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DEUTSCHER BUNDESTAG

Ausschussdrucksache 14/

Ausschuss für 2. Juli 2001

Arbeit und Sozialordnung 14. Wahlperiode

Schriftliche Stellungnahme

zu der öffentlichen Anhörung

zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit, BT-Drs. 14/3778 am 4. Juli 2001 in Berlin

Marcel Erlinghagen

1. Bedeutung und Umfang der Ehrenämter und ehrenamtlicher Tätigkeit

1.1 Ehrenämter als Stütze der Demokratie und der Gesellschaft

Ehrenamtliche Tätigkeiten leisten in der Tat einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung und Erhaltung des pluralistisch-demokratischen Systems der Bundesre- publik Deutschland. Ohne den Einsatz ehrenamtlicher Kräfte wären viele Aufgaben im politischen, kulturel- len und sozialen Bereich in unserer Gesellschaft nicht zu lösen. Zum einen wäre es allein aus finanziellen Gründen kaum möglich, die ehrenamtlich erbrachte Arbeit durch professionelle bzw. staatliche Angebote zu bewältigen; zum anderen kann gerade der Einsatz von ehrenamtlichen Laien (bspw. in Selbsthilfegrup- pen) in einigen Bereichen bspw. aufgrund einer größe- ren Problemkenntnis qualitative Vorteile gegenüber einem professionellen/staatlichen Angebot aufweisen.

Aus diesem Grund ist die generelle Forderung, ge- meinnützige ehrenamtliche Arbeit grundsätzlich staat- lich zu fördern, im Prinzip berechtigt.

1.2 Ehrenamtliche Beteiligung wächst seit den 80er Jahren

Obwohl seit einigen Jahren ehrenamtliche Arbeit (wieder) Thema der wissenschaftlichen, politischen und öffentlichen Diskussion ist, liegen bislang nur vergleichsweise spärliche empirische Informationen über Art, Umfang und insbesondere die zeitliche Ent- wicklung ehrenamtlicher Arbeit in Deutschland vor.

Eine der wenigen Untersuchungen liefert bspw. Zeit- reihen auf Basis der Zahlen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) (Erlinghagen/Rinne/Schwarze 1998) und zeigt, dass es um das Ehrenamt gar nicht so schlecht bestellt ist. Ein Drittel der Westdeutschen und ein Viertel der Ostdeutschen Bevölkerung waren Ende der 90er Jahre ehrenamtlich aktiv, wobei sich der

Aktivenanteil seit den 80er Jahren kontinuierlich er- höht hat. Demnach kann im Gegensatz zu „landläufi- gen“ Vorurteilen kaum von einer generellen Krise des Ehrenamtes ausgegangen werden und somit ist die nachdringliche Forderung nach verstärkter Förderung von Ehrenämtern unter diesem Gesichtspunkt auch nicht ohne weiteres nachzuvollziehen. Gleichwohl mag es Bereiche geben, in denen die ehrenamtliche Betätigung entgegen dem allgemeinen Trend tatsäch- lich rückläufig ist. Diese Bereiche gilt es mit Hilfe wissenschaftlicher Analysen zu identifizieren und ggf.

bei Bedarf zielgenau zu fördern.

1.3 Ehrenämter sind nicht prinzipiell gemeinnüt- zig

Die vorschnelle rein positive Bewertung jeglichen ehrenamtlichen Engagements sollte skeptisch stim- men. Bei der Debatte um ehrenamtliche Arbeit steht i.d.R. nicht zur Diskussion, ob alle Ehrenämter wirk- lich den gesamtgesellschaftlichen Nutzen erhöhen und somit tatsächlich „gemeinnützig“ sind. Sicherlich trifft für eine Vielzahl von ehrenamtlichen Tätigkeiten zu, dass gesellschaftliches Engagement den sozialen Zusammenhalt stärkt und damit für die Gesamtgesell- schaft von Nutzen ist. Aber es sind mannigfaltige Beispiel denkbar, wo das (bewusste oder unbewusste) Ziel ehrenamtlichen Engagements gerade die Spaltung und Aus- bzw. Abgrenzung von einzelnen gesell- schaftlichen Gruppen ist. So treffen alle Merkmale ehrenamtlicher Tätigkeit beispielsweise genauso auf ehrenamtliche Parteifunktionäre der NPD wie auf Aktivisten einer Bürgerinitiative gegen ein Wohnheim für Asylsuchende in ihrem Stadtteil zu. Schaffen diese Aktivitäten größeren sozialen Zusammenhalt? Und wenn ja, bei wem? Vor einer voreiligen, allgemein- gültigen – insbesondere rein positiven – Bewertung des sozialen Nutzens ehrenamtlichen Engagements kann also nur gewarnt werden. Gerade eine Diskussi- on wie sie in Nordrhein-Westfalen um den Klinik- standort für die psychiatrische Behandlung von Straf-

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Ausschussdrucksache 14/1645 Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung

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tätern seit Jahren geführt wird, macht dies eindrucks- voll deutlich. Sicher stiften die lokalen Anti-Klinik- Bürgerinitiativen sozialen Zusammenhalt zwischen ihren Mitgliedern, aber sie verhindern gleichzeitig die Bemühungen um eine Integration der dort zu behan- delnden Menschen und behindern gleichzeitig massiv und dauerhaft die Durchsetzung des durch Landtags- wahlen legitimierten „politischen Willens“ der nord- rhein-westfälischen Bevölkerung.

2. Abgrenzung Ehrenamt/ehrenamtliche Tätig- keit von Erwerbstätigkeit

Der klaren begrifflichen Abgrenzung von Ehrenäm- tern auf der einen und Erwerbsarbeit auf der anderen Seite kommt in der gesamten momentan geführten Debatte eine wenn nicht sogar die Schlüsselrolle zu.

Allerdings existieren bislang keine einheitlichen Kri- terien, wann eine Tätigkeit als „Ehrenamt“ zu verste- hen ist und wann nicht. Klare Unterscheidungskrite- rien sind aber notwendig, wenn man mehr über den quantitativen Umfang ehrenamtlicher Tätigkeiten und deren Bedeutung wissen möchte. Spätestens aber dann, wenn über eine verstärkte staatliche Förderung von Ehrenämtern gestritten wird, ist eine klare Beg- riffsgrundlage unerlässlich. Insofern erscheinen die Bemühungen, ehrenamtliche Arbeit aufgrund ihrer

„Freiwilligkeit“ oder aber ihrer „Gebrauchswertorien- tierung“ von der angeblich „unfreiwilligen“ und

„tauschwertorientierten“ Erwerbsarbeit abzugrenzen m.E. wenig brauchbar. Die Entscheidung zur Über- nahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit kann ebenso

„tauschwertorientiert“ sein, wie Erwerbsarbeit; als Beispiel sei hier an die ehrenamtliche Erstellung des Gutes „Kinderbetreuung“ in einer Elterninitiative erinnert. Ebenso besitzt Erwerbsarbeit meistens einen mehr oder weniger großen Anteil an „Gebrauchswert- orientierung“; so kann eine bezahlte Krankenschwes- ter ebensolche Freude bei ihrer Arbeit empfinden, wie eine ehrenamtliche Helferin im selben Krankenhaus.

Meines Erachtens verbleibt als einziges Abgrenzungs- kriterium zwischen Erwerbsarbeit und Ehrenamt die Entlohnung der geleisteten Arbeit. Dabei sollte aus- schließlich die Höhe der monetären Entlohnung nicht aber deren Benennung berücksichtig werden. Es sind Grenzwerte zu ermitteln, ab denen eine Tätigkeit als

„Erwerbsarbeit“ zu verstehen ist, unabhängig, ob die Entlohnung offiziell als „Lohn“, „Gehalt“, „Honorar“

oder aber „Aufwandsentschädigung“ bezeichnet wird.

Im Falle von „Ehrenämtern“ ist also immer dann von Erwerbsarbeit auszugehen, wenn die gezahlte Auf- wandsentschädigung (abzüglich tatsächlich entstande- ner und nachweisbarer Kosten wie bspw. Fahrgeld) eine festgelegte Grenze überschreitet

Bei der Frage, ab welcher Höhe der gezahlten Auf- wandsentschädigung eine erwerbsarbeitsähnliche pseudo-ehrenamtliche Tätigkeit vorliegt, könnte man eventuell die Regelungen des Einkommenssteuerge- setzes heranziehen. Steuerfrei sind nach § 3 Abs. 26 EStG „Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten [...] oder der nebenberuflichen Pflege alter, kranker oder behin-

derter Menschen im Dienst oder Auftrag einer inländi- schen juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer unter § 5 Abs.1 Nr. 9 des Körperschaftssteuerge- setzes fallenden Einrichtung zur Förderung gemein- nütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke [...] bis zur Höhe von insgesamt 3600 Deutsche Mark im Jahr“. Somit wäre die steuerrechtlich definierte Gren- ze von 3600 DM ein mögliches konkretes Abgren- zungskriterium von pseudo-ehrenamtlicher Tätigkeit Aber auch eine andere Aufwandsentschädigungsgren- ze ist denkbar. So weist Igl (1996, S. 43) in diesem Zusammenhang auf die juristische Bedeutung des Be- griffs „Taschengeld“ hin: „Eine Honorierung der [eh- renamtlichen; A.d.V.] Tätigkeit kann nicht darin gese- hen werden, wenn etwa ein Taschengeld gezahlt wird, so wie es nach dem Gesetz zur Förderung eines frei- willigen sozialen Jahres geschieht.“ Marburger (2000, S. 123) bemerkt dazu: „Angemessen ist ein Taschen- geld, das 6 % der in der Rentenversicherung geltenden monatlichen Beitragsbemessungsgrenze nicht über- steigt. Im Jahr 2000 gelten 516 DM in den alten und 426 DM in den neuen Ländern.“

Unabhängig davon, bei welchem Betrag letztendlich die Abgrenzung zwischen Ehrenamt und Erwerbsar- beit erfolgt: Diese Grenze muss verbindlich und all- gemeingültig für jedwede Arbeit und unabhängig von ihrer begrifflichen Ausweisung sein. Gerade die jüngst geführte Debatte um die von der rot-grünen Bundesre- gierung vorgenommene Änderung des sogenannten

„630-Mark-Gesetzes“ ist in diesem Zusammenhang als Beispiel besonders interessant. Sportverbände sehen hierin den Bestand des Ehrenamtes in Deutsch- land gefährdet, da sich durch die verschärften steuer- sowie sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen das „ehrenamtliche“ Engagement von Übungsleitern, Trainern etc., die bislang offensichtlich auf 630-Mark- Basis beschäftigt worden sind, nicht mehr lohne. Da- bei ist allerdings nicht nachzuvollziehen, warum bspw. der Jugendtrainer im Fußballverein mit einer

„Aufwandsentschädigung“ von 630 DM ein Ehrenamt ausübt, während die Putzfrau, die auf 630-Marks- Basis die Flure eines Krankenhauses reinigt, als er- werbstätig gelten soll. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass einheitliche Verdienstgrenzen bei der begriffli- chen Unterscheidung zwischen Ehrenamt und Er- werbsarbeit unerlässlich sind.

Auch der vorliegende Gesetzentwurf erkennt die Not- wendigkeit einer Aufwandsentschädigungsgrenze als Definitionskriterium an; diese sei erreicht, wenn der steuerpflichtige Anteil der gezahlten Aufwandsent- schädigung regelmäßig 1/7 der in § 18 SGB IV fest- gelegten monatlichen Bezugsgröße übersteige. Jedoch wird durch die Einschränkung, dass diese Grenze dann nicht gelten solle, wenn die gezahlte Aufwandsent- schädigung unterhalb des „verkehrsüblichen Arbeits- entgeltes“ liege, dieses Unterscheidungskriterium unnötig geschwächt und damit einhergehend nicht nur ein enormer Verwaltungsaufwand sondern auch fatale arbeitsmarktpolitische Wirkungen provoziert (vgl.

dazu Abschnitt 4).

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Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung Ausschussdrucksache 14/1645

3 Meines Erachtens ist das steuerrechtliche Abgren-

zungskriterium bei der Unterscheidung von Ehrenamt und Erwerbsarbeit am brauchbarsten. Deshalb sollte jedwedes nominelle „Ehrenamt“, das mit einer Auf- wandsentschädigung von über 3600 DM pro Jahr verbunden ist, als „Pseudo-Ehrenamt“ und somit als Erwerbsarbeit verstanden werden. Zwar kann die Spannbreite der „Entschädigungszahlungen“ bei pseu- do-ehrenamtlichen Aktivitäten sehr groß sein und von einer knapp oberhalb der jeweils angelegten Unter- grenze (also bspw. die EStG-Regelungen) bis zu fünf- stelligen monatlichen Beträgen reichen; doch treten solch hohe Einkommensdifferenzen auch in allen übrigen Erwerbsarbeitsbereichen auf und können daher nicht als ein Argument gegen einen solchen Einkommensgrenzwert dienen, sondern unterstreichen vielmehr die Notwendigkeit eines einheitlichen Vor- gehens.

Abschließend ist auf einen weiteren Punkt aufmerk- sam zu machen: Werden mit Ehrenämtern nicht- monetäre „Belohnungen“ verbunden (bspw. vergüns- tigte Kinderbetreuungsmöglichkeiten oder aber eine Anrechnung im Numerus-Clausus-Verfahren wie dies etwa 1997 durch die Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen in ihrem „Bürge- rarbeits-Konzept“ vorgeschlagen worden ist), können diese als Lohnnebenleistungen – sogenannte „fringe benefits“ – interpretiert werden, bei denen das Motiv der Steuerumgehung eine wichtige Rolle spielt. Hier- bei erscheint es nahezu aussichtslos, eine Grenze an- zugeben, welche dieser geldwerten Vorteile ein ehren- amtliches Engagement der Gruppe der Pseudo- Ehrenämter zuweist. Außerdem ist es dem Ehrenamt- lichen möglich, auf die Zahlung von Aufwandsent- schädigungen zu verzichten und statt dessen diesen Betrag als Spende steuerlich geltend zu machen.

3. Sozialversicherungspflicht/-freiheit

Gerade die Frage nach der sozialversicherungsrechtli- chen Behandlung von Ehrenämtern verdeutlicht, dass die konsequente Anwendung der existierenden ge- setzlichen Vorgaben m.E. am sinnvollsten ist. Dem- nach sind Tätigkeiten mit einer „Aufwandsentschädi- gung“ bis zum Steuerfreibetrag von derzeit 3600 DM pro Jahr (§ 3 Abs. 26 EstG) als Ehrenämter zu verste- hen; diese Einkünfte unterliegen nicht der Steuer- pflicht und sind somit auch für die Sozialversicherung ohne Belang und somit beitragsfrei (gewisse Ausnah- me: Gesetzliche Unfallversicherung). Da ehrenamtli- che Tätigkeit i.d.R. in Anbindung an eine Organisati- on (Verein, Verband etc.) erfolgt, handelt es sich hier- bei um eine unselbständige Tätigkeit. Demnach sollte mit den Aufwandsentschädigungen oberhalb der steu- errechtlichen Grenze wie mit allen Einkünften aus unselbständiger Arbeit verfahren werden; die entspre- chenden Regelungen des SGB III, IV, V, VI und XI sind dementsprechend anzuwenden.

4. Stellungnahme zum Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit zielt ab auf die prinzipielle Befreiung von der Sozialversicherungs-

pflicht für gegen Aufwandsentschädigung ehrenamt- lich Tätigen. Die obigen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass es zunächst einmal äußerst fragwürdig ist, ob es sich nicht bei einer qua Aufwandsentschädi- gung entlohnten Tätigkeit in jedem Fall um Erwerbs- arbeit handelt, auch wenn die Tätigkeit bislang offi- ziell als „Ehrenamt“ tituliert wird. Abgesehen davon ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine prinzi- pielle Wende in der bereits heute bestehenden staatli- chen Förderung gemeinnützigen Engagements ver- bunden. Wird bislang gemeinnützige Arbeit vor allem durch direkte oder indirekte staatliche Zuwendungen (bspw. Zuschüsse oder Steuerbefreiungen) an gemein- nützig geltende Organisationen gefördert, beinhaltet der vorliegende Gesetzentwurf eine Förderung der ehrenamtlich Aktiven selbst. Demnach bemüht sich der Gesetzentwurf, die bislang zumeist praktizierte Objektförderung zu Gunsten einer verstärkten Sub- jektförderung zu verschieben. Mit einer verstärkten Subjektförderung gemeinnützigen Engagements kön- nen allerdings eine Reihe von Problemen verbunden sein, die diskutiert werden sollten:

a) Eine verstärkte Subjektförderung erhöht den Verwaltungsaufwand

Wenn ehrenamtliches Engagement vermehrt staatlich gefördert werden soll, indem solche Tätigkeiten von der Sozialversicherungspflicht ausgenommen werden, so muss eine Instanz Förderkriterien aufstellen. Abge- sehen von den Schwierigkeiten, dass nur schwer fest- legbar ist, welche Arbeiten förderungswürdig sind (vgl. Abschnitt 1 und 2), zieht dies die Schaffung von Institutionen nach sich, die den Ehrenamtscharakter jeder einzelnen Tätigkeit zu überprüfen hätten. Dies wäre mit einem nicht unerheblichen Verwaltungsauf- wand verbunden.

Aber selbst wenn es – wie im Gesetzentwurf wohl beabsichtigt – gelänge, den Verwaltungsaufwand dadurch zu minimieren, dass Ehrenämtern pauschal über den Status der entsprechenden Organisationen die Gemeinnützigkeit zugestanden werden soll, bleibt das Problem der Ausnahmen von der Verdienstgrenze.

Denn sollte eine Aufwandsentschädigung oberhalb der im Gesetzentwurf vorgesehenen Grenze gezahlt wer- den, kann dennoch ein Ehrenamt vorliegen, wenn die Aufwandsentschädigung unterhalb des „verkehrsübli- chen Arbeitsentgeltes“ für „derartige Tätigkeiten“

liegt. Um einen Vergleich zu gewährleisten, müsste eine staatliche Instanz oder aber die Sozialversiche- rungen eine Reihe von Informationen erfassen:

• Der zeitlichen Umfang der ehrenamtlichen Tätig- keit ist genau zu ermitteln; dies dürfte umso schwerere sein, da i.d.R. kein Arbeitsvertrag zwi- schen Gemeinnütziger Organisation und Ehren- amtlichem existiert, der die Arbeitszeit festlegt.

Denn um die gezahlte (zumeist wohl pauschale) Aufwandsentschädigung mit der Entlohnung „re- gulärer“ Kräfte vergleichen zu können, ist ein Stundenlohn der Ehrenamtlichem zu ermitteln.

• Die Qualifikation des Ehrenamtlichen für die eh- renamtliche Arbeit muss eingeschätzt werden;

selbst wenn dies umzusetzen wäre, bliebe das

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Ausschussdrucksache 14/1645 Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung

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Problem, dass die „verkehrsüblichen“ Arbeitsent- gelte bspw. im Altenheim ja an qualifizierte (pro- fessionelle) Beschäftigte gezahlt werden; ein Ver- gleich der Entlohnung von unqualifizierten Laien mit qualifizierten Profis dürfte sich äußerst schwierig gestalten.

• Die Angaben über zeitlichen Umfang und Qualifi- kation sind außerdem nicht nur zu erfassen son- dern mit geeigneten Maßnahmen auch zu überprü- fen, was den Verwaltungsaufwand und darüber hinaus auch die Kosten für die Allgemeinheit weiter erhöhen dürfte.

b) Eine verstärkte Subjektförderung verringert die sozialpolitische Zielgenauigkeit, Kontinuität und Effizienz staatlicher Fördermaßnahmen

Der freiwillige Charakter ehrenamtlicher Arbeit über- lässt es den Ehrenamtlichen, in welchen Bereichen sie tätig werden. Durch eine Subjektförderung mittels einer Beitragsbefreiung, wie es der vorliegende Ge- setzentwurf vorsieht, wird die Lenkungswirkung staatlicher Subventionen vermindert, da es den Ehren- amtlichen selbst obliegt, in welchem Bereich sie tätig sind bzw. werden. Somit wäre der Umfang staatlicher Subventionen in diesem Fall zunehmend von den subjektiven Engagementvorlieben der Ehrenamtlichen abhängig; die objektive Identifizierung sozialpoliti- scher Notstände und deren Beseitigung oder Milde- rung durch die Gewährung von staatlichen Zuschüssen an in diesem Bereich tätige Organisationen könnte an Bedeutung verlieren, zumal dann, wenn in Zeiten der angespannten Lage der öffentlichen Haushalte mit einer Umverteilung von Fördermitteln weg von der Objekt- hin zur Subjektförderung zu rechnen ist. In diesem Zusammenhang gewährleistet eine hauptsäch- lich an der Objektförderung orientierte staatliche Sub- ventionierung gemeinnütziger Organisationen darüber hinaus die Kontinuität gemeinnütziger Arbeit. Außer- dem ist durchaus denkbar, dass es durch eine ver- stärkte Subjektförderung zu einer ineffizienteren Ver- wendung der staatlichen Subventionen für gemeinnüt- zige Arbeit kommen könnte. Bislang obliegt es i.d.R.

den geförderten gemeinnützigen Trägern, wie sie die Zuschüsse verwenden; so entscheiden die Organisati- onen vor Ort bspw., ob bestimmte von ihnen zu erfül- lende Aufgaben besser durch professionelle (d.h. qua- lifizierte und hauptamtliche) Kräfte oder aber durch (ehrenamtliche) Laien zu erbringen sind. Eine ver-

stärkte Subjektförderung, wie sie der vorliegende Gesetzentwurf vorsieht, könnte diesen nützlichen Spielraum einschränken. Vielmehr ist zu überlegen, wie mit Hilfe einer reformierten Objektförderung die Attraktivität ehrenamtlicher Arbeit für die ehrenamt- lich tätigen Personen erhöht werden könnte. Bspw.

könnten staatliche Subventionen für gemeinnützige Organisationen mit Qualifizierungsauflagen für die jeweils dort arbeitenden Laienmitarbeiter verknüpft werden.

c) Fatale Folgen für den Arbeitsmarkt und die soziale Sicherung

Neben den grundsätzlichen Bedenken gegenüber einer verstärkten Subjektförderung birgt der vorliegende Gesetzentwurf die Gefahr eines Missbrauchs durch die Umwidmung regulärer Beschäftigung in ehrenamtli- che Arbeit. Denn die im Gesetzentwurf vorgesehene Befreiung von der Sozialversicherungspflicht für Ehrenämtern, deren Aufwandsentschädigung zwar steuerpflichtig ist, jedoch nicht die Höhe des „ver- kehrsüblichen Arbeitsentgeltes für diese Tätigkeit“

erreicht, setzt einen Anreiz zur Umgehung der Sozial- versicherungspflicht und tarifrechtlicher Bestimmun- gen. Folge könnte ein neuer „gemeinnütziger“ Nied- riglohnsektor sein; die dort tätigen „Ehrenamtlichen“

würden untertariflich entlohnt und stünden dann gera- de aus diesem Grund auch nicht unter dem Schutz der sozialen Sicherungssysteme. Auch die im Gesetzent- wurf vorgesehene Wahlfreiheit für de ehrenamtlich Beschäftigten bietet hier keinen verlässlichen Schutz.

Denn in kurzfristiger Perspektive kann es für die Be- schäftigten durchaus reizvoll sein, auf den Status eins sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zu ver- zichten und statt dessen als Ehrenamtlicher lieber seine Sozialversicherungsbeiträge zu sparen. Die Er- fahrungen aus dem Bereich der „Scheinselbständig- keit“ zeigen, dass nicht nur für Arbeitgeber sondern auch für Arbeitnehmer durchaus Anreize für die Auf- nahme solcher prekären Beschäftigungsverhältnisse existieren und die damit verbundenen Risiken auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Eine solche Ent- wicklung wäre nicht nur unter sozialpolitischen As- pekten fatal sondern könnte darüber hinaus die Schaf- fung von regulären sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen im wachsenden Sektor der personenge- bundenen Dienstleistungen nachhaltig hemmen.

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