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EUROPA UND SEINE ALTEN MENSCHEN

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Council of Europe

Conseil de l'Europe • * *

*

Standing Conference

of Local and Regional Authorities of Europe

Conférence permanente

des pouvoirs locaux et régionaux de l'Europe

Strassburg, den 5. Oktober 1993 CONF/Sienne (93) Contr. 8

EUROPÄISCHE KONFERENZ

EUROPA UND SEINE ALTEN MENSCHEN

Die Politiken der Städte und Regionen:

eine Gegenüberstellung

(Siena, Italien, 14-16 Oktober 1993) Teatro dei Rinnovati

Piazza del Campo

CONGRESSO"! 54UU

Beitrag von Frau Adele PODLAHA (Österreich), Vereinigung der Österreichischen Städten

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Vergreist unsere Gesellschaft?

Diese kurze und provokante Frage bringt die eigentliche Brisanz dieses Themas gar nicht voll zum Ausdruck. Eines Themas, das mittlerweilen alle Bereiche des öffentlichen, gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens massiv beeinflußt.

Es wird nicht mehr lange dauern, bis auf einen voll im Produktionsprozess stehenden Berufstätigen ein Pensionä kommt. Denn wir sehen uns mit dem

Phänomen konfrontiert, daß immer mehr Menschen immer älter werden. Bereits in 30 Jahren wird bei gleichbleibender Entwicklung ein Drittel der Bürger der meisten Industriestaaten über 60 Jahre alt sein. Das heißt, die Alterspyramide wird sich auf den Kopf stellen. Dieser wahrlich einschneidende, ja fast bedrohliche

demographische Wandel ist bereits im Gange, doch scheint sich noch niemand darauf vorzubereiten, indem er Instrumentarien zur Bewältigung schafft. Was aber tun mit den vielen Alten mit ihrer permanent ansteigenden Lebenserwartung?

Noch vor einem Jahrhundert war Altwerden gleichsam Glücksache! Die mittlere Lebenserwartung betrug rund 45 Jahre. Und heute? Durch den wirklich rasanten Fortschritt in hygienischer und medizinischer Hinsicht speziell in den

Industriestaaten, gibt es beinahe schon einen Garantieschein für ein langes Leben.

Insbesondere der Anteil der Hochbetagten steigt augenfällig an.

Doch anstatt diese Ressourcen an Lebens- und Berufserfahrung, die diese Alten verkörpern, zu nutzen, verbannt unsere Gesellschaft die Alten "hinter den Ofen".

Zur Untermauerung dieser Aussage, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich nur ein Beispiel heranziehen: Trotz aller Bemühungen, das Image des Alters zu verbessern und die vielen Vorteile herauszustreichen, gibt es in den meisten Personalbüros immer noch unübersehbar Ressentiments, wie mangelnde Schnelligkeit oder gesunkene Belastbarkeit, durch die ältere Arbeitnehmern une Arbeitnehmerinnen benachteiligt werden. Man braucht nur die

Arbeitsmarktstatistiken auf Altersgrenzen zu durchleuchten, um klar zu erkennen, daß jene, die im Alter von 50 Jahren und darüber einen neuen Arbeitsplatz suchen müssen, kaum mehr eine reelle Chance bekommen.

Volkswirtschaftlich ist dies ein Wahnsinn! Denn welcher Staat, welche Wirtschaft kann es sich leisten, einen Teil der Bevölkerung einfach als "Altlast" abzutun und sie ohne Rücksicht auf Folgekosten als solche zu behandeln. Und das bei immer längeren Ausbildungszeiten für Arbeiter und Angestellte. Wenn es hier zu keinem massiven Umdenken kommt, ist ein Zusammenbrechen unseres gesamten sozialen Gefüges und unserer sozialen Errungenschaften unausweichlich.

Es wird aber nicht ausreichen, die alten Menschen einfach nur sprachlich zum

"Senioren" oder zum "älteren Mitbürger" zu "adeln", oder Greise mit dem jetzt so modernen und ständig propagierten Fitnessgedanken zu infizieren. Hier sind echte

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Initiativen gefordert! Natürlich hat das Altern auch negative Aspekte, das soll hier gar nicht geleugnet oder beschönigt werden. Ganz gewiss aber, meine geschätzen Damen und Herren, sind wir dazu aufgerufen mehr zu unternehmen, als die Alten nur zu betreuen, sie zu verwalten und an Bastelnachmittagen "sinnvoll" zu

beschäftigen. Es muß mehr geschehenes ein "Jahr der älteren Menschen"

auszurufen und es dann mit Operettennachmittagen und Kaffeekränzchen zu füllen.

Ein dramatischer Wandel hat bereits eingesetzt und ein Umdenken aller ist nicht nur menschlich notwendig sondern auch wirtschaftlich zwingend.

Warum nicht mit 50 noch einen neuen Beruf erlernen? Warum keine

Halbtagsbeschäftigung? Warum nicht einen Teil des Ruhestandes vorziehen?

Gedankenanstöße, die heute noch als Utopien erscheinen mögen, in einigen

Jahren aber ganz sicher ernsthaft diskutiert werden müssen. Es ist absurd, daß die Menschen in der Mitte des Lebens zuwenig, am Ende aber zuviel Zeit zur

Verfügung haben. Als seinerzeit die altermäßigen Pensionsgrenzen festgeschrieben wurden, waren sie eine wichtige soziale Errungenschaft. Heute, angesichts der deutlich gestiegenen Lebenserwartung, beginnen sie ein Anachronismus zu werden.

Altersforscher aller Fachrichtungen und verschiedenster Fachmeinungen haben in den vergangenen Jahren immer wieder aufgezeigt, wie extrem unterschiedlich die körperlichen und geistigen Alterungsprozesse bei verschiedenen Menschen

verlaufen. Und damit haben die Wissenschaftler auch gleichzeitig mit dem gängigen Vorurteil aufgeräumt, das da lautet: "Alte sind krank, gebrechlich und senil".

Heute ist ganz klar der Trend zu verfolgen, daß die älteren Menschen länger im Arbeitsprozess bleiben wollen, daß sie länger aktiv sein wollen und daß sie dies auch bewerkstelligen könnten, wenn man sie nur ließe, wenngleich es hier Einschränkungen in punkto Leistungsdruck und Stress gibt.

Bislang aber bilden die altersmäßigen Pensionsbestimmungen einen beinahe unüberwindlichen Riegel, der es immer schwieriger macht, bei kürzer werdender JZeit des Berufslebens, sowohl die immer zeitaufwendiger werdende Ausbildung der

Jungen wie auch die Pensionen der Alten zu finanzieren. Und dabei treibt die pausenlose Dauerbelastung während des mitteleren Lebensabschnittes immer mehr Menschen immer früher in den Ruhestand und erhöht somit signifikant die Ausgabenseite bei den Pensionstöpfen. Wünschenswert wäre daher, daß sich die Phasen von Arbeit, Freiraum und Ausbildung gegenseitig durchdringen würden.

Das Ergebnis wäre einerseits ein erfüllterer Lebensabend und andererseits eine gesündere und humanere Lebensmitte.

Ein langes Arbeitsleben sollte aber kein Muß sondern eine Möglichkeit sein. Noch ist ein Verbleiben im Arbeits- und Produktionsprozess jenseits der Altergrenze von 65 Jahren in Österreich ein Privileg für Spitzenmanager, Ärzte und andere

Freiberufler sowie für Politiker. Doch der Wandel hat bereits mit Beginn der Diskussion darüber eingesetzt und es sollte daher mittelfristig gelingen, allen Bevölkerungsschichten und Berufsgruppen sinnvolle Arbeitsmöglichkeiten auch

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noch im Alter zu eröffnen. Und es sollte welters gelingen, dieses Alter auch gesund und leistungsfähig zu erreichen, was letztlich wieder eine gute Jugend und eine erfüllte Lebensmitte voraussetzt.

Und die entstehenden Kosten und Budgetbelastungen? Daß das einiges kosten wird, läßt sich nicht wegdiskutieren. Aber wenn wir es mit einem Aufwand von vielen Milliarden geschafft haben, Leben zu verlängern, Leben mit Behinderung zu ermöglichen und die unselige Vorstellung des "unwerten Lebens" zu überwinden, dann werden wir doch auch unschwer in der Lage sein, jene Voraussetzungen zu schaffen, die eine "normale" und damit humane Gestaltung dieses verlängerten Lebens möglich machen.

Zur Erreichung dieses Zieles ist aber wesentlich mehr notwendig, als nur eine Umschichtung der Kosten vorzunehmen oder Menschen davor zu bewahren, gleichsam "automatisch" zum Sozialfall zu werden. Es ist dazu auch wesentlich mehr notwendig, als Einzelpersonen oder Einzelschicksale finanziell abzusichern.

Es geht ganz einfach darum, die Grundbedürfnisse des Lebens wie Waschen, Anziehen, Aufstehen und Essen bis ins hohe Alter hinein nach eigenen

Vorstellungen gestalten zu können und es geht ganz einfach darum, daß dies bei Erhalten der Kommunikation, der Mobilität und der sozialen Teilhabe geschieht.

Solange all diese Bedürfnisse wie von selbst funktionieren, kommt niemand auch nur auf den Gedanken, die eigene Entscheidungsbefugnis darüber in Frage zustellen. Wird aber einmal dabei Hilfe benötigt, dann gibt es plötzlich Vorgaben, denen man sich unterwerfen muß, ganz gleich, ob es nun Vorgaben eines

Sozialamtes, einer Heimleitung oder eines Sachwalters sind. Gerade aber darin, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehe ich eine echte Einschränkung der Grundrechte des Menschen, ja ich möchte sogar soweit gehen, dies als

menschenunwürdig zu bezeichnen. Denn menschenunwürdig zu leben hat nur in den seltensten Fällen etwas mit verkommenen Verhältnissen zu tun.

Menschenunwürdig bedeutet für mich in diesem Zusammenhang vielmehr, nicht mehr alle Freiheiten zu haben, um die eigene Persönlichkeit zu entfalten,

Entscheidungen im Bezug auf die Arbeits- oder auch Wohnsituation sowie in punkto Fortbewegungsmöglichkeiten und Lebensstandard in ihrer gesamten Bandbreite selbst treffen zu können.

Glücklicherweise muß zur Umsetzung und Realisierung all dieser Zukunftsvorgaben nicht mehr bei "Stand Null" begonnen werden. Denn auf allen Gebieten der

Altenpolitik sind bereits Initiativen ergriffen und Aktivitäten eingeleitet worden, die das Ziel verfolgen, die Lebenssituation der alten Menschen zu verbessern. Wenn wir aber die bis heute erreichten Standards erhalten und erhöhen wollen, müssen gewaltige Anstrengungen unternommen werden.

Die Ziele einer Stadt können nur erreicht werden, wenn es gelingt, bei den

Politikern, der Bevölkerung und im Verwaltungsbereich Verantwortung zu wecken und eine Zusammenarbeit auf breiter Basis zu erreichen. Dabei muß auch der Bevölkerung die Möglichkeit gegeben werden, mitzudenken und mitzugestalten.

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Diese Mitwirkung wird bei den Städten durch enge und gleichberechtigte Mitarbeit von Selbsthilfegruppen und Vereinen praktiziert. Die überall sich gründenden Sozial- und Gesundheitssprengel übernehmen dabei die Aufgabe, die Initiativen zu koordinieren. Kooperation, Information und Partizipation - all dies sind für eine Stadt unverzichtbare Bestandteile einer funktionierenden Arbeit. In Verträgen mit engagierten Vereinen, Organisationen und Selbsthilfegruppen verpflichtet sich die Stadt, die an- gemessenen Kosten der erbrachten Dienstleistungen zu ersetzen.

Gleichzeitig hat sie sich auch Kontrollrechte vertraglich vorbehalten. Diese Kon- trollrechte erstrecken sich auf folgende Bereiche:

1. Entsprechen die erbrachten Leistungen dem Bedarf ?

2. Entsprechen die erbrachten Leistungen der privaten Träger dem abgeschlossenen Vertrag ?

3. Wurden die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht ? 4. Wurden die Leistungen mit angemessenem Aufwand erbracht ?

Eine leistungsgebundene Finanzierung bietet mehr Garantie dafür, daß nicht nur jene Leistungen von privaten Trägern angeboten werden, die auch den höchsten

Kostendeckungsgrad erbringen. Es besteht somit auch eine Steuerungsmöglichkeit des Qualitätsniveaus sozialpolitischer Maßnahmen. Die Vertragsparteien Bund und die Bundesländer kamen überein, auf der Grundlage der bundesstaatlichen

Struktur Österreichs die Vorsorge für Personen bundesweit nach gleichen Zielsetzungen und Grundsätzen zu regeln. Es besteht die Übereinkunft, daß insbesondere Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Betreuungs-, Pflege- und Therapiepersonal gefördert und sichergestellt werden und daß die Aus- und Weiterbildung so gestaltet wird, daß die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen

Helfergruppen gewährleistet ist.

Daher bedarf es der intensiven Zusammenarbeit aller, in Theorie und Praxis mit Gerontologie, Altenhilfe und Altenpolitik befaßten Personen, Vereine, Dienste und Institutionen. Vor allem bedarf es aber einer Bewußtseinsbildung in den Köpfen aller Menschen, in erster Linie aber der jüngeren Generationen, um ihnen unmißverständlich klar zu machen, daß sie die nächste oder übernächste Altengeneration sein werden.

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