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(1)

Zur chinesischen

Kulturgeschichte des 3. und 4. Jahrhunderts

von Werner ElcUiorii, Bonn

Für die Kulturgeschichte des zwischen der Han- und

yow^r-Djoiastie liegenden Zeitabschnittes, der im allgemeinen

etwas vernachlässigt zu werden pflegte, ist das Shih-shm

hsin-yü (iö: 18; Ä ^) des Liu I-ch'ing eines der wichtigsten

Werke, zumal es zur Erzählungsliteratur (/J> ift) gehörig

jedenfalls nicht durch die Redaktion des die Geschichts¬

schreibung beherrschenden, konfuzianischen Gelehrtentums

gegangen ist.

Obgleich den Sinologen wohl bekannt, ist es doch bisher

noch nie zum Gegenstand einer ausführhcheren, speziellen

Betrachtung gemacht worden. Außer einigen längeren oder

kürzeren Notizen und seiner Zitierung in mehreren kultur¬

historischen Arbeiten*) ist mir in der europäischen Literatur

nichts weiter darüber vor Augen gekommen.

1) Vgl. z.B. A. Wylie: Notes on Chinese Literature (1922)

S. 189 und P. Pelliot: Manuscrits chinois au Japon (T'oung Pao.

Vol. XXIII Ser. II) S. 21. Die von letzterem genannte, von Lo Chen-

yü ausgeführte, teilweise Rekonstruktion einer 7" ong'-Handschrift hat mir nicht vorgelegen, das darüber Wesentliche scheint mir jedoch

auch in der Einleitung des Indexes des Harvard-Yenching Institute

gesagt zu sein. Der Wert der Fragmente für Textgeschichte und

Textkritik ist natürlich groß. Merkwürdigerweise gibt Pelliot die

Lebensdaten des 3!j fS^ fil ™it 401—444 an. Ich finde im Sung-ahu

51 S. 8 b und im Nan stUh 13 S. 4a die Angabe, daß der Prinz

Liu I-ch'ing im 21. Jahre der „Dynastie" ( ?) starb. Erstere Quelle

gibt dazu sein Alter an mit 42 Jahren. Nimmt man 420 als das erste

Jahr der „Dynastie" Liu-Sung an, so wäre er um 440 gestorben und

nach chinesischer Rechnung also 399 geboren. Im Li-tai ming-jen

sheng-tzu nien-piao finden sich allerdings unter dem Namen Liu

I-hsing (Slj tl| Ä) Daten 403—444, was ja ebenfalls nach chine¬

sischer Rechnung einer Lebendauer von 42 Jahren entspricht. Soll

daher das ^ im Texte nicht bedeuten „Dynastie", sondern ,, Hof¬

hai tung" (des Wen ti), dann treffen die Daten 403—444 genau zu.

Zitiert findet sich das Shih-shuo hsin-yü z. B. in K. Himly: Die Ab-

ZeltMhrift d. DUO. Bd. 91 (Neue Folge Bd. 16) 31

(2)

452 Webnbr Eichhokn, Zur chinesischen Kulturgeschichte

In der chinesischen Gelehrtenwelt hat es besonders wegen

der in seinem Kommentar enthaltenen, meist verlorenen

Buchtitel immer eine größere Rolle gespielt und die aus ihm

in dem modernen, chinesischen Wörterbuch Tz'e-yüan als

Beleg angeführten Stellen dürften eine stattliche Anzahl aus¬

machen. Neuerdings hat das Harvard-Yenching Institute als

Abschluß der vor mehreren Jahrhunderten bereits begonnenen

Indizierung der Namen und zitierten Werke einen Index an¬

fertigen lassen^).

In der nachfolgenden Arbeit möchte ich durch kurze Dar¬

legungen über Zeit, Textgeschichte und Inhalt das Shih-shuo

hsin-yü in den engeren Kreis unserer Forschung rücken und

zum intensiveren Studium desselben anregen. Eine vollstän¬

dige und ausführliche Übersetzung des Werkes allerdings

möchte ich nicht befürworten, da viele der angeführten Aus¬

sprüche wenig wichtig sind und das in ihm enthaltene, biogra¬

phische Material zu einem guten Teil in Werke wie das

Chung-kux) jen-ming ta tz'e-tien (1921) und Giles Biographical

Dictionary (1898) eingegangen ist. Da außerdem der Text

eine umfassende Kermtnis von allerlei genauen Einzelheiten

der Zeitsituation voraussetzt, ist eine einwandfreie Übertra¬

gung mit großen Schwierigkeiten verbunden und ohne Hilfe

eines gut unterrichteten, chinesischen Gelehrten ein Wagnis.

Das Shih-shuo .hsin-yü, wie es uns vorliegt, ist eine

Sammlung von berühmten Aussprüchen, Urteilen, Anekdoten,

Charakteristiken usw., die — zeitlich im wesentlichen auf das

3. und 4. Jahrhundert n. Chr. beschränkt — eine Menge

Streiflichter auf die damalige chinesische Gesellschaft werfen.

Der umfaßte Zeitabschnitt, die Zeit der drei Reiche, der

Tstn-Dynastie und der sog. 16 Staaten, läßt sich vielleicht

teilung der Spiele im Spiegel der Mandschusprache {T'oung Pao

Vol. VII. Ser. I) S. 148, in Fb. Hirth: Biographical Notes on some

Chinese Ancient Painters {T'oung Pao Vol. VI. Ser. II) S. 423, in

H.A. Giles: A Biographical Dictionary S. 762 u.a.m.

1) Harvard-Yenching Institute Sinological Index Series Nr. 12.

Index to StUh Shuo Hsin Yü and to the Titles quoted in the Com¬

mentary. May 1933.

(3)

Webneb Eichhobn, Zur chinesischen Kulturgeschichte 453

insofern als Beginn einer neuen Epoche bezeichnen, als da¬

mals alle jene Völker sich im chinesischen Lebensraum zu

sammeln begannen, die während der T'ang-'Epoche politisch

und ökonomisch zu einem Volke zusammengeschweißt wurden,

dem man in der Sung-Zeit eine kulturelle Vertiefung zu einem

einheitlichen Volkstum zu geben suchte. Die Vertreter des

eigentlichen Chinesentums wurden damals nach Süden hinab¬

gedrängt in das Yangtse-Gehiet, das jetzt erst völlig mit

chinesischer Kultur durchtränkt wurde.

Es war eine wilde Zeit, erfüllt von Tumulten, Intrigen

und den Einbrüchen von Fremdvölkern, die natürlicherweise

eine häufige und jähe Umschichtung materieller und kultu¬

reller Werte im Gefolge hatte. Die Gesellschaft erhält ihr

eigentümliches Kolorit durch eine Reihe von bis ins Groteske

bizarren, überindividuellen und extremen Persönlichkeiteni).

Das Shih-shuo hsin-yü ist ein charakteristisches Erzeugnis

jener buntbewegten Zeit voll Abenteuer und sonderbarer Ge¬

stalten. Wenn es sich auch an stilistischer Eleganz nicht mit

dem Kuo yü (II f^) und an Bedeutung nicht mit dem Chan-

kuo ts'e (18 M ^) messen kann"), so enthält es doch eine Reihe

sehr interessanter Kleinmalereien und wirft ein farbiges Licht

auf die Ereignisse. Oftmals erscheint hier das ganze Leben

einer Persönlichkeit, ihr Wirken und ihre Ziele in einem kurzen

Ausdruck zusammengefaßt.

Der Wert dieses Werkes für die historische Forschung

ist selbstverständlich beschränkt. Zu Beginn des 5. Jahr¬

hunderts aufgezeichnete Gerüchte, Redereien und Anekdoten

des 3. und 4. Jahrhunderts köimen natürlich nicht als ein¬

wandfreie, historische Quelle gewertet werden, mögen sie auch

den Ereignissen zeitlich näher liegen als die Redaktion der

entsprechenden Dynastienwerke. Trotzdem liegt dem im

1) Es sind meist die Exponenten von großen ^md teilweise alten

Familien, wie z. B. der Liu, der Sae-ma, der rü, der Wang, der

Haieh und vieler anderer, die den Qang der Dinge beherrschten.

Über die Wiedererstehimg des Familienadels in jener Epoche vgl.

R. Wilhelm: Geschichte der chinesischen Kultur (1Ö28) S. 224ff.

2) Vgl. das Vorwort des Liu Ying-teng in der Ausgabe von 1891.

31»

(4)

454 Webneb Eichhobn, Zur chinesischen Kulturgeschichte

Shih-shuo hsin-yü Gebotenem ein historischer Kern zugrunde

und sein Wert für die Kulturgeschichte wird ihm, wie auch

immer eine gründliche Textkritik befinden mag, wohl kaum

bestritten werden.

Auch in seiner literaturhistorischen Stellimg ist das Shih-

shuo hsin-yü von Interesse. Meine Annahme, daß es vielleicht

das älteste erhaltene Werk seiner Art ist, finde ich durch

Cheng Chen-to^) bestätigt. Der Verfasser, der als Verwandter

des Herrscherhauses der südlichen Liu- Sung -T>Yn&8tie natür¬

lich zu den obersten Kreisen der Gesellschaft gehörte, hat

darin kurze Anekdoten und Bemerkungen gesammelt, die oft¬

mals geeignet sind, die großen Persönlichkeiten des 3. und

4. Jahrhunderts in einem höchst menschlichen Lichte er¬

scheinen zu lassen. Deshalb, wie wohl anzunehmen, hat sich

das Werk in den oberen Schichten der damaligen Zeit einer

großen Behebtheit erfreut und dürfte die Anregung zu der

reichen Anekdoteiüiteratur späterer Zeiten gegeben haben.

Der Zeitgeist, das jener Epoche der San Kuo, der Tsin

und Liu-Sung eigentümliche Lebensgefühl, hat im Shih-shuo

hsin-yü einen vortreffhchen Ausdruck gefunden. Es zeigt

sich dies bereits darin, wie die einzelne, starke Persönlichkeit,

der Mensch als Individuum, in den Vordergrund tritt. Die

Charakteristik der Einzelpersönlichkeit, ihre individuellsten,

ja ihre bizarren und grotesken Züge sind der Vorwurf des

Werkes. Die gesellschaftliche Schicht oder gar das Volk, das

1) Cheng Chen-to: Chung-kuo wen-haüeh shih Bd. I, S. 304.

Cheng unterscheidet das Shih-shuo von den Witzsammlungen wie

z. B. das auf die Hou Äan-Zeit zurückgehende Hsiao lin und

den Sammlungen merkwürdiger Tatsachen und Begebenheiten wie

z. B. das Sou-shen chi jj^ f£) von Kan Pao aus dem Beginn

des 4. Jahrhunderts n. Chr. Er bringt es in Verbindvmg mit den da¬

mals in den oberen Schichten der Gesellschaft beliebten geistreichen

Plaudereien über mystisch-philosophische Gegenstände, die in Wer¬

ken dieser Art einen Niederschlag gefunden haben sollen und nennt

es neben heute nicht mehr erhaltenen Werken wie das Yü-lin ;;^)

des P'ei Ch'i, das Kuo tae{^^) des Kuo Teng-chih (vgl. Sui-shu 34,

S. 6a) und das Su-shuo (|&t^) des Shen Yo (vgl. Sui-ahu 34 S. 5a) aus derselben Epoche.

(5)

Wernes Eichhorn, Zur chinesischen Kulturgeschichte 455

einige Male als W ^4ie kleinen Leute" oder als Zuschauer

fg ^ auftritt, bleibt gänzlich unbeachtet im Hintergrund. Die

Teilnahme am Leben der Gefolgsleute, das Sicheinlassen mit

ihnen, wird als höchst sonderbares Benehmen angemerkt^).

Bei der allgemeinen Unsicherheit der Zeitläufte pflegten

die Führenden ihre Vertrauten meistens aus ihren Familien¬

angehörigen und Verwandten zu wählen. So ist es eine ge*

wöhnliche Erscheinung, daß mit dem Aufrücken eines Mannes

in die höheren Staatsämter auch bald andere Personen seines

Namens und Geschlechtes unter der Prominenz des Landes

erscheinen. Die wichtige Rolle des Familienverbandes in

China tritt in solchen Epochen der chinesischen Geschichte

wie dieser, die teilweise ihren Niederschlag im Shih-shuo

hsin-yü, gefunden hat, besonders in Erscheinung. Manche Fa¬

milien, wie z. B. die ^ Yü, erlebten damals ein Auftreten und

eine Entfaltung im öffentlichen Leben, die sie später nie wieder

erreichten"- ^).

Es zeigt sich ferner, daß die allgemeine Geisteshaltung

jener Zeit, wie sie uns aus den kleinen Geschichtchen des Wer-

1) Vgl. z. B. die Anekdote Kap. XIV, S. 3b (Ausg. von 1891)

über Yü Liang ( j|| ^ ) in Wu-ch'ang. In einer klaren Herbstnacht

steigen Dienstleute des YinHao und Wang Hu-chih auf einen Aus-

sichtspavillon und vergnügen sich mit Singen. Wie die Stimmen an¬

zuschwellen beginnen, hören sie Fußtritte und Exzellenz Yü er¬

scheint mit einigen seiner Diener. Die Leute wollen sich erheben

und weggehen. Yü jedoch nötigt sie freundlich zum Bleiben, läßt

sich auf eine Couch (? ^ ein mehrfach im Text genaimtes Sitz¬

möbel) nieder und nimmt schließlich an dem Singen und Scherzen

lebhaft teil. Später sprach einmal Wang Hsi-chih mit Wang Tao

über diesen Vorfall und der letztere bemerkte dazu, daß Yü Liang

damals im allgemeinen von so musterhaftem Auftreten war, daß eine

kleine Nachlässigkeit wohl unterlaufen mußte. Wang antwortete,

daß eben nur Berg und Tal imerschütterlich blieben.

2) Vgl. darüber Chung-kuo jen-ming ta tz'e-tien S. 1146—1149.

3) Jede der großen Familien hatte Aufzeichmmgen über ihre

eigene (Jeschichte und Genealogie. Der Kommentar des Shih-ahuo

hgin-yü zitiert häufig diese heute verlorengegangenen Werke. Ihre

Titel sind zusammengestellt in der Ausgabe von 1891, Zusatzband,

^mmmm^\mmm 8.i6a-i7a.

(6)

456 Wernbr Eichhorn, Zur chinesischen Kulturgeschichte

kes entgegentritt, keinesweges dem entspricht, was wir im

eigentlichen Sinne unter ,, konfuzianisch" verstehen. Dies er¬

gibt sich nicht nur aus der häufigen Erwähnung von Taoisten

und von Studien im Tao-te king und Chuang tse^), die damals

häufig mit dem Studium des / king verknüpft waren sondern

auch aus einer gänzlich unkonfuzianischen Hochschätzung

des äußeren Menschen, der schönen Erscheinung, der Eleganz

des Auftretens oder auch diesbezüglicher Originalität, was be¬

sonders in dem ^ ih überschriebenen Kapitel XIV zum Aus¬

druck kommt. Der Eindruck der äußeren Erscheinung, ihre

psychologische Wirkung auf die Umgebung war in jener Zeit

so mächtig, daß man in der Staatspolitik daraus Nutzen zu

schlagen suchte. Zu diesem Zwecke wurde vor den Abge¬

sandten fremder Völker eine sorgfältig überlegte, theatralische Schaustellung aufgebaut^).

Über den Verfasser des Shih-shuo hsin-yü nun besteht

an sich kein Zweifel. Es ist der Prinz von Lin-ch'uan

namens Liu I-ch'ing (Si^^)*'^). Außer dem Shih-shuo

t ; '1

1) Vgl. Kap. IV z. B. S. 10b, 14a—15b u. a. (Ausg. v. 1891).

2) Vgl. z.B. Kap. IV, S. IIb Kom. über ^ jg. oder Ka¬

pitel XXXII, S. 29b (Ausg. v. 1891).

3) Vgl. dazu die erste Anekdote von Kap. XIV. Ts'ao Ts'ao

im Begriff, einen Abgesandten der Hiung-nu zu empfangen, glaubt,

daß seine Erscheinung zu unbedeutend sei, um in einem fernen Lande

einschüchternd zu wirken. Er veranlaßt deshalb einen gewissen

Ts'ui Yen, der von majestätischem Äußeren war, seinen Platz einzu¬

nehmen, und stellt sich selber mit einem Schwert als Wache bei ihm

auf. Nach der Audienz läßt er den Fremden über seine Eindrücke

aushorchen. Der Hiung-nu sagt, daß er zwar den König von Wei

für ungewöhnlich achtunggebietend halte, aber ein Held im wahren

Sinne sei der Mann mit dem Schwert zu seinen Häupten (der König

lag im Zelt auf einem Feldbett) gewesen. Ts'ao Ts'ao hört dies;

glaubt sein Spiel durchschaut und läßt den Abgesandten durch nach¬

geschickte Mörder töten. Der Kommentar zitiert das Wei-shih

ch'un-ch'iu, wonach Ts'ao Ts'ao von kleiner Gestalt, aber von klarem,

heldischem Geiste gewesen sein soll.

4) Liu I-ch'ing war der zweite Sohn des Bruders (und zwar des

»fj 1^) des ersten Kaisers der Liu-Sung. Er schied aus der Erbfolge

aus und ging über in die Familie seines Onkels, des Prinzen von Lin-

ch'uan, des zweiten Bruders (-^ ^) des Kai.sers Wu Ti, namens

(7)

Webneb Eichhorn, Zur chinesischen Kulturgeschichte 457

hsin-yü gab er eine Sammlung von sonderbaren Begebenheiten

heraus unter dem Titel Yu-ming lu ^), die verschollen

ist, und eine Sammlung buddhistischer Geschichten Hsüan-

yen chi (a. Sa tiV), über die mir nichts weiter bekannt ist.

Dem Sung-shu zufolge verfaßte er auch noch ein Hsü-chou

hsien-hsien chuan von lOBänden ^ R fli)") und in An¬

lehnung an ein Werk des Pan Ku ein Tien-hsü (M iJ)'), die

wohl beide nicht mehr erhalten sind.

Liu Tao-huei. Seine Biographie wird darum im Anschluß an die

seines Onkels Tao-ktcei gegeben. Vgl. Sung-shu 51, S. 3a und 6b bis

8 b. I-ch'ing erregte schon in seiner Jugend die Aufmerksamkeit seines Onkels Liu Yu, des späteren Kaisers Wu Ti (Giles: Biograph.

Diction. Nr. 1375) und leistete ihm bereits vor der Machtübernahme

Dienste. Später wurde er in der Periode Yung ch'u (420—422) mit

Lin-ch'uan belehnt und durchlief eine seiner Abstammung gemäße

Karriere. Er war von Natur einfach, ohne Ehrgeiz und Begierden,

und liebte die Gelehrsamkeit. Wenn seiner Schriften auch nicht viele

waren, so gereichten sie doch dem Kaiserhaus zur Zierde. In seinem

Amtsbereich gab es keine Korruption. Seine Gaben an die bud¬

dhistischen Mönche teilte er nach Alter und Würdigkeit aus und

setzte allzu hohe Ausgaben herab. In seiner Jugend war er ein guter

Reiter. Als er herangewachsen war, bestieg er wegen der schwierigen

Lage in seiner Familie {Sung-shu 51, S. 7b "1^: Giles: Dictio¬

nary = the way of the world ; scheint mir hier doch den Sinn von

,, Generationenfolge in der Familie" zu haben) nie wieder ein Pferd.

Von nah und fern zog er die Gelehrten an sich, darunter auch

Yüan Shu (^ Giles: Biogr. Diction. Nr. 2564), den er als mili¬

tärischen Berater in seiner Garde anstellte. I-ch'ing starb etwa um

440 oder 444 n. Chr. im Altor von 42 Jahren und wäre also etwa gegen

399 oder 403 n. Chr. geboren. (Zu den Lebensdaten vgl. S. 1. Anm. 1.)

5) In etwas kürzerer Form findet sich die Biographie des

Liu I-ch'ing im Nan-shih 13, S. 3a — 4a. Darin ist eine Bemerkung, daß er das "jär ift in 10 Bänden ( T) herausgegeben habe, sowie andere

Sammlungen von 200 Bänden im Umfang. (Vgl. Sui-shu 39, S. 9a

^ 181 Bände.)

1) Vgl. Cheng Chen-to: Chung-kuo wen-hsüeh shih S. 304. Letz¬

teres zitiert als Min (^) Yen-ki im Shu-hua-p'u { T'ung Pao. Vol. VI, Ser. II, S. 427).

2) Im Zusatzband der Ausgabe von 1891 im-|ö:|ft^*g-^5|

^ g S. 8b findet sich der Titel eines auch im Sui chih aufgeführ¬

te il ^ dr •'^^^ I-ch'ing.

3) Sung-shu 51. S. 7 b.

(8)

458 Werner Eichhorn, Zur chinesischen Kulturgeschichte

Fast genau hundert Jahre später lebte der Gelehrte, der

zum Shih-shuo hsin-yü den Kommentar schrieb, der wegen der

vielen darin zitierten, heute nicht mehr erhaltenen Texte seit

jeher in der Gelehrtenwelt des Ostens sehr geschätzt worden

ist. Der Name dieses Kommentators ist Liu Hsün (§■] i^),

sein literarischer Name Hsiao-piao (# M). Er ist anderseits

bekannt, durch seine Schrift Pan-ming lun (Wf ^ Ifir), in der

er seiner Enttäuschung darüber Luft machte, daß ihm der

Kaiser Wu ti {l. Herrscher der üang^-Dynastie) seines eigen¬

willigen Charakters wegen kein Amt geben wollte^). Der Kom¬

mentar mit seinen Zitaten aus etwa 490 verschiedenen Wer¬

ken") ist ein beredtes Zeugnis von der ungeheueren Belesen¬

heit seines Verfassers in der Literatur der damaligen Epoche.

1) Vgl. Giles: Biograph. Diction. Nr. 1311. Die Biographie des

Liu Hsün (Chün t) ist überliefert im Liang-ahu 60, S. 1— 10b (Ausg.

Pai-na pen). Es wird dort berichtet über die abenteuerlichen Erleb¬

nisse in seiner Jugend, seine fanatische Leidenschaft für Studien und

Bücher sowie seine Erfolglosigkeit in der Amtslaufbahn. Als er

gerade durch Verwicklimg in einen Schmuggelprozeß sein Amt ver¬

loren hatte, berief ihn der Prinz Hsiu von An-ch'eng als Finanzberater

und beschäftigte ihn mit der Ausarbeitung eines Lei-yüan (^^).

Bevor dies aber fertig war, mußte er die Arbeit wegen Erkrankimg

wieder aufgeben. Er zog sich darauf ins Privatleben auf seinen Ruhe¬

sitz am Tze-yen shan im heutigen Shantung zurück. Dort verfaßte

er das wegen der Schönheit seiner Sprache berühmte Siuin-ch'i ch'ih

( Ul ffi [^] iS)- Giles IÜ ;g| ?). Die Schrift Pan-ming lun, deren

Text den größten Teil der Biographie im Liang-shu ausmacht, er¬

regte den Tadel eines (Angehörigen der Familie seines früheren Gön¬

ners [ ?], nämlich des ) Liu Chao ( jßj ) vom Chung-shan (4* Ul . jeden¬

falls im heutigen Shensi) und führte zu einem Schriftwechsel. Chao

starb, bevor er Haün's ausführliche Gegenargumente erhalten hatte,

was diesem zu einem entsprechenden, ebenfalls in der Biographie

mitgeteilten Hsü {^) Veranlassung gab. In seinem Ruhesitz sam¬

melte Haün viele Gelehrte und Studenten um sich. Er starb i. J.

521 n. Chr. im Alter von 60 Jahren und wäre also um 462 geboren.

2) Die Titel der Werke sipd im Zusatzband der Ausgabe von

1891 von Yeh Te-hui i. J. 1893 als Shih-ahuo-hain-yü chu yin-yung

«Au mt* (-jg: Ift 3^ Ig ^ 51 ^ g ) zusammengestellt nach Sach¬

gruppen. Die indizierten Titel sind allem Anschein nach durchge¬

sehen und spätere Ergänzungen des Kommentars erscheinen nicht

darin, wie z. B. Kap. 26, S. 7 b (^ ^).

(9)

Webneb Eichhorn, Zur chinesischen Kulturgeschichte 459

Es ist anzunehmen, daß das Shih-shuo hsin-yü in seiner

Zeit keine literarische Neuheit war, sondern neben einer Reihe

ähnlicher Werke stand. Schon der Titel Shih-shuo soll zurück¬

gehen auf eine verlorene Anekdotensammlung des Liu

Hsiang^). Der Zusatz im Titel, der ursprünglich Hsin-shu

(^ #) lautete, scheint erst später zugefügt worden zu sein,

ob zur Unterscheidung von dem Werke des Liu Hsiang ist

zweifelhaft. Der Titel Shih-shuo hsin-yü, unter dem das Werk

heute bekannt ist, ist offenbar erst während der Sung-Zeit

aufgekommen"). Man könnte schließlich vermuten, daß mit

dem Anwachsen der Anekdotenliteratur die Bezeichnimg

-jH: gft (Zeitgespräche) den Charakter eines Gattungsbegriffes

(etwa wie /h M.) annahm und als eindeutiger Titel nicht mehr

zureichte'). Möglich wäre schließlich auch, daß in den Zu-

1) Im Han-shu i-wen-chih (30, S. IIb) werden von Liu Hsiang

in Ordnung gebrachte Sammlungen auf geführt : i^f J^, ig; Ig. ifr Eft

imd ^!| ^ ^ §1 > '^ic his eben auf das |ft heute noch vorhanden

sind. Da es unter den von Liu Hsün benutzten Werken nicht mit auf¬

geführt wird, kann man vielleicht aimehmen, daß es bereits am Ende

des 5. Jahrh. imbekaimt war.

2) Das Material zu diesen Fragen ist zusammengestellt im An¬

hang an den 3. Band der Ausgabe von 1891. Die Quintessenz daraus

ist gegeben im Vorwort des Harvard-Yenching Index. Danach ist

das Werk z. B. in dem Sui-chih und den Chih (^) der beiden T'ang-

shu unter dem Titel ^ |ft aufgeführt. (In den beiden T'ang-chih

erscheint übrigens ein dem Liu I-ch'ing zugeschriebenes /\\ |ft,

10 Kapitel, das anscheinend im Sui-chih mit 5 Kap. und im Sung-

ahih i-wen 5, S. la noch einmal mit 3 Kap. ohne Verfasser aufgeführt

wird und später verschwindet.) Bereits im T'ang-shu des Ou-yang

Hsiu begegnen wir dem Titel ifi: fft 3^ H^, T'ang shu 59. I-wen chih

S. 7 b, wo eine Fortsetzung des Shih-shuo hsin-shu eines ^ [J^T S

erwähnt wird. Außerdem trägt das in Tun-huang aufgefundene

Fragment der T'anfir-Handschrift den Endtitel iti: tft 3^ ^ f|

Im Verlaufe der ÄMnsr-Zeit wurde dieser Titel allmählich durch den

Titel ifir^^^^ verdrängt, so daß im Sung-ahih i-wen chih 206,

S. la nur noch der letztere erscheint.

3) Auch aus der Tain-Zeit wird der Titel eines Werkes über¬

liefert, das vielleicht das Muster des Liu I-ch'ing gewesen sein köimte,

das H W Ifi: ift 10 Chüan von Kuo Pan, vgl. Sui-ahu 33, S. 3a,

3 :

(10)

460 Werner Eichhorn, Zur chinesischen Kulturgeschichte

Sätzen ^ # und M M auf die Werke des Chia I und Lu Chia

angespielt werden soll.

Der Bestand des Shi-shuo hsin-yü hat im Laufe der Jahr¬

hunderte natürlich ebenfalls Änderungen durchgemacht.

Bereits der Kommentar des Liu Hsün vergrößerte das Werk

so, daß es von da an zehn Teile umfaßte statt wie vorher

acht. Die heute übliche Einteilung in drei Teile erhielt es im

12. Jahrhundert und im Jahre 1535 gab ihm Yüan Chiung

^) die Form, die den heutigen Ausgaben zugrunde liegt^).

1) Vgl. dazu wieder den Anhang zum 3. Band der Ausgabe von

1891 und das Vorwort zum Harvard-Yenching Index. Der Kom¬

mentar des Liu Hsün, der eine Menge den Originaltext ergänzende

Aussprüche und Anekdoten zitiert, wird mehrfach als eine Er¬

weiterung der Shih-shuo angesehen. So findet sich z. B. im T'ang-shu

des Ou-yang Hsiu die Eintragung ^ ^ ifr Ift unkom¬

mentierte achtteilige und die kommentierte zehnteilige Ausgabe

scheinen die ganze T'angr-Zeit über nebeneinander bestanden zu

haben. Vgl. die Erwähnungen im Sui-ahu chih 34, S.5a und die ent¬

sprechenden Kapitel in den beiden T'ang-Anneden. Nach den Ver¬

heerungen der Übergangsperiode der Wu-tai scheint bloß noch die

zehnteilige kommentierte Ausgabe (, die eben von da an als Er¬

weiterung, des Originals angesehen wurde,) übrig geblieben zu

sein. Im Jahre 1138 nun erhielt das Buch durch Tung Pen ^)

eine Neuredaktion, über die er in einem von ihm selber verfaßten

Nachwort Angaben macht. Als Grundlage nahm er die bekannte

zehnteilige Ausgabe mit 36 Kapiteln, die durch Verdoppelimgen in

den ersten 9 Kapiteln sich auf 45 erhöhten und verglich sie mit einem

von Yen shu (Giles: Biogr. Diction. Nr. 2473) durchgesehenen und

mit Bemerkungen versehenen Exemplar. Er strich die Wieder-

holimgen im Text, den er in drei Teile teilte, und stutzte durch Weg¬

lassungen und Zufügungen. (Vgl. das bereits oben S. 8. Anm. 2 ge¬

nannte ^ 1^) auch den Kommentar zurecht. (Welche Ausgaben

Gh'ao fcMnsr-toM[Mitte des 12. Jahrh. Giles: Biogr. Diction. Nr. 202]

bei seiner Bemerkung, daß er zwei Exemplare des Werkes besitze,

ein sehr ins Einzelne gehendes und ein sehr gekürztes [vgl. Anhang

Bd. 3 der Ausgabe von 1891 S. 2a], vorgelegen haben mögen, ist mir

nicht feststellbar. Möglich ist natürlich, daß sich auch bis heute noch

Exemplare erhalten haben von Ausgaben in mehr als drei Teilen,

die auf den Bestand des Werkes vor 1138 zurückgehen. Siehe z. B.

die Tun-huang-VTAgTOsnte.) Die im Amtsgebäude von Yen-chou,

wo Tung Pen Gouverneur war, aufbewahrten Druckplatten gingen

später durch Feuer zugrunde, wurden jedoch zwischen 1174 und 1190

(11)

Webner Eichhorn, Zur chinesischen Kulturgeschichte 461

Die den Text selber betreffenden Änderungen scheinen

nicht allzu einschneidend gewesen zu sein und hauptsächlich

in der Ersetzung alter, ungebräuchlicher Zeichen durch neue

bestanden zu habeni). Der kulturhistorische Wert des Werkes

wird jedenfalls in keiner Weise wesentlich dadurch beein¬

trächtigt, daß die Darstellung einzelner Anekdoten variiert.

Wesentlich erscheint mir, daß die Einteilung des Shih-

shuo hsin-yü in Abteilungen (P^ ) auf den Verfasser Liu

I-ch'ing zurückzugehen scheint. Da die Überschriften näm¬

lich zum größten Teil lobenswerte oder verächtliche Eigen¬

schaften des Menschen bezeichnen, haben sie an sich bereits

kulturwissenschaftliches Interesse").

von Lu Yu (Giles: Biogr. Diction. Nr. 1439) erneuert. Im Jahre

1535 endlich gab Yüan Chiung eine revidierte Neuauflage heraus,

die weite Verbreitung fand und den heutigen Ausgaben zugrimde

liegt. Die Ausgaben, die mir hier vorgelegen haben, die Ausgabe vom

17. Jahr Kuang-hsü und die im Sse-pu ts'ung-k'an gehen beide

auf die von Yüan Chiung zurück. Das Shih-ahuo hsin-yü "tt fft 3^

das mit Zusätzen und Woglassungen im großen ganzen das¬

selbe Material bringt wie das Shih-ahuo hsin-yü, ist ein Produkt der

späteren Ming-Zeit und dürfte ebenfalls auf keinen älteren Text, als

den von Tung Fen redigierten zurückgehen. Es kann deshalb außer¬

halb dieser Betrachtungen bleiben. Die Resultate der Textverglei¬

chung zwischen ihm und der Ausgabe des Yüan Chiung findet man

übrigens im Zusatzband der Ausgabe von 1891. (Die Ausgabe des

Wang Shi-cheng [Giles: Biogr. Diction. Nr. 2220], die im S»e-k'u

ch'üan-shu tsung- mu [vgl. Anhang zu Bd. 3 der Ausgabe von 1891

S. 4a u. b] erwähnt wird, betrifft vielleicht dies letztere Werk.)

1) Tung Fen, der anscheinend die meisten Änderungen vorge¬

nommen hat, sagt dazu in seinem Nachwort (s. Ausg. von 1891):

Hinsichtlich des Zweifelhaften habe er nicht gewagt, dieses wegzu¬

lassen, er überliefere es, damit eine umfassendere Gelehrsamkeit

darüber befinden möge. Seine Hauptarbeit bestand jedenfalls darin,

durch Vergleich der verschiedenen Texte falsche und unverständliche

Zeichen (fQ auszumerzen und schwer verständliche Pointen

der Gespräche zu erschließen.

2) Die Angaben über die Zahl der Kapitel (f^) schwanken

zwischen 38 und 36. Vgl. die Bemerkungen im Anhang zu Band 3

der Ausgabe von 1891 S. 2a, 4a und 5a. Mir persönlich haben nur

Exemplare der Füan-Ausgabe mit 36 Kapiteln vorgelegen. Die

Exemplare anders eingeteilter Ausgaben sind wohl selten, wenn nicht

(12)

462 Webneb Eichhobn, Zur chinesischen Kulturgeschichte

Im folgenden möchte ich nunmehr dazu übergehen,

einige dieser Kapitel, die menschliche Qualitäten durch Bei¬

spiele charakterisieren wollen, kurz zusammenzustellen und

einen Eindruck von ihrem Inhalt zu vermitteln.

Das erste Kapitel trägt die Überschrift ^ ,, tugend¬

hafter Wandel". Wir finden darin eine Reihe Beispiele über

den Edelmut und die Charakterreinheit historischer Persön¬

lichkeiten. So z. B. die Anekdote von Hsü Chü-po E -fö),

der trotz drohender Gefahr am Lager seines kranken Freundes

aushält. Er lebte zur Zeit des /Tara-Kaisers Hmn ti (reg.

147—167) und stammte aus Hsü-chou etwa das heutige

Hsü-ch'ang in HonanY). Er reist eines Tages zu einem er¬

krankten Freund und wird dort während seines Aufenthaltes

von einem Barbareneinfall überrascht. Der Freund sagt zu

ihm: ,,Ich werde heute sterben, Sie können mich ruhig ver¬

lassen und fliehen." Chü-po antwortet: ,,Ich bin zu unserem

Wiedersehen von weit her gekommen und Sie heißen micht

jetzt gehen ! Die Rechtschaffenheit verletzen wegen des Be¬

gehrens, zu leben, wie sollte ich so etwas tun ?" Die Feinde

dringen herein und fragen den Chü-po: ,,Ein großes Heer ist

gekommen, der ganze Bezirk ist leer, weil alle geflohen sind.

Was bist du denn für ein Mann, daß du hier zu bleiben ge¬

wagt hast ?" Chü-po entgegnet: ,,Mein Freund ist krank. Ich

konnte es nicht über's Herz bringen, ihn aufzugeben. Lieber

will ich meine Person für sein Leben geben." Die Feinde

sprechen miteinander und sagen: ,,Wir sind Menschen ohne

Rechtschaffenheit, daß wir in ein Land mit solcher Recht¬

schaffenheit eingedrungen sind." Daraufhin ziehen sie ihr

Heer zurück, kehren um und der ganze Bezirk bleibt heil.

völlig verschwunden. Auch das Shih-shuo hain-yü pu gibt nur

36 Kapitelüberschriften, die durch Unterteilung sich auf 49 Kapitel erhöhen.

1) Hsün Chü-po ist eine wohl sonst nicht weiter bekannte Per¬

sönlichkeit. Die Anekdote von ihm wird sowohl im Chung-kuo

jen-ming ta tz'e-tien S. 839 als auch bei Giles: Biogr. Dictionary Nr. 804 mitgeteilt, die sie vielleicht beide aus dem Shih-shuo hsin-yü

haben. Ausgabe von 1891 I, S. 3a.

(13)

Wkrnee Eichhobn, Zur chinesischen Kulturgeschichte 463

Die Verachtung irdischer Güter schildert die folgende Anek¬

dote von Kuan Ning und Hua Hsin^). Die beiden Männer graben

zusammen in ihrem Garten. Da sehen sie am Boden ein Stück

Gold. Ä^itara stößt es beiseite wie einen Ziegelstein. £?Ma aber er¬

greift es und wirft es fort. Einmal wie sie beide beim Studieren

auf der Matte sitzen, fährt draußen ein Prunkwagen vorbei.

Kuan liest ruhig weiter, während Hua das Buch läßt und hinaus¬

schaut. Darauf zerschneidet Kttan die Sitzmatte zwischen

ihnen und sagt: ,,Mein Freund sind Sie nicht, mein Herr"").

Einen Eindruck von den Wirren um die Wende des 3. und

4. Jahrhunderts erhalten wir aus der kleinen Erzählung über

Teng Yu^). Als die Tsin nach Süden gedrängt wurden, floh

auch Teng Yu vor den eindringenden Barbaren. Auf der

Flucht bricht der Wagen und er läßt seinen eigenen Sohn

zurück, um den Sohn seines jüngeren, bereits verstorbenen

Bruders zu retten. ,,Mein Bruder ist früh gestorben und hat

mir seine Familie hinterlassen. Wenn wir jetzt zu Fuß gehen

müssen und ich beide Knaben tragen soll, dann kommen wir

alle um. Es ist also das beste, ich lasse meinen eigenen Sohn

zurück und rette die mir hinterlassenen Angehörigen. Später

werde ich schon wieder einmal einen Sohn haben"*). Als er

sich über den Yang-tse in Sicherheit gebracht hat, nimmt

Teng Yu ein Mädchen zu sich, der er seine Gunst und Liebe

schenkt. Im Verlauf der Zeit forscht er nach ihrer Herkunft.

Das Mädchen erzählt ihm daraufhin ausführlich, daß sie vom

Norden stamme und in die politischen Wirren hineingeraten

sei. Sie besinnt sich schließlich auch auf den Namen ihrer

Eltern und es stellt sich heraus, daß sie ein Schwesternkind

des Teng Yu ist. Dieser von Natur sehr moralisch und ohne

Tadel in Rede und Haltung gerät über das Vernommene so in

Trauer und Bestürzung, daß er bis zu seinem Lebensende nie

wieder ein Mädchen zu sich nimmt®).

1) Giles: Biogr. Diction. Nr. 1007 und Nr. 828 ^ u. |^ gjj).

2) Ausgabe von 1891 I, S. 3a und b.

3) Giles: Biogr. Diction. Nr. 1907 (fflJ-fljC)-

4) Vgl. den Kommentar der Ausgabe von 1891, I, S. 7b.

5) Ausgabe von 1891, I, S. 7b—8a.

3 1*

(14)

464 Webner Eichhorn, Zur chinesischen Kulturgeschichte

Ein Beispiel für uneigennützigen Gemeinschaftsgeist er¬

halten wir in der Anekdote von Yüan Yü {&i )^), der sich in

seinen späteren Jahren an den Yen shan {PM iÜ im heutigen

Chekiang) zurückzog. In jener Zeit hatte er einen schönen

Wagen. Er verlieh ihn an alle, die ihn darum angingen. Da

war jemand, dessen Mutter zu begraben war. Er hätte sich

den Wagen gerne geliehen, wagte es aber nicht zu sagen.

Yüan erfuhr dies später und sagte seufzend: „Ich besitze

einen Wagen und bewirke doch, daß jemand nicht wagt, ihn

von mir zu leihen, was tue ich dann mit einem Wagen ?" In¬

folge davon verbrannte er ihn.

Mit echt asiatischer Höflichkeit erteilt Wang Kung^)

seinem weinfrohen und sehr besitzgierigen Freunde Wav^g

Shen^) eine Lektion. Ersterer war von Hui-chi im

heutigen Chekiang oder Kiangsu) zurückgekehrt und der

letztere besuchte ihn. Wang Kung empfängt ihn auf einer

6 Fuß großen Matte aus feinem Bambus, die sofort die Besitz¬

gier des Wang Shen erregt und ihn zu der Äußerung veranlaßt :

,,Sie sind gerade vom Osten gekommen, daher haben Sie so

ein Ding. Sie könnten eigentlich mich es haben lassen."

Wang Kung bleibt auf diese Taktlosigkeit hin stumm. Als

Wang Shen sich verabschiedet, hebt Kung die Matte, auf der

sie gesessen haben, auf und macht sie ihm zum Geschenk. Da

es Wang Kung's einzige Matte dieser Art ist, sitzt er von da an

auf gewöhnlichen Strohmatten. Wang Shen erfährt dies, fühlt

sich doch beunruhigt und sagt: „Ich dachte, Sie hätten da

mehrere davon, deshalb habe ich darum gebeten." Kung

entgegnet: „Werter Herr, sie kennen mich schlecht. Wie ich

bin, gibt es bei mir nichts Überflüssiges"*). Womit er jeden¬

falls auf die Menge der Dinge anspielte, die jener zusammen¬

gerafft hatte.

1) Ausgabe von 1891, I, S. 8b — 9a. Da er einmal Beamter

im Bewirtungsamt war, erscheint er im Text als fJc ^ jj^. Biogr.

Notiz über ihn siehe Chung-kuo jen-ming ta tz'e-tien S. 517.

2) Giles: Biogr. Diction. Nr. 2191 d

3) Chung-kuo jen-ming ta tz'e-tien S. 95 (3E tt)-

4) Ausgabe von 1891, I, S. IIb—12a.

(15)

Wbrnbb Eichhobn, Zur chinesischen Kulturgeschichte 465

Eine andere sehr gerühmte, menschliche Eigenschaft

jener Epoche ist die Selbstbeherrschung. Beispiele dafür sind

gesammelt in dem 6. Kapitel, das die Überschrift trägt

etwa „edle Selbstzucht". Ich wähle wiederum aufs Geradewohl

einiges von dem Inhalt aus. Hsia-hou Hsilan, der erst unter den

Han und später unter den lf ei Ämter innehatte^), schrieb ein¬

mal an eine Säule gelehnt einen Brief. Es war zu der Zeit ein

großes Unwetter. Plötzlich fährt ein Blitz nieder und zer¬

schmettert die Säule, an der Hsia-hou lehnt. Obgleich seine

Kleider versengt sind, zeigt er keinerlei Erregung und schreibt

ruhig weiter, während die Leute seiner Umgebung haltlos

durcheinandertaumeln").

P'ei Hsia (M M)^), ein Mann der Tsin-Zeit, Freund des

Kuo Hsiang*) und Mystiker, war einst als Gast bei Chou Fu

(M 1^)*), der selber bewirtete. P'ei spielte Schach, als ChouFu

Wein herumreicht. P'ei, gerade ins Spiel vertieft, nimmt nur

ab und zu einen Schluck (was den Bedienenden zum Warten

nötigt). Chou Fu ärgert sich darüber und zerrt an jenem, daß

er zu Fall kommt. P'ei richtet sich ruhig wieder auf und

wahrt seine Haltung ohne Erregung. Er spielt weiter wie zu¬

vor. Wang Fe«.*) fragt den P'ei: ,,Wie kommt es, daß Sie da¬

bei so ruhig blieben ?" Jener antwortet: „Das schien nur so

wegen der Dunkelheit"').

Eine oft genannte Persönlichkeit im Shih-shuo hsin-yü

ist Yü Liang {M Ä)*). Er lebte 289—340») und war bekannt

1) Giles: Biogr. Diction. Nr. 681.

2) Ausgabe von 1891, VI, S. 19a.

3) Chung-kuo jen-ming ta tz'e-tien S. 1383.

4) Giles: Biogr. Diction. Nr. 1062.

5) Chung-kuo jen-ming ta tz'e-tien S. 547.

6) Giles: Biogr. Diction. Nr. 2245.

7) Ausgabe von 1891, VI, S. 20a. Ich bin nicht sicher, ob ich die

Antwort des P'ei Hsia richtig verstanden habe. Nach einer anderen

Version (vgl. d. Komm. ) antwortet er, daß er allerdings zu einem Streit

bereit gewesen sei. Jedenfalls entnehme ich der Stelle diesen Sinn.

8) Giles: Biogr. Diction. Nr. 2526. Sein literarischer Name

ist ^ sein posthumer Name ^ Im Text erscheint er auch als

'S^ oder unter seinem Amtstitel als ^

9) Li-tai ming-jen sheng-tzu nien-piao. S. 19.

(16)

466 Wbbneb Eichhobn, Zur chinesischen Kulturgeschichte

wegen seiner unnahbaren Würde und überernsten Lebensauf¬

fassung, unter der auch seine Söhne zu leiden hatten^). Nach

seiner Niederlage gegen den Rebellen Su Chün, bei der er

übrigens seinen ältesten Sohn") verlor, floh er mit wenigen

Begleitern in einem Boot nach Westen. Vom Boote aus findet

jedenfalls während der Abfahrt ein wirres Fechten und Ge¬

schieße mit den verfolgenden Feinden statt. Versehentlich

trifft dabei Yü Liang den Steuermann, der im Schuß sofort

zusammenbricht. Die Bootsleute wechseln die Farbe und

machen Anstalten, zu fliehen. Yü Liang in unerschütterter

Haltung sagt ruhig: ,, Diese Hand, wie kann sie sich in den

Dienst der Rebellen stellen ?" Und alles beruhigt sich'). Ebenso

imponierend ist die Haltung des Hsieh An während einer Ver¬

gnügungsfahrt mit mehreren Bekannten auf der See, bei der

sie von einem Unwetter überfallen werden. Wie ein König in

majestätischer Gelassenheit beobachtet Hsieh An die Aufre¬

gung der Gefährten, ohne an Umkehren zu denken. Als der

Sturm zunimmt und sogar die Bootsleute unruhig ihre Posten

verlassen, äußert er nur: ,,Wenn Ihr so tut, werden wir aller¬

dings wohl nicht heimkommen"*).

Besonders beachtenswert ist das bereits erwähnte Ka¬

pitel XIV, das die Überschrift trägt ^ jh, etwa ,, imposante

Erscheinung". Im Gegensatz zu dem im Li-ki gegebenen kon¬

fuzianischen Leitsatz, daß ein Edler nicht um Schönheit willen

von der Sitte läßt*), tritt uns hier eine für den Osten recht

ungewöhnliche Begeisterung für die Vorzüge der äußeren Er¬

scheinung entgegen. Unter den in diesem Kapitel auftreten-

1) Vgl. Ausgabe von 1891, VI, S. 21b.

2) Nach dem Komm.-Ausgabe von 1891, VI, S. 21 f. Yü Hui

(•^), nach dem Chung-kuo jen-ming ta tz'e-tien S. 1147. Yü Pin (^).

3) Ausgabe von 1891, VI, S. 23a. Ich bin nicht sicher, ob ich die

Stelle iü: ^ ^ nf ^ ^ richtig auffasse. Anscheinend glauben

die Bootsleute, daß Yü Liang plötzlich zu den Rebellen übergehen

will. Vielleicht entspricht es mehr dem Text, zu übersetzen: Was

könnte diese Hand veranlassen, sich als Feind zu erweisen T

4) Ausgabe von 1891, VI, S. 24a. Haieh An, s. Giles: Biogr.

Dio. Nr. 724.

5) .©■^•^Jii^^i® zitiert im Tz'e-yüan unter j^.

(17)

Webneb Eichhobn, Zur chinesischen Kulturgeschichte 467

den Personen ragt Wei Chieh^) ifr) hervor, der einer der

schönsten Menschen Chinas gewesen sein muß. Bereits in

seiner frühesten Jugend erregte er wegen seines Liebreizes

die Bewunderung seines Großvaters^), der in ihm etwas Be¬

sonderes erkannte und bedauerte, daß er wegen seines Alters

jenen nicht mehr in der Blüte der Jahre sehen werde"). Als

Knabe fuhr Wei Chieh einmal mit einem Gespann weißer Wid¬

der durch die Straßen von Lo-yang und die Leute sagten ver¬

wundert: ,,Aus welcher Familie ist dieser Edelsteinmensch ?"

Diese Bezeichnung (pi-jen # A) behielt er'). Seine außer¬

gewöhnliche Schönheit läßt sich aus den überlieferten Äuße¬

rungen derer entnehmen, die mit ihm in Berührmig kamen.

Sein Onkel, der Rittmeister Wang Chih, der selber zu den be¬

rühmten, gut aussehenden Männern jener Zeit gehörte*), sagte,

wenn er ihn sah : ,,Mit Perle und Edelstein zur Seite merke ich,

wie häßlich ich bin"*). Wei Chieh verlegte sich später auf das

Studium taoistischer Mystik und erwarb sich gute Kenntnisse

des Lao tse und Chuang tse. Er liebte geistreiche und tief¬

sinnige Gespräche, wie sie damals in der Gesellschaft Mode

waren, und muß dabei einen eigentümlichen Reiz entfaltet

haben, wie aus dem Verhalten des Wang Cheng*) hervorgeht,

wenn er seiner Rede lauschte. Dieser war selbst von hervor¬

ragendem Talent, stand aber wegen seiner Jugend zurück.

Wenn er Wei Chieh vortragen hörte, dann seufzte er und geriet

1) Giles: Biogr. Diction. Nr. 2265. Er war der Enkel des be¬

kannten Staatsmannes Wei Httan (Giles: Biogr. Diction. Nr. 2276).

Seine Biographie findet sich im Tsin-shu 36, S. 6a u. b im Anschluß

an die des Wei Huan. Sie besteht im großen ganzen aus dem im

Shih-shuo hsin-yü gegebenen Anekdoten. Im Text erscheint er bald

unter seinem Namen, bald mit seinem Titel ^ j^, auch unter seinem

Kindernamen Hu (^, Tiger). Sein literarischer Name war ^

Er lebte von 286—312.

2) Ausgabe von 1891, VII, S. 29b.

3) Ausgabe von 1891, XIV, S. 3a. Kommentar, zitiert aus dem

ist m m-

4) Chung-kuo jen-mingtatz'e-tienS. 153. 50!f, lit. Name

5) Ausgabe von 1891, XIV, S. 2 b.

6) Chung-kuo jen-ming ta tz'e- tien S. 145. ^ lit. Name 2p

ZeltschrUt d. DMO. Bd. 91 (Neue Folge Bd. 1«) 32

(18)

468 Werner Eichhorn, Zur chinesischen Kulturgeschichte

in höchstes Entzücken i). Das Schönheitsideal, das uns in

Wei Chieh entgegentritt, war von dem, was wir unter männ¬

licher Schönheit verstehen, allem Anschein nach durchaus ver¬

schieden. Wenn auch eine ausführliche Beschreibung des

Äußeren dieses ,, Edelsteinmenschen" nicht gegeben wird, so

geht doch aus dem Text hervor, daß es sich um einen femi¬

ninen, kränklichen, bis zur Zerbrechlichkeit zarten und sehr

durchgeistigten Typ handelt. Besondere Leistimgen sind

natürlich von einem solchen nicht zu erwarten und werden

auch nicht berichtet. Bereits seine Vorliebe für taoistische

Diskussionen fand die Mißbilligung seiner Mutter, die wegen

seiner dauernden Kränklichkeit und Schwäche um ihn besorgt

war"). Der Premierminister Wang Tao^), der ihn einmal be¬

suchte, beschreibt ihn als im erwartet schwächlich. Wenn er

sich auch einmal einen ganzen Tag wohl fühlte, so erweckte er

doch den Eindruck, als ob ihm sogar das Tragen von Netzseide

zu schwer sei*). Er wurde mit der Tochter eines berühmten

hohen Beamten Yo Kuang, der ebenfalls wegen seiner geist¬

reichen Diskussionen bekannt war*), verheiratet. Über diese

Verbindung lief ein geflügeltes Wort um : Der Schwiegervater

ist wie Eis so klar, der Schwiegersohn wie Jade so schim¬

mernd*). Wei Chieh nahm, nachdem er sich längere Zeit gegen

den Eintritt in die Amtskarriere gesträubt hatte, das Amt

eines T'ai-tse hsien-ma (>fc eine Art Gesellschafter

oder Betreuer des Kronprinzen)') an. Die zunehmende Un-

1) Ausgabe von 1891, Vlllb, S. 3b.

2) Vgl. Tsin-shu 36, S. 6a.

3) Giles : Biogr. Diction. Nr. 2232.

4) Ausgabe von 1891, XIV, S. 2b.

6) Tain-ahu 36, S. 6a. Über |j§ ^ vgl. Chung-kuo jen-ming ta

ta'e- tien S. 1503/4. Auch Giles: Biogr. Diction. Nr. 2503.

6) Das Wort geht zurück auf den Ausspruch eines P'ei

Shu-tao{J). Ausgabe von 1891, II, S. 23a.

7) Über das Amt der Haien-ma (^J^) vgl. Tz'e-yüan. Es

wurde unter der Ta'in (^)-Dynastie eingerichtet und von den Han

übernommen. Ihre Funktion war zunächst, die Besuchsordnung zu

regeln. Bei Ausfahrten fungierten sie als Vorhut und Ordner. Seit

der r«tn-Zeit wurden sie mehr mit Büro- und Registrierarbeiten be-

(19)

Werner Eichhorn, Zur chinesischen Kulturgeschichte 469

Sicherheit im Norden veranlaßte ihn, den Sitz der Familie

nach Süden zu verlegen. Seine Mutter weigerte sich anfangs,

ihren älteren Sohn Tsao (i^) im Stiche zu lassen, der sich

seines Amtes in der kaiserlichen Garde wegen nicht anschlie¬

ßen konnte. Erst ein Familienrat bewegte sie, sich den Plänen

ihres jüngeren Sohnes zu fügen^). Der Umzug fand etwa im

Jahre 311 statt. Wie Wei Chieh den Yang-tse überquerte, soll

er in großem geistigen und körperlichen Erschöpfungszustand

geäußert haben: „Wenn ich diese unermeßliche Weite sehe,

dann stürzen unbewußt tausend Gedanken auf mich ein.

Wenn man noch nicht dem pudgala^) entgangen ist, wer

könnte dann auch dies von sich weisen!"'). Er kam auf der

Reise bis Yil-chang $ im heutigen Kiangsi), dort traf er

den General Wang Tun*}, der später durch seinen Aufstand

gegen den Kaiser Yüan ti bekannt wurde. Dieser freute sich

sehr über seine Ankunft und suchte seine Gesellschaft.

Wei Chieh aber erfreute sich nicht lange seines Freundes. Er

starb kurze Zeit nach seiner Ankunft in Yü-chang^) im Alter

von 27 Jahren. Über sein Ableben heißt es: Die Leute hatten

seit langem von seinem Ruhm gehört und die Gaffenden um¬

standen ihn wie eine Mauer. Chieh war schon immer schwäch¬

lich imd kränklich gewesen und so war sein Körper den An¬

strengungen nicht gewachsen. Seine Krankheit nahm infolge

davon zu und er starb. Die Zeitgenossen sagten dazu: ,,Man

hat den Wei Chieh totgesehen"*).

schäftigt. Meine Angaben in Chou Tun-i (Abhandl. für die Kunde

des Morgenlandes XXI, 5, Leipzig 1936) S. 29 sind entsprechend zu

ergänzen.

1) So verstehe ich wenigstens den Text im Tain-ahu 36, S. 6a.

2) ^ '^kI- Eitel: A Sanskrit-Chinese Dictionary (1888)

S. 124. 1) Human beings as subject to metempsychosis. 2) Persona¬

lity (as a philosophical term).

3) Ausgabe von 1891, II, S. 23a.

4) Giles: Biogr. Diction. Nr. 2238.

5) Über den Ort seines Todes vgl. die auseinandergehende An¬

sicht von Text und Kommentar. Ausgabe von 1891, XIV, S. 3a.

6) D. h durch Anschauen getötet." Ausgabe von 1891

XVI, S. 3 a.

32*

(20)

470 Werner Eichhorn, Zur chinesischen Kulturgeschichte

Wie auch heute noch ganz allgemein in China galt bereits

auch in der damaligen Zeit eine auffallend weiße Hautfarbe

als besonders schön^). Ein anderes, sehr geschätztes Schön¬

heitsmerkmal waren blitzende, schwarze Augen"). Dazu kam

ein edles und gemessenes Auftreten, daß die Herzen der Oberen

einnahm und die kleinen Leute mit Bewunderung und Schüch¬

ternheit erfüllte').

Soweit dies Schönheitsideal beurteilt werden kaim, ist es

ein allgemein menschliches und der besondere Reiz der Ge¬

schlechter kommt nicht darin zum Ausdruck. Darum ver¬

missen wir die Betonung männlich kräftiger Eigenschaften

und die Gegenüberstellung eines anderen Ideals weiblicher

Schönheit.

Von Frauen und ihrer Art insbesondere handelt das Ka¬

pitel XIX, das überschrieben ist M etwa ,, Frauenweisheit"

(eigentlich Weisheit und Schönheit). Es enthält eine Anzahl

von Anekdoten wie z. B. die bekannte Geschichte der schönen

1) Vgl. dazu Ausgabe von 1891, XVI, S. la. Ho Yen(^

lit. Name P'ing-shu, 2Ji ^), war von schöner Gestalt und außerordent¬

lich heller Gesichtsfarbe. Der Kaiser Ming ti von Wei argwöhnte,

daß er dies mit Puder mache. Deshalb bewirtete er ihn während der

Sommerzeit mit heißen Fleischklößchen. Jener schwitzte sehr und

wischte mit seinem roten Kleid den Schweiß ab, seine Gesichtsfarbe wurde sogar noch weißscheinender.

Von einem anderen Zeitgenossen namens Wang Yen (BE lit.

Name I-fu, Giles: Biogr. Diction. Nr. 2245) wird berichtet,

daß er beständig einen Wedel mit einem Handgriff aus weißer Jade

hielt, die sich in der Farbe nicht von seiner Hand unterschied. Vgl.

Ausgabe von 1891, XIV, S. 2a.

2) So heißt es z. B. von Wang Jung Giles: Biogr. Dic¬

tion. Nr. 2188), daß seine Augen glänzten, wie der Blitz von einer

Klippe. Vgl. Ausgabe von 1891, XIV, S. Ib.

Von einem anderen namens Tu I {jj^j^ Giles: Biogr. Diction.

Nr. 2060) wird etwas drastisch gesagt, sein Gedicht sei wie geron¬

nenes Fett imd seine Augen wie Punkte aus Lack, er sei wie ein über¬

natürliches Wesen. Vgl. Ausgabe von 1891, XIV, S. 4a.

Weiter ist die Rede von Haaren ,,wie ein umgekehrter Igel-

pelz", Augenbrauen „wie ein Purpursteingiebel". Vgl. ebenda S. 4a.

3) Vgl. die Anekdote von Yü Liang Ausgabe von 1891, S. 3b

und die von Fü Tung j^, lit. Name ^f2) ebenda S. 6b.

(21)

Webnek Eichhorn, Zur chinesischen Kulturgeschichte 471

Wang Ch'iang, die, weil sie unterlassen hatte, den Hofmaler zu

bestechen, von diesem so häßlich dargestellt wurde, daß sie der

Kaiser an den Hunnenfürsten weggab, bei dieser Gelegenheit

sie zum erstenmal sah und sich nun, da es zu spät war, heftig

in sie verliebte^). Die meisten der aufgezeichneten Anekdoten

handeln von weiblichem Scharfblick, klugem Verhalten,

sicherem Urteil usw. Schönheit und weibliche Anmut werden

vielen der aufgeführten Frauen zugeschrieben. Manchmal

ergibt es sich aber auch, daß Tugend und Klugheit den Preis

vor diesen davontragen").

Ferner finden wir hier die Geschichte von der Mutter des

T'ao K'an ([^^ iiil), die für die Bewirtung der plötzlich erschie¬

nenen, vornehmen Gäste ihr Haar abschnitt, zu Perücken

flocht und verkaufte, um ihrem Sohne eine Anstellung zu ver¬

schaffen'). An den bekannten Roman von Alexis über den

Herrn von Bredow erinnert etwas die Anekdote von Huan

Ch'ung*) und seiner Frau. Ebenso wie jener hatte Huan eine

große Abneigung gegen das Tragen von neuen Kleidern.

Seine Frau paßte darum eine Zeit ab, wie er im Bade war,

nahm ihm die alten Kleider fort und ließ ihm neue bringen.

Huan Ch'ung tobte ebenso wie der alte Bredow, warf den Die¬

ner mitsamt den neuen Kleidern hinaus und hieß ihn, sie fort¬

schaffen. Seine Frau aber suchte sie wieder hervor und sandte

sie an ihren Gemahl zurück, indem sie ihm sagen ließ : ,,Wenn

Kleider nicht einmal neu gewesen sind, wie können sie dann

zu alten werden ?" Huan Ch'ung mußte lachen und gab sich

geschlagen*).

Die folgende Anekdote gibt den kurzen Abriß eines

Frauenschicksals der damaligen Zeit. Als Chou Chün (M ^)')

1) .uitgeteilt in Giles: Biogr. Diction. Nr. 2148.

2) Vgl. z. B. die Anekdote von der Frau des Generals Hsü Yün

(Wit)- Ausgabe von 1891, XIX, S. 15b.

3) Ausgabe von 1891, XIX, S. 20a und b. Vgl. auch Giles:

Biogr. Diction. Nr. 1897.

4) Giles: Biogr. Diction. Nr. 836.

5) Au.sgabe von 1891, XIX, S. 21b. Obige, sehr freie Nach¬

erzählung soll dem Sinn der Anekdote gerecht werden.

6) Vgl. Chung-kuo jen-ming ta tz'e-tien S. 535.

(22)

472 Werneb Eichhorn, Zur chinesischen Kulturgeschichte

bereits General mit dem Titel An-tung j^, Pazifikator des

Ostens) war, wird er auf der Jagd von einem heftigen Unwetter

überrascht. Er findet mit seinen Begleitern Unterkunft bei

einer Familie Li aus Ju-nan (i^C 1$). Diese Familie war zwar

in genügend guten Verhältnissen (um den Anforderungen einer

Schar hoher Gäste zu genügen), es war aber damals keines der

männlichen Mitglieder zu Hause. Es war da jedoch eine Toch¬

ter mit Namen Le (oder Lao)-hsiu^). Als sie hört, daß draußen

vornehme Gäste angekommen seien, macht sie sich mit einer

einzigen Dienerin daran, in den inneren Gemächern ein Schaf

zu schlachten und für mehr als zehn Personen Essen und

Trinken herzurichten. Alles wird aufs feinste hergerichtet

und niemand hört ein Geräusch von Leuten (die die Arbeiten

ausführen). Chou Chün geht schließlich heimlich auf Beobach¬

tung. Da sieht er einzig und allein ein Mädchen von unge¬

wöhnlich hübscher Erscheinung, (die all dies verrichtet). Er

wünscht daraufhin, sie zu seiner Nebenfrau zu machen. Ihr

Vater und Bruder wollen das nicht erlauben, aber Le-hsiu

sagt : „Unsere Familie ist in sehr unglücklicher Lage"), warum

soll es da um ein einzelnes Mädchen schade sein! Wenn wir

aber mit einer hochstehenden Familie in verwandtschaftliche

Beziehungen treten, erwächst uns vieUeicht daraus in Zukunft

großer Nutzen." Vater und Bruder stimmen daraufhin der

Verbindung zu. Sie gebiert dem Chou Chün zwei Söhne').

(Als diese herangewachsen sind,) sagt sie zu den Brüdern:

,,Daß ich unter Hintansetzung meiner Würde in Euere Fa¬

milie als Nebenfrau eingetreten bin, geschah auf Familien¬

beschluß. Wenn Ihr nun nicht mit meiner Familie in ver¬

wandtschaftlichen Verkehr tretet, dann liegt mir nichts mehr

1) Vgl. Chung-kuo jen-ming ta tz'e-tien S. 428. Vgl. auch ihre

Biographie im Tain-shu lieh-nü 66, S. 4a.

2) Bezieht sich jedenfalls auf die gesellschaftliche Stellung der

Familie, die wohl aus irgendeinem Grimde nicht zu den oberen

Kreisen gehörte, weshalb zu vermuten war, daß die Tochter im Haus¬

halt des Chou Chün keine angemessene Stellung einnehmen würde.

3) Chou I (gg, lit. Name -fß fH, vgl. Chung-kuo jen-ming

ta tz'e-tien S. 547) und Chou Sun (jg, vgl. ebenda S. 540).

(23)

Webneb Eichhobn, Zur chinesischen Kulturgeschichte 473

am Leben." Die Brüder fügen sich darauf in allem ihrer An¬

weisung und die Familie Li kommt zu Rang und Ehrei-

Im allgemeinen scheint die Stellung der Frau in jener Zeit

etwas freier und das weibliche Geschlecht nicht so unbedingt

an das Haus gefesselt gewesen zu sein wie in späteren Zeiten').

Ob die Frauen allerdings, wie H. A. Giles angibt, zeitweilig

zur öffentlichen Amtslaufbahn zugelassen waren und auch

Ämter bekleidet haben*), scheint mir doch fraglich zu sein.

1) Ausgabe von 1891, XIX, S. 19b—20.a

2) Betreffend der Wendung ^-vgi. denFortsetzungs-

band des Tz'e-yüan. Ungewöhnliche Wendungen finden sich viele

im Shih-shuo hsin-yü, und manche von ihnen ist von da in die Lite¬

ratursprache späterer Epochen übergegangen. Sie aufzuspüren und

zusammenzustellen, wäre natürlich für die Lexikographie von großem

Nutzen, kann aber natürlich im Rahmen dieser kleinen Arbeit nicht

durchgeführt werden.

3) Vgl. die Anekdote Ausgabe von 1891, XIV, S. lb—2a.

P'an Yo (jH s. weiter unten S. 30) war von schöner Erscheinung und

liebenswürdigem Wesen. Wenn er als Knabe mit seinem Kugelbogen

auf die Straßen von Lo-yang herauskam, versuchten alle Frauen, die

ihn dort begegneten, ihn in die Arme zu nehmen. Tso Ssu ( Giles :

Biogr. Diction. Nr. 2026) war sehr häßlich imd spazierte ebenso wie

P'an Yo umher. Aber alle die Damen spuckten ihn an, traurig kehrte

er um.

4) Vgl. Giles: Biogr. Diction. Nr. 2003. „Under his (Ts'ao Jui)

reign women were for the first time admitted to official life, and

several actually rose to high office." Giles gibt nun leider nicht an, worauf er sich bezieht, wahrscheinlich aber hat er jene Stelle des Wei- lüeh im Auge, die sich als Zitat findet im San-kuo chih, Wei-ahu, Ming

ti chi 3 (Ausgabe Pai-na pen) S. 13b, sowie auch im Tze-chih t'ung-

chien (Ausgabe Sse-pu ts'ung-k'an) 73, S. 2b. Soweit ich ausmachen

kann, handelt es sich aber dabei um folgendes : Der Kaiser Ming ti

von der TFei-Dynastie war keineswegs jener mildherzige, freundliche

Mann, wie ihn Giles schildert. Er verschwendete den Staatsschatz

für Prunkbauten und ließ Leute, die einen Hirsch seines Jagdreviers

töteten (weil er auf ihren Äckern Schaden anrichtete), mit dem Tode

bestrafen (Tze-chih t'ung-chien 73 S. 3a). Außerdem war er den

Lüsten des Harems ergeben und hatte in diesem eine weibliche

Beamtenschaft, die an Zahl der Hofbeamtenschaft gleichkam. Von

den Edeldamen bis hinunter zu den Dienerinnen und Putzfrauen

waren es mehrere tausend Personen. Eines Tages wählte er sechs

Frauen aus, die lesen und schreiben konnten, und machte sie zu weib-

(24)

474 Weener Eichhorn, Zur chinesischen Kulturgeschichte

Jedenfalls ist mir bisher noch keine Stelle vorgekommen, aus

der sich eine solche, für das Chinesentum höchst ungewöhnliche

Ordnung zweifelsfrei belegen ließe.

Weniger angenehme Seiten des chinesischen Menschen

jener Epoche treten uns aus anderen Kapiteln des Shih-shuo

hsin-yü entgegen. So werden im XXVII. Kapitel (IS M)

manche Einzelheiten über die grausame Verschlagenheit des

berüchtigten Ts'ao Ts'ao^), des Gründers der IFei-Dynastie,

berichtet. Ich greife hier nur eine der Anekdoten heraus, die

mir besonders bezeichnend zu sein scheint. Der Usurpator war

wie alle Leute seines Schlages in ständiger Furcht vor An¬

schlägen gegen sein Leben. Um nun die rebellischen Elemente

seiner Umgebimg einzuschüchtern, wandte er folgende List an.

Er verbreitet zunächst über sich, daß immer, wenn ihm eine

Gefahr drohe, er eine warnende Regung in seinem Herzen

fühle. Darauf nimmt er sich einen seiner Vertrauten vor und

gibt ihm folgende Instruktion: ,,Du trittst heimlich mit einer

verborgenen Waffe an meine Seite. Dann sage ich, daß ich im

Herzen eine Regung fühle, als ob ich in Gefahr sei, lasse dich

ergreifen und zur Bestrafung abführen. Du darfst aber dann

nichts von diesem, meinem Auftrag verlautbaren. Wenn du so

tust, werde ich dich reich belohnen !" Der Mann, der über ein

gutes Teil dummgläubigen Gehorsams verfügt haben mag,

tut, wie ihm geheißen, und wird prompt hingerichtet, ohne

seinen Auftrag zu verraten. Die Leute aus der Umgebung

liehen Ministern (-^ ^H^)- Er ließ sie Schriftstücke aufsetzen, Be¬

richte erstatten und gab seine Genehmigung zu ihren Maßnahmen.

Danach bandelt es sich doch nur um eine Haremslaune des Kaisers

und nicht um eine wirkliche Zulassung der Frauen zum official life.

Eine solche wichtige Maßnahme wäre O. Franke sicher nicht ent¬

gangen und von ihm in seiner Geschichte des chinesischen Reiches

(II, S. 12 oder 25—27) erwähnt worden. Auch das Tz'e-yüan, das

unter dem Schlagwort "fc^Wi noch einen ähnlichen, im Hou Han-

shu erwähnten Fall, den ich noch nicht ausmachen konnte, anführt,

versteht darunter ein ^ lf , d. h. ein Amt der inneren Gemächer,

d. h. hier des Harems.

1) Giles: Biogr. Diction. Nr. 2013.

(25)

Wbbner Eichhorn, Zur chinesischen Kulturgeschichte 475

des Ts'ao Ts'ao, die diese List nicht durchschauten, unter¬

drückten von da an ihre Oppositionsgefühle^).

In ähnlicher Weise sichert sich Ts'ao Ts'ao übrigens auch

seine Nachtruhe, indem er erzählt, daß er oft unbewußt im

Schlafen Menschen töte, die sich seinem Lager nähern, und

dies ebenfalls praktisch demonstriert").

Züge von außergewöhnlichem Geiz werden im XXIX.

Kapitel ^) von dem berühmten Wang Jung^), einem der

sieben Weisen des Bambushaines, berichtet. So gab er seinem

Neffen bei dessen Heirat ein einziges ungefüttertes Kleid als

Geschenk und forderte es später sogar wieder ein. Jeden

Abend stellte er beim Schein der Lampe den Stand seines ge¬

waltigen Vermögens zusammen*). Um sich den Alleinverkauf

einer besonders guten Sorten von Pflaumen zu erhalten, ließ

er bei den Früchten die Kerne durchbohren, damit niemand

anders sie züchten konnte. Als seine Tochter einmal Geld aus¬

geliehen hat, wird er erst wieder freundlich gegen sie, als sie

es zurückbringt*).

Auf der anderen Seite begegnen wir dagegen einer ma߬

losen Verschwendungssucht, von der im XXX. Kapitel

(tie ^) Beispiele mitgeteilt werden. Besonders zeichnete sich

dabei ein gewisser Shih Ch'ung (^ ^) aus, der ungeheueren

und nicht rechtmäßig erworbenen Reichtum besaß. Er trat

mit einem anderen Mann seines Schlages Wang K'ai (I ^)

in einen regelrechten Verschwendungswettbewerb, den er, wie

1) Vgl. dazu Ausgabe von 1891, XXVII, S. 18b—19a. Die

Frage ist nur, wie diese grausame List später bekannt werden konnte,

wenn der einzige Wissende, ohne zu sprechen, ums Leben kommt.

Vielleicht aber handelt es sich um einen mehrfach angewandten

Trick mongolischer Tyrannen. Auch der Kommentar berichtet zu

dieser Stelle eine Begebenheit, wonach Ts'ao Ts'ao einen Proviant¬

meister, nachdem er ihn vorher ermutigt hat, kleinere Portionen

auszugeben, hinrichten läßt, um seine Beliebtheit beim Heere zu

wahren.

2) Vgl. Ausgabe von 1891, XXVII, S. 19a.

3) Giles: Biogr. Diction. Nr. 2188 3^).

4) Vgl. Ausgabe von 1891, XXIX, S. 24a.

6) Ebenda S. 24b.

3 1

(26)

476 Webner Eichhorn, Zur chinesischen Kulturgeschichte

es heißt, gewann^). Shih Ch'ung scheint sich besonders einen

Ruf erworben zu haben durch seine Gelage, bei denen er die

Gäste durch schöne Mädchen bedienen ließ. Wenn diese die

Gäste nicht genügend zum Trinken veranlaßten, ließ er sie

durch Eunuchen hinrichten. Als Wang Tao^), von Natur dem

Weine abhold, sich weigert, zu trinken, zumal er auch seinen

ebenfalls anwesenden Vetter Wang Tun^) im Auge halten

mußte, der sich damals bereits mit allerlei dunklen Plänen

trug, läßt der Gastgeber, ohne mit der Wimper zu zucken, drei

Mädchen nacheinander hinrichten, bis jener nachgibt*). Die

bedienenden Mädchen zeigten bei diesen Festen prächtige und

elegante Toiletten, in Schalen waren alle Arten von Puder und

Parfümen aufgestellt, so daß die Gäste in Verlegenheit kom¬

men, da sie sich mit der Pracht der Bedienenden nicht messen

können. Bis es einmal dem Wang Tun^) zu bunt wird. Er

geht nach Hause, zieht sich neue Kleider an und bewegt sich

mit solcher Arroganz, daß die Dienerinnen über ihn Böses

tuscheln*).

Heftige, unbeherrschte Wutausbrüche über die kleinen

Unzulänglichkeiten des Daseins sind in dem XXXI. Kapitel

(S; <SS ) aufbewahrt. So wird von einem gewissen Wang Shu

(I i$)') berichtet, daß er von Natur sehr heftig war. Ein¬

mal habe er Eier') gegessen und zunächst versucht, sie auf die

Eßstäbchen aufzuspießen. Da ihm dies nicht gelingt, gerät

er in Wut und wirft sie auf den Boden. Die Eier rollen umher

und er versucht nunmehr, sie mit seinen Holzschuhen nieder¬

zutreten. Das hilft auch nichts, und so glotzt er sie voller Wut

1) Vgl. Giles: Biogr. Diction. Nr. 1709 bzw. 2189.

2) Giles: Biogr. Diction. Nr. 2232.

3) Giles: Biogr. Diction. Nr. 2238.

4) Ausgabe von 1891, XXX, S. 26a und b.

6) Ausgabe von 1891, XXX, S. 25b.

6) Chung-kuo jen-ming ta tz'e-tien S. 110.

7) Vielleicht handelt es sich um die berühmten schwarzen Eier

-?E 51, genannt wegen den eigenartigen GerinnungsgebUden in

dem geleeartigen, dunklen Eiweiß), die wirklich mit den Eßstäbchen nicht leicht zu fassen sind.

(27)

Werneb Eichhorn, Zur chinesischen Kulturgeschichte 477

an. Zuletzt nimmt er sie auf, steckt sie in den Mund, zermalmt

sie mit den Zähnen und spuckt sie wieder aus^).

Er wurde noch übertroffen von seinem Amtsvorgesetzten

Hsieh 1 (ist ^)"), der, wenn etwas nicht nach seinen Wünschen

war, rücksichtslos auf ihn einschilt. Wang Shu steht dann

immer regungslos, das Gesicht gegen die Wand gekehrt, und

läßt das Donnerwetter auf sich niedergehen. Lange erst, nach¬

dem jener gegangen ist, wendet er sich wieder um und fragt

die Amtsdiener: ,,Ist er weg?" Und wenn sie dies bejahen,

setzt er sich wieder nieder').

Was im Shih-shuo hsin-yü als heroisch oder heldisch

(^ XIII. Kap.) aufgefaßt wird, entbehrt nach unserer

Mentalität oft den Zug zur tragischen Größe. In vielen Fällen

erscheint es deshalb als Großsprecherei und nimmt leicht den

Charakter des Komischen an. So z. B. in der über Wang Tun*)

mitgeteilten Anekdote. Dieser hatte einmal eine Zeit, in der

er sich den Ausschweifungen des Harems hemmungslos ergab.

Die Folgen dessen zeigen sich bald in körperlichem Verfall

imd seine Gefolgsleute machen ihm Vorhaltungen. Er sagt

darauf: ,,Ich war mir eigentlich dessen nicht bewußt. Aber

wenn dem so ist, das ist ja leicht zu ändern." Er öffnet die

Tür der Frauenabteilung, jagt die Damen mehr als zehn an

der Zahl hinaus auf die Straße und läßt sie gehen, wohin sie

wollen*). Mehr unseren Vorstellungen entsprechend, ist das

Verhalten des Huan Shih-ch'ien (ifs. ^ ^)*), der sich als 17- bis

1) Ausgabe von 1891, XXXI, S. 28 a.

2) Chung-kuo jen-ming ta tz'e-tien S. 1678. (Lit. Name^ SÄ?.)

3) Ausgabe von 1891, XXXI, S. 28b.

4) Giles: Biogr. Diction. Nr. 2238.

5) Ausgabe von 1891, XIII, S. 39 a. Es ist zu betonen, daß

diese Handlung auf Chinesen, bei denen die Angelegenheiten der

inneren Gemächer eine wichtige Rolle im Leben spielen, sowie auch

auf Japaner einen anderen Eindruck macht als auf uns. Der Ver¬

zicht auf diesen intensivsten Lebensgenuß zugunsten einer heldischen

Laufbahn erscheint der asiatischen Mentalität unbedingt als hero¬

ischer Zug.

6) Giles: Biogr. Diction. Nr. 843.

(28)

478 Wekneb Eichhobn, Zur chinesischen Kulturgeschichte

18 jähriger JüngHng mutig in die feindliche Übermacht stürzt,

um seinen Oheim zu retteni).

Eine Probe des Humors jener Zeit gibt uns das XXV. Ka¬

pitel (Wr- IS) in seinen witzigen Neckereien. So entgegnet ein

gewisser K'ang Seng-yüan (^ ^) auf eine spöttische Be¬

merkung des Wang Tao über seine tiefliegenden Augen und

hervorstehende Nase"): ,,Die Nase ist der Berg im Gesicht

und das Auge ein abgrundtiefer See. Ist der Berg nicht hoch,

dann hat er keine Zauberkraft, ist der See nicht tief, dann hat

e^%eine Klarheit"').

Einen jungen Mann, dessen Vorzüge ihm sehr gerühmt

worden waren, der sich aber bei der Vorstellung als recht un¬

tauglich erweist, nennt Yü Liang einen „Faw^-Ä;Mngr-Kranich",

da der Prinz Yang (Yang Hu # M)*) einen Kranich besaß,

der gut tanzen konnte, wie er ihn aber den Gästen vorführen

will, phistert er sich auf und tanzt nicht*).

Humorvolle Aussprüche, die damals wie auch heute noch

in China sehr geschätzt waren, finden sich ebenfalls in dem

II. Kapitel (W to) des Shih-shuo hsin-yü, dem umfangreich¬

sten des ganzen Werkes, in großer Anzahl. Oftmals sind es

Bemerkungen, die ein schlagartiges Licht über die Situation

gießen. Mutterwitz und Schlagfertigkeit sind im Osten und

speziell unter den Chinesen ungeheuer beliebt. Und manch¬

mal ist jemand nur auf Grund eines treffenden Wortes in die

Literatur und die Geschichte eingegangen. Viele der Anek¬

doten dieses Abschnittes verdienten sowohl wegen ihres In¬

haltes als auch wegen ihres Stiles in unsere Lehrbücher auf¬

genommen zu werden.

1) Ausgabe von 1891, XIII, S. 40a und b.

2) Für den Chinesen bekanntlich die Merkmale der europäischen Rasse.

3) Ausgabe von 1891, XXV, S. 6a. In seinen Vergleichen be¬

zieht sich K'ang natürlich auf Stellen in der Literatur.

4) Giles: Biogr. Diction. Nr. 2383.

6) Ausgabe von 1891, XXV, S. 9a. Da die meisten der recht

zahlreichen witzigen Bemerkungen längere Erklärungen beanspru¬

chen, lasse ich es mit diesen kurzen Proben genug sein.

(29)

Webneb Eichhobn, Zur chinesischen Kulturgeschichte 479

Von besonderem Interesse ist das Kapitel 3fc ^ (etwa

Wissenschaft und Literatur, IV. Kap.), das eine ausführliche

Behandlung in einer besonderen Arbeit verdiente. Im Rah¬

men dieses Aufsatzes kann auf seine Wichtigkeit natürlich nur

andeutend hingewiesen werden. So erfahren wir, daß der be¬

rühmte Kommentator Cheng Hsilan (% S)i), seine Notizen

über einen Kommentar zum Ch'un-ch'iu chuan dem Fu

Ch'ien^) übergab, da er feststellte, daß dessen Arbeit mit der

seinigen weitgehend übereinstimmte'). Wir erhalten ferner

einen recht umfassenden Einblick in die ausgedehnten taoi¬

stischen Studien jener Zeit, die fast ausschließlich dem

Tao-te ching und Chuang tse gegolten zu haben scheinen.

In mehreren Anekdoten finden wir Hinweise auf den be¬

kannten Kommentator Wang Pi*) und auf ein Tao-te lun^)

des wegen seiner Schönheit bekannten Ho Yen (s. o.). Eine

der Notizen enthält den philosophisch interessanten Bruchteil

eines Gespräches über das Verhältnis der wichtigen Begriffe

wu (Isl) und yo (^) im Konfuzianismus und Taoismus').

Besondere Beachtung verdient die Bemerkung über die zahl¬

reichen Kommentierungsarbeiten am Chuang tse, und vielleicht

haben wir hier das erste literarische Zeugnis über den geistigen

Diebstahl, den Kvx) Hsiang (f[5 ) an dem unvollendeten

Kommentar des Hsiang Hsiu (|nj ^) begangen hat'), vor uns.

Auch die logischen Probleme des Kung-sun Lung wurden in

jener Zeit vielfach diskutiert*).

1) Berühmtester Schüler des Ma Jung. (Vgl. Forke: Gesch.

der mittelalterlichen chinesischen Philosophie 1934, S. 144/145.)

Giles: Biogr. Diction. Nr. 274. Vgl. auch die erste Anekdote des

Kap. IV.

2) Giles: Biogr. Diction. Nr. 580. (^g lit. Name ^ ^.)

3) Ausgabe von 1891, IV, S. 7b. Im Sui-shu ching-chi werden

mehrere Arbeiten der beiden genannten Gelehrten über das Ch'un-

ch'iu und dessen Kommentare angeführt. Sui-shu 32, S. 9b — 10b.

4) Giles: Biogr. Diction. Nr. 2210. ^p}, lit. Name $£ |P.

Ausgabe von 1891, IV, S. 8b.

5) Erwälmt unter den Ching-chi des Sui-shu, 34, S. 2a.

6) Ausgabe von 1891, IV, S. 9a.

7) Ebenda IV, S. 10b—IIa.

8) Ebenda IV, S. 13a.

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