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Personaleinsatz in Einrichtungen der Jugendhilfe

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VG München, Urteil v. 20.03.2019 – M 27 K 17.37053 Titel:

Personaleinsatz in Einrichtungen der Jugendhilfe Normenketten:

SGB VIII § 45, § 48 SGB X § 32, § 45 Leitsatz:

Der Wesensgehalt einer bestandskräftigen Betriebserlaubnis für eine Einrichtung der Jugendhilfe kann nicht nachträglich durch den Erlass von Auflagen ohne Darlegung konkreter Mängel geändert werden. (Rn. 50) Schlagworte:

Erlaubnis für den Betrieb einer Jugendhilfeeinrichtung, Nachträgliche Auflage, Personelle Ausstattung, Begriff der „pädagogischen Fachkräfte“, Betriebserlaubnis, Jugendhilfeeinrichtung, fachliche Anforderung, Auflagenbescheid, Betreuungspersonal, pädagogische Fachkraft, Rechtsgrundlage, Fachkräftegebot, Berufsqualifikation

Fundstelle:

BeckRS 2019, 29864  

Tenor

I. Der Bescheid vom 19. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juni 2017 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand 1

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem der in der bestandskräftigen Betriebserlaubnis verwendete Begriff „pädagogische Fachkräfte“ nachträglich definiert wurde.

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Der Kläger betreibt verschiedene Einrichtungen der Jugendhilfe in Oberbayern.

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Mit bestandkräftigem Bescheid vom 1. Dezember 2005 erteilte die Regierung von Oberbayern (im Folgenden: Beklagter) dem Kläger eine Betriebserlaubnis für den Betrieb der Jugendhilfeeinrichtung

„Sozialpädagogisches Jugendhaus …“, … … … … Für die sechs Plätze umfassende Einrichtung wurden zur Personalausstattung zum Gruppendienst unter Ziffer 3.3 folgende Auflage festgesetzt:

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„3.3. Gruppendienst:

Entsprechend den Betreuungszeiten und den Arbeitszeitberechnungen: 4,53 Vollzeitplanstellen für pädagogische Fachkräfte.“

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Weitere Ausführungen zu den fachlichen Anforderungen an das Betreuungspersonal enthält der Bescheid nicht.

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Mit E-Mail vom 31. August 2015 wandte sich der Beklagte an die … * … Oberbayern, deren Träger ebenfalls der Kläger ist. Bei der Überprüfung des Personalplanes vom 2. Januar 2015 sei festgestellt worden, dass die Berufsgruppen der Psychologen und Pädagogen (BA) eingesetzt würden. Diese Berufsgruppen würden nicht zu den heimaufsichtlich anerkannten Berufsgruppen gehören, die im Gruppendienst einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung eingesetzt werden könnten. Es wurde um Stellungnahme hierzu gebeten.

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Die … Oberbayern antwortete hierauf mit E-Mail vom 2. September 2015, dass es zutreffe, dass Psychologinnen und Pädagoginnen als pädagogische Fachkräfte in Schutzstellen, Jugendhäusern, teilbetreuten Wohngruppen und betreuten Wohnungen eingesetzt würden. Der Bundesgesetzgeber habe bei Einführung des § 72 SGB VIII diese als Fachkräfte der Jugendhilfe definiert. Trotz regelmäßiger Personaldokumentation sei dies von der Heimaufsicht bisher nie beanstandet worden. Eine

Kindswohlgefährdung gehe davon nicht aus.

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Mit E-Mail vom 1. Oktober 2015 erwiderte der Beklagte, in der Liste der anerkannten Berufsabschlüsse für die Tätigkeit im Gruppendienst der fachlichen Empfehlungen zur Heimerziehung gemäß § 34 SGB VIII (im Folgenden: Fachkräfteliste) seien Psychologen und Pädagogen ohne Praxisanteile von ca. 600 Stunden nicht aufgeführt. Es werde darum gebeten, zukünftig bei allen Bewerbern aus fachverwandten

Berufsgruppen für den Einsatz im Gruppendienst einen Antrag auf Einzelfallzustimmung beim Beklagten zu stellen.

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Im Folgenden fand ein umfangreicher Schriftverkehr zwischen den Parteien statt.

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Der Beklagte erließ daraufhin am 19. April 2017 den streitgegenständlichen Bescheid, mit dem angeordnet wurde, dass „der Bescheid vom 1. Dezember 2005 in Ziffer 3.3 dahingehend konkretisiert (wird), dass mit

„pädagogischen Fachkräften“ nur die Qualifikationen erfasst sind, die in der „Liste der anerkannten Berufsabschlüsse für die Tätigkeiten im Gruppendienst“ (Anhang zu den Fachlichen Empfehlungen zur Heimerziehung gemäß § 34 SGB VIII) in der jeweils aktuell gültigen Fassung aufgelistet sind“. Zur

Begründung wurde ausgeführt, dass das Kindeswohl ausschließlich dann gewährleistet sei, wenn regelhaft nur solche pädagogischen Fachkräfte im Gruppendienst eingesetzt würden, deren Qualifikation in der Fachkräfteliste genannt sei. Aufgrund der Zweckbestimmung und in Anbetracht der Aufgabenstellung des Sozialpädagogischen Jugendhauses … seien zur Gewährleistung des Kindeswohls grundsätzlich

pädagogische Fachkräfte im Gruppendienst erforderlich, deren Qualifikation in der Fachkräfteliste genannt sei. Die Fachkräfteliste sei von einem paritätisch besetzten Fachgremium in einem ausführlichen

Aushandlungsprozess erarbeitet und am 11. März 2014 vom Jugendhilfeausschuss als Anhang zu den fachlichen Empfehlungen zur Heimerziehung gemäß § 34 SGB VIII beschlossen worden. Mitglieder im Landesjugendhilfeausschuss seien unter anderem Vertreter der Träger der öffentlichen und der freien Jugendhilfe. Die genannte Fachkräfteliste sei daher Fachgrundlage für die Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe sowie für die Aufsichtsbehörde. Der Einsatz von Personen mit anderen Qualifikationen als Fachkraft im Gruppendienst erfordere zur Gewährleistung des Kindeswohls eine Einzelfallprüfung mit positiver Entscheidung der Aufsichtsbehörde.

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Den Widerspruch des Klägers vom 3. Mai 2017 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2017 zurück. In Ziffer 2 wurde die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 19. April 2017 angeordnet. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage für die Konkretisierung sei § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII. Es handele sich um eine zulässige nachträgliche Auflage zur Sicherung des Kindeswohls.

Die Beurteilung, welche personellen Voraussetzungen für den Betrieb erfüllt sein müssten, damit das Kindeswohl gewährleistet sei, obliege gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII der Aufsichtsbehörde. Je anspruchsvoller die Aufgabenstellung einer Einrichtung sei, desto höhere Anforderungen seien an die Eignung der in ihr tätigen Fachkräfte zu stellen. Im Bescheid vom 19. April 2017 sei festgestellt worden, dass die Aufgabenstellung dieser Einrichtung so anspruchsvoll sei, dass das Kindeswohl ausschließlich dann gewährleistet sei, wenn regelhaft nur solche pädagogischen Fachkräfte im Gruppendienst eingesetzt würden, deren Qualifikation in der Fachkräfteliste genannt sei. Aus Gleichbehandlungsgrundsätzen sei bei

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vergleichbaren Einrichtungen durch insgesamt neun Bescheide vom 19. April 2017 eine Konkretisierung erfolgt. Ergänzend wurde zum Einsatz von Psychologen und Psychologinnen darauf hingewiesen, dass diese eine psychologische und keine pädagogische Ausbildung durchlaufen hätten und deshalb in einer Einrichtung der Erziehungshilfe für besondere Erziehungsaufgaben regelhaft nicht ausgebildet seien. Vor Veröffentlichung der Fortschreibung der fachlichen Empfehlungen zur Heimerziehung gemäß § 34 SGB VIII sei hinsichtlich der Fachkräfte auf die Vereinbarung nach § 78 Abs. 3 des Gesetzes über Jugendwohlfahrt (JWG) über geeignete Fachkräfte in den Einrichtungen (Anlage der Heim-Richtlinien - Richtlinien für Heime und andere Einrichtungen nach § 78 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt) Bezug genommen worden, da die fachlichen Empfehlungen zur Heimerziehung gemäß § 34 SGB VIII, Beschluss des

Landesjugendhilfeausschusses vom 8. April 2003, noch keine Fachkräfteliste enthielten. Diese damalige Liste sei durch die jetzige Fachkräfteliste erweitert worden, um neue Berufsabschlüsse miteinzubeziehen.

Da der Kläger, abweichend von seinem Dachverband, diese Fachkräfteliste nicht (mehr) als verbindlichen Orientierungsrahmen für die Ausgestaltung der Hilfe zur Erziehung als Heimerziehung in Bayern anerkenne, sei es zur Sicherung des Kindeswohls in der Einrichtung erforderlich, durch Ergänzungsbescheid vom 19.

April 2017 den Betriebserlaubnisbescheid im Rahmen einer nachträglichen Auflage gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII zu konkretisieren.

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Der Kläger stellte mit E-Mail vom 11. Juni 2017 für Mitarbeiter verschiedener von ihm betriebener Einrichtungen einen Antrag auf Einzelfallprüfung.

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Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2017, eingegangen am 22. Juni 2017, erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte,

den Konkretisierungsbescheid vom 19. April 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juni 2017 aufzuheben.

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Mit weiterem Schriftsatz vom 21. Juni 2017, ebenfalls am 22. Juni 2017 eingegangen, beantragte der Kläger, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederherzustellen (Verfahren M 18 S 17.2835).

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Mit rechtskräftigem Beschluss vom 30. Oktober 2017 (M 18 S 17.2835) hob das Gericht die

Sofortvollzugsanordnung in Ziffer 2 des Widerspruchsbescheids vom 2. Juni 2017 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes nicht in einer § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügender Weise schriftlich begründet worden sei. Aus der Begründung des Widerspruchsbescheids sei nicht erkennbar, dass sich der Beklagte des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst gewesen sei. Eine umfassende Prüfung im Einzelfall habe nicht stattgefunden. Die Interessen des Klägers auf Durchführung einer eigenständigen Personalpolitik und Besetzung der Stellen im Gruppendienst mit selbst ausgesuchtem Personal in Zeiten des

Fachkräftemangels sei in der Begründung nicht thematisiert worden. Auch aus dem Rest des Bescheids ließen sich keine konkreten Tatsachen entnehmen, die auf eine bestehende akute Kindeswohlgefährdung hindeuten würden. Die vom Beklagten vorgetragene latente Kindeswohlgefährdung bleibe formelhaft und nicht ausreichend ausgefüllt.

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Mit Schreiben vom 29. Januar 2019 begründete der Bevollmächtigte des Klägers die Klage insbesondere damit, dass es für die streitgegenständliche Verfügung keine Rechtsgrundlage gebe. Die Verfügung ändere inhaltlich die bestehende Betriebserlaubnis ab und habe für die betroffenen Mitarbeitenden die Wirkung einer Tätigkeitsuntersagung. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII könne daher schon aus diesem Grunde keine taugliche Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Entscheidung sein. Dem Kläger werde kein Tun, Dulden oder Unterlassen im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X mit dem streitgegenständlichen

Verwaltungsakt auferlegt. Es werde keine Auflage verfügt, vielmehr werde der Inhalt einer bestandskräftigen Betriebserlaubnis verändert. Die streitgegenständliche Verfügung könne daher nicht als Auflage begriffen werden. Aber auch die Vorschrift des § 48 SGB VIII könne vorliegend nicht einschlägig sein. Im Übrigen lägen auch die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vor. § 45 SGB VIII statuiere kein generelles

Fachkräftegebot. Die Frage, ob die jeweiligen Mitarbeitenden den Anforderungen der jeweiligen Einrichtung gewachsen seien, sei im Rahmen einer Einzelfallentscheidung zu beantworten, welche hier von dem

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Beklagten offensichtlich unterlassen worden sei. Der Beklagte habe sich damit begnügt, mit neun gleichzeitig verfügten Bescheiden die Betriebserlaubnisse ohne Einzelfallprüfung unter Verwendung von gleichlautenden Textbausteinen inhaltlich zu verändern. Mit diesem Vorgehen verstoße der Beklagte gegen die in Rechtsprechung und Literatur geforderte „differenzierte“ Betrachtung hinsichtlich der Eignung des einzusetzenden Personals in der jeweiligen Einrichtung. Der vom Beklagten zur Begründung der Konkretisierungsbescheide ausschließlich ins Feld geführten Fachkräfteliste der anerkannten Berufsabschlüsse komme keinerlei rechtliche Verbindlichkeit zu. Der Beklagte habe keine konkreten objektiven Tatsachen benannt, welche die Schlussfolgerung einer fehlenden Gewährleistung des Kindeswohls durch den Einsatz von Psychologen, Pädagogen und Erziehungswissenschaftlern mit Hochschulabschluss in der streitgegenständlichen Einrichtung rechtfertigen würden. Die Mitarbeitenden seien für die Aufgabenwahrnehmung in der streitgegenständlichen Einrichtung hinreichend qualifiziert. Des Weiteren sei der streitgegenständliche Konkretisierungsbescheid auch deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil ein Ermessensausfall vorliege. Es sei insbesondere eine Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Einzelfall sowie eine Würdigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben nach Art. 12 GG geschuldet.

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Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 25. Februar 2019, die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass mit dem streitgegenständlichen Bescheid keine

Tätigkeitsuntersagung im Sinne von § 48 SGB VIII ausgesprochen worden sei. Es handele sich um eine zulässige nachträgliche Auflage zur Sicherung des Kindeswohls gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X. Durch die Konkretisierung der Ziffer 3.3 der Betriebserlaubnis ergebe sich die Verpflichtung des Klägers, eine bestimmte Zahl von Personalkräften einzustellen, um eine ausreichende Betreuung der Minderjährigen sicherzustellen, verbunden mit der Auflage bezüglich der Qualifikation der Beschäftigungskräfte, also um Regelungen, die die personelle Ausstattung beträfen. Die Aufsichtsbehörde habe hinsichtlich der personellen Mindestanforderungen gemäß § 45 SGB VIII die Entscheidungsbefugnis und eine umfassende Prüfungspflicht. Bei den Einrichtungsarten der stationären Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere im Rahmen der Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 37 (korrekt wohl § 27), 34 SGB VIII und im Rahmen der Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII seien entsprechend der Aufgabenstellung dieser Einrichtungen spezifische Mindestanforderungen an die fachliche Eignung der Fachkräfte zu stellen. Das Personal von Einrichtungen der Jugendhilfe habe nicht nur Aufsichts- und Betreuungsfunktionen, sondern nehme auch Erziehungs- und Bildungsaufgaben wahr und erhalte dadurch Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes oder Jugendlichen. Während Psychologinnen und Psychologen in der Kinder- und Jugendhilfe als unterstützende Profession situativ und punktuell am Geschehen beteiligt seien, begleiteten und unterstützten Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen den Alltag der Kinder und Jugendlichen im jeweiligen Kontext mit ihrem spezialisierten und pädagogischen Wissensportfolio. Die Profession, Ausrichtung und Inhalte der Ausbildung von Psychologinnen und Psychologen unterscheide sich grundlegend von der der Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Die fachlichen Empfehlungen zur Heimerziehung und die Fachkräfteliste richteten sich sowohl an Jugendämter als auch an Einrichtungen und Träger der stationären Erziehungshilfe und beschrieben die Grundlagen der staatlichen Aufsicht für den Schutz von jungen Menschen. Die Fachkräfteliste umfasse dabei all die

Fachkräfte, die zur Sicherstellung der bewährten Standards als pädagogische Fachkräfte im Gruppendienst in der stationären Jugendhilfe aufgrund der hinterlegten Ausbildungsinhalte als unstrittig geeignet erachtet würden. Zusätzlich werde die Möglichkeit der Einzelfallprüfung eröffnet. Die fachlichen Empfehlungen zur Heimerziehung beschrieben ebenso wie die Fachkräfteliste die im Regelfall maßgeblichen

Mindeststandards. Der Beklagte habe bezogen auf den konkreten Einzelfall der jeweiligen Einrichtung geprüft, welche Mindestanforderungen an die Eignung der in ihr tätigen Fachkräfte zu stellen seien.

Daneben sei der Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet worden. Vergleichbare Einrichtungen seien in den insgesamt neun Bescheiden vergleichbar behandelt worden. Trotz des mehrfachen Hinweises auf die Möglichkeit der Einzelfallprüfung der eingesetzten Psychologinnen und Psychologen und anderer

Professionen habe der Kläger die formlose Antragstellung auf Einzelfallprüfung stets abgelehnt. Die im Juni und Juli 2017 gestellten Anträge auf Einzelfallgenehmigung seien einrichtungsbezogen entsprechend der Betriebserlaubnis geprüft worden, dabei habe einigen Mitarbeitenden eine Einzelfallgenehmigung erteilt werden können.

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Der Beklagte stelle in Abrede, dass bereits konkrete Tatsachen der Kindeswohlgefährdung für einzelne Kinder oder Jugendliche von der Aufsichtsbehörde festgestellt werden müssten, wenn bereits erhebliche Zweifel an der strukturellen Gewährleistung des Kindeswohls beispielsweise in personeller Hinsicht vorlägen. Die Aufsichtsbehörde habe sich in ihrer präventiven Funktion um mögliche Gefahrenquellen zu kümmern. Seien die in § 45 Abs. 2 SGB VIII genannten Rahmenbedingungen nur unzureichend erfüllt, sei demnach in der Regel davon auszugehen, dass das Kindeswohl nicht gewährleistet sei. Soweit nicht nachgewiesen sei, dass die personellen Mindestvoraussetzungen für den Betrieb erfüllt seien, sei nicht sichergestellt, dass das Kindeswohl gewährleistet sei. Das Kindeswohl sei nur dann gewährleistet, wenn nur solche Personen als pädagogische Fachkräfte im Gruppendienst eingesetzt würden, die entweder eine Qualifikation hätten, die in der Fachkräfteliste in der jeweils aktuell gültigen Fassung genannt sei, oder deren fachliche Eignung von der Aufsichtsbehörde im Einzelfall geprüft worden sei mit positivem Ergebnis.

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Aus dem streitgegenständlichen Bescheid ergebe sich weder die Aufhebung oder Einschränkung einer berufsrechtlichen Erlaubnis noch eine pauschale Tätigkeitsuntersagung und damit auch keine derartige Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG. Da der Kläger sich geweigert habe, eine Einzelfallprüfung zu beantragen und die erforderlichen Unterlagen vorzulegen, habe eine konkret- individuelle Einzelfallprüfung nicht durchgeführt werden können. Der Aufsichtsbehörde habe daher kein milderes Mittel zur Verfügung gestanden. Wegen der Einhaltung von personellen Mindestanforderungen zur Sicherung des Kindeswohls habe für eine eigentliche Ermessensentscheidung kein Spielraum mehr

bestanden. Als Anlage war eine Stellungnahme „Fachliche Qualifizierung und Anforderungen im Arbeitsfeld der stationären Erziehungshilfe“ des Beklagten vom 18. Februar 2019 beigefügt.

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Der Bevollmächtigte des Klägers erwiderte hierauf ergänzend mit Schreiben vom 7. März 2019.

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In der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2019 führte der Beklagte aus, dass mit dem

streitgegenständlichem Bescheid aus seiner Sicht keine Einschränkung der erteilten Betriebserlaubnis erfolgt sei, da durch den in der Betriebserlaubnis genannten Begriff „pädagogische Fachkräfte“ nur das Fachpersonal genehmigt worden sei, das im Konkretisierungsbescheid genannt werde.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, auch die des Eilverfahrens M 18 S 17.2835, sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe 24

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 19. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juni 2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er war daher aufzuheben, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

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Das von dem Beklagten gewählte Vorgehen ist in dieser Form von keiner Rechtsgrundlage gedeckt. Weder handelt es sich um eine reine Konkretisierung eines bestandskräftigen Genehmigungsbescheids, noch um eine zulässige Auflage. Darüber hinaus erfolgte keine hinreichende Sachverhaltsermittlung und darauf beruhende Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den Beklagten.

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1) Es handelt sich vorliegend - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht lediglich um eine reine

Konkretisierung der bestandskräftigen Betriebserlaubnis, sondern um eine Neuregelung hinsichtlich des in der Einrichtung einzusetzenden Personals.

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Die bestandskräftige Betriebserlaubnis vom 1. Dezember 2005 enthält über die unter Ziffer 3.3. formulierte Auflage, dass 4,53 Vollzeitplanstellen für pädagogische Fachkräfte im Gruppendienst einzusetzen seien, hinaus keine weiteren Aussagen zur erforderlichen fachlichen Qualifikation des Personals. Der Begriff

„pädagogische Fachkraft“ hingegen beschreibt lediglich eine Gruppe der Fachkräfte im pädagogischen

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Bereich und stellt keine eigene Berufsbezeichnung oder Legaldefinition dar. Dementsprechend werden unter „pädagogischen Fachkräften“ Erzieher, Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Heilerziehungspfleger, Lehrer und viele andere Berufe je nach Einzelfall subsumiert.

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Eine eindeutige gesetzliche Regelung, welches Personal in Einrichtungen der Jugendhilfe einzusetzen ist, besteht ebenfalls nicht.

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Der Bundesgesetzgeber hat in § 45 SGB VIII bewusst kein Fachkräftegebot geregelt (BayVGH, B.v.

2.2.2017 - 12 CE 17.71 - juris Rn. 32), sodass sich aus § 45 SGB VIII auch keine eindeutigen

Berufsqualifikationen ableiten lassen können. Vielmehr richten sich die Anforderungen an die fachliche und persönliche Eignung des Personals nach der Zweckbestimmung der Einrichtung und den jeweiligen Funktionen in ihr.

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Auch eine landesrechtliche allgemeine Regelung zu § 45 SGB VIII, die die personellen Anforderungen für die Erteilung einer Betriebserlaubnis hinreichend konkret festlegt, besteht nicht. Zwar begründet § 49 SGB VIII insoweit ausdrücklich einen entsprechenden Gestaltungsspielraum, dieser wurde jedoch vom

Landesgesetzgeber nicht genutzt. Lediglich in allgemeinen Richtlinien oder Verwaltungsvorschriften enthaltene Anforderungen können hingegen gegenüber § 45 SGB VIII kein strengeres Recht schaffen und sind damit nicht ausreichend (BayVGH, B.v. 2.2.2017 - 12 CE 17.71 - juris Rn. 39). Dementsprechend können auch entgegen der Ansicht des Beklagten weder Vereinbarungen nach § 78 Abs. 3 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt (JWG - außer Kraft seit 1.12.1990) über geeignete Fachkräfte in den Einrichtungen (Anlage der Heimrichtlinien - Richtlinien für Heime und andere Einrichtungen nach § 78 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt) noch Beschlüsse des Landesjugendhilfeausschusses eine allgemeinverbindliche rechtliche Grundlage darstellen.

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Ebenso wenig können die Erläuterungen des Bundesgesetzgebers zu § 72 SGB VIII (BR-Drs. 503/89, 94 damals zu § 64 SGB VIII) hierzu unmittelbar herangezogen werden. Denn die Erläuterungen dienen der Klärung des Begriffs „Fachkräfte der Jugendhilfe“ und nicht des Begriffs der „pädagogische Fachkräfte“.

Unter den Begriff Fachkräfte der Jugendhilfe werden dort vor allem Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Erzieher, Psychologen, Diplompädagogen, Heilpädagogen, Sonderschulpädagogen, Psychagogen,

Jugendpsychiater, Psychotherapeuten und Pädiater subsumiert, sodass auch insoweit keine abschließende Definition erfolgt.

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Auch aus § 16 Abs. 2 AVBayKiBiG, wonach pädagogische Fachkräfte einer umfassenden fachtheoretischen und fachpraktischen sozialpädagogischen Ausbildung bedürfen, kann keine allgemeingültige Definition des Begriffs pädagogische Fachkräfte gefolgert werden. Denn das AVBayKiBiG beruht auf der Rechtsgrundlage des Art. 30 BayKiBiG und enthält ausschließlich Regelungen zu Kindertagesstätten und Kindertagespflege.

Es erscheint daher lediglich möglich, die Definition in Art. 16 AVBayKiBiG als Auslegungshilfe für den Begriff heranzuziehen, nicht jedoch diese als unmittelbar anwendbar anzusehen.

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Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass beide Parteien im Zeitpunkt des Erlasses der Betriebserlaubnis angenommen haben, dass lediglich die in der Fachkräfteliste genannten qualifizierten pädagogischen Fachkräfte im Gruppendienst eingesetzt werden sollen. Denn zum einen ist diese Liste erstmals im Jahr 2013 erarbeitet worden und damit erst nach Erlass des Bescheids. Zum anderen handelt es sich bei der Fachkräfteliste lediglich um eine fachliche Empfehlung und Orientierungshilfe und gerade nicht um eine zwingende Vorgabe. Auch aus dem früheren Vorgehen nach § 78 Abs. 3 Satz 2 JWG mit dem Abschluss von Vereinbarungen mit den Trägern der freien Jugendhilfe kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht davon ausgegangen werden, dass sämtliche Vereinbarungen mit Trägern der freien

Jugendhilfe regelmäßig als fachliche Standards von beiden Seiten einvernehmlich den Betriebserlaubnissen immanent zugrunde gelegt wurden. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass durch die gemeinsame Erarbeitung der Fachkräfteliste im Landesjugendhilfeausschuss unter Beteiligung eines Vertreters des Klägers der Kläger die Fachkräfteliste als zwingende Vorgabe für seine Einrichtungen ansehen wollte.

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Das genehmigte Personal kann damit ausschließlich anhand der bestandskräftigen Betriebserlaubnis ermittelt werden. Eine eindeutige Regelung ist der Betriebserlaubnis nicht zu entnehmen, so dass eine Klärung durch Auslegung des ursprünglichen Genehmigungsbescheids sowie evtl. ergänzend durch die Antragsunterlagen (siehe hierzu ausführlich später) durch den Beklagte erfolgen hätte müssen. Ohne Kenntnis des genehmigten Personals und damit der Klärung des zugrunde liegenden Sachverhalts kann der Beklagte sich - unabhängig von der Frage der Zulässigkeit einer die Betriebserlaubnis lediglich

konkretisierenden oder präzisierenden Auflage nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII (vgl. hierzu: LPK-SGB VIII/Sybille Nonninger/Andreas Dexheimer/Jan Kepert, 7. Aufl. 2018, SGB VIII, § 45 Rn. 41) - nicht auf eine bloße Konkretisierung der bestandskräftigen Betriebserlaubnis berufen.

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2) Bei der vom Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid getroffenen Regelung handelt sich auch nicht um einen Auflagenbescheid gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII i.V.m. § 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X.

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§ 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X definiert eine Auflage als eine Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. Der vorliegende Bescheidstenor enthält eine solche Bestimmung nicht. Dem Kläger wird kein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der streitgegenständliche Bescheid die Verpflichtung enthält, eine bestimmte Zahl von Personalkräften mit einer bestimmten Qualifikation einzustellen und damit ein positives Tun von der Klägerin verlangt. Die Verpflichtung, eine bestimmte Anzahl von pädagogischen Fachkräften für den Gruppendienst bereit zu stellen, ergibt sich vielmehr abschließend aus der bestandskräftigen Betriebserlaubnis vom 1. Dezember 2005. Der

streitgegenständliche Bescheid vom 19. April 2017 enthält hingegen keine eigenständige Auflage, sondern definiert das einzusetzende Personal neu.

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Im Übrigen wäre die in dem streitgegenständlichen Bescheid vorgenommene Neureglung auch nicht in Form einer Auflage zulässig. Grundsätzlich sind die wesentlichen Voraussetzungen einer Betriebserlaubnis im Rahmen der Erlaubnis selbst und nicht in Form von Nebenbestimmungen zu regeln. Denn

Nebenbestimmungen wie Auflagen können lediglich der zusätzlichen Sicherung des Kindeswohls im Bedarfsfall dienen, sind jedoch nicht dazu geeignet, die wesentlichen Voraussetzungen der

Betriebserlaubnis zu sichern (vgl. OVG NW, B.v. 27.11.2007 - 12 A 4697/06 - juris Rn. 49). Insbesondere die personellen Anforderungen sind jedoch wesentlicher Bestandteil der Betriebserlaubnis, wie sich bereits aus § 45 Abs. 2 Satz 2 Nummer 1 SGB VIII ergibt (vgl. BayVGH, B.v. 19.8.2016 - 12 CE 16.1172 - juris Rn.

38; OVG NW, B.v. 27.11.2007 - 12 A 4697/06 - juris Rn. 41 ff.).

38

Zwar hat der Beklagte auch im Rahmen der bestandskräftigen Betriebserlaubnis die personelle Ausstattung in Form einer Auflage geregelt (und scheint dies auch weiterhin rechtswidrig so zu handhaben), unabhängig von dieser gewählten Formulierung handelt es sich tatsächlich bei dieser Festlegung jedoch nicht um eine Nebenbestimmung, sondern um eine inhaltliche Ausgestaltung (BayVGH, B.v. 19.8.2016 - 12 CE 16.1172 - juris Rn. 38).

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3) Diese mit dem streitgegenständlichen Bescheid intendierte Änderung der bestandskräftigen

Betriebserlaubnis ist nicht auf zulässige Weise erfolgt; insbesondere hat der Beklagte es unterlassen, den Sachverhalt hinreichend aufzuklären und auf Grundlage des ermittelten Sachverhalts sein Einschreiten einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterwerfen.

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Unabhängig davon, dass die vom Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid gewählte Tenorierung bereits keine Auflage darstellt, die ein Tun, Dulden oder Unterlassen festschreibt, verkennt der Beklagte die Voraussetzungen für eine zulässige Änderung einer bestandskräftigen Betriebserlaubnis.

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Der Beklagte hat es bereits fehlerhaft unterlassen, hinreichend zu klären, welches Personal durch die bestandskräftige Betriebserlaubnis vom 1. Dezember 2005 genehmigt wurde und inwieweit durch die

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nunmehr erfolgte streitgegenständliche Regelung eine Einschränkung erfolgt ist. Ohne eine solche Sachverhaltsermittlung kann ein Tätigwerden des Beklagten - unabhängig von der Frage der hierfür einschlägigen Rechtsgrundlage - jedoch nicht rechtmäßig erfolgen. Denn jeder behördliche Eingriff setzt eine ausreichende Sachverhaltsermittlung und eine darauf beruhende Entscheidung unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. hierzu allgemein BVerwG, U.v. 27.2.2018 - 7 C 30/17 - juris Rn. 39 m.w.N.) zwingend voraus.

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Aus dem Genehmigungsbescheid selbst ergibt sich - wie oben bereits ausgeführt - eine eindeutige Klärung hinsichtlich des genehmigten Personals nicht. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass mit der unter Ziffer 3.3. der Betriebserlaubnis vom 1. Dezember 2005 festgesetzten „Auflage“ von

„pädagogischen Fachkräften“ ausschließlich Personen mit der Qualifikation entsprechend der

Fachkräfteliste, und damit nur eine spezielle Auswahl von pädagogischen Fachkräften, die über besondere Qualifikationen verfügen, gemeint waren.

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Das genehmigte Personal muss im vorliegenden Fall anhand der bestandskräftigen Betriebserlaubnis einschließlich der, der Betriebserlaubnis zugrunde liegenden, Genehmigungsunterlagen ausgelegt werden.

Zwar hat der Beklagte im vorliegenden Fall das Betriebskonzept nicht explizit in die Betriebserlaubnis miteinbezogen, allerdings ist davon auszugehen, dass eine Betriebserlaubnis grundsätzlich nur unter Berücksichtigung des jeweils beantragten Betriebskonzeptes erfolgen kann und dieses damit

wesensimmanent der Betriebserlaubnis zumindest in seinen wesentlichen Bestandteilen zugrunde liegt.

Dementsprechend wird in den Gründen der Betriebserlaubnis ausgeführt, dass dieser ein Antrag vom 18.

Oktober 2005 sowie eine Leistungsbeschreibung vom 10. November 2005 zu Grunde liegen. Dem in der Behördenakte enthalten Rahmenvertrag (Bl. 30) (allerdings datiert vom 9. November 2005) ist insoweit entnehmbar, dass als pädagogische Betreuungskräfte Sozialpädagogen, Pädagogen sowie Psychologen eingesetzt werden sollten. Eine weitere Beschreibung des Fachpersonals findet sich in der Behördenakte ebenso wenig wie die konkrete Benennung von bestimmten Personen. Unklar bleibt daher, ob es sich bei dieser Leistungsbeschreibung um eine explizite Festlegung des Klägers auf bestimmte Personen bzw.

Berufsgruppen handelt.

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Es obliegt dem Beklagten anhand seiner Genehmigungsunterlagen zu klären, welches Personal ursprünglich genehmigt wurde. Erst hierauf beruhend ist eine ordnungsgemäße Entscheidung des Beklagten über das zu wählende Vorgehen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes möglich, wobei die Frage der Verhältnismäßigkeit des geplanten Eingriffs in unmittelbarem Zusammenhang zu dem Ergebnis des mit der bestandkräftigen Betriebserlaubnis genehmigten Personalkörpers steht.

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4) Je nach Ergebnis des im Einzelnen zu Grunde liegenden Sachverhaltes - der im Übrigen bei den vor Gericht derzeit anhängigen Verfahren unterschiedlich zu bewerten sein dürfte - hätte der Beklagte insbesondere folgende Aspekte bei seiner Entscheidung berücksichtigen müssen:

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4.1. Für den Fall, dass der Beklagte eine nachträgliche Einschränkung der bestandskräftigen

Betriebserlaubnis durch den Erlass - entsprechend eindeutig formulierter - nachträglicher Auflagen erwägt, ist zunächst das in § 45 SGB VIII festgelegte Stufenverhältnis für ein nachträgliches Tätigwerden zu berücksichtigen.

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Gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII können nachträgliche Auflagen zur Sicherung des Kindeswohls erteilt werden, im Fall von festgestellten Mängeln können nach § 45 Abs. 6 Satz 3 SGB VIII Auflagen zur Beseitigung der Mängel erteilt werden. Im Fall der konkreten Kindeswohlgefährdung kann eine Erlaubnis gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII zurückgenommen oder widerrufen werden. Es besteht folglich hinsichtlich der Möglichkeiten der Aufsichtsbehörde ein Stufenverhältnis in Abhängigkeit zu der Höhe des Gefahrenpotenzials und der Stärke des Eingriffs.

48

(9)

Gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X können zur Sicherung des Wohls der Kinder und der Jugendlichen grundsätzlich auch nachträglich Auflagen zur Betriebserlaubnis erteilt werden. Voraussetzung für eine Auflage nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB XIII ist, dass sie zur Sicherung des Wohls der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung geboten ist. Es genügt bereits ein abstraktes Regelungsbedürfnis, welches gegeben ist, wenn ein Gefahrenpotenzial festgestellt wird, welches aber weder konkrete noch akute Ausmaße angenommen haben muss (vgl. BeckOGK/Janda, 15.12.2018, SGB VIII § 45 Rn. 80.1). Insoweit beruft sich der Beklagte darauf, dass durch nicht ausreichendes besonderes Fachpersonal strukturelle Mängel gegeben seien, welche die Auflage rechtfertigen würden.

49

Sofern jedoch durch eine nachträgliche Auflage nicht nur ergänzende Regelungen getroffen werden, sondern die bestandskräftige Betriebserlaubnis eingeschränkt und damit in einen von Art. 12 GG geschützten Betrieb eingegriffen wird, ist es erforderlich, den Rechtsgedanken des in § 45 SGB VIII

festgelegten Stufenverhältnisses zu berücksichtigen. D. h., je stärker in eine bestandskräftige Genehmigung eingegriffen wird, desto höher sind die Anforderungen an das Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung im Sinne des Vorliegens eines konkreten Mangels gemäß § 45 Abs. 6 Satz 3 SGB VIII bzw. einer konkreten Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII.

50

Wenn der Erlass einer nachträglichen Auflage dazu führt, dass die ursprünglich erteilte Betriebserlaubnis in wesentlichem Umfang geändert wird, erscheint daher der Maßstab des § 45 Abs. 7 SGB VIII erforderlich.

Danach ist die Erlaubnis zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn das Wohl der Kinder oder der

Jugendlichen in der Einrichtung gefährdet und der Träger der Einrichtung nicht bereit oder nicht in der Lage ist, die Gefährdung abzuwenden. Eine Gefährdung des Kindeswohls im Sinne dieser Vorschrift setzt eine konkrete Gefahr (orientiert am Maßstab des § 1666 BGB; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschl. v. 29.1.2010 - 1 BvR 374/09, juris Rn. 41) für das körperliche, geistige und seelische Wohl der zu Betreuenden voraus (SächsOVG U.v. 8.5.2015 - 1 A 238/13 - juris Rn. 35 m.w.N.). Während im Rahmen der Erteilung der Betriebserlaubnis zu prüfen ist, ob das Wohl der Kinder und Jugendlichen gewährleistet ist, ist bei der Entscheidung über Widerruf oder Rücknahme zu prüfen, ob das Kindeswohl gefährdet ist.

Dementsprechend führt allein der nachträgliche Wegfall einer der Voraussetzungen für die Erteilung einer Betriebserlaubnis nach § 45 Abs. 2 SGB VIII für sich allein noch nicht zu einer Gefährdung im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII. Hinzukommen muss die hieraus resultierende, von § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII für einen Widerruf ausdrücklich vorausgesetzte Gefährdung des Wohls der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung (NdsOVG, B.v. 18.4.2018 - 10 ME 73/18 - juris Rn. 46). Die Behörde hat die Umstände darzulegen und zu beweisen, anhand derer auf eine konkrete Gefahr für das Wohl der Kinder und Jugendlichen geschlossen werden kann (BeckOKG, Stand 15.12.2018, SGB VIII, § 45 Rn. 93 ff. m.w.N.).

51

Hierfür bedarf es einer konkreten einzelfallbezogenen Mangelfeststellung. Eine typisierende Betrachtung über die gesamte stationäre Jugendhilfe ist hingegen nicht möglich, vielmehr bedarf es einer genauen Differenzierung nach dem jeweiligen Einrichtungskonzept. Dies ist durch den Beklagten nicht erfolgt.

Vielmehr hat er neun unterschiedliche, von der Klägerin betriebene Einrichtungen einheitlich behandelt und ohne ausreichendes konkretes Eingehen auf die zugrunde liegenden Betriebserlaubnisse und die jeweilige Ausrichtung in den Einrichtungen präventiv inhaltlich gleichlautende „Konkretisierungsbescheide“ unter Berufung auf erhebliche Zweifel an der strukturellen Gewährleistung des Kindeswohls erlassen. Eine konkrete Gefahr wird von dem Beklagten hingegen nicht behauptet, geschweige denn auch nur

ansatzweise dargelegt. Zwar mag im Einzelfall auch durch das Nichtvorhandensein von ausreichendem oder fachkundigem Personal eine Gefährdung des Kindeswohls anzunehmen sein, dies ist jedoch anhand von konkreten Ausführungen im Einzelfall darzulegen. Dies ist vorliegend durch den Beklagten nicht erfolgt.

Auch aus den jährlichen Meldungen nach § 47 Satz 2 SGB VIII ergeben sich - zumindest soweit sie sich in der Behördenakte befinden - keine unmittelbaren Anhaltspunkte für konkrete Mängel die auf fehlendes Fachpersonal zurückzuführen sein könnten. Lediglich die Aussage, dass strukturelle Mängel durch nicht ausreichendes besonderes Fachpersonal gegeben seien, rechtfertigt die Annahme einer Gefährdung des Kindeswohls im Sinne des § 45 Abs. 7 SGB VIII nicht. Der Beklagte verkennt insoweit, dass er im Rahmen von Eingriffen in bestandskräftige Erlaubnisse nicht präventiv umfassend neue Vorgaben und Prüfungen vornehmen darf.

52

(10)

Ebenfalls nicht ausreichend ist, darauf zu verweisen, dass im Rahmen von der Erteilung neuer

Betriebserlaubnisse die gleichen personellen Anforderungen gestellt werden würden. Zum einen kann aus dem Nichtvorliegen von aktuellen Genehmigungsvoraussetzungen nicht automatisch auf das Vorliegen eines Mangels geschlossen werden (s.o.). Darüber hinaus hat das Gericht erhebliche Zweifel daran, dass es zulässig sein dürfte, für jede Einrichtung abstrakt Personalanforderungen entsprechend der

Fachkräfteliste ohne konkrete Einzelfallprüfung zu stellen. Ein solches Vorgehen dürfte bereits dem Willen des Gesetzgebers widersprechen, der bewusst im Rahmen der Regelungen in § 45 SGB VIII darauf verzichtet hat, bestimmte fachliche Ausbildungen als Voraussetzung für die Betreuung Minderjähriger als Regelfall vorzuschreiben (vgl. insoweit ausführlich BayVGH, B.v. 2.2.2017 - 12 CE 17.71 - juris Rn. 32 ff.).

Die Empfehlungen können daher lediglich als Orientierungswert herangezogen werden (vgl.

Wiesner/Mörsberger, 5. Aufl. 2015, SGB VIII, § 45 Rn. 18).

53

4.2. Sofern der Beklagte hingegen nach der Überprüfung der bestandskräftigen Betriebserlaubnis zu dem Ergebnis kommen sollte, dass diese keine hinreichend eindeutige Aussage über das einzusetzenden Personal enthält, hätte sie zu prüfen, ob diese damit mangels hinreichender Bestimmung rechtswidrig erteilt wurde. Denn der Betreuung durch geeignete Kräfte im Hinblick auf das in der Einrichtung vom

Einrichtungsträger zu gewährleistende Kindeswohl kommt zentrale Bedeutung zu. Dementsprechend darf eine Betriebserlaubnis insoweit nicht lediglich einen „Torso“ ohne erkennbaren Sinngehalt festlegen, sondern es ist das konkret eingesetzte Personal in den Blick zu nehmen (vgl. insoweit ausführlich bereits OVG NW, B.v. 27.11.2007 - 12 A 4697/06 - juris, insbesondere Rn. 42, 53 ff.).

54

Mangels Relevanz kann im vorliegenden Fall offen bleiben, ob mit jedem Personalwechsel

dementsprechend die Erteilung einer neuen Betriebserlaubnis erforderlich ist (so OVG NW, B.v. 27.11.2007 - 12 A 4697/06 - juris) oder die Betriebserlaubnis dennoch nicht strikt bezogen auf die bei Antragstellung Beschäftigen erteilt wird (so z.B. BeckOKG/Janda, 15.12.2018, SGB VIII, § 45 Rn. 58; Mörsberger, ZKJ, 2008, 241 ff.). Zumindest kann wohl nicht davon ausgegangen werden, dass lediglich durch die

Entgegennahme der jährlichen Meldung nach § 47 Satz 2 SGB VIII und eine fehlende Beanstandung konkludent von einer Genehmigung dieses jeweiligen Personalkörpers ausgegangen werden kann (vgl.

OVG NW, B.v. 27.11.2007 - 12 A 4697/06 - juris Rn. 73).

55

Im Fall der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 45 SGB X - sofern diese Regelung neben § 45 Abs. 7 SGB VIII überhaupt Anwendung finden kann (vgl. insoweit verneinend:

BeckOKG/Janda, 15.12.2018, SGB VIII, § 45 Rn. 79; bejahend: LPK-SGB

VIII/Nonninger/Dexheimer/Kepert, 7. Auflage 2018, § 45 Rn. 57) - sind die einschränkenden Regelungen in

§ 45 Abs. 2 und 3 SGB X zu berücksichtigen. Sofern eine Rücknahme nach § 45 SGB X nicht möglich ist, kann eine Rücknahme lediglich nach § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII erfolgen, wenn das Wohl der Kinder oder der Jugendlichen in der Einrichtung gefährdet und der Träger der Einrichtung nicht bereit oder nicht in der Lage ist, die Gefährdung abzuwenden, folglich eine konkrete Gefahr gegeben ist.

56

4.3. Sollte sich nach einer entsprechenden Sachverhaltsaufklärung ergeben, dass der aktuelle Betrieb der Einrichtung nicht der Betriebserlaubnis entspricht und es sich daher um ein „aliud“ handelt, besteht für den Beklagten die Möglichkeit, entweder die Beantragung der Änderung und Anpassung der Betriebserlaubnis zu verlangen oder ggf. als milderes Mittel die Erteilung von Auflagen gemäß § 45 SGB VIII, um den Betrieb wieder genehmigungsfähig zu gestalten. Das heißt, wenn ein Mangel im Vergleich zu den durch die Betriebserlaubnis vorgegebenen Mindeststandards vorliegt, erscheinen Auflagen, wie zum Beispiel auch zusätzliche Personalanforderungen, als milderes Mittel zur Untersagung grundsätzlich (s.o.) möglich (vgl.

OVG NW, B.v. 27.11.2007 - 12 A 4697/06 - juris Rn. 52). Auch solche Auflagen müssten jedoch in

angemessenem Verhältnis zu den Genehmigungsvoraussetzungen des § 45 SGB VIII stehen. Der Beklagte kann - zumindest ohne Vorliegen eines Mangels oder einer Gefährdung des Kindeswohls - keine höheren Anforderungen stellen, als im Rahmen des Genehmigungsverfahrens als Mindeststandards zu fordern sind (vgl. hierzu ausführlich: BayVGH, B.v. 2.2.2017 - 12 CE 17.71 - juris).

57

(11)

4.4. Unabhängig von den jeweiligen Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein nachträgliches Einschreiten wird der Beklagte insbesondere auch zu berücksichtigen haben, dass aufgrund des derzeit bestehenden

Fachkräftemangels die Akquise von pädagogischem Fachpersonal große Herausforderungen mit sich bringt (was der Beklagte auch selbst in seiner Stellungnahme vom 18. Februar 2019 umfänglich ausführt).

Dementsprechend dürfte sich insbesondere auch eine großzügige zeitliche Komponente zur Umsetzung - im Gegensatz zu dem von dem Beklagten verfügten Sofortvollzug - anbieten.

58

Darüber hinaus hat der Beklagte im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, dass möglicherweise auch mildere Mittel wie zum Beispiel die Auflage von Einzelfallprüfungen für einzelne bereits beschäftigte Mitarbeiter zur Verfügung stehen könnten. Lediglich der Hinweis im Bescheid darauf, dass die Klägerin die Beantragung solche Einzelfallprüfungen zunächst (vor dem Hintergrund einer anderen Rechtsansicht) abgelehnt hat, erscheint nicht ausreichend, um dieses mildere Mittel als ungeeignet

auszuschließen; dies insbesondere, da die Klägerin zwischenzeitlich umfangreich Einzelfallprüfungen beantragt hat.

59

Des Weiteren hat der Beklagte im Rahmen von nachträglichen Auflagen zu berücksichtigen, dass diese hinreichend bestimmt sein müssen. Eine dynamische Verweisung auf die jeweils aktuell gültige Fassung der Fachkräfteliste dürfte dementsprechend keinesfalls zulässig sein, da sie der Klägerin jede

Planungssicherheit nimmt und die Festanstellung von Fachkräften verhindert.

60

5) Mangels Rechtsgrundlage für das von dem Beklagten aktuell gewählte Vorgehen, der fehlenden Sachverhaltsermittlung sowie der fehlenden Verhältnismäßigkeitsprüfung war der Bescheid vom 19. April 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juni 2017 folglich aufzuheben.

61

Sofern sich der Kläger darüber hinaus darauf beruft, dass die streitgegenständliche Regelung eine Tätigkeitsuntersagung nach § 48 SGB VIII darstellt, folgt das Gericht dieser Ansicht nicht. Denn der Beklagte untersagt nicht den Einsatz bestimmter Beschäftigter in der Einrichtung, sondern verweigert (lediglich) die Berücksichtigung dieses Personals bei der Berechnung des erforderlichen Fachpersonals.

Dementsprechend bedurfte es nicht der Beteiligung der betroffenen Mitarbeitenden im Verwaltungsverfahren gemäß § 12 SGB X.

62

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

63

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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