Daten, Geheimnis und Wert
Geschäftsgeheimnisse im globalen
Technologie-Zeitalter in der Schweiz
28. Februar 2017
LES-Seminar, IP & Know-How-Licensing Dirk Spacek, Rechtsanwalt, Dr. iur., LL.M.
LES-Seminar, IP & Know How-Licensing 28.02.2017
Geschäftsgeheimnis-Gesetzgebung erlebt eine «Auf- frischung».
– Neu: EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (EU- RL-2013/0402, «EU-RL-GG»);
– Neu: US Defend Trade Secrets Act of 2016;
– Alt: TRIPS-Abkommen (Art. 39);
– Alt: Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Art. 10bis);
– Asien: Divers reguliert.
Einführung
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Globale Rahmenbedingungen
– Datenanfälligkeit im globalen (IT-)Technologiezeitalter: →Es geht nicht nur um den Datenschutz …
– Anreize zum Know How-Transfer: →Streben nach Wachstum … – EU-Harmonisierungsziele: Problem: «Vereinheitlichen, aber
doch nicht vereinheitlichen»…
Einführung
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Wieso ist Geschäftsgeheimnis-Gesetzgebung aus Unter- nehmenssicht wichtig?
– Gemeinsamkeiten für Geheimnisschutz bestehen weltweit.
– Differenzen:
– Beweismittelbeschaffung (Angloamerika [Discovery] vs. Kontinentaleuropa);
– Schutz von Geschäftsgeheimnissen im Prozess;
– Schranken für Arbeitnehmer sowie im Technologietransfer- und R&D-Bereich;
– Rechtsdurchsetzung.
– Einfluss auf:
– Globale Unternehmensplanung (Standortverteilung).
– Partnerwahl bei Technologietransfers, Gemeinsame R&D-Projekte.
– Drafting Verträge (NDA, Lizenzen & Asset Deals).
Einführung
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– Was macht die Schweiz?
– Keine neue Gesetzgebung geplant.
– Fragmentiertes Regelwerk für Geschäftsgeheimnisse:
– Art. 4 lit. c., 5, 6 und 2 UWG; Anstiften, Auskundschaften, Verwerten, Verletzen von Arbeitsergebnissen /Geschäftsgeheimnissen. EU-GG-RL ↔ auch die Schweiz kennt hier eine «reverse engineering»-Schranke.
– Art. 321a OR; Treuepflicht des Arbeitnehmers.
– Art. 162 StGB; Verletzung von Fabrikations- und Geschäftsgeheimnissen.
– Art. 273 StGB; Wirtschaftlicher Nachrichtendienst.
– Art. 321 StGB; Verletzung des Berufsgeheimnisses.
– Art. 47 BankG; (weitere sektorspezifische Geheimnisvorschriften).
– Art. 3 lit. b. DSG; Datenschutzrecht für juristische Personendaten → Schweizerische Besonderheit.
– Div. Prozessgesetze (z.B. Art. 156 ZPO); Vertrauensschutz für im Prozess eingereichte Geschäftsgeheim- nisse.
Einführung
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Harmonisierte Einbindung der Schweiz:
– Schweiz ist Signatarstaat des TRIPS-Abkommens.
– Art. 39 TRIPS
– «a body or in the precise configuration and assembly of its components» is «not generally known among or readily accessible to persons within the circles that normally deal with this kind of information».
– «has commercial value because it is secret».
– «has been subject to reasonable steps» … «to keep it secret».
– «Natural and legal persons shall have the possibility of preventing» disclosure if acquired or used «without their consent in a manner contrary to honest commercial practices» (Fn. 10).
– Überwiegende Lehrmeinung in der Schweiz: TRIPS ist kein «self- executing treaty». Schweizer Rechtsordnung TRIPS-kompatibel.
– EU-Mitgliedstaaten sind auch TRIPS-Signatarstaaten → Gewisse Harmonisierung mit der Schweiz ist schon vorbestehend.
– Direkter Vergleich EU-GG-RL und Schweizer Gesetzgebung ist konzeptionell schwierig.
Einführung
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EU-GG-RL: Keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Schweiz.
– Geschäftsgeheimnisse von Schweizer Unternehmen fallen nicht unter die EU- RL-GG.
– EU-Niederlassungen aber unter EU-GG-RL geschützt.
– Szenario 1: EU-Unternehmen verklagt Schweizer Unternehmen in der EU wegen angeblicher Geschäftsgeheimnisverletzung.
– EU-GG-RL bzw. lokale Gesetzgebung im EU-Mitgliedsstaat u.U. anwendbar.
– Szenario 2: Schweizer Unternehmen verklagt EU-Unternehmen in der Schweiz wegen angeblicher Geschäftsgeheimnisverletzung.
– Anknüpfungspunkte in der Schweiz für Zuständigkeit und anwendbares Recht (Art. 5 Abs. 3 LugÜ, Art.
136 IPRG i.V.m. UWG).
– Szenario 3: Vertragspartner: Schweizer Unternehmen und EU-Unternehmen.
– Schweizer Rechtswahl : Möglich, Art. 116 ff. sowie 136 Abs. 3 IPRG i.V.m. UWG. «Lex fori» für Prozess- führung → Gerichtsstandklausel empfehlenswert (Art. 17 LugÜ).
Einführung
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Geschäftsgeheimnisbegriff (1)
– Rechtsprechung und Literatur:
– Nicht öffentlich bekannte oder zugängliche Informationen;
– Träger hat ein legitimes Interesse an deren Geheimhaltung (objektives Geheimhaltungsinteresse);
– → wirtschaftlicher Wert, Relevanz für Wettbewerbsfähigkeit wird hierunter mitverstanden.
– Träger beabsichtigt, Informationen geheim zu behalten (subjektives Geheimhaltungsinteresse);
– → Erkennbarer Geheimhaltungswille (Manifestation).
– EU-GG-RL: Geschäftsgeheimnisbegriff ↔ Vergleichbar? √
Geschäftsgeheimnisse in der Schweiz
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Geschäftsgeheimnisbegriff (2)
– Unterschiedlich verwendete Ausdrücke:
– «Geschäftsgeheimnisse» und/oder «Fabrikationsgeheimnisse»
(Art. 162 StGB, Art. 4 und 6 UWG).
– «Marktreifes/Anvertrautes Arbeitsresultat» (Art. 5 UWG).
– «…geheim zu haltende Tatsachen» … «z.B. Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse» (Art. 321a Abs. 4 OR).
– Geschäftsgeheimnisse können durch verschiedene Normen überschneidend erfasst sein.
Geschäftsgeheimnisse in der Schweiz
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– Geschäftsgeheimnisträger – Geheimnisherr:
– «Unternehmen, dem das Fabrikations- und Geschäftsgeheimnis zusteht»
(z.B. DONATSCH/FLACHSMAN/HUG/WEDER, StGB-Kommentar, Art. 162 Abs. 3).
– Was ist bei Unternehmen/komplexen Organisationen ohne zentrale Steu- erung des Geheimnisschutzes?
– Voluntativer Ansatz: → Individuen als Geheimnisherren?
– Fiktiver und organisatorischer Ansatz: → Unternehmen.
– BAUDENBACHER/GLÖCKNER: Funktionaler Ansatz → Grundsätzlicher Geheimhaltungswillen des Unternehmens. Nur in Ausnahmefällen besteht ein Offenbarungswillen.
– EU-GG-RL: Ausdehnung auf «Dritte» (Lizenznehmer) ↔ CH: Es kann mehrere Geheimnisherren geben. Vergleichbar? √
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Schranken: Arbeitnehmerschutz
– Art. 321a Abs. 4 OR: Vertraulichkeitspflicht, aber:
– Wirtschaftliches Fortkommen Arbeitnehmer: Allgemeines profes- sionelles Wissen, Erfahrung, Branchenkenntnisse, selbst erarbei- tetes Wissen dürfen weiter verwendet werden.
– Vertraulichkeit solange als Arbeitgeber legitimes Interesse an Auf- rechterhaltung.
– Art. 340a OR: Konkurrenzverbot (Schranken).
– Verbot übermässiger Bindung (Art. 27 Abs. 2 ZGB).
– EU-GG-RL: Whistleblower-Schutz ↔(Noch) kein for- meller Whistleblower-Schutz in der Schweiz.
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Schranken: Lizenzen, Technologietransfer, Gemeinsame For- schungs- und Entwicklungsprojekte
– Europäische Union:
– EU-Technologietransfer-Gruppenfreistellungsverordnung (Nr. 316/2014).
– EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Forschungs- und Entwicklungsver- einbarungen (Nr. 1217/2010).
– Schweiz:
– Bislang keine offizielle Position der WEKO zu diesen Themen, verwendet EU- Grundlagen aber als «Interpretationstool».
– Art. 7 KG (marktbeherrschende Stellung – Zugang zu Geschäftsgeheimnissen?).
– → Gewünschte Exklusivität von Geschäftsgeheimnissen kann u.U.
durch kartellrechtlichen Zwang durchbrochen werden (in EU und Schweiz). Vergleichbar? √
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Rechtsbehelfe gegen Geschäftsgeheimnisverletzungen im Überblick
– Vorsorgliche Massnahmen (Art. 261 ff. ZPO);
– Verbotsanspruch (Art. 9 Abs. 1 lit. a UWG);
– Beseitigungsanspruch (Art. 9 Abs. 1 lit. b UWG);
– Feststellungsklage (Art. 9 Abs. 1 lit. c UWG);
– Kompensatorische Ansprüche (div. Anspruchsgrundlagen);
– Vertragliche Geheimhaltungspflicht: Realerfüllung (Art. 98 Abs. 3 OR);
– Strafanzeige (höhere Anforderungen/u.U. weniger effizient);
– Beweislast und –führung (Art. 8 ZGB);
– EU-GG-RL: Rechtsbehelfe ↔ Vergleichbar √
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Geschäftsgeheimnisse im Prozess (1)
– Art. 156 ZPO: «Gefährdet die Beweisabnahme die schutzwürdi- gen Interessen einer Partei oder Dritter, wie insbesondere deren Geschäftsgeheimnisse, so trifft das Gericht die erforderlichen Massnahmen».
– Abwägung Geschäftsgeheimnisschutz vs. rechtliches Gehör Gegen- partei.
– Art. 70 StPO. → Durchbrechung in Art. 101 (Akteneinsichtsrecht Dritter).
– Art. 25 Abs. 4 KG: «Die Veröffentlichungen der Wettbewerbs- behörden dürfen keine Geschäftsgeheimnisse preisgeben».
– Kritisch BGer 2C_1065/2014 (Publikation Sanktionsverfügung Nikon): «Tatsa- chen, die bloss kartellrechtswidriges Verhalten begründen, sind von vornhe- rein keine Geschäftsgeheimnisse».
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Geschäftsgeheimnisse im Prozess (2) – IP-spezifisch:
– Art. 89 Abs. 2 und Art. 90 Abs. 5 PatV (Aussonderung von Fabri- kations- oder Geschäftsgeheimnissen aus Patentanmeldung).
– Art. 26 DesG (Aufschub Veröffentlichung Design max. 30 Monate).
– Art. 86e PatG; Art. 72b MSchG, Art. 48b DesG und Art. 77b URG (Warenbeschlagnahmung Zoll: Anwesenheitsrecht oder Verweige- rung der Freigabe von Mustern).
– Art. 77 Abs. 3 PatG: «attorney’s eye only»-Prinzip im Patentpro- zess.
– (Alt)EU-GG-RL (Art. 8): «Attorney’s eye only»-Prinzip ausdrücklich für Geschäftsgeheimnisse vorgesehen. Mittlerweile in neuer Fas- sung wieder fallengelassen ↔ vergleichbar √
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Vertragliche Regelungen
– Zu empfehlen: Unterschiedliche Geschäftsgeheimnisver- ständnisse durch Vertrag festnageln…
– Nur relativer Rechtsschutz inter partes.
– Div. Ausgestaltungsformen:
– Non Disclosure-Agreements (NDA).
– Know How-Lizenzverträge.
– Informationen kaufen? Disclosure Deal vs. Asset Deal.
– Geldersatz: Konventionalstrafen schaffen mehr Sicherheit (Art. 160 OR).
Geschäftsgeheimnisschutz
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