Schauplatz und Handlung im Buddhacarita Von Friedrich Weller, Leipzig.
Im ersten Gesänge des Buddhacarita Asvaghosas*) finden
sich sachliche Schwierigkeiten, die, soviel ich feststellen
konnte, bisher nicht erklärt sind. Sie entstehen daraus, daß
sich mit den Teilberichten, welche zusammen die Gescheh¬
nisse bei Buddhas Geburt erzählen, der Schauplatz der Hand¬
lung ändert, ohne daß die handelnden Personen von dem einen
an den anderen Ort überführt oder das Geschehen verlegt
würden. Vom Orte der Handlimg aus betrachtet, stehen viel¬
mehr die einzelnen Episoden ganz unverbunden hinterein¬
ander. Der Schauplatz wechselt völhg unvermittelt, ja, es
ist manchmal überhaupt unmöghch, das eine Teilgeschehen
aus dem voraufgehenden abzuleiten oder es auch nur daran
anzuschließen. Der erste Gesang bricht somit innerhch aus¬
einander, wenn man ihn jedenfalls schon der Unterschrift
nach als Erzählung betrachten möchte, in welcher die G«-
schehnisse bei Buddhas Geburt als ein Ganzes dargestellt
werden. Dies wird auch dadurch noch besonders verdeutlicht,
daß unterweilen selbst innerhalb eines Teilgeschehens die
Einheit des Ortes nicht gewahrt bleibt, an dem sich dies ab¬
wickelt, ganz abgesehen davon, daß es im ersten Gesänge des
Buddhacarita keineswegs immer klar ist, wo sich ein ver¬
meldetes Geschehen abspielt. Durch einen solchen inneren,
unauflösbaren Widerspruch in sich selbst werden das Ganze
des Gesanges und im gegebenen Falle auch die Teilhandlung
1) Zu Grunde gelegt wird die neue Ausgabe von Johnston,
Punjab University Oriental Publications, Nr. 31, 32, die tibetische und die chinesische Übersetzung, Taishö-Tripi/aka iv, 1 ff. Versnum-
mem der späteren Gesänge der tibetischen Übersetzung werden an¬
gegeben nach Johnston, Acta Orientalia xv. V. bedeutet: Sanskrit¬
vers, V.: tibetischer Vers.
Friedbich Weller, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita 307
zersprengt, sie können deshalb ihrem Wesen nach keinen
geschlossenen Ablauf eines auch nur legendären Geschehens
erzählen.
Ich möchte mir im folgenden gestatten, diese Widersprüche
beim Orte der Handlung zur Sprache zu bringen.
Bleiben wir zunächst einmal beim Großen, so spielt der
erste Gesang an zwei Schauplätzen, zum Teil nämlich in Sud-
dhodanas Stadt Kapilavastu, zum anderen außerhalb dieser
im Haine Lumbini. Wie sich zeigen wird, gehen dabei beide
Orte der Handlung unaufklärbar durcheinander.
V. 5—7 tragen sich in Kapilavastu zu. Mäyä empfängt
ein Kind und auf ihren *) Wunsch hin zieht der König Suddho-
dana — von einem Gefolge wird im tibetischen Texte nichts
vermeldet^) — mit seinem Gemahl zusammen aus der Stadt
in das LumbinT-Wäldchen. Dieser Sachverhalt ergibt sich
sicher aus v. 7: zi hai gron nas sa yi bdag po gsegs gyur te
und dem Zusammenhange mit v. 6.
Zwar ist im Chinesischen') nicht ausgesprochen, daß der
1) Soviel ich sehe, kann nach dem chinesischen: I ^ ^
trotz des Wortes ^ nicht so recht sicher entschieden werden, ob
v. 7 a statt des von mir vermuteten de yis: de yi zu lesen sei. Der
chinesische Text weicht sonst im einzelnen öfter zu stark ab, als daß
er sich hier zur Wortkritik eignete. Im übrigen wäre jene Lesung
belanglos für unsere Zusammenhänge.
2) Im Chinesischen steht :5 / Wl ^ ^ M /
i^ia ^ SI tt)- Darnach gebietet also der König den beiderseitigen Angehörigen allesamt, in den Lumbini-Hain zu gehen. Nach sonstiger Erfahrung ist wohl zu unterstellen, daß der tibetische Übersetzer seine Sanskritquelle genau wiedergibt, dies um so eher, als der chinesische Text auch sonst bisweilen freier gehalten sein dürfte. Ich möchte also
glauben, daß im Chinesischen hier, wohl nach dem Schlüsse des Ge¬
sanges, eingefügt wurde, daß die Verwandten mit hinausziehen
mußten, um eine sachliche Unstimmigkeit in der Erzählung auszu¬
gleichen. Bleibt es doch im Tibetischen recht ungereimt, daß der
König zwar seine Gemahlin mit einem Gefolge aus dem Lumbini-
Haine nach Kapilavastu zurückkehren läßt (V., v. 87), auch sonst
Leute aus dem Gefolge anscheinend im Lumbini-Haine auftreten, aber
nicht gesagt wird, daß oin Gefolge mit in den Park hinauszieht. Als
Kunstwerk wie als Erzählung ist A^vaghojas Gesang hierin nicht
eben befriedigend, er mutet lückenhaft, abgehackt an.
3) 3E ^ Ä M / M ^ ^ # H / l«l ^1-# »/ IÄ Ig ^St ü tt /
Zeitschrift d. DMO. Bd. 93 (Neue Folge Bd. 18) 21
308 Friedrich Weller, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita
König Suddhodana mit in den Lumbini-Hain binausziebt,
aber andernfalls könnte er nicbt die Geburt seines Sohnes
sehen*), die nach V. 8/9*^) in diesem Stoffzusammenhange
sicher da stattfindet.
Nebenher sei doch darauf hingewiesen, daß Mäyä nach
dem Buddhacarita nicht wie sonst in der Legende auszieht,
um ihre Verwandten zu besuchen'), als die Zeit der Geburt
naht, und nur im Lumbini-Haine bleibt, weil sie von ihrer
Niederkvmft überrascht wird, bevor sie die Behausung ihres
Vaters erreichen kann. Nach allen beiden Texten des Buddha¬
carita, dem tibetischen und dem chinesischen, will sie nur in
die Waldeseinsamkeit gehen. Hier weicht also inhaltlich die
Greburtsgeschichte im Buddhacarita von der üblicheren Form
der Legende ab. Es ist dies nicht das einzige Mal, daß Asva-
ghosas Erzählung anders ist als sonstige Uberlieferung der
Buddhalegende. Ich verweise auf S. 13, 24, 26f.
Im weiteren Verlaufe des ersten Gesanges des Buddha¬
carita wird nicht angegeben, wo der künftige Buddha nach
der Geburt seine sieben Schritte geht, seinen Siegesruf aus¬
stößt, daß er in dieser seiner letzten Geburt die Welt des Lei¬
des überwinden werde (V. 14/15), und wo die beiden Wasser¬
strahlen aus dem Himmel herniederfallen, ihn zu erquicken
(V. 16). Dem Zusammenhange der Textstelle nach sollte man
1) v. 28: Hn tu no mts'ar sras kyi skye ha mt'on gyur nas / mi
bdag brtan pa yin yan mam par „gyur na son // chin. : 3C 3E ^ ^
^/^'^m^^^im^m^mimm^T.'^i-B^
^ J)^ ® / - W m - flg / (S. 1 c. Z. 21).
2) V. 8: tasmin vane . . . räjapatni prasütikälam samaveksamänä /
Sayydm . . . prapede; V. 9: tatah prasannasca babhüva pusyas [chin.
8. Tag des 4. Monats] / tasyäsca devyä(k) . . . pdrsvätsuto . . . jajne.
Da der tibetische Text damit übereinstimmt, darf es als ungenau
angesprochen werden, wenn im Chinesischen tasmin vane hier nicht
wiedergegeben wird{||^J^^^/g^^B#S/fSJg$
0 fl^ / W "T" iK ^ I)- Woher die Frauen plötzlich kommen?
Aus Aivagho^as Gesang erfährt das niemand. Vgl. oben S. 2, Anm. 2.
3) Kern, Geschiedenis van het Buddhisme in Indie, i, 23, § 3.
Daß dieser Zug auch sonst in der Legende fehlt, darauf hat schon
Windisch, Buddhas Geburt und die Lehre von der Seelenwanderung,
S. 123, hingewiesen.
Fbiedbich Welleb, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita 309
annehmen dürfen, daß nach dem Buddhacarita sich dies alles
ebenfalls im Lumbini-Haine zutrug').
Auch für die V. 17—22 ist nicht ausdrücklich angegeben,
daß sie im Walde Lumbini spielen. Es ist nicht gesagt, wo
die Oberherren der Yaksa ihn schirmend umstehen (V. 17),
unsichtbare Götter einen weißen Schirm über ihn halten und
den Prinzen segnen (V. 18), die Schlangendämonen ihn fächeln
und Blumen über ihn streuen (V. 19) und wo, auf die Erde be¬
zogen, die Suddhadhivasa-Götter sich freuen (V. 20). Mag
hier nach einem Orte zu fragen aus indischen Gegebenheiten
auch ebenso gegenstandslos sein, wie zu fragen, wo die Erde
bebt (V. 21), wo die Sonne übermäßig strahlt (V. 22), so
wird in eben diesen Versen doch auch nicht mit ausdrücklichen
Worten vermeldet, wo der mit Sandel durchduftete Regen
fällt mit den Lotusblüten (V. 21), wo wehende Winde Kleider
herniederkommen lassen und das Feuer ruhig brennt (V. 22).
Unseren Begriffen nach mag der Lumbini-Hain nicht gerade
der geeignetste Ort sein, wo ein Feuer brennt, aber es könnte
ja gerade das Wunder ausmachen, daß es hier im Lumbini-
Parke flammt. Für den Gang der Geschehnisse sind dies
immerhin alles zweitrangige Ereignisse, mehr oder minder
Begleitumstände, und der Ort der Handlung mag entspre¬
chend weniger wichtig sein. Auf V. 17 werde ich aber noch
einmal zurückkommen müssen*^).
Immerhin, so ganz sicher ist, selbst wenn man dies alles
in Rechnung stellt, doch nicht auszumachen, daß sich diese
Begleitumstände der V. 17—22 im Lumbini-Haine zutrugen,
und zwar deshalb nicht, weil V. 23 plötzlich im Palaste des
Suddhodana in Kapilavastu spielt. An seiner Nordostecke')
1) V. 10—13 enthalten Beiwerk zur Beschreibung der Geburt.
Sie können hier füglich beiseite gelassen werden, da ein geschicht¬
licher Vergleich und die Beschreibung des Geborenen ihrer Natur
nach von einem Schauplatze des Geschehens unabhängig sind.
2) Vgl. imten S. 14.
3) M ^ ist hier zwischenzeilige Wiedergabe von prdgtUtare
und heißt: Nordosten. Diese Sachlage ist von Fräulein Wohl¬
gemuth, Mitteilungen des Seminars für Orientalische Sprachen zu Ber¬
lin, Ostasiatische Sektion, 1916, V. 29 imd Anm. 6 nicht durch¬
schaut worden. Die dort vorgetragene Deutung ist aufzugeben.
81»
310 Friedrich Weller, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita
entsteht infolge der Geburt des nachmaligen Buddha ein
Brunnen (küpa), an welchem die Haremsdamen (antakpuräni)
wie an einem heiligen Badeplatze (ttrtha) religiöse Begehungen
vollziehen.
V. 24 führt uns ausgesprochenermaßen wieder in den
Wald (vana).
Warum V. 23 mit seinem anderen Schauplatze gerade an
der Stelle im Gedichte steht, wo er sich findet, ist nicht aus¬
zumachen, so auffällig es ist. Aus dem Gange der Erzählung
heraus ist dieser Ortswechsel nicht zu rechtfertigen und nicht
zu erklären. Man mag einwenden, hier würden einfach die
Wunder aneinandergereiht, welche durch des künftigen
Buddha Geburt ausgelöst wurden, und als Wunder seien sie
eben nicht nur an den Lumbini-Hain gebunden. Aber das
hilft wirklich auch nicht darüber hinweg, daß V. 23 hier
sehr verquert und befremdlich ungeschickt in seiner Um¬
gebung steht. Denn es bliebe dann doch noch zu klären,
warum der so vereinzelte V. 23 nicht vor oder hinter der
ganzen Reihe von Versen steht, in welchen Wunder be¬
richtet werden, die sich sicher oder bisher wenigstens annehm¬
bar im Lumbini-Walde zutrugen. Die Frage bleibt also be¬
stehen, warum dieser V. 23 mit seinem veränderten Orte
mitteninne zwischen Versen mit anderem Orte steht. Nähme
man aber umgekehrt an, die V. 23 voraufgehenden V. 17
bis 22 seien, dem Orte der Handlung nach, weil er dort nicht
angegeben ist, mit V. 23 zusammenzunehmen, so daß auch
ihr Geschehen in den Palast zu Kapilavastu zu verlegen sei,
dann wird dadurch die Ungeschicktheit der Erzählung nur
noch augenfälliger. Wenn Asvaghosa als Erzähler nicht
stümpert, bleibt der Ortswechsel unverständlich, wofern es
sich jedenfalls, wie man nach der Unterschrift unterstellen
sollte, um eine innerlich geschlossene Erzählung eines auch
nur legendären Berichtes handelt. Hier liegt ein innerer
Bruch vor, denn es wird niemand glauben, der Wechsel im
Schauplatze sei durch die geschichtliche Abfolge bedingt, in
welcher die Wunder aufeinanderfolgten. Denn dann müßte
man auch glauben, daß, weil es im Buddhacarita steht,
Buddha in Gandhära war (xxi).
Friedrich Weller, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita 311
Die V. 25/26 mögen sich ebenfalls im Walde abspielen,
da kann man sich am ehesten denken, daß die Raubtiere
friedlich mit anderen Geschöpfen zusammenleben, Vögel und
vor allem Gazellen leise werden und die Flüsse still murmeln.
Es mag auch sein, daß diese Wunder ohne örtlichen Bezug
gedacht sind wie die, daß Krankheiten von selbst heilen
(v. 25), die Trommeln der Götter erklingen und bis auf
Kämade va alles beglückt ist (v. 26/27). Aufs Ganze gesehen
sind diese Geschehnisse innerhalb der Geburtslegende und
ihrer Geschichte verhältnismäßig nebensächlich, so gleich¬
wertig sie auch für den Glauben sein mögen.
Für die v. 28—30 wird kein Ort vermeldet, wo sie sich zu¬
tragen. Daß sich v. 28 anscheinend im Lumbini-Haine ab¬
spielt, erwähnte ich schon*). Da Mäyä dahin gezogen ist
(v. 5— V. 8), gilt dies, dem Zusammenhange nach zu schließen,
noch mehr für v. 29, wo geschildert wird, wie die wundersame
Geburt in der Mutter Freude und Sorge bewirkt, v. 30 be¬
schreibt die Wirkung auf die alten Frauen, die trotz V. 8
einigermaßen unvermittelt auftreten.
Hat man dem bisherigen Zusammenhange des Textes nach
doch wohl daran gedacht, daß sich v. 30 im Lumbini-Haine
abspielt, so ist das Folgende (v. 31— V. 48) leider keineswegs
besonders dazu angetan, dies zu bestätigen. Eher kann es da¬
durch unsicher werden, an welchem Orte sich das vorauf¬
gehende Geschehen in mehr oder minder großem Ausmaße
zutrug. In diesen Versen wird beschrieben, wie sich der König
mit den Brahmanen unterhält, welche die Zeichen zu deuten
verstehen, sie dem Könige die Wunder eingängiger machen
und ihm das Geschick seines Sohnes voraussagen. In seiner
Freude schenkt der König den Brahmanen Gelder (dhanäni)
und Ehren (V. 48).
Nimmt man nach dem Vorausgehenden an, daß auch dies
Teilgeschehen in den Lumbini-Hain zu verlegen sei^), dann
1) S. 3 und Anm. 1.
2) Nur der chinesisoheText gibt ausdrücklich an, daß diese Episode
im Lumbini-Walde spielt ^ ^ *t» ^' / ^ ^ II P^/)-
glaube jedoch, man wird kaum fehlgehen, weim man imterstellt, daß
der tibetische Text das Sanskritoriginal verläßlicher wiedergibt.
312 Fbiedrich Welleb, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita
bleibt es wieder recht unangenehm, daß wir nirgends im Ge¬
sänge erfahren, die Zeichendeuter-Brahmanen seien mit dem
Könige und seiner Frau zusammen in den Hain hinaus¬
gezogen, ganz abgesehen einmal davon, daß diese Unterhal¬
tung mit den Brahmanen in anderer Überlieferung der Ge¬
burtsgeschichte keineswegs im Walde Lumbini stattfindet*).
Wo der König im Walde die Gelder hernimmt, die er den
Brahmanen gibt (pradadau, V. 48), das ist eine Frage für sich,
denn es wird niemanden überzeugen, wenn man sagt, pradadau
bedeute nicht, daß der König die Gelder gegenständlich ver¬
ausfolgte, sondern nur zu geben versprach, behändigt worden
seien sie später in der Stadt. Der Text ist dafür zu unmi߬
verständlich, der Gesang zerbräche bei einer so gezwungenen
Deutung nur noch mehr, als er es ohnedem schon tut. Für¬
wahr, wenn Asvaghosa hier etwas erzählt, dann sind seine
Fähigkeiten als Dichter alles andere als überzeugend.
Aber der Ort, wo sich diese Episode mit den brahmanischen
Zeichendeutern zutrug, ist um so mehr zweifelhaft, als die
folgende Teilgeschichte von Asita sich nach den unmißver¬
ständlichen Worten des Gesanges selbst im Palaste des Königs
Suddhodana und damit in Kapilavastu abwickelt. Auf dem
Wege durch die Luft (V. 80)*) kommt Asita in die Behausung
des Königs (V. 49), da läßt ihn der Purohita des Königs')
in dessen Palast eintreten (V. 50). Asita begibt sich
Diese Ortsangabe wird im Chinesischen nach dem vermuteten Zu¬
sammenhange eingefügt sein, um den Gang der Ereignisse sich glatter abwickeln zu lassen und beide Teilgeschehen miteinander zu verbinden.
Gerade dieser Zusatz scheint mir nur deutlicher herauszustellen, wie
unverbunden beide Episoden nebeneinander standen.
1) Vgl. z. B. Kern, Geschiedenis, i, 28.
2) Eingangs des chinesischen Textes wird wieder eine Ortsangabe eingeschoben: ^ii^H^t'/^StfilllA/^BISiriiPE/
• • • / 3jS Ib I ^ /• Ich glaube nach der sonstigen Überlieferimg des
Textes auch hier, daß im Chinesischen zugefügt wurde, Asita habe
sich in einem Garten nahebei befimden, um die beiden Episoden zu
verknüpfen.
3) Nach dem Chinesischen tut es der König selbst ^ ^ ^ ^
^ / 6P Uf A ^ P^- Tibetischer und sanskritischer Text stimmen
überein.
Friedrich Wellbb, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita 313
da sogar in das Frauengemach des Königs Suddhodana
(V. 51)1). Dort ist auch der König Suddhodana (V. 52), der
doch nach v. 7 die Stadt verlassen hatte, v. 28 im Lumbini-
Haine die Geburt seines Sohnes sieht — wofern jedenfalls,
wie bisher nach dem ersten Gesänge zu unterstellen ist, dieser
im Lumbini-Haine geboren wird — und nach V. 83—85 aller-
frühestens am elften Tage nach der Geburt seines Sohnes in
seine Hauptstadt Kapilavastu zurückkehrt. Vom Schauplatze
des Geschehens aus betrachtet bricht hier der erste Gesang
des Buddhacarita hoffnungslos auseinander, wofern wir in
dem Gesänge die vernünftige Erzählung eines geschlossenen,
auch legendären Geschehens erblicken. Denn daß Suddho-
dana vom Lumbini-Haine nach der Stadt Kapilavastu zurück¬
gekehrt sei, wird nirgends berichtet.
Wie sehr aber die Erzählung hier zerbricht, das erhellt
aus dem Fortgange der Episode nur noch mehr. Hebt doch
der König Suddhodana im Frauengemache seines Palastes ein
Grespräch mit Asita an (V. 53—57). Dieser sitzt (V. 52). Auch
hier stehen wir unvermittelt vor einer vollzogenen Tatsache,
erfahren wir aus dem Gesänge doch nicht, daß er sich gesetzt
hätte. Sonst lassen es sich die Inder nicht gerne entgehen,
in einer Abfolge von Handlungen die aufeinanderfolgenden
oder gefolgten Teilhandlungen anzugeben, das Absolutiv
bietet dazu ja eine bequeme Möglichkeit. Auch Asvaghosa
verwendet im Buddhacarita unterweilen dies Stilmittel, in
einer längeren Abfolge von Handlungen keine Teilhandlung
auszulassen, wenn er erzählt. Ich verweise z. B. auf iii,
8—10; V, 23/24; 26/27: 40—44; 79; vi, 55/56; vü Anfang,
besonders V. 11; viü, 5/6; 23/24; ix, 9; x, 1/2; 18; 22; xv,
14/15; xvi, 51/52.
Noch seltsamer berührt es, daß auch der Prinz sich in
dieser Asita-Episode mit seinem Vater zusammen im Frauen¬
gemache des Suddhodana, also in Kapilavastu befindet
1) Wenn angegeben wird, daß Asita dies vanasamjnayd tat, so
kaim dieser Vergleich doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß der
Schauplatz der Handlung eüi anderer ist. Vielleicht ist dieser Aus¬
druck aber mit Fleiß gewählt worden, um Hörer oder Leser über die
Verschiedenheit im Orte hinwegzulotsen.
314 Friedrich Weller, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita
(V. 58), von dem wir doch bisher nach dem ersten Gresange des
Buddhacarita glaubten unterstellen zu müssen, daß er mit
beiden Eltern im Lumbini-Haine sei. Wie er in dieser Episode
in die Stadt kommt, der nach V. 83—85 scheinbar doch aller-
frühestens am elften Tage nach seiner Geburt vom Lumbini-
Wäldchen nach Kapilavastu gebracht wird, das bleibt uns
im ersten Gesänge des Buddhacarita verborgen. Faßt man
diesen als Erzählung eines auch nur legendären Gteschehens
auf, dann ist der Gesang ein unentwirrbarer Gallimathias.
Dort, im besagten Frauengemache, nimmt nun sein Vater
den Prinzen vom Schöße der Amme*), auf dem er sich be¬
findet (ädäya dhätryangagatam kumär am) und zeigt ihn dem
Asita (samdarsayämäsatapodhanäya) (V. 59). Trotzdem heißt es
V. 61, daß Asita den Prinzen auf dem Schöße der Amme sieht
(dhätryankasamvisiamaveksya cainam)^), von dem ihn sein
Vater zwar eben genommen hatte, aber an solchen Kleinig¬
keiten wird sich nun kaum noch jemand stoßen, wenn schon
das Große so auseinanderbricht, daß es auch als legendäres
Greschehen einfach unmöglich ist. V. 60 sieht Asita auch die
Merkmale am Körper des Prinzen, die nur zu sehen sind, wenn
der Prinz unbekleidet ist. Es mag sein, daß die übernatür¬
lichen Fähigkeiten, die der Heilige Asita besitzt, auch hier
helfen, durch eine Bekleidung hindurchzusehen, wir erfahren
es aus dem Gesänge nicht.
Bis V. 80 einschließlich wird kein Ort der Handlung
mehr angegeben, aber zweifellos trägt sich die ganze Asita-
Episode - im Prauengemache des königlichen Palastes in
Kapilavastu zu.
Wenn man nun bedenkt, daß erst V. 85 Suddhodana den
1) Hier hat der tibetische Text merkwürdigerweise yum = Mut¬
ter. Der chinesische Text weicht ab. Damach befiehlt der König
Suddhodana, den Prinzen herauszubringen, um ihn dem Asita zu
zeigen (^W^llIAife/■^^?ilSiBl/^#±^{^i/J^^^^:
j^^ ■flij A / (2 c 25). Ich kann nicht erklären, warum dieser Text
abweicht, ich glaube aber na^h aUem sonstigen, daß sanskritischer
und tibetischer Text ursprünglicher sind. Immerhin zeigt auch nach
dem Chinesischen der König dem Asita seinen Sohn in Kapilavastu.
2) Tib. ma mai pati na. Der chinesische Text hat nur : •fllj A
^ vom Schöße der Amme steht also hier auch nichts.
Fbiedbich Wblleb, Schauplatz und Handlung im Buddhararita 315
Entschluß faßt, nach Kapilavastu zurückzukehren (matima-
karonmuditah purapravese) von dem Haine Lumbini, wohin
er V. 7 ausgezogen ist und sich v. 28 anscheinend noch be¬
findet, so kann die ganze Asita-Episode eigentlich überhaupt
nicht stattgefunden haben. War doch außer dem Prinzen
auch der königliche Vater, die Mutter außerhalb Kapilavastus,
von anderen Leuten ganz zu schweigen (V. 87/88), wenn wir
auch nicht erfahren, daß diese letzteren Kapilavastu verließen
und wie sie nach dem Lumbini-Haine kamen.
Als Erzählung eines Geschehens aufgefaßt, wird der erste
Gesang des Buddhacarita einfach Unsinn, dies um so mehr,
als neben dem Orte der Handlung auch die Zeit, in welche
die Asita-Episode gerückt wird, in schreiendem Widerspruche
zu derjenigen steht, in welche das Geschehen im Lumbini-
Haine gesetzt ist. Kann sich doch auch der Besuch Asitas
im Frauengemache Suddhodanas zu Kapilavastu nur gar
kurze Zeit nach der Greburt des Prinzen zugetragen haben,
jedenfalls nach Asvaghosas erstem Gesänge des Buddha¬
carita. Andernfalls würden nämhch die V. 57 cd und 58
schlechterdings unverständhch. Denn da wird berichtet, daß
Asita eine Stimme im Lufträume hörte, welche aussagte, daß
Suddhodana ein Sohn geboren wurde, der die Erleuchtung
gewinnen würde [divyä mayädityapathe srutä vägbodhäya
jätastanayastaveti), er daraufhin dies an Zeichen bestätigt
findet und herbeigekommen ist, den doch wohl eben geborenen
Prinzen zu sehen. Wenn all das, was Asita hier erlebte, sich
nicht bei der Geburt des Prinzen ereignete, wird die Geschichte
innerlich sehr unwahrscheinlich, der Inhalt dieser angezogenen
Verse wird sehr schwer, wenn überhaupt, erklärbar. Unter¬
stellen wir aber doch einmal, daß Asita die Stimme eine Zeit
nach der Geburt vernahm und die Zeichen eine Zeit darnach
wahrnahm. Dann kommen wir mit dem Buddhacarita jeden¬
falls erst recht in die Brüche. Grehen wir nämlich vom Texte
des Buddhacarita aus, wie er im ersten Gesänge dasteht,
dann müßte dieser Besuch Asitas vor der Zeit stattgefunden
haben, zu welcher das jätakarman vom Könige vollzogen
wurde, davon wird erst V. 82 berichtet. Nach diesem Zeit¬
punkte vergehen noch zehn Tage, ehe Suddhodana die Götter
316 Friedrich Welleb, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita
ehrt, Gedeih für seinen Sohn zu erflehen (V. 83) und erst da¬
nach kehrt er in die Stadt Kapilavastu zurück, in der Asita
den Prinzen und seinen Vater sieht. Dann könnten die Mutter,
der Vater und der Prinz erst später als den elften Tage nach
der Greburt in die Stadt zurückgekehrt sein, die Lage würde
damit aber nur noch unmöglicher, als sie es so schon ist.
Im Vorbeigehen möchte ich darauf hinweisen, daß nach
dem Buddhacarita die Mutter des künftigen Buddha nach
dem Buddhacarita nicht sieben Tage nach der Geburt ihres
Sohnes stirbt*), sondern mindestens am elften Tage noch
am Leben war. Hier weicht Asvaghosas Bericht inhaltlich
von Angaben anderer Legendenform ab.
Dem braucht hier nicht weiter nachgegangen zu werden,
trotz aller und auch tüchtiger Arbeiten ist die Buddha¬
legende noch wenig in ihrem Werden erkannt. Es kann für
meine Zwecke sein Bewenden damit haben festzustellen, daß
es auch die zeitlichen Verhältnisse einfach unmöglich machen,
selbst nur ein legendäres Geschehen erzählt zu sehen, es sei
denn, der künftige Buddha sei gleichzeitig an zwei Orten
geboren worden, nämlich im Frauengemache des Suddhodana
zu Kapilavastu und im Haine Lumbini. So, wie die Dinge
im Buddhacarita ,, erzählt" sind, kann es sich nach allem
eigentlich nur mehr darum handeln, daß Fragmente zweier
verschiedener Geburtsgeschichten vorliegen. In der Asita-
Episode des Buddhacarita wurde Siddhärtha im Frauen¬
gemache seines Vaters in Kapilavastu zur Welt gebracht,
in einem anderen Berichte im Haine Lumbini. In jedem Falle
aber wird der erste Gesang des Buddhacarita als Erzählung
einfach unmöglich, auch wenn noch so viele Wunder bei der
Geburt geschehen.
Bleiben wir aber fürs erste beim Orte der Handlung.
V. 81 wird berichtet, daß Asita durch die Luft fortgeht —
gewiß aus dem Frauengemache des Suddhodana —, seiner
Schwester Sohn sieht und ihn darauf auffordert, sich später
dem gewordenen Retter der Menschheit anzuschließen. Wo
dies geschah, erfahren wir aus dem Buddhacarita nicht, dem
1) Senabt, Essai aur la legende du Buddha, Paris, 1876, S. 202,333.
Fbiedbich Welleb, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita 317
Schauplatze der Handlung nach hängt dieser Vers in der
Luft*).
V. 82 erzählt mit doppelsinnigem Ausdrucke, daß Suddho¬
dana die Gefängnisse öffnet, und weiter, daß er die Geburts¬
zeremonie vollziehen läßt. Vielleicht ist dazu der Lumbini-
Hain nicht der denkbar geeignetste Ort, vielleicht ist Suddho¬
dana aber auch noch in Kapilavastu. Wer will noch ent¬
scheiden, wo sich das zuträgt ?
Zehn Tage später ehrt er, Glück für den Neugeborenen zu
erflehen, die Götter (V. 83) mit Opfern, Gebeten, Darbrin¬
gungen und Zeremonien. V. 84 gibt er den Brahmanen
hunderttausend Kühe mit vergoldeten Hörnern und mit Käl¬
bern. Wenn die Erzählung in Ordnung wäre, müßte man
nach V. 85 annehmen, daß im Lumbini-Haine geschah, was
V. 82—84 berichtet wird. Denn V. 85 wird angegeben, daß
sich Suddhodana — nur um ihn kann es sich bei dem Fürsten
handeln — entschließt, in die Stadt (pura) zurückzukehren.
Das kann nur vom Lumbini-Haine aus geschehen sein. Viel¬
leicht wird diese Ortsverteilung aber nicht jeder glauben,
ein anderer meint vielleicht, die Verse 82—84 spielten in
Kapilavastu, weil zum mindesten bis V. 80 die Asita-Episode
sicher da statthat, und sich bei der Gelegenheit Suddhodana
dort befindet. Die Erzählung ist also auch hier unklar und
verworren.
Als jedenfalls Suddhodana, der nun wieder im Lumbini-
Haine ist — wie er aus der Asita-Episode dahin kam, bleibt
freilich dunkel —, sich zur Rückkehr nach Kapilavastu ent¬
schließt, besteigt die Mutter mit ihrem Sohne zusammen
(apatyanäthä) eine Sänfte [sibikä) (V. 86) und zieht mit ihm,
von den Alten geleitet — wie diese in den Park gekommen sein
1) Mir scheint, daß der chuiesische Text S. 3 c, Z. 2ff.: |g 0^
un^ I ^"f-^m^ I xmmnk^ rök-&^%mi
^ -6 fi: 1: / 3^ (IS) Sl ^ S ^ / das original völlig mißverstan-
den hat. Daraus glaube ich neben anderem auch mit entnehmen zu
dürfen, daß im einzelnen diesem Texte kein besonderes Gewicht beizu¬
messen ist, wenn sanskritischer oder tibetischer Text oder beide zu¬
sammen abweichen.
2 1
318 Friedrich Weller, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita
mögen, ist aus dem Gesänge nicht ersichtlich —, vor dem
Könige in die Stadt ein (V. 87).
Wozu der Prinz und sein Vater noch in die Stadt einziehen,
ist gar nicht abzusehen, da sie sich in der voraufgehenden
Asita-Episode ja schon in der Stadt befinden. Als Erzählung
betrachtet ist das alles schlechterdings Unsinn, so kann sich
auch keine noch so wundergesegnete Legende abrollen.
Nachdem der König in seine Behausung zurückgekehrt ist
(V. 88), tut er in seiner Freude viel Gutes, ganz Kapilavastu
freut sich (V. 89).
Niemand wird nach dieser Beschreibung mehr glauben,
daß im ersten Gesänge des Buddhacarita auch nur eine
Geburtslegende vernünftig erzählt würde. Hier kann es
sich wesenhaft gar nicht darum handeln, daß ein geschlossen
sich abrollendes Geschehen erzählt wird, weil der Gesang
sich einfach aufhebt, er ist Unsinn. Schauplätze der Hand¬
lung, Zeit des Geschehens stehen in einem solch unentwirrbaren
Widerspruch zueinander, daß die Teile sich gegenseitig aus¬
schließen, wie sie das Ganze aufheben. Asvaghosa müßte
reichlich dumm und der traurigsten Stümper einer gewesen
sein, die es unter Dichterlingen je gegeben hat. Der erste
Gesang bricht als Erzählung innerlich hoffnungslos ausein¬
ander. Denn es kommt noch dazu, daß sich wie im großen
auch im kleinen Ungereimtheiten innerhalb einer Episode
finden, wenn man den Ort der Handlung ins Auge faßt.
V. 8/9 wird angegeben, daß Mäyä sich im Walde (Lumbini)
auf ein Lager begibt, als sie die Zeit der Gleburt nahen fühlt.
Ich will es hier übergehen, daß im Buddhacarita Mäyä sich
nicht in der sonst aus der Geburtslegende sattsam bekannten
Stellung an einen Baum anlehnt und stehend den nachmaligen
Buddha zur Welt bringt, sondern daß dieser, wenn wir dem
Buddhacarita glauben dürfen, aus der rechten Seite der Mutter
geboren wurde, während sie auf einem Lager lag, auf das V. 8
sie sich begeben läßt. Schon oben*) stellte sich heraus, daß
die Buddhalegende im Buddhacarita Züge aufweist, die land¬
läufigerer Fassung fremd sind. Ich will es auch nicht berühren,
1) S. 3, 11.
Friedrich Weller, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita 319
daß wir nicht erfahren, wo das mit einem Baldachin über¬
spannte Lager herkommt, auf dem sie ruht, ich möchte nur
auf folgendes hinweisen. V. 14—16 geht der Prinz seine sieben
Schritte, stößt, wie oben angegeben, seinen Siegesruf aus und
wird von zwei Wasserstrahlen erfrischt. Er befindet sich also
annehmbar auf der Erde. Da ist es etwas reichlich unver¬
mittelt, daß wir ihn V. 17 auf einem Lager finden {sayane
sayänam . . . yaksadhipäA samparivärya tasthuk). Der Ort
wechselt hier selbst im Teilgeschehen auffällig, denn wir er¬
fahren aus dem ersten Gesänge nicht, wie der Prinz auf die
Erde steigt und wie er wieder auf das Lager kommt*).
Weiter hatte ich schon oben S. 9 darauf hingewiesen,
daß innerhalb dgr Asita-Episode der Prinz plötzlich auf dem
Schöße der Amme gesehen wird, von dem ihn sein Vater zwei
Verse vorher genommen hatte, um ihn dem Asita zu zeigen.
Es wird auch hier nicht erzählt, daß der Vater ihn zurücksetzt.
Dieser Ortswechsel ist unvermutet und nicht recht eingängig.
Seltsamerweise tritt in dieser Episode im Sanskrittexte die
Mutter des Prinzen überhaupt nicht auf, sondern statt ihrer
die Amme.
Auch hier im kleinen enthält der Gesang inhaltliche
Schwierigkeiten, wenn man den Schauplatz des Geschehens ins
Auge faßt, Schwierigkeiten, die sich mit dem Wesen einer
Erzählung einigermaßen schwer vereinigen lassen, und die
auch der fromme Glaube an Wunder nicht überbrücken kann.
Leider gibt es noch keine Untersuchungen, in denen die
charakteristischen Eigentümlichkeiten indischer erzählender
Versdichtungen behandelt werden. Mir scheint aber, daß man
auch dann dieser Gegebenheiten im ersten Gresange des
Buddhacarita nicht Herr wird, wenn man darauf hinweist,
daß die indische Kunstdichtung überhaupt mehr darauf aus¬
geht, in einem Verse Zustände zu beschreiben als in der Vers¬
dichtung eine Entwicklung zu schildern*). Auch mit dieser
1) Windisch, Buddhas Oeburt und die Lehre von der Seelen¬
wanderung, S. 137, stellt zwar den Befund fest, erklärt die seltsame Lage aber nicht.
2) So auch Johnston, Buddhacarita, Übersetzungsband,
S. Ixxxiii/lxxxiv/lxxxv.
320 Fbiedbich Weixeb, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita
Voraussetzung sind die Widersprüche im Gesänge nicht zu
klären, der Gesang bleibt zerbrochen.
Sucht man nach anderer Erklärungsmöglichkeit, so wird
man vielleicht zunächst daran denken, die Schwierigkeiten so
zu meistern, daß man vermutet, der Gesang sei in gestörter
Ordnung seiner Teilgeschichten überkommen, beispielshalber
sei die Asita-Episode nachträglich eingeschoben worden oder
im Verlaufe der Überlieferung des Werkes an eine falsche
Stelle gerutscht, sie möchte von Haus aus erzählt worden sein,
nachdem Suddhodana in die Stadt zurückgekehrt war, also
hinter V. 89, weil dann für diese Episode der Wechsel im
Schauplatz des Geschehens natürlich und in Ordnung sei.
Dies anzunehmen ist aber ganz sicher unmöglich, weil der
Schlußvers 89 als einziger im ersten Gesänge ein anderes
Metrum hat als die restlichen Verse des Gesanges. Und da
die Asita-Episode im selben Versmaße abgefaßt ist, wie die
übrigen Teile des ersten Gesanges, kann sie nicht hinter V. 89
gestanden haben. Dabei bliebe überdem die kleinere Unge¬
reimtheit noch unaufgeklärt, daß der Prinz sich unvermutet
wieder auf dem Schöße der Amme befindet, von dem ihn sein
Vater kurz vorher genommen hat.
Auch wird man, weil Ort und Zeit in dieser Asita-Episode
im Widerspruche zu anderen Teilhandlungen des ersten Ge¬
sanges stehen, diese Geschichte kaum als späteren Einschub
ansprechen können. Nach diesem Grundsatze verfahren,
bliebe vom ganzen ersten Gesänge nämlich überhaupt kaum
etwas übrig. Weiter spricht die Überlieferung dagegen, die
Asita-Episode als später eingeschoben zu betrachten. Sie ist
in der Stoffabfolge im Tibetischen, Chinesischen und weit¬
reichend auch im erhaltenen Sanskritfragmente des ersten
Gesanges zu fest und einheitlich. Auch müßte der erste Ge¬
sang in sehr früher Zeit grauenhaft zerstört worden sein.
Denn da die chinesische Übersetzung aus den Jahren 414—421
stammt*), muß das indische Originalmanuskript, das ihr zu¬
grunde liegt, älter sein. Ist das Buddhacarita rund um
50 V. —100 n. Chr. entstanden*), so stände ein Zeitraum von
1) B. Nanjio, Catalogue, 1351.
2) Johnston, Buddhacarita, Übersetzungsband, S. xvii.
Fbiedbich Welleb, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita 321
etwa einem Viertel Jahrtausend zur Verfügung. Innerhalb
eines Zeitraumes von 250—300 Jahren kann ja gewiß aller¬
hand geschehen, die Zerstörung der Überlieferung müßte aber
dann doch wohl noch zu einer Zeit erfolgt sein, als nur ein
Manuskript des Buddhacarita bestand, denn sonst könnten
chinesische und tibetische Übersetzung nicht so genau in der
Abfolge der Teilgeschichten übereinstimmen. Zwar gilt
I-tsings Nachricht*), daß das Buddhacarita weit verbreitet
war, für eine andere Zeit als diejenige, welche hier in Frage
kommt, man kann sich darnach aber nicht recht vorstellen,
daß, wenn das Werk zu seiner Zeit auch in Indien weithin
gelesen und vorgetragen wurde, dies in einer voraufgehenden
Zeit wenig oder kaum bekannt war. Dann dürfte aber eher
anzunehmen sein, daß auch in älterer Zeit mehr Manuskripte
umliefen als eines, so wenig dies zu beweisen ist. Ich fürchte,
all dies sei nicht recht angetan, die Annahme zu stützen,
daß hier ein Einschub vorliegen könne, die Verhältnisse, unter
denen der erste Gesang überliefert worden wäre, schienen mii
in einigem Gegensatze zu denen zu stehen, unter welchen,
soweit ich sehen kann, das übrige Werk überliefert wurde.
Überdem wären mit der Asita-Episode die sachlichen Schwie¬
rigkeiten des ersten Gesanges wirklich nicht bereinigt. Ich
glaube nach allem, daß Johnston recht hat, wenn er auch
den ersten Gesang des Sanskrits für echt hält*), und doch
enthält dies Sanskritfragment allein für sich betrachtet des
Ungereimten und Unreimbaren schon reichlich genug. Es ist
auch kein Grund abzusehen, warum der tibetische Text an¬
gezweifelt werden sollte, stimmt er doch im ganzen recht gut
zum chinesischen.
Es kommt aber noch etwas anderes hinzu, das auch dafür
spricht, daß die seltsamen Verhältnisse des ersten Gesanges,
welche ich zur Sprache brachte, nicht ausweisen, daß der
Text des ersten Gesanges gestört überkommen sei, sondern
viel eher dafür, daß sie dem Buddhacarita von Haus aus eignen.
Das ist, daß sich solche Unausgeglichenheiten, Ungereimt-
1) Die Stelle ist auch bei Johnston, Buddhacarita, Überaetzungs- band, S. xxxvi, abgedruckt.
2) Buddhacarita, Überaetzungaband, S. xviii.
% 1 *
322 Friedrich Wbller, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita
heiten, wiewohl nicht so knüppeldick, doch auch in anderen
Gesängen des Buddhacarita finden.
Vom xxi. Gesänge soll dabei einmal abgesehen werden,
weil er vermeldet, wo Buddha sich auf seinen Missionswan¬
derungen aufhielt. Mag der Gesang im einzelnen auch wenig
klar sein, so ergibt sich der Ortswechsel aus der Sachlage*).
Ich möchte nur auf folgende inneren Unstimmigkeiten im
Buddhacarita hinweisen :
Zwar heißt es vi, 5, Chandaka habe dem Bodhisattva gegen¬
über seine Pflicht erfüllt, indem er dem Rosse folgte, aber
daß V, 7 Iff. vergessen wird zu berichten, Chandaka sei dem
Prinzen bei seinem Auszuge gefolgt, daß nicht angegeben wird,
wie er ihm folgte — indem er sich am Schwänze des Rosses
festhielt —, das ist zum mindesten sehr ungeschickt oder
immerhin befremdlich. Selbst wenn der zweite Zug der
Legende, daß sich Chandaka am Schwänze des Kanthaka
angehalten habe, Asvaghosa unbekannt war, bleibt es auf¬
fällig, daß nichts davon gesagt ist, daß Chandaka mit dem
fliehenden Prinzen hinauszieht. Ich kann mich hier, wie
gelegentlich auch noch an anderer Stelle des Buddhacarita,
nicht des Eindruckes erwehren, daß solche Auslassungen wie
die, daß Chandaka dem Prinzen folgte, eine vollständigere,
geschlossenere Form der liegende voraussetzen*). In der¬
gleichen Fällen erhebt sich die Frage, ob Asvaghosa schlecht
1) Daß dieser Bericht geschichtlich unmöglich ist, steht auf einem
anderen Tapet. Das geht schon daraus hervor, daß Buddha hier auch
in Gandhära bekehrt, noch ehe Ajäta^atru von Magadha gewonnen
ist. Dieser legendäre Bericht über Buddhas Missionswanderimgen ist
damit gewiß jünger als die Ausbreitung des Buddhismus in Gandhära.
Vgl. auch Przyluski, Le Parinirväna et les Funerailles du Buddha,
Paris 1920, S. 89 und Anm. 1. Vielleicht steckt auch hinter dem
Verse vii, 35 eine geschichtliche Erinnerung. Es wird da gesagt, daß die Einsiedler dem Bodhisattva folgen, als er die Einsiedelei verläßt,
wie große Heilige (maharfayah) dem Dharma, wenn anärya ein Gebiet
überwältigen. Daß imter den anärya Anhänger irgendwelcher in¬
dischen Religionssysteme zu verstehen seien, scheuit doch nicht so
ohne weiteres wahrscheinlich zu sein.
2) Vgl. auch Johnston, Buddhacarita, Übersetzungsband,
S. xxxix, Z. 21 ff.
Friedrich Weller, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita 323
erzählt und zwei Gesänge nicht logisch geschlossen durch¬
führen kann, oder ob vielleicht äußere, von Asvaghosa ganz
unabhängige Gegebenheiten diese Lücken im logischen Aufbau
veranlaßten.
Sei dem zunächst, wie immer ihm wolle, kehren wir dazu
zurück, weitere Unebenheiten im Buddhacarita aufzudecken.
Im ganzen viü. Gesänge wird nicht vermeldet, daß Chan¬
daka das Juwel des ausgewanderten Prinzen dem Könige
Suddhodana übergibt, wie zu tun ihm doch vi, 13ff. war an¬
befohlen worden, ja der ganze Auftrag, welchen Chandaka
da vom Prinzen erhielt, wird, wie man nicht verkennen kann,
einigermaßen schlecht bestellt, ix, 9 steigen der Purohita und
der Minister, welche dem ausgezogenen Prinzen im Auftrage
Suddhodanas folgen, um ihn zu bestimmen, wieder in seine
Pflichten als Kronprinz zurückzukehren, von einem Wagen
herab. Daß sie einen bestiegen, erfahren wir am Ende des
viü. Gesanges nicht. Es mag sein, daß es als selbstverständ¬
lich unterstellt wird, daß die nächsten Ratgeber des Königs
zu Wagen reisen, aber man fragt sich immerhin, woher ix, 82
die Spione kommen, welche Purohita und königlicher Rat
dem Bodhisattva nachschicken, denn wir erfahren nichts da¬
von, daß sie mit einem Gefolge auszogen. Vielleicht ist das
auch selbstverständlich — im Buddhacarita scheint überhaupt
allerhand selbstverständlich zu sein —, wie aber der Beamte
Bimbisäras x, 11 wissen kann, daß der auffällige Religiose,
welcher eben zugewandert ist, dem Geschlechte der Säkya
entstammt und die höchste Erleuchtung gewinnen will, das
ersieht man aus dem Gedichte nicht. Hält man sich auch vor,
daß im Orient mündlich Nachrichten mit erstaunlicher Schnel¬
ligkeit weiterlaufen, sehr geschickt abgefaßt ist die Stelle als
Erzählung nicht, xii, 119 wird der Grasmäher eingeführt,
als handle es sich um etwas, was man eben schon weiß, so
unvermittelt geschieht es. xiv, 82/83 kommen die Begriffe
avidyä und samskära für mein Empfinden der vorausgehenden
Erwägung gegenüber etwas unerwartet, denn es werden damit
zwei im Kopfstücke verschiedene Kausalitätsreihen angeführt.
Auffälligerweise wird xvi, 3—15 nichts berichtet, daß Yasas
mit den 53 Freunden zusammen war, welche xvi, 16/17 auf-
ZeitschrUt d. DUO. Bd. 83 (Neue Folge Bd. 18) 22
324 Fbiedbich Welleb, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita
treten und von Buddha bekehrt werden. Sie treten reichUch
unvermittelt auf, wie mir scheint unverständlich, wenn dieser
Zug der Legende, daß Yasas mit ihnen zusammen war, nicht
stillschweigend als bekannt vorausgesetzt wird. Dies dürfte
auch für xvi, 45 gelten, wo aus dem Buddhacarita niemand
ersieht, wie die tausend Hörer zusammenkommen, wofern die
im Gedichte fehlenden Einzelheiten nicht als bekannt vor¬
ausgesetzt werden, xvii, 3 geht Asvajit aus dem Venuvana
Almosen zu betteln nach Räjagrha und kehrt xvii, 15 dahin
zurück. Es bleibt aber nach dem Buddhacarita recht dunkel,
wie er überhaupt dahin kommt und mit Buddha zusammen
im Venuvana weilen kann. Denn xvi, 19/20 weist Buddha die
bis dahin vorhandenen Arhant an, auf Mission auszuziehen,
und zu diesen Arhant gehört auch Asvajit (xv, 16). Wenn es
demnach xvi, 48 heißt, daß Buddha mit allen nach Räjagrha
geht, so können damit, jedenfalls nach dem Buddhacarita,
der ganzen Sachlage gemäß doch nur die Gebrüder Käsyapa
mit ihren bekehrten Schülern verstanden werden. Denn
xvi, 21 wird ja gesagt, daß Buddha nach Gayä zieht — dort
bekehrt er zunächst Gayä-Käsyapa — und da Asvajit
xvi, 19/20 mit auf Mission gesandt wurde, kann er nicht mit
in Gayä gewesen sein. Es mag ja sein, daß auch hier selbst¬
verständlich ist, daß Asvajit gerade in Räjagrha Mission treibt,
das ändert aber nichts daran, daß die Erzählung ausein¬
anderklafft und des inneren Widerspruches nicht entbehrt,
xvü, 25 bleibt unklar, wie Buddha zum Bahuputrakacaitya
kommt. Nach xvii, 3 und dem vorausgehenden Gesänge (xvi)
befindet er sich im Venuvana bei Räjagrha, Räjagrha aber
verläßt er erst xix, 1, wenn es auch nicht deutlich wird, welcher
Ort xvüi, 2 gemeint ist. Das Bahuputrakacaitya befindet
sich aber bei Vaisäli. Die Lage der Dinge bleibt selbst dann
mißlich, wenn unter dem Bahuputrakacaitya das Bahuputra-
kanigrodha gemeint sein sollte, das an der Straße von Räjagrha
nach Nälandä lag, denn auch so bleibt der Ortswechsel be¬
stehen, und wir erfahren auch in diesem Falle nicht, wie der
Buddha von einem an den anderen Ort kommt, xix, 5 steigt
der König vom Wagen und geht zu Fuß zu Buddha hin ; daß
er einen Wagen bestiegen hätte, erfahren wir nicht. Es mag
Friedrich Welleb, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita 325
das wieder selbstverständhch sein, nur — er hätte ja auch hin¬
reiten können, und in soundso vielen anderen Fällen lassen
es die Inder eben doch nicht aus, anzugeben, daß ein Wagen
bestiegen wird, wenn die Lage die gleiche ist. xix, 55 erfahren
wir etwas unvermittelt, daß Buddha in einen Park bei Kapila¬
vastu zurückkehrt, wir hören vorher nicht, daß Buddha seine
Bleibe dort aufschlug. Derber ist die Unstimmigkeit in den
örtlichen Angaben beim Verse xix, 42. Da zieht Buddha in
die Stadt Kapilavastu ein, es ist aber vergessen worden, ihn
aus dem Lufträume auf die Erde kommen zu lassen. Dorthin
war er aufgestiegen, um vor seinem Vater seine Wundertaten
zu vollbringen (xix, 16). xx, 3 schenkt Sudatta Buddha das
Jetavana-Kloster. Wie Sudatta hier eigentlich in diesen
Park kommt, ist zum mindesten nicht eben deuthch gesagt.
Widerspruchsvoll sind die örthchen Verhältnisse xx, 53ff.
V. 53 kehrt Prasenajit nämlich nach Srävasti zurück, wäh¬
rend Buddha in Jetavana bleibt. Wie ihn bei dieser räum¬
lichen Trennung Prasenajit darnach auffordern kann, Wunder
zu tun, um die Sektierer zu überwinden (xx, 54), das geht uns
schwerfälligen Europäern nicht so leicht ein; mag die Be¬
völkerung von Srävasti Buddha auch mit Recht dafür geehrt
haben (xx, 56), für uns bleibt der Schauplatz der Handlung
einigermaßen dunkel im Buddhacarita. Wir werden wohl eher
glauben, daß die Erzählung hier zerbricht, xxii, 20—36 warnt
der Buddha die Mönche vor der Braut des Liebesgottes
Ämrapäli; xxii, 55 lobt er sie. Man sollte erwarten, daß der
allwissende Buddha die Bekehrung dieses Mädgeleins doch
etwas genauer voraussieht, denn Lob oder Tadel wirkt etwas
seltsam. Hier ist vielleicht wirklich die Kurzsichtigkeit
Asvaghosas verantworthch für den etwas peinlichen Gegen¬
satz von Lob imd Tadel, er wird sich von der augenblicklichen
Lage haben gefangennehmen lassen, ohne ans Ganze zu
denken, xxiii, 8 fragt man sich vergeblich, wo die Löwensitze
herkommen, auf denen Sirnha und die anderen Platz nehmen.
XXV, 35 entläßt Buddha diejenigen, welche ihm folgen, wir
hören aber im Gresange nichts davon, daß ihn jemand ge¬
leitete, noch wer es tat. Unklar bleiben die örtlichen Verhält¬
nisse XXV, 53ff., zumal wenn man xxv, 65 und xxvii, 70 zu-
22*
326 Friedbich Welleb, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita
zieht. Wofern die Hiranyavati sich nicht im Bogen um die
Stadt der Malla herumzog, scheint es so, als trügen die Malla
den Leichnam Buddhas ziemlich oder ganz im Kreise herum
durch ihre Stadt, xxv, 54 badet Buddha in der Hiranyavati,
darauf legt er sich zwischen dem Paare Säla-Bäume zum
Sterben nieder. Danach müssen die beiden Bäume in der
Nähe dieses Flusses gestanden haben, unbeschadet, ob Buddha
ihn nach seinem Bade überschritt oder nicht. Am Sterbe¬
platze legen ihn die Malla auf eine Bahre (xxvii, 60) und tragen
ihn (xxvii, 64) darauf mitten durch ihre Stadt hindurch
(xxvii, 69), die sie durch das Näga-Tor wieder verlassen
(xxvii, 70), um über die Hiranyavati überzusetzen und beim
Mukutacaitya den Holzstoß für die Einäscherung zu er¬
richten, xxvii, 76 sind aber scheinbar die Malla doch auch in
ihrer Stadt, allwo die nicht verbrannten Gebeine Buddhas
in goldene Krüge gelegt werden. Wie sie, die Buddhas Leich¬
nam einige Verse vorher gerade zur Stadt hinausgetragen
haben, hier sich in der Stadt befinden können, das geht einem
um so schwerer ein, als die Malla nach dem Buddhacarita erst
xxvii, 84 — also viel später — in ihre Stadt zurückkehren.
Das ist alles um so unverständlicher, als man auch nichts
davon erfährt, daß die Reliquien in die Stadt der Malla ge¬
bracht worden sind. Ich für mein Teil glaube beinahe, daß
hier zwei verschiedene Berichte bruchstückhaft durchein¬
andergehen*). In jedem Falle bricht hier die Erzählung an
dem verschiedenen Orte der Handlung ziemlich hoffnungslos
auseinander, wofern ein Geschehen berichtet werden soll, sei
es auch nur legendärer Art. Denn wir erfahren auch gar nicht,
wer eigentlich die Reliquien in die goldenen Krüge legt, die
Mönche sind ja am Scheiterhaufen, und die Malla kehren
angeblich auch erst xxvii, 84 in ihre Stadt zurück, nachdem
die Reliquien da schon längst in die Krüge getan sind, jeden¬
falls nach dem Buddhacarita. Dann bleibt aber auch recht
unklar, wer eigentlich die Preisstrophen xxvii, 76—83 singt.
xxviii, 15 mutet es seltsam an, wenn es heißt, die Könige ent-
1) Vgl. zur Frage nach der Bestattimg Buddhas letztens auch
Pbzyluski, MeUmgea Chinois et Btiddhques, iv, S. 341 ff.
Friedrich Weller, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita 327
schlössen sich zum Kampfe um die Buddhareliquien. Denn
von xxviii, 9 an belagern die sieben Könige die Stadt der
Malla, was doch sicher auch schon Kriegshandlung ist, der
Kampf hat schon eigentlich mit den Versen xxviii, 2 und 5
eingesetzt, die Bürger sammeln sich auf den Wällen und selbst
die Frauen greifen zu, ihre Männer zu rüsten. Woher xxviii, 55
Drona noch den Krug nimmt und wozu das geschieht, das
ist einigermaßen unverständlich aus dem Gesänge. Die Re¬
liquien sind ja schon xxvii, 76 in goldene Krüge in der Stadt
der Malla gelegt. Wenn hier nicht die Legende vorausgesetzt
wird, und zwar in einer immerhin verschiedenen inhaltlichen
Form, dann bleibt das Ganze unverständlich. Das gilt auch
für einen anderen Teil dieser Legende über die Reliquien.
Erfahren wir doch aus dem Buddhacarita nicht, daß die
Brandasche gesammelt worden wäre, woher diese xxviii, 55
genommen wurde, bleibt dunkel und aus dem Buddhacarita
heraus unerklärbar. Auch hier wird ein legendärer Bericht
durch das Buddhacarita als bekannt vorausgesetzt, wenn die
Stelle verständlich werden soll, es scheint mir dabei, daß über
die Eintopfung der Reliquien vielleicht zwei Formen der
Legende umliefen, was vielleicht auch für die Beschreibung
der kriegerischen Verwicklung um die Reliquien gilt, xxviii, 56
werden zehn Stüpa erwähnt, sie sind über den Reliquien (acht),
dem Kruge Dronas und der Brandasche errichtet. Das schei¬
nen dem Buddhacarita nach doch die ersten Stüpen zu sein.
Dann wären an den Orten, wo der Bodhisattva sich das Haar
abschnitt, und wo er sein Gewand austauschte, nach dem
Buddhacarita keine Stüpen erbaut worden, es wird im
Buddhacarita auch nichts über sie berichtet.
Selbst wenn alle diese Gegebenheiten keine so derben Stö¬
rungen im Gang des Geschehens darstellten wie die im ersten
Gesänge, innerlich geschlossen ist die Dichtung, als Erzählung
eines sich abrollenden, auch nur legendären Geschehens be¬
trachtet, auch in den übrigen Gesängen nicht immer. Vom
Orte der Handlung aus gesehen, bricht das Buddhacarita
innerlich an gar mancher Stelle auseinander. Ich kann keine
Handhabe finden, die es ermöglichte, alle diese Erschei¬
nungen daraus abzuleiten, daß die Überlieferung des Buddha-
328 Friedbich Wellbb, Schauplatz und Handlimg im Buddhacarita
carita in jedem EinzeKalle durch irgendwelche Geschehnisse
gestört worden sei, ich bin überzeugt, daß sie dem Grcdicbte
von Haus aus eignen, wie ich das schon glaubte für den ersten
Gesang allein unterstellen zu müssen. Es scheint mir, daß
der Befund in den übrigen Grcsängen dies für den ersten be¬
stätigt. Auch wenn das Buddhacarita das Erstlingswerk
Asvaghosas ist*), hält es, wie ich glaube, doch schwer an¬
zunehmen, Asvaghosa habe öfter als einmal über ein oder
ein paar Dutzend Verse hinweg kein logisch in sich geschlos¬
senes Ganze denken können, dies, trotzdem ihm vielleicht hier
und da wirkhch eine Unbedachtsamkeit unterlaufen ist*).
Mir scheint dagegen zu sprechen, daß doch an beträcht¬
lichen Strecken des Buddhacarita Asvaghosa größere Zu¬
sammenhänge einwandfrei darstellt. Weiter sind in seinem
Werke unterweilen auch später auftretende Personen oder
später eintretende Ereignisse früher eingeführt oder vor¬
bereitet. Ich denke z. B. daran, daß iii, 52 die Frauen für
Gesang iv eingeführt werden; v, 2 wird das Gefolge für v, 8
ins Gedicht gebracht; v, 66 öffnen die Götter die Tore für
die Flucht des Prinzen, so daß er v, 70 an den geöffneten Toren
wirklich einen Wink für sich erblicken kann; vii, 52—57
wird Aräda eingeführt; treten viü, 82 die Spione auch unver¬
mittelt auf, so werden sie durch diesen Vers doch für xix, 3
eingeführt').
Ferner meine ich, daß es vom stofflichen Inhalte dieser
vom Orte der Handlung aus betrachtet untereinander un¬
gereimten Teilgeschehen des ersten Gesanges her unmöglich
wird, die sich widerstreitenden und gegenseitig aufhebenden
Angaben dem Asvaghosa aufzumutzen. Glaube ich doch, daß
sich vielmehr herausstellt, daß diese durch den Schauplatz
des Geschehens oder sonstige Ungereimtheiten voneinander
geschiedenen Teilgeschichten verschiedenen Formen der
Greburtslegende angehören müssen, die nun im Buddhacarita
innerlich unverbunden miteinander verquickt sind.
1) Johnston, Buddhacarita, Überaetzungaband, S. xix.
2) S. 18, 20.
3) Vgl. auch Johnston, Buddhacarita, Überaetzungaband,
S. xciv.
Friedbich Welleb, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita 329
Wenn wir nämlich den stofflichen Inhalt des ersten
Gesanges des Buddhacarita noch einmal überschauen, so
stellt sich doch nach dem Schauplatze des Geschehens ge¬
ordnet folgendes heraus:
Neben einer Reihe von Teilerzählungen der gesamten
Geburtsgeschichte, deren Ort im Gesänge unbestimmt ist
und aus ihm wohl auch unbestimmbar bleibt, spielt eine Reihe
von Teilerzählungen in Kapilavastu, eine andere im Haine von
Lumbini. Ich glaube dabei, daß die letzten beiden Reihen
zwei verschiedenen Zweigen einer Geburtslegende angehören,
die von Haus aus gar nichts miteinander zu tun haben und zu
tun haben können. Zeigt es sich doch, daß gerade die Geburt
des künftigen Buddha in unterschiedlichen Teilgeschichten
des ersten Gesanges an zwei Orte verlegt wird. Einmal
kommt er in dem Haine Lumbini auf die Welt (V. 8/9), einmal
im Frauengemache des Suddhodana in Kapilavastu, dieses
in der Asita-Episode, in welcher nach allem, was der Gesang
an die Hand gibt, eben dort und nicht im Haine Lumbini die
Geburt stattfindet. Dies folgert, worauf ich schon oben S. 10
hinwies, daraus, daß der Besuch Asitas im Frauengemache
des Suddhodana nur unmittelbar nach der Greburt statt¬
gefunden haben kann, wenn der Wortlaut des Gesanges einen
Sinn haben und behalten soll. In der Asita-Legende wäre da¬
mit eine Form der Greburtslegende Buddhas erhalten, welche
aus einer Zeit stammt, in der die üblichere Form der Legende
von der Geburt im Lumbini-Haine noch nicht die einzige
gewesen ist.
Daß wir aber im ersten Gesänge des Buddhacarita mit
anderer Form der Geburtslegende Buddhas überhaupt rechnen
dürfen, erhellt aus einem anderen Umstände. Hier gebiert
Mäyä ihren Sohn nämlich gar nicht stehend an einen Baum
gestützt*). Gehört an sich viel Glauben dazu, anzunehmen,
Asvaghosa habe sich diese berühmte Fassung der Legende
entgehen lassen, wenn sie sich ihm geboten hätte, so läßt sich
glücklicherweise aus dem ersten Gresange des Buddhacarita
1) Darauf hat schon Johnston, Buddhacarita, Übersetzungsband,
S. xxvii, hingewiesen. In Aäokas bekannter Inschrift steht leider
nicht, wie Buddha in Lumbini zur Welt kam.
330 Friedrich Weller, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita
zeigen, daß dieser Legendenzug Asvaghosa, jedenfalls bei
Abfassung des Buddhacarita, sicher nicht vorgelegen hat.
Es wird ja V. 8/9 mit ausdrücklichen Worten gesagt, daß
sich Mäyä in diesem Walde (tasmin vane = Lumbim) auf ein
Lager begibt, als sie die Zeit der Geburt nahen fühlt, und da¬
rauf aus ihrer rechten Seite der nachmalige Buddha geboren
wird. Die Worte der Textstelle sind, wie ich überzeugt bin,
völlig eindeutig und unmißverständlich, der Prinz wird hier
auf dem Lager seiner Mutter geboren. Ein Ortswechsel, daß
die Mutter unter den Baum sich stellt, kann somit gar nicht
angegeben werden. Nach seinem eigenen Wortlaute kann
Asvaghosa also die Geburt aus der unter dem Baume stehen¬
den Mutter auch nicht gekannt haben, sie kann ihm auch nicht
vorgelegen haben, jedenfalls nicht bei Abfassung dieses Ge¬
sanges des Buddhacarita.
Unter dieser Voraussetzung aber, daß Buddha in diesem
Legendenberichte auf dem Lager seiner Mutter geboren wurde,
wird es auch verständlich, daß er sich V. 17 plötzhch wieder
auf einem Lager befindet. Denn am Ende erklärt sich dies
am einfachsten daraus, daß er noch auf dem Lager ist, auf
welchem er geboren wurde. Die Geschichten seiner wunder¬
baren sieben Schritte, seines Siegesrufes und der beiden
Wasserstrahlen, welche ihn erquicken, wären dann Einschübe
unbekannter Herkunft in eine ohnedem geschlossene Form
der Geburtslegende, welche von der üblichen abweichenden
Inhaltes ist. Durch den Einschub ist die ehedem geschlossene
Ortsangabe unsinnig geworden. Schält man diesen Eindring¬
ling heraus, dann ginge die eine Berichtsreihe ungestört weiter,
in welcher der Bodhisattva, nachdem er auf dem Lager
seiner Mutter geboren war im Haine Lumbini, die Ehrungen
der Yaksafürsten, Näga und anderer Wesen auf dem Lager
entgegennimmt. Andererseits darf man nach dem Schau¬
platze des Geschehens vielleicht doch fragen, ob V. 23 nicht
von Haus aus in jenen anderen Zweig der Geburtslegende
gehört, der den Bodhisattva im Frauengemache des Suddho¬
dana geboren werden läßt. In einem solchen Zusammenhange
böte es keine Schwierigkeit, daß in der Nordostecke des
Palastes ein Brunnen entsteht, an dem die Haremsfrauen
Friedrich Weller, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita 331
ihre Verehrung darbringen. Vielleicht, vielleicht gehört in
diesen Zusammenhang auch von Haus aus der Teilbericht,
daß Suddhodana die Geburt seines Sohnes sieht (v. 28—31)
mit der Angabe, wie die Geburt auf die Eltern und die alten
Frauen wirkt, welch letztere sich unsereiner jedenfalls leichter
im Frauengemache als auf einer Fahrt in den Lumbini-Hain
vorstellen kann, die Unterredung mit den Zeichendeutern (bis
V. 48), sowie die Geschehnisse der V. 82—84. Daß die ver¬
meldeten Geschenke in der Hauptstadt ausgeteilt wurden,
scheint am Ende nicht so unwahrscheinlich zu sein.
Kann ich auch zunächst die einzelnen Teilerzählungen der
Geburtsgeschichte, wie sie im Buddhacarita steht, nicht sauber
auf die eine oder andere Form der Legende verteilen, so
scheint mir trotzdem sicher zu sein, daß im ersten Gesänge des
Buddhacarita zwei Geburtslegenden durcheinandergehen,
deren eine im Frauengemache zu Kapilavastu, die andere im
Haine Lumbini spielt. Bei der letzteren ist auffällig, daß der
Bodhisattva auf dem Lager seiner Mutter aus ihrer rechten
Seite geboren wird. Beide Formen sind bei Asvaghosa ver¬
quickt und daraus könnte sich erklären lassen, daß so ab¬
gerissen, unvermittelt ein Schauplatz des Geschehens den
anderen ablöst. Das setzte allerdings voraus, daß diese Ge¬
burtslegende, wie sie Asvaghosa vorfand, oder dort, wo er sie
vorfand, noch keine abschließend feste Form gefunden hatte,
jedenfalls nicht als geschlossene Erzählung, sondern in Teil¬
berichten bestand. Dann liegt es nahe zu fragen, ob die Ab¬
folge der Teilgeschichten, wie sie Asvaghosa vorträgt, über¬
haupt aus einer geschlossenen Erzählung stammt, oder
ob sie möglicherweise einer Ordnung ganz anderer Art ent¬
stammt.
Jedenfalls bestehen gar keine Bedenken, eine andere als
die herkömmliche Fassung der Geburtsgeschichte im Buddha¬
carita für möglich zu halten. Bringen doch auch die anderen
Gesänge Legendenzüge, welche von der landläufigen Form
abweichen, und zwar teilweise nicht wenig.
V, 3 reitet der Prinz, als er zum vierten Male zu seiner
Erheiterung in die Gärten auszieht, auf den früheren Fahrten
benutzt er den Wagen. In anderweiter Überlieferung fährt
332 Friedbich Weller, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita
er auch beim vierten Male auf dem Wagen*). Als er auf seiner
Rückfahrt die Worte der Maid hört (v, 23—25), schenkt ihr
der Prinz nichts*), v, 66/67 fehlt die Episode, daß der aus¬
ziehende Bodhisattva seinen Sohn Rähula und dessen schla¬
fende Mutter betrachtet, auch viü, 32 enthält keinen Hinweis
auf diese Szene, v, 84 sieht der Bodhisattva selbst zum letzten
Male auf seine Vaterstadt zurück, die Erde dreht sich nicht'),
v, 71ff. wird nicht berichtet, daß Chandaka dem Bodhisattva
auf seiner Flucht folgt, indem er sich am Schweife Kan-
thakas festhält*).
vi, 58 wird nichts von einem Stüpa berichtet, der errichtet
wurde, wo der Bodhisattva sein Haar abschnitt*), und wo er
sein weltliches Gewand austauschte*), nach xxviii, 56 kann
Asvaghosa auch nichts davon gewußt haben. Teilweise gelten
in der Überlieferung die fünf Religiösen, welche Buddha an
der Nairafijanä trifft, als Schüler üdrakas, das ist im Buddha¬
carita wie auch sonst in indischerüberlieferung^) nicht der Fall
(xii, 91). xii, 109 erzählt die Geschichte der Nandabalä, vom
Beiwerk ganz abgesehen, insofern anders, als sie gar keiner
Baumgottheit eine Spende um ihretwillen darbringen möchte,
sondern auf göttlichen Antrieb hingeht und dem Bodhisattva
ihren Milchreis darbringt. Man kann den Text doch kaum
anders verstehen, als daß sie zu diesem Zwecke von den Göttern
hinzugehen angetrieben wird*), xiü, 3 werden Mära neben seinen
drei Töchtern auch drei Söhne beigegeben, daß dies von allem
anderen abweicht, darauf hat schon Johnston hingewiesen®).
Sie kehren trotzdem xiii, 14 wieder, xiii, 56/57 geht Mära
fort, weil ihm ein höheres Wesen zuredet, seinen nutzlosen
1) Vgl. z. B. Bigandet, Vie ou legende de Oaudama, S. 58.
Dighanikäya xiv, 2, 13.
2) Vgl. z. B. Kern, Geschiedenis, i, 42/43.
3) Kebn, Geschiedenis, i, 49.
4) Daß er ihm gefolgt war, erhellt aus späterer Stelle des Buddha¬
carita. Vgl. übrigens oben S. 17.
5) Kern, Geschiedenis, i, 51 und Anm. 1.
6) Kern, Geschiedenis, i, 51, Anm. 2.
7) Kern, Geschiedenis, i, 67 und Anm. 4.
8) Kebn, Geschiedenis, i, 60.
9) Buddhacarita, Übersetzungsband, zur Stelle.
Friedrich Wbller, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita 333
Angriff einzustellen, nicht eigentlich, weil er abgeschlagen ist.
xiv, 94 sitzt der eben zur Erleuchtung gekommene Buddha
sieben Tage in Betrachtung unter dem Baume der Erleuch¬
tung, in anderen Überlieferungen verweilt er viermal oder
noch öfter je sieben Tage lang unter verschiedenen Bäumen*),
xxii, 16/17 geht Ämrapäli ungeschmückt zu Buddha hin und
Buddha warnt 20—36 die Mönche vor ihr*), xiii, 1 ff. hören wir
nichts davon, daß sie auf ihrer Rückkehr mit den Licchavi-
Fürsten zusammentrifft, wie sonst berichtet wird. Von dem
zweiten Besuche der Licchavi bei Buddha (xxiv, 31—64), als
sie die Nachricht hören, daß Buddha in drei Monaten ins
Parinirväna eingehen werde, ist sonst kaum etwas bekannt
in der Legende, xxv, 53 geleitet Cunda den Buddha von Päpä
nach Kusinagara, davon wird sonst in der Buddhalegende
nichts erzählt, xxvii, 55—58 spricht ein namenloser Mann,
dem Zusammenhange nach wohl einer der Malla, an der Bahre
Buddhas. Ich konnte keine recht deckende Parallele dazu
an anderer Stelle finden'), xxvii, 61—70 weicht der Bericht,
wie die Malla den Sarg Buddhas tragen, von demjenigen sonst
in der Legende ab. Sie können den Sarg sofort aufheben,
die Götter spielen dabei gar keine Rolle*), auch davon, daß
Buddhas Leiche wie die eines Cakravartin behandelt werden
soll, hören wir im Buddhacarita nichts. Auch die Käsyapa-
Geschichte weicht im Buddhacarita nicht nur durch ihre
Kürze von anderer Fassung der Legende ab, wir hören nichts
von dem Äjivaka-Mönche, der ihm den Tod Buddhas mitteilt.
Daß xxvii, 76 die mit Wasser gereinigten Knochenreliquien
in der Stadt der Malla — wir erfahren nicht von wem — in
goldene Krüge gelegt werden, weicht von sonstiger Legende ab.
1) Kern, Geschiedenis, i, 75 und Anm.
2) Vgl. oben S. 20.
3) Ist diesem Zuge der Legende im Buddhacarita an die Seite
zu stellen, daß in anderer Überlieferung des Berichtes vom Tode
Buddhas die erste Strophe nach dem Verscheiden Buddhas ein namen¬
loser Mönch spricht ? Diese Dinge sind behandelt von Przyluski
in seiner Arbeit : Le parinirväna et les funerailles du Buddha, Paris, 1920, S. 5ff. : Les stances de lamentation.
4) Dighanikäya, xvi, 6, 14ff.
2
334 Friedrich Weller, Schauplatz und Handlung im Buddhacarita
Nach xxviü, 5 weiß man nicht recht, ob hier nicht zwei ver¬
schiedene Legendenformen durcheinandergehen, xxvii, 84
errichten die Malla einen Pavillon über den Reliquien Bud¬
dhas, wovon wir in dieser Form nichts in der Legende hören.
Auch der Streit mit den sieben Königen um die Reliquien
Buddhas, wie er xxviii, 1—15 erzählt wird, weicht von anderer
Erzählungsweise recht ab. xxviii, 53 teilen die Malla die
Reliquien Buddhas in acht Teile, das wird sonst dem Brah¬
manen Drona zugeschrieben.
Vor allem der Bericht darüber, was mit Buddhas Leiche
geschah und wie die Reliquien behandelt wurden, weicht zum
Beispiele von dem im Mahäparinibbänasutta des Dighanikäya
erheblich ab, wobei dieser Bericht aufgeblähter und legenden¬
geschichtlich jünger erscheint, schon deshalb, weil alles viel
mehr in ein überirdisches Geschehen verlegt ist*). Es braucht
hier nicht untersucht zu werden, ob die Päli-Fassung des
Mahäparinirvänasütra jünger ist als Asvaghosa, es ist aber
auch noch nicht bewiesen, daß sie älter ist in der Form, die
sie heute im Päli-Kanon hat.
Sei dem wie ihm wolle, für unsere Betrachtung ist diese
Frage belanglos. Es kam hier ja nur darauf an zu zeigen,
daß auch sonst im Buddhacarita die Buddhalegende in ein¬
zelnen Zügen von landläufigerer Fassung abweicht*), daß also
auch für den ersten Gesang keine Bedenken bestehen. Formen
einer Geburtslegende für möglich zu erachten, die sonst
unbekannt sind.
Daß die Fragmente der Geburtsgeschichte unorganisch im
ersten Gesänge des Buddhacarita nebeneinandergestellt sind,
das sahen wir oben. Unverbunden sind die Episoden, ohne
innere Übergänge und Zusammenhänge, nebeneinanderge¬
stellt. Abgehackt sind sie aneinandergereiht, ja stehen teil¬
weise durcheinander. Eine Szene führt nicht zur anderen.
1) Wie die Buddhalegende dadurch beeinflußt wurde, daß
Buddha vergöttlicht wurde, darüber handelt für die Todesgeschichte
Buddhas Przyluski, Le parinirväna et les funerailles du Buddha.
2) Vgl. auch Johnston, Buddhacarita, Übersetzungsband,
S. xxxix. Es ließen sich wohl nooh mehr Einzelheiten derart finden.