groß, dass sie nach der Rückkehr in ihr Labor mit dem sys- tematischen Erkunden dessen began- nen, was sich im Cytoplasma abspielt.

Das ist das Innere von Zellen, und so klein diese sind, sind sie doch schier endlos differenziert in Untereinheiten, die zusammenspielen. Die hielt man alle für Organellen, wohl verpackt in Fettmembranen, über die sie auch mit- einander interagieren, die „P granules“

zählte man dazu. Aber sie sind eben keine Körnchen mit einer Membran, und sie sind auch nicht immer da, sie bildeten sich im MPI-Labor dann, und nur dann, wenn Kräfte auf die Zelle einwirkten, Scherkräfte etwa, die ent- standen, als die Forscher Mikrosko- piergläser gegeneinander verschoben.

Dann trennten sich Bestandteile der

Zellflüssigkeit, etwa so, wie sich Öl von Wasser scheidet und in Tröpfchen auf ihm schwimmt. „Es war eine der Fra- gen, an die noch niemand gedacht hat- te“, erinnerte sich Hyman, der sofort vermutete, es gehe bei den Bläschen darum, bestimmte Moleküle zu kon- zentrieren und andere fernzuhalten.

„In dem Augenblick, in dem man von dieser intuitiven Idee hört, zeigt sie ihren Sinn“, ergänzte Shana Elbaum- Garfinkle (City University of New York) nach der Lektüre von Hymans und Bragwynnes Publikation in Science 2009 (324, S. 1729): „Sie ist ein neues Paradigma, das unser Verständnis der Zellbiologie komplett ändert.“ Tut sie das wirklich, oder war der Fund ein La- borartefakt? LLPD hat sich inzwischen in vielen Lebensformen gezeigt, von Bakterien bis Menschen, und was sich bei denen gezeigt hat, lässt Böses ah- nen, etwa bei Leiden der Nerven und des Gehirns: Manche Bläschen lösen sich einfach wieder auf, dann verteilt sich der Inhalt, aber in anderen kann er sich verfestigen, zu einem Gel, oder gar verhärten, zu einem Aggregat.

Alzheimer? ALS? Zu Aggregaten ver- klumpen können in LLTPs etwa Tau- Proteine, Susanne Wegmann (Harvard Medical School) hat es gerade be- merkt: Aber verklumpte Tau-Proteine sind alte Bekannte, sie wirken bei Alz- heimer mit. Und Aggregate eines ande- ren Proteins, SOD1, treiben ALS voran – die Krankheit, die durch Schädigung von Nervenzellen den Körper Stück für Stück lähmt, bis auch die Lunge nicht mehr bewegt werden kann –, weshalb Wegmann vermutet, dass „LLPDs einen biologischen Prozess darstellen, der in vielen verschiedenen neuro- degenerativen Krankheiten eine Rolle spielt“ (EMBO Journal e98049).

Und es geht nicht nur um langsa- men Verfall, es geht auch um rasche Attacken durch Krebs: Miguel Rivera (Massachusetts General Hospital) hegt den Verdacht, dass Ewings-Sarkome – Tumore, die meist Knochen befallen – durch fehlerhafte Phasentrennung eines Proteins verursacht werden (Bio- essays 38, S. 959), und Tanja Mittag (St.

Jude) hat im Februar einem Kongress vorgetragen, dass andere Tumore da- durch gedeihen, dass LLPDs, die für gewöhnlich tumorfördende Proteine in sich sammeln und neutralisieren, sich

nicht mehr bilden können. Das hieße, dass Phasentrennung (auch) ein Schutzmechanismus ist, der Gefährli- ches entsorgt. Aber er kann eben versa- gen, oder er kann, wie bei ALS, Leiden bringen.

Warum hat die Evolution dann das Risiko nicht längst weggeschafft? Zu- mindest bei Hefe dienen LLPDs dem Überleben, das hat Simon Alberti (Dresden) gezeigt: Wenn der pH–Wert bedrohlich sinkt, werden empfindliche Proteine zu Gel stabilisiert (Science 359, S. eaao5654); so schützt Hefe zen- trale Proteine auch vor Überhitzung, Allan Dramond (Chicago) hat es be- merkt (Cell 168, S. 1028). Und vielleicht ist bei den neurodegenerativen Krank- heiten alles ganz anders als bisher ge- dacht, vielleicht sind die Aggregate gar nicht die Bösen, sondern die, die dage- gen antreten: Den Verdacht hat gerade

Nikolay Dokholyan (University of North Carolina) geäußert, ihm ist bei SOD1 aufgefallen, dass der Schaden durch ganz kleine Proteinverbünde an- gerichtet wird – und dass die durch die Einbettung in Aggregate entschärft werden (Pnas 16. 4.).

Es gibt andere Beispiele auch, aber vieles ist unklar, das Feld ist jung und leidet daran, dass ihm lange das grund- legende Instrumentarium fehlte. „Wir müssen die molekulare Grammatik de- finieren, die die Phasenteilung an- treibt“, erklärt Hyman: „Wir brauchten Werkzeuge.“ Und zwar solche, die die Phasentrennung nicht irgendwie auslö- sen, sondern gezielt und kontrolliert. In Brangwynnes neuem Labor – er ist in- zwischen in Princeton – entwickelt man ein Laserverfahren mit fluoreszenzmar- kierten Proteinen – „optoDroplet“ –, mit dem man Bläschen erscheinen las- sen kann, verschwinden lassen auch, das Ganze auf dem PC-Schirm (Cell 168, S. 159). „Es ist wie ein Zauber- trick“, berichtet Brangwynnes’ Mitar- beiterin Lian Zhu, auf deren PC unter blauem Laserlicht rote Punkte auftau- chen und sich miteinander verbinden, zu Blasen, dass die Augen übergehen wie einst vor den Lavalampen.

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