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Dieses Problem der Chronologie der Autobiographie Avicennas ist auch in der abendländischen Islamwissenschaft schon seit langem bemerkt worden

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(1)

EIN ANDERER AVICENNA

Kritik seiner Autobiographie und ihrer bisherigen Behandlung

Von Günter Lüling, Erlangen Mit 3 Karten

Dem Medizinhistoriker

Herrn Professor Dr. med. Magnus Schmid

in Verehrung und Dankbarkeit

Es darf wohl als außergewöhnlicher Umsteind bezeichnet werden, daß die

Autobiographie des geistesgeschichtlich so bedeutenden mittelalterlichen Phi¬

losophen Avicenna bis auf den heutigen Tag bekanntermaßen voller ungelöster

Rätsel geblieben ist (l). Sarkastisch könnte man sagen, daß uns fast nur das

Datum seines Todes in Avicennas Biographie problemlos erscheinen kann (2).

Die arabischen Historiker haben uns, - um das scheinbar vordergründige

Problem der Chronologie seines Lebens anzusprechen und einen neuen Lösungs¬

versuch zu unterbreiten - , vier verschiedene Zahlen für das Lebensalter

Avicennas überliefert, - 48, 53, 58 und 63 Jahre - (3), wobei diese vier ver¬

schiedenen Daten noch verdoppelt werden müssen: die arabische Uberlieferung

bietet keine klare Lösung an für die Frage, ob die Angaben über Avicennas

Lebenslänge als Sonnenjahre oder als Mondjahre zu zählen sind (4).

Diese Verwirrung in den Angaben über die Lebenslänge Avicennas ist da¬

durch entstanden, daß einige Feststellungen der autobiographischen Darstel¬

lung Avicennas praktisch mit keinem dieser von der Uberlieferung indirekt

gegebenen Geburtsdaten in Einklang zu bringen sind. Dieses Problem der

Chronologie der Autobiographie Avicennas ist auch in der abendländischen

Islamwissenschaft schon seit langem bemerkt worden, - ich verweise hier

nur auf August Müller (5) und Eduard Sachau (6) - , es ist dieses Problem

aber nie, - mit einer rühmlichen Ausnahme (7) - , ernstlich aufgegriffen und

angegangen worden. Infolgedessen scheint mir die Kritik angebracht, daß die

vielen und oft tiefsinnigen wissenschaftlichen Analysen der überlieferten wis¬

senschaftlichen Schriften Avicennas ein höchst ungleiches Gewicht des Inter¬

esses für Avicenna offenbaren, und daß infolge dieser einseitigen Beschäfti¬

gung mit dem Cfeuvre Avicennas bei fundamentaler Ungeklärtheit der Bezie¬

hungen des Menschen Avicenna zu seiner Zeitgeschichte die Ergebnisse die¬

ser Erforschung seines Werkes als schlecht fundiert betrachtet werden müs¬

sen.

Die Autobiographie Avicennas zeichnet sich nicht nur dadurch aus, daß sie

bislang nicht ohne erhebliche sachliche Widersprüche zur Zeitgeschichte in

Beziehung gesetzt wurde, sie glänzt auch dadurch, daß in ihr, - offenbar vom

Verfasser Avicenna selbst - , an mehreren Stellen die Zusammenhänge mit

der Zeitgeschichte absichtlich verschleiert sind: Gleich an zwei Stellen sei¬

ner Autobiographie, - betreffend das Verlassen seiner Heimatstadt Bukhara

und das Verlassen seiner ersten Zuflucht am Hof des Emirs von Gurganj in

(2)

497

Khwarizm - , wird der Grund für diese Ortsveränderung verschleiert mit der

stereotypen Formel wa da^atnl d-darüra 'ilä 1-intiqäl, "da forderte mich die

Not auf fortzuziehen" (8).

Zudem gibt es eine andere, von der Autobiographie Avicennas völlig unab¬

hängige alte Quelle, die von einer Flucht Avicennas aus Khwarizm weiß: In

dem rund eineinhalb Jahrhunderte nach Avicennas Tod verfaßten Buch Cehär

maqäle des Nizäml "Arüdi (9) wird sehr ausführlich über diese Flucht Avi¬

cennas berichtet, in deren Verlauf sein, - neben einem Pfadfinder - , ein¬

ziger Reisebegleiter, der damsJs schon hochberühmte Medizinprofessor Abu

Sahl al-Masihi (lO), in einem Sandsturm umkommt. Aber diese Fluchtge¬

schichte ist in dieser Darstellung in eine Rahmengeschichte eingepaßt, die

völlig unhistorisch ist: Diese Flucht soll dort in den Rahmen der historischen

Vorgänge gehören, als Mahmud von Ghazna im Jahre 407 d.H. vom Khwarizm

schah die Überlassung seiner Sammlung angesehener Gelehrter, - unter ih¬

nen al-Biruni - , verlangte, welchem Ansinnen schließlich tatsächlich ent¬

sprochen wurde. Avicenna und Abu Sahl sollen sich dieser Deportation durch

Flucht entzogen haben (ll ).

Nach dem Tenor der Darstellung der Autobiographie Avicennas ist Avicenna

jedoch spätestens im Jahre 403 d.H. (l2) schon in Gurgan eingetroffen und

danach nie wieder nach Khwarizm gekommen. So kann er dort nicht 407/8 ge¬

flohen sein!

Andererseits ist aber die Tatsache einer Flucht Avicennas aus Khwarizm,

- und vorher wohl auch schon aus Bukhara - , nicht aus der Welt zu schaffen.

Die wiederholte verschleiernde Redeweise der Autobiographie "da forderte

mich die Not auf fortzuziehen" und die schwerlich in Frage zu stellende Uber¬

lieferung vom dramatischen Tod des Abu Sahl al-MasIhi im Sandsturm auf der

Flucht mit Avicenna geben Anlaß, tatsächlich eine oder mehrere Fluchtsitu¬

ationen im Leben Avicennas vorauszusetzen und in der Zeitgeschichte nach po¬

litischen Situationen oder Konstellationen zu fahnden, in denen die merkwür¬

digen verschleierten Aussagen der Autobiographie Avicennas eine plausible

Erklärung finden, aus denen insbesondere aber auch das Motiv für die Ver¬

schleierung erkennbar wird.

Betrachten wir nun einmal genau die von Avicenna in seiner Autobiographie

beschriebene Reiseroute anhand der Kartenskizze 1 (13).

Avicenna verläßt von Not getrieben Bukhara und geht nach Gurganj in Khwa¬

rizm. Er verläßt von Not getrieben Gurganj nach Nisa, geht von dort nach Abi

ward, weiter nach Tus, vermeidet offenbar Nisabur, weilt in den kaum bekann

* _

ten kleinen Ortschaften Saqqan, Samanqän und Gagarm bis er schließlich nach

Gurgan kommt, wohin er nach eigener sibyllinischer Aussage eigentlich von

Khwarizm aus wollte (14).

Dies sein Verweilen in obskuren Ortschaften entspricht der Darstellung in

den Cehär maqäle des Nizämi "ArudT, in denen eben dieses Bild gezeichnet

wird, daß Avicenna unter falschem Namen in der Peripherie der Hauptstadt

Gurgan als Arzt seinen Lebensunterhalt verdienend nicht wagt, sich dem Für¬

sten Qäbüs in Gurgan anzudienen (15), - obgleich er doch damals schon, -

das steht außer Frage - , eine in der Welt der Wissenschsift bekannte Person

war.

Diese Merkwürdigkeiten der Reisen Avicennas korrelieren nun, - wie ich

meine unverkennbar - , mit gewissen beachtenswerten und aufschlußreichen

Zeitereignissen, wenn wir das Datum von 58 Sonnenjsihren für die Lebens-

(3)
(4)

länge Avicennas der Autobiographie zugrundelegen, das Datum also, das uns

die älteste Quelle, al-Baihaqi's Tatimmat Siwän al-hikma, bietet (l6). Unter

dieser Bedingung trifft nun endlich die Angabe der Autobiographie zu, daß

Avicenna nach dem Erreichen des 22. Lebensjahres seinen Vater verlor und

selbst eine Aufgabe vom Sultan übernahm. Nach dem bislang geltenden aber

bekanntermaßen seit eh und je unhaltbaren Ansatz von 58 Mondjahren gab es

ab Avicennas 20. Lebensjahr für lange Zeit keinen Sultan mehr in Bukhara (17).

DaB man bislang den Ansatz auf der Grundlage von 58 Sonnenjahren Lebens¬

länge nicht ernstlich in Betracht gezogen hat, liegt daran, daß der Avicenna

in Dienst nehmende Sultan kein von der Geschichte im nachherein anerkannter

Sultan ist, - obschon er nachweislich auf seinen Namen hat Münzen schlagen

lassen (18). Denn mit diesem Sultan und Dienstherrn Avicennas haben wir es

mit jenem Samanidenprinzen Abu Ibrahim Isma' il al-Muntasir zu tun, der

nach dem Zusammenbruch der Samanidenherrschaft in Bukhara, - mit dem der

Tod von Avicennas Vater im Zusammenhang stehen könnte - , und nach der

Deportation aller Mitglieder der Samanidendynastie aus dem fernen Exil ent¬

flieht und fünf Jahre lang mit wechselndem Erfolg um die Wiederherstellung

der Samanidenherrschaft kämpft, bis er in desperater Lage schließlich unter

dem Dolch gedungener Mörder fällt (l9).

Wir können im gegebenen Rahmen nicht im Einzelnen auf die Geschichte die¬

ses heldenhaften Prinzen eingehen und konstatieren hier nur folgendes:

gd-Muntasir kommt auf seiner Flucht aus dem Exil nach Bukhara und zieht

mit seinen Anhängern nach Khwarizm, wo er ein Heer sammelt, offenbar,

- wie auch Wilhelm Barthold feststellte (20) - , unter wohlwollender Duldung

wenn nicht gar mit Hilfe des Khwarizmschahs. Nach einigen Feldzügen al-

Muntasirs, während deren Avicenna offenbar in Khwarizm am Hofe verbleibt,

kommt al-Muntasir von einer fehlgeschlagenen, vom Emir Qäbüs von Gurgän

unterstützten Belagerung Rays nach Nisa und Abiward und versucht sich dort

festzusetzen, wird aber nun auf Bitten der Einwohner von einem Heer des

Khwarizmschah, der nun offensichtlich die Fronten gewechselt und die Sache

des Samanidenprinzen verloren gegeben hat, aus Nisa und Abiward vertrie¬

ben (21).

Hier ist also die politische Wende zu finden, die Avicenna aus seinem er¬

sten Zufluchtsort Khwarizm nach Nisa und Abiward fliehen läßt.

Aber auch Avicennas Zögern, sich geradewegs zum Emir Qäbüs nach Gur¬

gän zu begeben, wird verständlich. Denn Qäbüs, - der doch dem Haus der Sa¬

maniden zu größtem Dank verpflichtet dem Prinzen al-Muntasir mit eigenen

Truppen tatkräftig bei dem Versuch, die Herrschaft von Ray an sich zu reißen,

behilflich gewesen war - , denn auch Qäbüs läßt al-Muntasir nach dem Front¬

wechsel des Khwarizmschah fallen und schickt ihm nun Truppen entgegen, als

er nach der Vertreibung aus Nisa und Abiward sich schließlich erneut nach

Gurgän wenden will (22).

Und endlich eröffnet sich uns auch das Motiv für Avicennas Verschleierung

des eigentlichen Charakters seiner Notlagen, von denen er in seiner Autobio¬

graphie spricht: Nachdem der allerletzte Samanide gescheitert war, war es

nicht opportun, sich nachträglich noch als Parteigänger seiner verwegenen

Unternehmungen zu erkennen zu geben. Wenige Jahre später, nachdem er in

Gurgan zwar kurz Fuß gefaßt hatte aber politisch nicht heimisch werden konn¬

te, fand Avicenna für einige Zeit Aufnahme am Hofe von Ray, an jenem Hofe

also, auf dessen Thron sich sein Sultan al-Muntasir mit Hilfe des Emirs von

(5)

Gurgan hatte setzen wollen. Avicenna mußte bemüht sein, seine einstige Par¬

teinahme für diesen letzten Samaniden zu verschweigen.

Avicenna ist also ein wagemutiger Parteigänger für die aussichtslose Sache

der Samaniden gewesen. Wer und Was war sein Vater?

Zu Beginn seiner Autobiographie berichtet uns Avicenna, daß sein Vater

aus Balkh stammte und nicht lange vor Avicennas Geburt nach der Oase Buk¬

hara gekommen war, wo er im Orte Kharmitan die Stellung eines "ämil, ei¬

nes Gouverneurs, einnahm. Diesen Ort charakterisiert Avicenna mit der Be¬

merkung wa hiya min ummahät il-qurä.

Der Wissenschaftshistoriker Paul Kraus, der Verfasser der einzigen bis¬

lang existierenden vollständigen Ubersetzung der Avicenna-Biographie, über¬

setzte diesen Passus "(es war) das bedeutendste unter den Dörfern" (23), und soweit ich sehen kann, hat bislang kein Arabist oder Islamwissenschaftler

dieser Interpretation widersprochen. Und so ist heute noch die Vorstellung

gültig, der Vater Avicennas sei gewissermaßen ein Dorfschulze auf einem

größeren Dorf bei Bukhara gewesen (24).

Dem ist mitnichten so. Denn der oben zitierte arabische Ausdruck, - wört¬

lich auf Deutsch: "und es gehört zu den Müttern der Örter" - , duldet nur eine Interpretation: "Kharmitan war eine Metropole der Vorzeit", - und zwar

in dem schwerwiegenden Sinne, in dem allein Mekka im Koran "Mutter der

Örter" genannt wird (25).

Wilhelm Barthold hat, - offenbar ohne Kenntnis dieses Passus in Avicennas

Autobiographie - , festgestellt, daß die genaue Lage des Ortes Kharmitan nir¬

gends beschrieben ist. Bekannt war ihm nur, daJ3 Kharmitan an einem Bewäs¬

serungskanal mit Namen Bukhär-Khitfar lag, und daß dieser selbe Kanal auch

den Ort RämTtan bewässerte. RämTtan aber ist bekanntermaßen, - auch "Alt-

bukhara" genannt - , die ursprüngliche Residenzstadt der Herrscher dieser

Region, deren Gründung dem mythischen Afräsiyäb zugeschrieben wird (26).

Es gibt somit keine Ausflucht vor der notwendigen Identifikation von KharmTtan

mit RämTtan, das auch in vielen anderen Namensformen, z.B. RiyämTtan (27),

begegnet. (Siehe Kartenskizze 2).

Noch zu Zeiten der Samaniden ist RämTtan die Winterresidenz geblieben, in

der die Herrscher von Bukhara mit ihrem Gefolge allenthalben Hof hielten (28).

Wenn wir also einen annähernden Vergleich für die Position von Avicennas Va¬

ter anstellen wollen: Er war der Stadtkommandant und Garnisonskommandeur

von Potsdam unter Wilhelm II.

Aber noch eines sei beachtet: Es wird berichtet, daß RämTtan einen budd¬

histischen Tempel hatte, während jenseits des Kanals im Orte Rämusch das

Zentrum des Feuerkultes lag (29). Die Tatsache nun, daß Avicennas Vater

aus dem noch in islamischer Zeit als Hochburg des Buddhismus geltenden Balkh

an eine in hohem Grade aus buddhistischen Traditionen gewachsene Residenz,

als Hausmajor berufen wurde, macht die Frage unausweichlich, ob diese Be¬

rufung nicht mit buddhistischen Traditionen in der Familie Avicennas wie auch

der Samaniden selbst zu tun hatte.

Von dem Teheraner Professor MuhTt Tabätabä'i ist in die Debatte geworfen

worden (30), daß das Wort STnä im Avesta soviel wie "Gelehrter" bedeute und

daß in der Gegend, aus der Avicennas Familie stammte, in der vorislamischen

Zeit einige Gelehrte diesen Namen trugen (31). Tatsächlich scheinen mir die

einschlägigen Wörterbücher diese These zu bestätigen (32). Auch berichtet

Annemarie von Gabain in ihrer Darstellung des Buddhismus in Zentralasien

(6)
(7)

von einem Inder namens Buddhasena, der in Khotan im 5. Jahrhundert A.D.

das Mahayana lehrte (33). Es ist somit nicht auszuschließen, ja es liegt sehr

nahe, daß der Hauptname Avicennas (34), - der ihm ja offenbar als Laqab,

als Spitzname, beigelegt war - , den islamisierten zentralasiatischen Zeit¬

genossen noch sehr sinnvoll und spaßhaft in der Bedeutung "Sohn des Buddha¬

lehrers" geläufig war, ganz in Entsprechung zu den in dieser Zeit anzutref¬

fenden Namen wie al-Magüsi "der Magier", al-Maubad "der Mobede", al- MasihT "der Christ", al-Isra'Ili "der Jude".

Aber werfen wir noch einen Blick auf die Tradition der Samaniden, die ja,

- dies sei vorweggesagt - , den Südosten ihres Reiches vom buddhistischer

Tradition reichen Bämiyän aus regieren ließen, was Mahmud von Ghazna nach

den Samaniden eilends abstellte, indem er das überwiegend hinduistische Ghaz¬

na zur Residenzstadt machte (35).

Die Dynastie der Samaniden erscheint zum ersten Male im hellen Licht histo¬

rischer Berichterstattung mit jenem Sämänkhudä, Herrn von Sämän, der von

seinen eigenen Untertanen des Landes vertrieben hilfeheischend zum umayya¬

dischen Statthalter Asad b. Abdallah nach Merv kommt, der ihn, diese Situa¬

tion politisch ausnützend, tatsächlich wieder in seine Herrschaft einsetzt (36),

wobei die Historiker diffuser Weise von Balkh als dem Sitz dieser Herrschaft

reden, obschon dieser Samanide sich doch Sämänkhudä und nicht Balkhkhudä

nennt .

Auch dieser angeblich und höchstwahrscheinlich mit einer Burg versehe¬

ne (37) Ort Sämän ist bis auf den heutigen Tag nicht identifiziert worden. Aber

es ist im höchsten Grade unwahrscheinlich, daß sich dieses auf die sassani¬

dischen Großkönige zurückführende Herrschergeschlecht (38) der Samaniden

auf eine Ortschaft mit Ritterburg zurückführt, die wegen ihrer Unbedeutend¬

heit keinerlei Spuren in der Geographie hinterlassen hat. ^

Diese Uberlieferung über Sämän als einen obskuren Ort in der Nähfe^'von

Balkh, auf die man sich in allen modernen einschlägigen Werken verläßt, ist

aber auch nicht die einzige und älteste Uberlieferung über die Lage von Sämän.

So heißt es unter anderen (39) bei dem jüngeren Zeitgenossen Avicennas, dem

sehr vertrauenswürdigen Geographen al-Muqaddasi über die Samaniden, "sie

stammen von einem Ort in der Umgebung von Samarqand, den man Sämän

nennt" (40).

Blicken wir auf die Kartenskizze 3, so sehen wir in etwa gleicher Entfer¬

nung von Samarqand wie von Balkh die alte Königsstadt Sümän oder, - wie aus

chinesischen Quellen ersichtlich (41) - , Sümän. Auch die Könige von Sümän

führten sich auf die Großkönige der Sassaniden zurück (42). Und die Bevöl¬

kerung von Sümän hatte, so berichtet Abulfida ausdrücklich (43), den Ruf,

gegen seine eigene Herrschaft aufsässig zu sein! Man erinnere den eingangs

erwähnten Sämänkhudä, der sich von den Arabern wieder in seine Herrschaft

installieren ließ! Und andererseits berichten die Quellen einstimmig, daß die

vier Enkel des reinstallierten Sämänkhudä endlich insbesondere dadurch die

Begründer des samanidischen Großreichs wurden, weil sie bei Gelegenheit

der um 807 A.D. von Räfi" b. Layt geführten höchst gefährlich um sich grei¬

fenden Rebellion in Samarqand vom Kalifen Ma'mün dafür gewonnen wurden,

diese Rebellion niederschlagen zu helfen, - für welche Hilfe sie dann durch

die Belehnung mit Samarqand und Bukhara belohnt wurden (44). Spielt hier

nicht die strategische Lage von Sümän eine entscheidende Rolle ? Mindestens

einmal noch geht Jahrhunderte später ein Eroberungszug, - eines Timuriden - ,

von Sümän aus nach Nordwesten bis Bukhara (45).

(8)

Kartenskizze 3: Winterwege zwischen Sümän und Samarqand

(9)

Auch Sümän ist nach dem Zeugnis al-Muqaddasis wie Kharmitan eine der seltenen "Mütter der Örter" (46), denn es ist tatsächlich die alte Köngisstadt

der Tocharer mit, - zur Zeit Avicennas - , mehr als tausendjähriger Tradi¬

tion. Sümän ist somit eines der ältesten Zentren des im Prinzip buddhistischen

Kuschanreiches (47), - dessen Grenzen im wesentlichen ja etwa die des Sa-

manidenreiches waren - , und es drängt sich so auf, daB sich von diesem Na¬

men Sümän die zu Zeiten Avicennas übliche Bezeichnung des Buddhismus als

Sumaniyya ableitet (48).

Aus sehr verständlichen Gründen können die Samaniden nicht das geringste

Interesse daran gehabt haben, daß ihr Name allenthalben mit diesem Ort Sü¬

män in Verbindung gebracht wurde, der doch ein antiislamisches religiöses

Bekenntnis bedeutete, - wie andererseits überhaupt diese ganze Zeit ostirani¬

scher Renaissance unter dem Islam sich ängstlich über den Buddhismus aus¬

schweigt (49). Nur der letzte Sinä der Samaniden hat auch nach dem Unter-

gsinge der Samaniden nicht an sich halten wollen oder können: Avicenna hat,

- dies ist der Hauptvorwurf der islamischen Orthodoxie gegen ihn und seine

Philosophie gewesen - , nicht an die Notwendigkeit der Prophetie zur Ver¬

mittlung von Offenbarung geglaubt (50). Genau dieser Glaube ist ein Haupt¬

lehrsatz der Sumaniyya gewesen (51).

Facit: Avicenna hat dem epochalen Umbruch seiner Lebenszeit Rechnung tra¬

gen müssen und hat deshalb mit Rücksicht auf seine persönliche Zukunft in sei¬

ner Autobiographie wesentliche Tatsachen seines Lebensweges verschleiert,

ja höchstwahrscheinlich sogar nachträglich seine Vergangenheit durch falsche

Tatsachendarstellung kosmetisch korrigiert. Denn tatsächlich hat er, wie

schon Rudolf Sellheim anmerkte (52), den Samanidensultan Nüh b. Mansür

praktisch auf dem Totenbett behandelt, und leitet dennoch von seiner angeb¬

lich aufsehenerregend erfolgreichen Behandlung des Fürsten die Erlaubnis

für seine Benutzung der Samanidenbibliothek her. Eine solche Begründung

hatte er sicher als Sohn eines so hohen Beamten des Herrscherhauses gar

nicht nötig. Man darf hier erinnern, daß er ja nach autobiographischer Aus¬

sage auch Bukhara in der Tracht eines Juristen verlassen hat. Wenn man hin¬

zunimmt, daß Avicenna sich später, nachdem seine wirresten Fluchtjahre vor¬

über waren, wieder zum Premierministeramte hingezogen fühlte, so darf man

folgern, daß seine Neigungen und Fähigkeiten zum Arztberuf nach seiner ei¬

genen Einschätzung nicht die sein Leben bestimmenden waren, daß seine Aus¬

flüge in die Arztpraxis eine Folge meincher seiner notvollen Lebenslagen waren.

Es ist schon einderer Seite eine Diskrepanz zwischen seinem medizinischen

und philosophischen Werk aufgefallen (53). Zudem aber wird von Ibn Abi Usa-

ibi"a in der Darstellung des Wirkens von Abu Sahl al-Masihi erwähnt, deiß

man davon sprach, Avicenna habe Bücher des hochberühmten Arztes Abu Sahl

redigiert und unter seinem Namen veröffentlicht (54). Tatsächlich legen die

Umstände seines Lebens nahe, daß Avicenna seinen unglücklichen Fluchtge¬

nossen Abu Sahl wenigstens teilweise beerbte. Denn wenn nun die Chronologie

seines Lebens durch die von ihm verschleierte aber unverkennbare Verbin¬

dung mit dem Samaniden al-Muntasir festgelegt ist, muß man sich fragen,

wann und bei wem Avicenna denn eigentlich Medizin studiert hat. Seinen Leh¬

rer im Recht, Ismaili az-Zähid (55), nennt er gemäß der seiner Zeit üblichen

Ehrfurcht und Verehrung, die man jedem Lehrer gegenüber aus religiös fun¬

dierter Tradition pflichtschuldigst hegt. Einen Lehrer in der Medizin nennt

Avicenna nirgends, so daß man mit ziemlichem Recht folgern kann, daß er

auch nie einen persönlichen Lehrer in der Medizin gehabt hat.

(10)

505

Wie dem allem auch sei: Die Autobiographie Avicennas kann in Anbetracht

des tiefgreifenden Umbruchs, in den sein Leben fiel, nicht anders gelesen wer¬

den denn beispielsweise als eine Autobiographie eines unter Hitler emphatisch

nationalsozialistischen Gelehrten, der nach dem Untergang dieses tausendjäh¬

rigen Faschistenreiches über seine Vergangenheit schriftlich Rechenschaft

ablegt, - wobei dieser Vergleich nur deshalb grundlegend falsch ist, weil Avi¬

cenna den geistigen Traditionen einer tatsächlich tausendjährigen Kulturepo¬

che (56) zu dienen gesucht hatte gegen den Einbruch der Barbaren Turans, der

von der Orthodoxie des Abbasidenreiches nach Kräften begünstigt wurde.

Anmerkungen

V _ V -

1. Die Autobiographie Avicennas hat sein Schüler al-Guzganl offenbar nach

Diktat in der Ich-Form aufgezeichnet. Sie erstreckt sich lediglich auf die

erste Hälfte des Lebens Avicennas, nämlich bis zu seinem Zusammentref¬

fen mit diesem seinem Schüler in Gurgän etwa im Jahre 402 d.H./l012 A.D.

Die zweite Hälfte seines Lebens hat sein Schüler als Biographie in Schilde¬

rung der dritten Person fortgeführt.

Uberliefert ist diese Biographie von Zähiraddm Abülhasan 'AIT b. Abül¬

qäsim Zaid al-BaihaqT, geb. 499/1105, gest. 565/1169. Dieser Text al-

BaihaqTs liegt in zwei modernen Editionen vor. Zur 1. Edition siehe Ru¬

dolf Sellheim, Oriens 11 (1958), S. 233, -8. Die im folgenden hier zi¬

tierte 2. Edition: ZähiraddTn al-BaihaqT, Ta'rTh hukamä' al-Isläm, ed.

Muhammad Kurd ^AIT, Damaskus 1365/1946.

al-BaihaqT hat auch den 1. autobiographischen Teil der Biographie in die

dritte Person umgesetzt. Sein Text lehnt sich jedoch so eng an die Auto¬

biographie Avicennas im Diktate al-GüzagänTs an, daß ihm zweifelsfrei

die autobiographische Fassung vorgelegen haben muß, die uns erst in ei¬

ner um ein Jahrhundert älteren Fassung bekannt geworden ist, und zwar

in folgenden nur unwesentlich differierenden Redaktionen:

1) von Ibn al-QiftT, geb 568/1172, gest. 646/1248, in seiner Ärztege¬

schichte: Ta'rTh al-Hukamä', ed. J. Lippert, Leipzig 1903, S. 413-426.

2) von Ibn AbT Usaibi"a, geb 600/1203, gest. 668/1270, in seiner Ärzte¬

geschichte: "Uyün al-anbä' fi tabaqät al-atibbä', ed. August Müller,

Königsberg 1884.

Eine Ubersetzung dieser letzteren Fassung der Biographie Avicennas lie¬

ferte Paul Kraus in: Klinische Wochenschrift 11 (1932), S. 1880-1884.

2. Der Todestag Avicennas ist nach al-BaihaqT, a.a.O. (s. Anm. l), S. 70,

- also nach der ältesten und besonders deshalb besten Quelle, als al-Bai¬

haqT im Gegensatz zu lÄU und IQ aus der Heimat Avicennas stammte und

zeitlebens in ihrem Bereich blieb - , der 1. Gum"a im Ramadän 428 d.H.

= Freitag, der 24. Juni 1037.

3. Betreffs dieser verschiedenen Uberlieferungen siehe Rudolf Sellheim, Oriens

11 (2958), S. 233 f. Die Angabe von 48 Lebensjahren, welche R. Sellheim

überhaupt, - weil völlig unsinnig - , nicht berührt, findet sich bei Bar He-

bräus, im TafrTh muhtasar ad-Duwal. In augenblicklicher Ermanglung ei¬

nes arabischen Textes verweise ich hier auf "des Gregorius Abulfaradsch

kurze Geschichte der Dynastien, aus dem Arab, übersetzt .. . von M.G.L.

Bauer, 2. Band, Leipzig 1785, S. 107.

4. Eigentlich sollte grundsätzlich die Annahme, daß in der ostiranischen Re¬

naissance des 9. und 10. Jahrhunderts A.D. Lebensjahre nach Sonnen-

(11)

jähren berechnet wurden, den Vorzug haben, der gegenteiligen Annahme

die Beweislast zufallen. Sogar das berühmte Grabmal des Fürsten Qäbüs

b. Wuschmgir, der Gumbad-i-Qäbüs bei Gurgan, trägt eine Bauinschrift

mit Angabe des Sonnenjahrdatums nach der Higra, wenn auch neben dem

Datum in Mondjahren nach der Higra; siehe dazu C.E. Yate, Khurasan

and Sistan, Edinburgh and London 1900, S. 241.

5. siehe August Müller, Der Islam in Morgen- und Abendland, (Allgemeine

Gesch. in Einzeldarstellungen, ed. W. Oncken, 11, 4), 2. Band, S. 47

mit Anm. 1.

6. Eduard Sachau (Hg. ), Chronologie Orientalischer Völker, Leipzig 1878,

S. XXVIII f deckt schon klar die Widersprüche der geltenden Chronologie

für Avicennas Autobiographie auf der Grundlage von 58 Mondjahren auf.

Er selbst neigt jedoch zu einer Lösung des Problems auf der Grundlage

der Uberlieferung von 53. Lebensjahren, was aber wieder andere Diskre¬

panzen produziert.

7. Rudolf Sellheim hat 1958 im Rahmen einer Rezension der Bibliographie

der Werke Avicennas von Osman Ergin das Problem der Chronologie der

Avicenna-Autobiographie aufgegriffen und versucht, es einer Lösung nä¬

her zu bringen. Manfred Ullmann hat recht, wenn er diesen Versuch Ru¬

dolf Sellheims jüngst (in: Der Islam 52 (1975), S. 149, 16f) aus aller

sonstigen neueren Avicenna-Literatur als "besonders wichtig" hervorhebt,

denn dieser Versuch ist (in: Oriens 11 (1958), S. 231-239) überhaupt der

einzige Versuch, das Problem der Chronologie der Autobiographie Avi¬

cennas nicht nur zu konstatieren, sondern gleich eine Reihe von Gedanken¬

gängen für eine Lösung des Problems zur Diskussion zu stellen. Hier ge¬

nügt es, zu erwähnen, daß Rudolf Sellheim dem Lösungsversuch des Pro¬

blems auf der Grundlage des überlieferten Datums von 63 Jahren Lebens¬

länge besonders großen Raum gab. Aber die für dieses Datum dann unab¬

dingbare Änderung der eingangs der Autobiographie gegebenen Namens¬

angabe des Sultans NOh b. Mansür in Mansür b. Nüh, - was dann der Va¬

ter des ersten wäre, - erschien ihm schließlich selbst so wenig begründet,

daß er als Ausklang seiner Erwägung 7 Fragen, - insbesondere nach den

Lebensdaten historisch weniger bedeutender Zeitgenossen Avicennas - ,

formulierte, deren klare Beantwortung er für die Lösung des Chronologie-

Problems zur conditio sine qua non machte. Die geringe Hoffnung, daß

man aus dem Fragen nach punktuellen Daten von Einzelpersonen geringer¬

er historischer Wichtigkeit als der Avicennas einen Festpunkt für die Ein¬

bindung der Autobiographie Avicennas in die Zeitgeschichte würde gewin¬

nen können, hat mich zu der generellen Fragestellung an Rudolf Sellheims

7 Fragen vorbei nach den Umständen und Motiven seiner Flucht geführt.

Nichtsdestotrotz waren die 7 Fragen Rudolf Sellheims Anstoß für die hier

dargelegten Forschungsergebnisse .

8. So gleichlautend bei Ibn al-QiftT, a.a.O. S. 417 ff, und Ibn AbT Usaibi°a,

a.a.O. II, S. 4, -12 ff. al-BaihaqT, a.a.O. S. 58, 2 ff. u. 7 ff. jedoch

in Abwandlung zur Rede in 3. Person.

9. NizämT-i-"ArüdT-i-SamarqandT, The Cehär Maqäle ("Four Discourses"),

ed. by M. QazwTm, revised by M. Mo"Tn, Teheran 1955-57, 4. Maqäle,

5. Erzählung, S. 118-123.

Ubersetzung: Revised Translation of the Chahär Maqäla ("Four Discourses")

ofNizami-i-Arudiof Samarqandi by Edward G. Browne, London 1921, Anecdote

XXXVI, S. 85-90.

(12)

507

10. Zu Abü Sahl al-MasIhi siehe C. Brockelmann, GAL, GI238, S. 1 423; Fu".

äd Sezgin, GAS III, S. 236 f; Manfred Ullmann, Die Medizin im Islam,

HB der Orientalistik, 1. Abtlg. Ergänzungsband VI, 1. Abschnitt, Lei¬

den/Köln 1970, S. 151. Alle diese Kompendien geben als Todesdatum von

Abu Sahl das Jahr 401/1011 in ausdrücklicher Anlehnung an die Fluchtge¬

schichte der Öehär Maqäle, obschon seit dem Erscheinen von Wilhelm

Bartholds "Turkestan down to the Mongol Invasion" (1928 Ubersetzung

ins Englische) unverrückbar feststeht, daß die Fluchtgeschichte von

Nizäml in völlig unhistorischer Kombination unvereinbarer Ereignisse

komponiert wurde. So hat denn auch Fida 'Ali Khan auf der AU-lndia-

Conference 1930 ein Referat mit dem Titel gehalten: The Persecution of

Avicenna by SuItan-i-Mahmud: a Myth (s. Proc. 5 th All-India-Conf. ,

2 (1930), pp. 1227-1240).

Höchst bedeutsam ist bei dieser Sachlage, daß der große Ferdinand Wü¬

stenfeld in seiner ' Geschichte der Arabischen Ärzte und Naturforscher' ,

Göttingen 1840, S. 59 feststellt: "Nr. 118. Abu Sahl , ein ausgezeich¬

neter Arzt ... Lehrer des Ibn Sinä, ... starb ums Jahr 390 (lOOO) in

einem Alter von 40 Jahren." Dies berichtet er mit Verweis auf Ibn Abi

Usaibi'a. Diese Angabe stimmt bestens zu der durch die Zusammenhän¬

ge mit dem Samanidenprinzen al-Muntasir justierten Chronologie. Die von

August Müller 1884 edierte Textfassung des Ibn Abi Usaibi'a bietet jedoch

ein solches Datum 390 (lOOO) nicht. Ich sehe mich vorerst nicht in der

Lage, der Frage nachzugehen, aus welcher Quelle oder abweichenden

Handschrift diese im höchsten Grade interessante Datumsangabe stammt.

11. siehe Anm. 9

12. siehe dazu auch die Meinung von Syed Hasan Barani, Ibn Sina and Alberuni,

in: Avicenna Commemoration Volume, Calcutta 1956, S. 4, - 16 ff. mit

Anm. 12. Demnach war Avicenna also nachweislich schon 402 in Gurgän

beim Fürsten Qäbüs, womit die Darstellung Nizämi "Arüdis hinsicht¬

lich der Fluchtgeschichte an und für sich als sehr glaubwürdig erscheint.

13. Diese Reiseroute bieten alle drei Hauptquellen IQ, a.a.O. 417 ff, lAU,

II, 4, 24fundB, 58, 7 ff, letzterer in der Umwandlung zum Bericht in 3.

Person.

14. So heißt es bei lAU und IQ im Anschluß an die Aufzählung der Reiseroute:

"Und ich hatte zum Emir Qäbüs gehen wollen, aber während all dem fügte

es sich so, daß er gefangen und festgesetzt worden war ... ". Uber den

Grund seiner Reise von Nisa nach Abiward, - also in der genau entgegen¬

gesetzten Richtung, weg von Qäbüs nach Abiward - , schweigt er sich

aus.

15. siehe Anm. 9.

16. Vom oben in Anm. 2 gemäß al-Baihaqi unterstellten Todestag, dem 24.

Juni 1037 58 Sonnenjahre zurück, - al-Baihaqi gab zwar dieses Datum

von 58 Sonnenjahren, errechnete aber 58 Mondjahre, weil er keine Ver¬

gleichstabellen zur Verfügung hatte - , ergibt das Datum 24.6.979 A.D.

= 25.11.368 d.H. Die vertrauenswürdige weil ostiranische Quelle ^wän-

damir, Dastür al-wuzarä', ed. Sa"id Nafisi, Teheran 1317/1938, S.

133, -3, (siehe dazu R. Sellheim, Oriens 11, S. 234) berichtet uns von

63 Sonnenjahren und sieben Monaten als Lebenslänge Avicennas. Diese

Monatsangabe kann durchaus einer unverfälschten Tradition entstammen.

Jedenfalls sollte man am besten das Lebensalter Avicennas nicht mit ge-

(13)

nau 58 Sonnenjahren ansetzen, - so daJ3 er an seinem Geburtstag gestor¬

ben wäre. Wir setzen daher 58 l/2 Jahre an und kommen so zu dem Da¬

tum: Ende 978 A.D. = Mitte 368 H.

17. Die eben islamisierten türkischen Qara-Khaniden, welche die Samani¬

dendynastie stürzten, residierten in Uzgand, welches im Quellgebiet

des Yaxartes liegt, wohin auch die Mitglieder des samanidischen Herr¬

scherhauses deportiert wurden.

18. Uber die Münzprägung al-Muntasirs siehe Wilhelm Barthold, Turkestan

down to the Mongol Invasion, Gibb Memorial N.S. V, Second Ed., Lon¬

don 1958, S. 269 Anm. 3.

19. Im gegebenen Rahmen genügt es, wenn wir uns im wesentlichen auf Wil¬

helm Barthold, Turkestan down to^, und auf Edward G. Browne, Abridged

Translation of the History of Tabaristän by M. b. al-Hasan b. Isfandiyär,

Gibb Memorial Vol. 11, London 1905, stützen. Es bleibt aber eine dringen¬

de und lohnende Aufgabe, die Geschichte des Prinzen al-Muntasir nach

allen erreichbaren Quellen zu präzisieren.

20. W. Barthold, a.a.O., S. 269. Dieses Ereignis fällt nach Ibn al-Athir,

al-Kämil fi t-ta'rih, Ed.Kairo 1348, Bd. 7, S. 204 f. in das Jahr 390/

1000.

21. W. Barthold, a.a.O., S. 270, verlegt nach Utbi-Maninl dies Ereignis der

Vertreibung ins Jahr 394/1004. Ibn al-AthTr aber, der gerade für die ost¬

iranischen Geschehnisse ein verläßlicher Uberlieferer ist, legt a.a.O.

(Anm. 20) diese Vertreibung in das Jahr 392/1002, was im Verhältnis

zu den vielen noch folgenden Aktivitäten al-Muntasirs plausibler erscheint.

22. Edward G. Browne, History of Tabaristen (s. Anm. 19), S. 227 f.

23. Paul Kraus in: Klinische Wochenschrift 11 (1932), S. 1881a, 12f.

24. Rudolf Sellheim interpretiert diese Angabe "Staatsbeamter in Xarmait.an,

einer Domäne bei Bukhara" (Oriens 11, S. 235, 14).

25. siehe Sure 6,92 und 42,7.

26. W. Barthold, Turkistan down to2, S. 114 unter (5) und S. 116 unter (l6);

Josef Markwart, Wehrot und Arang, Leiden 1938, S. 139 f mit Anm. 4.

27. Josef Markwart, a.a.O., S. 139 Anm. 4 bietet eine Fülle von typischen

arabischen Verschreibungen des Namens. Bei TabarT weist er allein 9

Varianten, z.T. mit völliger Deformation, auf. Ich danke hier Herrn

Prof. Ilya Gershevitch, Cambridge, herzlich, der so freundlich war,

mir seine Meinung über den möglichen sprachgeschichtlichen Zusammen¬

hang zwischen den Namensformen RämTtan und HarmTtan brieflich mit¬

zuteilen, die ich hier in extenso wiedergebe:

"To reconcile r'-myön with xrmyQn I should postulate an early Middle

Sogdian from *raxme9an. From it, seeing that the Sogdian language was

notoriously prone to metathesis, a variant xarmeOan would develop al¬

most predictably. As to the main form * raxme6an, this could in Ar.-

Pers. pronunciation develop successively to * rahme0an and rämeQan.

thinking of the parallel with the proper name Vistahm (<Vistaxma-/

Vistaxma), beside which Vstam is attested in Armenian and Bistäm in

Arabic, see Hübschmann, Persische Studien 251. To these forms one

may add from Sogdian itself wyst m , datable iri the time of the Arab

conquest of Sogdiane, see Central Asiatic Journal, VII, 1962, 88 n. 30.

An Olran. * Raxa-maieana- . "the Raxa -Dwelling(-place )", would

contain a toponym differing only in stem-formation from the name of the

(14)

509

town Raxä in Persis, mentioned in the Behistun inscription. Identical or

near identical toponyms are frequently found in quite different Iranian

provinces, especially if they derive from some natural feature. Etymolog¬

ically Olran. raxä - might be from Proto-lran. * hraka -. with x replac¬

ing k by assimilation to the initial h^ {I collected a number of comparable

instances apud C.E. Bosworth (ed. ), Iran and Islam, pp. 286 sq. (n. 24)).

* hraka - would belong to the base of Ved. sraJt-ti "corner, edge", srak-va

"corner of the mouth". The Olran. cognate * raxva - of the latter is re¬

presented by Armen, er ax "mouth, muzzle" and Pers. rux "face, cheek".

See Bartholomae, Zum altiranischen Wörterbuch 48. Theoretically, there¬

fore, Olran. * raxa - and * raxva - could have given rise to toponyms in¬

spired by rugged mountain edges, river bends, mouths of valleys, etc.

I suspect a namesake, or else a close relative, of RämeQan/XarmeOan

in the name of the village Urmitan of the Falghar district which Junker

quoted from Sobolev in Abh. d. Sachs. Ak. d. Wiss. XLI, Nr. II, 1930,

47. Seeing that in Sogdian a sporadically became u in the vicinity of X

(see my Grammar of Manichean Sogdian, p. 15, para. 113 (IV)), the

existence of a variant * ruxmeQan of *raxmeOan would not be surprising.

Alternatively, instead of from * raxa -, one might in this case start from

the above-mentioned * raxva -, of which * rux would be an expected outcome

in Sogdian. Once * ruxmeQan had become *ruhmeOan, the h of the latter

could have been lost in Persian pronunciation without compensatory length¬

ening of u, as happened in the case of Pers. mardum (Manichean Middle

Persian mrdwhm ) . The derivation of Urmitan from * ruxmeOan via *uru-

meOan would agree with the Yaghnobi outcome uxs of Sogdian xusu/uxusu

"six" (see V.A. Livshitz apud M.S. Andreyev sind E.M. Peshchereva,

Yagnobskiye Teksty 342).

As you see, I am operating exclusively with Sogdian and Persian means,

since RameOan/XarmeOan lies in Sogdian territory overrun by Persians.

Your own suggestion would seem to me justifiable only if the town were

a non-Sogdian, preferably Middle Median foundation (cf. Henning, Hdb.

der Orientalistik IV/l, 49 n. 2 (last line)). In that case * hrämeOan

would make good sense as representing Olran. * frä-mai6ana -. A primary

initial hrä - is impossible in Sogdian, in fact in any Iranian languages

(except, as you saw above, at the Proto-Irsmian stage). What the Sog-

dians would have done to a secondary, or borrowed, *hra- I cannot tell,

as I can think of no example. They would presumably straightway have

prefixed a prothetic vowel, * ehrameQan , making your life difficult in

respect of both RämeQan and XarmeQan . The Persians, to judge from

hiras (from Olran. ©rasa- ), might have said * hirämeQan for * hrämeOan ;

and *hrameOan they would presumably have metathesized to * harmeQan.

With regard to Pers. xargäh its gäh is not original, as shown precisely

by Sogdian, see Henning, BSOAS, XI, 1946, 726 (on 124). It can there¬

fore neither have influenced, nor have been influenced by, Sogd. meOan " .

28. Siehe Richard N. Frye, The History of Bukhara, transi. from a Persian

Abridgment of the Arabic Original by Narshakhi, Massachusetts 1954,

S. 16.

29. Siehe W. Barthold, Turkestan down to2, S. 116 unter (16) mit Verweis

auf M. Nerchakhy, Description de Boukhara, publ. par Charles Schefer,

Paris 1892, S. 6.

(15)

V V ^

30. MuhTt Tabätabä'T, Gustegü dar lafze STnä, Gasnäme-i-lbn STnä, Bd. 2,

Teheran 1955, S. 291-299. Herrn Dr. Mir Hamid Madani, Erlangen, dan¬

ke ich an dieser Stelle herzlich für die Beschaffung einer Photokopie

dieser Abhandlung aus Teheran.

31. M. Tabätabä'i, a.a.O., S. 295 f; siehe auch Bahram Tayefeh-Mahmoudi,

Der persische Arzt und Philosoph Avicenna, Dissertation Düsseldorf 1964,

S. 59, der sich auf M. Tabätabä'T beruft.

32. Ferdinand Justi, Iranisches Namenbuch, Marburg 1895, S. 279; Christian

Bartholomae, Altiranisches Wörterbuch, Straßburg 1904, Sp. 1548; M.

Monier-Williams, A Sanskrit-English Dictionary, Oxford 1899, S. 1246.

Für freundliche Auskünfte in diesen Fragen danke ich Herrn Dr. Gert

Klingenschmidt, Erlangen.

33. Annemarie von Gabain, Der Buddhismus in Zentralasien, Hdb. der Orien¬

talistik, 1. Abtlg. 8. Bd. 2. Abschnitt, Leiden-Köln 1961. S. 505, -7f.

34. Der Name Avicennas insgesamt lautete: Abü "AIT al-Husain b. "Abdalläh b. STnä.

35. Siehe dazu J. Marquart, Eränsahr, Abhdlgg d. Kgl. Ges. d.W. zu Göt¬

tingen, Phil.-Hist. Kl., N.F. III, Nr. 2, S. 297 uit. ff. u. S. 298. -7ff.

36. Siehe Richard N. Frye, History of Bukhara, S. 59; W. Barthold, Tur¬

kestan down to2, S. 209.

37. Siehe z.B. B. Spuler, Iran in früh-islamischer Zeit, Wiesbaden 1952,

S. 76.

38. S.Z.B. R.N. Frye, History of Bukhara, S. 59 mit Anm. 217. Die Zurück¬

führung auf Bahräm Cöbin halte ich für eine für die Bahram-Epen gelten¬

de Verwirrung. al-Muqaddasi hat mit der allen Umständen nach richtigen

Nachricht von Sämän als einem Ort bei Samarqand (siehe hier Anm. 40)

auch die m.E. richtige Zurückführung auf Bahräm Gör. Auf diese Prob¬

lematik einzugehen, würde zu weit führen.

39. Siehe zu weiteren Überlieferungen: an-Narsahl, Ta'rTh Bukhärä, pers.

Ubersetzung von Nasr al-QabäwT, kommentiert von Budrus RidawT, Te¬

heran 1351/1972, S. 263, Iff. Hier ist die auch angeführte Überlieferung,

Sämän habe in der Nähe von Tirmidh gelegen, höchst interessant, ebenso in¬

teressant wie der Hinweis, daß die (oder eine?) Überlieferung, Sämän

liege bei Balkh, aus der "Geschichte Ferghänas" stammt! Natürlich liegt

von Ferghäna aus gesehen Sümän in Richtung Balkh!

40. al-Muqaddasl/MaqdisT, Ahsan at-taqäsTm fT ma"rifat al-aqälTm, ed. de

Goeje, (Bibliotheca Geographorum Araborum III), Leiden 1877, S. 338, 10.

41. Auf diese chinesische Namensform Su-man verweist schon W. Barthold,

a.a.O., S. 75, -8. Für freundlichen Rat in sinologischen Fragen danke

ich herzlich Frau Dr. Käthe Finsterbusch, München.

42. Siehe dazu J. Marquart, Eränsahr, S. 226 mit Verweis auf Tabari II,

1180, 8 und 1227, 15. Die von Marquart dort auch gegebene Nachricht,

daß der König von Sümän vom Türkenstamme Hi-su (in chinesischer No¬

menklatur! ) sei, hat nichts Erstaunliches an sich, wenn man dazu stellt,

daß die Hi-su wahrscheinlich mit den Ghuzz gleichzusetzen sind, welche

obendrein höchstwahrscheinlich Christen waren. Siehe dazu Wilhelm

Barthold, Zur Geschichte des Christentums in' Mittelasien bis zur Mon¬

golischen Eroberung, deutsche Übersetzung von R. Stühe, Tübingen und

Leipzig 1901, S. 17 Anm. 3 und S. 42.

Die Ghuzz boten die Hauptunterstützung für al-Muntasirs Rückeroberungs-

(16)

511

kämpf! Sollten hier zwischen den Samaniden und den Ghuzz alte Verwandt¬

schaftsbande bestanden haben?

43. Siehe Geographie d'Aboulfeda, publ. par J.T. Reinaud et M.G. de Slane,

Paris 1840, S. 504 f: wa fl ahlihä imtinä" "alä s-sultän.

44. Siehe Richard N. Frye, History of Bukhara, S. 76 mit Anm. 266, wo wei¬

tere Verweise.

45. Siehe Ulrich Haarmann, Staat und Religion in Transoxanien im frühen 16.

Jahrhundert, ZDMG 124 (1974), S. 334. Auf Anfrage teilte mir Ulrich

Haarmann mit, daß es sich doch, wie ihm von mir unterbreitet, um die

Burg von Sümän Hisär-i-Sädemän handelt, die der ganzen Region bis

hin zu den ins Zarafshan-Tal abfallenden Berghängen den heute gültigen

Namen Hissar-Gebiet, Hissar-Berge, eingebracht hat. Siehe le Strange,

The Lands of the Eastern Caliphate, S. 440.

46. Siehe al-MuqaddasT, a.a.O., (hier Anm. 40), S. 284. Diese Nachricht

kann nicht hoch genug eingeschätzt werden! Franz von Schwarz, Alexander

desGroßen Feldzüge in Turkestan, München 1893, S. 103 (vgl. auch S. 82f)

vermerkt übrigens, daß das Gebiet von Hissar (d.i. Sümän) auch "Ost-

bukhara" genannt wurde.

47. Siehe hierzu Alfred von Gutschmid, Geschichte Irans und seiner Nachbar¬

länder von Alexander d.Gr. bis zum Untergang der Arsaciden, Tübingen

1888, S. 61 f und S. 67. Sümän führte auch den Namen Wahsümän, d.h.

Sümän der Tocharer (wie Wehrot = Fluß der Tocharer). Siehe dazu E.

Sarkisyanz, Geschichte der orientalischen Völker Rußlands, München

1961, S. 167.

48. Die Ableitung des Namens Sumaniyya von dem Kultort Sumänät in Kat-

hiawar (südöstlich der Indus-Mündung) (siehe z.B. Lane, Arabic-English

Lexicon, s.v. sumaniyya; siehe auch Enzyklopädie des Islam^, s.v.

Sumänät) ist wenn nicht grundsätzlich fehlgehend so zumindest nur indi¬

rekt richtig, - wenn nämlich Sumänät in Kathiawar ein "New-Suman" war,

das jene Saken gründeten, die ca. 50 n. Chr. Kathiawar eroberten und

eine Saka-Dynastie gründeten, die um 390 A.D. zerstört wurde (siehe

dazu Ernst Benz, Indische Einflüsse auf die frühchristliche Theologie,

Akad.d. W.u. Lit". , geist. u. sozialw. Kl. Nr. 3, Mainz 1951, S. (30)

Anm. 2).

Das Wort Sumaniyya wird mit überwältigender Mehrheit von Sanskrit sra¬

mana "Mönch" abgeleitet. So schon Gustav Flügel, Mani, Leipzig 1862,

S. 385 Anm. 385; siehe auch Josef van Ess, Erkenntnislehre des Adüdad-

dm al-Ici, Wiesbaden 1966, S, 263 f; Olaf Hansen, Tocharisch-iranische

Beziehungen, ZDMG 94 (l940), S. 156; De Lacy O'Leary, How Greek

Science passad to the Arabs, 3 Aufl. London 1957, S. 125; John Brough,

Comments on Third-Century Shan-Shan, BSOAS 28 (1965), S. 606; Ernst

Herzfeld, The Persian Empire, ed. G. Walzer, Wiesbaden 1968, S. 332 f;

zu beachten ist besonders auch M. Eliade, Schamanismus und archaische

Ekstasetechnik, Zürich-Stuttgart o.J. (1954), S. 457 ff. wegen des ety¬

mologischen Zusammenhangs zum Wort 'Schamane'.

Zur Sumaniyya im Allgemeinen siehe auch D. Giramet, Buddha et les

Buddhistes dans Ia tradition musulmane, Journal Asiatique 257 (1969),

273-316, spez. S. 288-306.

Die schwankende Konsonantierung und Vokadisation zwischen samaniyya

und sumainiyya samt vielen anderen Varianten (siehe hierzu G. Flügel,

(17)

a.a.O. ) findet sich ebenso für unseren Ort Sümän, - welcher Name ja

nur unter arabistischem Systemzwang so vokalisiert ist und sicher eigent¬

lich in heimischer Aussprache Sömän/Sömän lautete, welches mit Sämän/

Sämän alternieren konnte. J. vanEss, a.a.O., S. 261 wundert sich über

die arabische Vokalisation sumaniyya, - es sollte nach griechischem Vor¬

bild doch samaniyya heißen! Alle diese Probleme werden erhellt, wenn

wir in äümän/Sümän (die Kürzung in sumaniyya erfolgt unter arabisti¬

schem Systemzwang, - wegen der Nisbenendung) den Traditionsort des

tocharischen Buddhismus sehen. Dieses Problem ist eines vertiefenden

Studiums würdig.

49. So meinte Eduard Sachau mit Recht, daß der Titel von al-Birunis 'India'

auf starke Präkaution des Verfassers, nicht mit den Inhalten dieses sei¬

nes wissenschaftlichen Buches identifiziert zu werden, deute (E. Sachau,

Alberunis India, 1. Bd. London 1910, S. IV. B.B. Lawrence, Sahrastäni

on Indian idol worship, Studia Islamica XXXVIII (1973), S. 63 Anm. 7

meint: "BirünT's failure to include a comprehensive study of Buddhism is baffling". Ich meine: keineswegs! Wenn Biruni eine katastrophale

Wendung in seiner Lebensführung vermeiden wollte, mußte er sich als

ein Mann aus buddhistischer Gelehrtentradition in erster Linie über diese

Tradition ausschweigen, um einer Denuntiation als Ketzer zu entgehen!

50. Avicennas Position ist am treffendsten durch die Uberlieferung beschrie¬

ben, der Prophet Muhammad habe sich in einer Vision dem Ibn Mugaizil

al-Magribi (15. Jhdt. A.D. ) offenbart und sich über Ibn STnä beklagt:

innahu yasilu ilä Iläh bi-gairi wäsitatT "siehe, er tritt zu Gott ohne meine

Vermittlung in Verbindung!" (siehe hierzu Daniel Haneberg, Ali Abülha¬

san Schaden, ZDMG 7 (1853), S. 21).

Ansonsten siehe Robert Caspar, Philosophie et Revelation selon Avicenne,

Revue de 1' Institut des belles lettres arabes 33 (l970), S. 103-121, spz.

S. 112 ff.

51. Siehe J. van Ess, Erkenntnislehre des al-IcT, S. 257, 4 ff; siehe auch

den Artikel 'barähima' von B. Carra de Vaux mit Verweis auf Schah-

rastäni. Sumaniyya und Barähim sind, wie auch J. van Ess referiert,

zu jener Zeit und schon früher auswechselbare Begriffe.

52. Siehe R. Sellheim, Oriens 11, S. 237, -10.

53. Siehe G.E. von Grunebaum, Kritik und Dichtkunst, Wiesbaden 1955, S.

70, Anm. 2.

54. Ibn Abi Usaibi"a, a.a.O. I, S. 328, 14-16.

55. Zu Isma^Tl az-Zähid siehe B. Tayefeh-Mahmoudi, Der persische Arzt

und Philosoph Avicenna, Diss. Düsseldorf 1964, S. 35.

Auch anläßlich dieses az-Zähid möchte ich auf den allenthalben buddhis¬

tischen, - einen erheblichen Synkretismus einkalkuliert - , Hintergrund

der Umwelt Avicennas hinweisen: In dem von T. Duka aus dem Ungari¬

schen wiedergegebenen Vortrag Goldzihers, The Infiuence of Buddhismus

upon Islam, JRAS 1904, S. 125-141, wird auf S. 128 f. daraufhinge¬

wiesen, daß zindiq der Begriff ist "applied generally to the heretics, especially to the class interested in Buddhist philosophy and literature.

The zuhd, renunciation of the world, is the characteristic Moslim

name attributed to the zindTqs."

56. Deshalb betrachte ich es als ein Sakrileg, Avicenna auf eine Abhängig¬

keit vom westlichen Neoplatonismus reduzieren zu wollen. Ammonios

(18)

513

Sakkas (Sakas), der Lehrer Plotins, hieß so, weil er aus Sakastän stamm¬

te! Siehe dazu Erich Seeberg, Ammonios Sakas, Zeitschrift f. Kirchen¬

geschichte LX (1941), S. 136-170 und Ernst Benz, Indische Einflüsse auf

die frühchristliche Theologie a.a.O., S. (32 f).

(19)

FROM TABRIZ TO QAZVIN TO ISFAHAN:

THREE PHASES OF SAFAVID HISTORY

Von Michel M. Mazzaoui, Beirut

From 1501 to 1722, a period of 222 years, the Safavid state of Iran had

three political capitals: Tabriz in the north during the reign of Shah Isma'il;

Qazvin in the middle during the reign of Shah Tahmasb; and finally Isfahan in

the south during the reign of Shah Abbas. This move from the north (or north¬

west, to be more precise) to the center of the country (although Yazd rather

than Isfahan can more correctly claim the geographical center of the Iranian

plateau) marks certain profound developments in the history of the Safavid

state, and seems to circumscribe three major phases through which this state

passed during its lifetime of more than two centuries.

These three stages of Safavid history may be described in the following

general terms: The Tabriz phase epitomizes the revolutionary- ghazi fervor

which was the basis for the establishment of the new dynasty under Shah Isma' il.

The Qazvin phase recognized the need for religious as well as political con¬

solidation of the new shi ' i Iran under Shah Tahmasb. The Isfahan phase crown¬

ed the efforts of the ruling Safavid dynasts in the splendor of the city's May-

dan-iShah, and Isfahan assumes its famous sobriquet "Ni§f-i Jahan", (by any

standard, one of the great squares of any contemporary capital city in the world)

as well as in the intellectual achievements of "High Islam" under such scholars

as Shaykh-i Baha' i and Mulla Muhammad Baqir Majlisi and the "Ishraqi philosophy

ical school" of Mulla Sadrä and Mir Dämäd.

This move from the ghazi frontiers of Tabriz in Azarbayjsin to the splendid

isolation of Isfahan in Iräq-i Ajam also spelled out the doomed end of the dynasty.

One is able to detect a straight and direct line from the youthful endeavors of

Shah Isma'il to the visionary infirmities of Shah Sultan Husayn; from the victory

over the Turkmans of eastern Anatolia at Shurür-i Nakhshivän in 1501 to the

final defeat and surrender of Isfahan to the Afghans in 1722.

Other peoples and other states in history moved their capital cities. The

Arabs transferred their capital centers from Madina to Kufah to Damascus

and finally to Baghdad. The Turks too moved their capital from Qonya to Es-

kishehir to Bursa to Edirne and finally to Istanbul. (The Russians from Moscow

to St. Petersburg and back to Moscow; and the Americans from Boston to

Philadelphia to Washington. The more modern Iranians also moved their capital

to Mashad under Nadir Shah, to Shiraz under the Zand dynasty, and finally to

Tehran under the Qajar and Pahlavi dynasties). There were always reasons for

this phenomenon, the most obvious of which is the geographically central locat¬

ion governing the final choice. Isfahan is also central for the Iranian plateau.

Nevertheless, in the case of the Safavids, one should look for other consider¬

ations and other forces at work that appear to have dictated these several

moves.

In this presentation two points will be discussed: One, when exactly did the

move from one capital to another take place? And secondly, what set of circum-

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