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Erklären in der Soziologie

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Academic year: 2022

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Otto von Freising-Vorlesungen der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt

Andrea Maurer

Erklären in

der Soziologie

Geschichte und Anspruch

eines Forschungsprogramms

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Otto von Freising-Vorlesungen der Katholischen Universität Eichstätt- Ingolstadt

Herausgegeben von der

Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt

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Weitere Bände in dieser Reihe http://www.springer.com/series/12235

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Andrea Maurer

Erklären in der Soziologie

Geschichte und Anspruch eines

Forschungsprogramms

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Andrea Maurer Trier, Deutschland

Otto von Freising-Vorlesungen der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt ISBN 978-3-658-17775-1 ISBN 978-3-658-17776-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-17776-8

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Inhalt

Abbildungsverzeichnis 7

Vorwort 9

1. Einleitung 11

2. Grundlegung der erklärenden Soziologie in der

Idee rationaler Theorie und Praxis 15 2.1 Aufklärung und Schottische Moralphilosophie 19 2.2 Soziologie als Real- und Handlungswissenschaft: Max Weber 23

2.3 Kritischer Rationalismus 26

2.4 Grundprinzipien und Anliegen 31

3. Institutionalisierung der erklärenden Soziologie nach 1945 35

3.1 Kontroversen 36

3.1.1 Der Positivismusstreit 36

3.1.2 Der Heidelberger Soziologentag 1964 37 3.1.3 Verhältnis zum Rational-Choice-Ansatz 38

3.2 Ereignisse 39

3.2.1 Theorievergleich und Gründung der deutschen

Theoriesektion 39

3.2.2 Makro-Mikro-Makro-Debatte 40

3.3 Akteure und Netzwerke 42

3.3.1 Hans Albert und die Einheit der Gesellschaftswissenschaft 42 3.3.2 Begründer, Reformer und Innovatoren 43

3.3.3 Makler und Brücken 46

3.4 Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte 47

4. Modelle handlungsbasierter Erklärungen in der Soziologie 51 4.1 Der verstehend-erklärende Ansatz Max Webers 52

4.1.1 Handlungstypologie 52

4.1.2 Situationsmodell: die geltende Ordnung 55

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6 Inhaltsverzeichnis

4.1.3 Die Erklärungslogik der Protestantischen Ethik 57 4.1.4 Weber als Bezugspunkt der erklärenden Soziologie 59 4.2 Modell mehrstufiger handlungstheoretisch fundierter Erklärungen 60

4.2.1 Logik und Struktur 61

4.2.2 Elemente 64

4.2.3 Besonderheiten 71

4.3 Rekursive Handlung-Struktur-Verbindungen 72

4.3.1 Grundlagen und Anspruch 73

4.3.2 Handlungs- und Situationsmodelle 75 4.3.3 Merkmale rekursiver Erklärungsmodelle 77

5. Erklären mit Mechanismen 81

5.1 Warum Erklären mit Mechanismen? 81

5.2 Logik und Form 85

5.2.1 Erklären mit Mechanismus-Modellen: Raymond Boudon 85 5.2.2 Analytische Soziologie: Peter Hedström 87 5.3 Mechanismus-Erklärungen als eine Variante erklärender Soziologie 90

6. Soziale Ordnungsbildung 95

6.1 Grundanliegen und Forschungsprogramm 95 6.2 Soziale Interdependenzen und Erwartungsbildung 97

6.2.1 Kernmodell 98

6.2.2 Problemkonturierungen 100

6.3 Die Realisierung gemeinsamer Absichten 104 6.3.1 Gemeinsame Anliegen und geltende Situationsdefinition 104

6.3.2 Einfache Unsicherheit 105

6.3.3 Trittbrettfahreranreize 106

6.3.4 Trittbrettfahreranreize in großen Gruppen 108 6.3.5 Soziale Mechanismen und gemeinsame Absichten 109 6.4 Soziale Formen und Mechanismen der Erwartungsbildung 112

7. Ausblick 115

Literaturverzeichnis 121

Internetquellen 132

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Erklärungsprogramme: Makro versus Mikro ... 19

Abb. 2: Erklärungsprogramme: Erklärungsfaktoren ... 21

Abb. 3 Verstehend-erklärende Soziologie nach Weber ... 58

Abb. 4: Mehrstufige handlungstheoretisch fundierte Erklärungen ... 63

Abb. 5: Strukturale Handlungstheorie nach Ronald Burt ... 77

Abb. 6: Theorie rationalen Handelns nach Raymond Boudon ... 86

Abb. 7: Mechanismus der rationalen Imitation ... 88

Abb. 8: Analytische Soziologie und Mechanismus-Erklärungen ... 89

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Vorwort

Erklären in der Soziologie ist bei weitem keine Selbstverständlichkeit, auch wenn die Klassiker des Faches dies noch als eine der Grundaufgaben der Soziologie an- sahen und uns nachfolgenden Generationen mit auf den Weg gaben. Warum Erklä- ren bis heute für das Selbstverständnis der Soziologie wichtig ist und wie das Pro- gramm einer erklärenden Soziologie ausgearbeitet werden kann, wird in dieser Schrift behandelt. Damit ist selbstredend nicht der Anspruch verbunden, alle Wege und Formen soziologischen Erklärens darzustellen und kritisch zu kommentieren.

Vielmehr geht es darum, ein spezifisches Programm in seinen methodologischen Grundlagen, Entwicklungen und seiner Heuristik darzustellen: das der erklärenden Soziologie.

Ich danke der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und namentlich Frau Prof. Dr. Stefanie Eifler sehr herzlich für die Übertragung der Otto-von- Freising-Gastprofessur im SS 2015. Die Diskussionen und Kontakte mit den Kol- leginnen vor Ort, vor allem mit Stefanie Eifler und Joost van Loon, sind für mich bis heute eine Bereicherung. Aber auch die Arbeit mit den Studierenden der Uni- versität Eichstätt-Ingolstadt war mit vielen neuen Einsichten und Eindrücken ver- bunden. Die Gastprofessur ermöglichte mir auch einen längeren Forschungsauf- enthalt in Chicago, wo ich Studien in den dortigen Archiven zur USA-Reise Max Webers im Jahr 1904 durchführen und darauf aufbauend eine kommentierte Neu- ausgabe der Protestantischen Ethik für den Reclam Verlag vorlegen konnte.

Das schließt den Kreis zu den Vorträgen und Seminaren an der Universität Eichstätt-Ingolstadt, wo ich unter anderem auch Max Webers These von der Durchsetzung des spezifisch modernen Kapitalismus als eine äußerst innovative Erklärungstechnik der Soziologie vorstellen und diskutieren konnte.

Trier und München im November 2016 Andrea Maurer

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1. Einleitung

Das Erklären sozialer Sachverhalte wie ungleicher Verteilungen, sozialer Positi- onsgefüge, das Auftreten von Krisen und sozialer Stabilität usw. zählt zu den zent- ralen Aufgaben der Soziologie. Von deren Gründervätern: Max Weber und Émile Durkheim, wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Erklären sozialer Regel- mäßigkeiten bzw. Tatbestände als das wesentliche Merkmal der neu zu begründen- den Soziologie benannt (Weber 1985 [1922]: 1; Durkheim 1999 [1895]: 105 ff.).

Beide haben dafür eine eigenständige Methodologie aufgelegt. Während Émile Durkheim „Soziales nur durch Soziales“ erklären und damit die Soziologie auf das Finden und Verwenden sozialer Strukturgesetze verpflichten wollte (Methodologi- scher Holismus), hat Max Weber die Ausarbeitung einer vom Verstehen des Han- delns Einzelner ausgehenden und darüber erklärenden Soziologie forciert (Metho- dologischer Individualismus bzw. Institutionalismus). Bis weit in die 1970er Jahre hinein prägten mit Marxismus und Strukturfunktionalismus Makrotheorien die So- ziologie. Deren (vorläufiges) empirisches Scheitern und logische Restriktionen wie der „funktionalistische Fehlschluss“ haben im Rahmen der international geführten Makro-Mikro-Debatte handlungsbasierten Erklärungen wieder neue Beachtung eingebracht (Maurer, Schmid 2010). Dennoch sind heute die klassischen Positio- nen sowie auch die Weiterentwicklungen im Ausbau von Erklärungen allgemein und von Erklärungen innerhalb der Soziologie kaum noch bekannt. Vielmehr noch ist die Soziologie auch noch im 21. Jahrhundert von nicht unerheblichen Missver- ständnissen und unnötigen Aufgeregtheiten geprägt. Dazu gehören vor allem die lebhaft geführten Debatten über die als Mikrofundierung einzusetzenden Hand- lungstheorien, die nicht enden wollenden Auseinandersetzungen über den Abstrak- tionsgrad von Begriffen und Modellen und erst recht die Frage nach den jeweils zu erfassenden Erklärungsfaktoren und auch deren Zusammenwirken (vgl. dazu die Abbildungen 1-2).

Trotz der unverkennbar hohen Relevanz ist die Beschäftigung mit methodolo- gischen Fragen und damit den Grundlagen von theoretischem Wissen und erklä- renden Theorien stark zurückgegangen. Stattdessen dominiert ein unreflektiertes Nebeneinander von Konzepten, Modellen und Theorien, das dazu geführt hat, dass zwar forschungspolitische Claims erfolgreich und Aufmerksamkeit schaffend ab- gesteckt werden und eine Theoriemode die andere ablöst, aber nicht dazu, dass die verschiedenen Erklärungsangebote zueinander in Beziehung gesetzt und damit das Wissen verbessert werden würde. Damit ist freilich, meist unbemerkt, der An- spruch auf eine sparsame Begriffs- und Theoriearbeit ebenso aufgegeben worden wie das Ziel, falsche Theorien zu identifizieren und Theorieangebote nach dem

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017

A. Maurer, Erklären in der Soziologie, Otto von Freising-Vorlesungen der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, DOI 10.1007/978-3-658-17776-8_1

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12 Einleitung

Grad der Allgemeinheit zu systematisieren. Auch ist nicht immer geklärt, wie sich erklärende Theorien, die aus abstrakten Annahmen und logischen Ableitungen be- stehen, zu reiner Begriffsarbeit oder empirischen Beschreibungen und Einzelfallre- konstruktionen verhalten und auf welchen Prämissen sie jeweils beruhen. Das wäre aber die Grundlage für theoretischen Fortschritt und eine praktische Theoriearbeit, die nicht immer wieder neu anzufangen hätte, sondern bewährte Theorieangebote erkennen und verbessern könnte. Dass dies gegenwärtig nur selten der Fall ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die Soziologie mehr und mehr als eine zerfa- sernde Disziplin erscheint, die weder über einen integrierenden methodologischen Kern noch über zentrale Leitthemen und -thesen verfügt. Nur noch selten gelingt es, soziale Rätsel, Paradoxien, Prozesse oder Phänomene als Folge spezieller sozia- ler Faktoren kenntlich zu machen und an das darüber bereits vorhandene Wissen anzuknüpfen. Selbst die von Max Weber und Émile Durkheim vorgelegten Erklä- rungen und Analysen des spezifisch modernen Institutionengefüges und seiner so- zialen Mechanismen und gesellschaftlichen Folgen scheinen kaum mehr Integrati- onskraft entfalten zu können.

Dass entgegen dieser Trends dennoch mit dem Programm der erklärenden So- ziologie ein integratives methodologisches Forschungsdesign zu konturieren ist, das über eine programmatische Perspektive, brauchbare Werkzeuge und empiri- sche Anwendungskraft verfügt, soll hier dargelegt werden. Im zweiten Kapitel werden die Ideen der Aufklärung und das Prinzip einer rationalen Theorie und Pra- xis skizziert und davon ausgehend mit den Vertretern der Schottischen Moralphilo- sophie und Max Weber die Soziologie als eine Real-, Erfahrungs- und Hand- lungswissenschaft definiert. Es wird gezeigt werden, dass das dafür erforderliche methodologische Grundgerüst wesentlich im Kritischen Rationalismus von Karl Popper ausgearbeitet und von Hans Albert und anderen im 20. Jahrhundert auf die modernen Sozialwissenschaften übertragen worden ist. Im dritten Kapitel werden die Konstitution und Institutionalisierung des Programms einer erklärenden Sozio- logie in der Soziologie in Deutschland nach 1945 nachgezeichnet. Damit werden erstmals zusammenfassend die relevanten Hintergründe in Form von Kontrover- sen, Institutionalisierungsschritten und Personen dargestellt. Daran schließt sich im vierten Kapitel eine Skizze der Grundlogik und Bestandteile handlungsbasierter und vor allem handlungstheoretisch fundierter mehrstufiger Erklärung in der Sozi- ologie an, wie sie in den 1970er Jahren entwickelt wurde und bis heute als erklä- rende Soziologie bezeichnet wird. Im fünften Kapitel wird dann das Mechanismus- Programm (mechanism approach) als eine innovative Wendung im Bereich sozi- alwissenschaftlicher Erklärungen eingeführt, dem realistischere Erklärungen durch komplexere Modelle zugrunde liegen. In diesem Kontext wird auf ein an Max We- ber angelehntes Erklärungsprogramm eingegangen, das vom sinnhaft aneinander

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Einleitung 13

orientierten sozialen Handeln ausgehend kausale Wirkzusammenhänge erschließt.

Sofern – bezogen auf diese – zufällige sozial-strukturelle Konstellationen identifi- ziert werden, die das erklärte Resultat verstärken, können soziale Sachverhalte aus Kausalzusammenhängen und Begünstigungskonstellationen erklärt werden. So er- klärt sich nach Weber etwa ein kollektives Zweckhandeln aus der Existenz formal rational gesetzter Ordnungen und Verbände, welche sich durchaus zufällig wiede- rum wechselseitig verstärken können, bis sie ein Gehäuse der Hörigkeit bilden. Vor allem die Kapitalismustheorie von Weber hilft, diese Erklärungsform zu verstehen.

Dort wird aus einem intuitiv-empirisch gewählten Handlungsmodell der Kausalzu- sammenhang zwischen religiösen Ideen und den Handlungsformen: Sparen, Ge- winnstreben und Berufsarbeit hergestellt, und so die Entstehung der Institutionen des modernen Kapitalismus aus dem Handeln der Protestanten erklärt. Wofür al- lerdings der empirische Hinweis auf zufällige Begünstigungskonstellationen, wel- che diesen Kausalprozess zufällig verstärken, unerlässlich ist, um den Siegeszug des Kapitalismus letztendlich zu erklären. Im sechsten Kapitel wird demonstriert, wie die verschiedenen Varianten des Programms einer erklärenden Soziologie die Grundfrage der Soziologie nach Bildung einer sozialen Ordnung bearbeiten und welche Lösungen dafür jeweils vorgestellt werden und wie diese miteinander zu- sammenhängen.

Dass sich die erklärende Soziologie als ein integratives Forschungsprogramm betreiben und erfolgreich ausbauen lässt, ist das generelle Fazit dieser Arbeit (sieb- tes Kapitel). Dass dazu nach wie vor methodologische Herausforderungen zu be- wältigen und Innovationen herbeizuführen sind, um klassische und neue Phäno- mene, Rätsel oder Prozesse des sozialen Zusammenlebens in der Soziologie bear- beiten und dafür dann auch praktische Lösungsmöglichkeiten und deren Ausgestal- tung analysieren zu können, ist der zu erwartende Lohn der damit verbundenen Mühen.

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2. Grundlegung der erklärenden Soziologie in der Idee rationa- ler Theorie und Praxis

1

Als erklärende Soziologie wird hier ein spezifisches, methodologisch fundiertes Programm innerhalb der Soziologie verstanden. Es ist durch die Grundvorstellung verbunden, soziale Ereignisse oder Prozesse durch allgemeine Aussagen über kau- sale Zusammenhänge zu erklären. In diesem Sinne wird das Programm durchaus von VertreterInnen verschiedener Theorieschulen oder Teildisziplinen betrieben.2 Bereits in den frühen Sozialtheorien der Moderne werden Mikro- und Makrotheo- rien unterschieden, wie etwa der aus Individualentscheidungen hervorgehende Ge- sellschaftsvertrag bei Thomas Hobbes und auf der anderen Seite der auf einem kol- lektiven Konsens beruhende Sozialvertrag bei Jean-Jacques Rousseau. Vor allem die Dominanz von Makrotheorien wie dem Marxismus oder dem Strukturfunktio- nalismus hat in der Soziologie im 20. Jahrhundert zu einer lang anhaltenden Kont- roverse und einer konfrontativen Unterscheidung zwischen sogenannten Makro- und Mikrotheorien geführt (vgl. Turner 2001; Ritzer 1990; Greve et al. 2008). Bei- de Programme wollen auf Basis spezifischer Prämissen und methodologisch be- gründet kausale Zusammenhänge im Sozialen benennen und damit bestimmte so- ziale Phänomene dann auch erklären.

In der Makrosoziologie werden solche Erklärungen ausschließlich mit Struk- turgesetzen fundiert und Kausalbeziehungen damit auf der Makroebene angesetzt.

Das meinte Durkheim mit der Forderung „Soziales“ nur aus „Sozialem“ zu erklä- ren. Für Durkheim waren dafür die kollektiven Vorstellungen wichtig, die sich in Gruppen ausbilden und den Einzelnen als objektiver Tatbestand gegenübertreten.

Demgegenüber gehen reine Mikroerklärungen davon aus, dass kausale Erklärun- gen sozialer Sachverhalte rein aus Annahmen auf der Mikro- bzw. der Ebene von Individuen gewonnen werden können. Diese Form geht davon aus, dass etwa di- rekt aus der Rationalität der Individuen auf die Existenz vorteilhafter rationaler In- stitutionen und Ordnungsformen wie dem Markt, dem Eigentum usw. in der sozia- len Welt geschlossen werden kann. Die beiden idealtypischen Erklärungsmodelle postulieren den Dualismus zwischen Makro- und Mikroerklärungen darüber, dass im einen Fall die zu erklärenden sozialen Phänomene in der Soziologie ausschließ- lich aus kausalen Aussagen über Individuen bzw. im anderen Falle aus solchen

1 Dieses Kapitel beruht auf einem 2015 verfassten und für diese Monografie überarbeiteten Beitrag, der in „Denkschulen der Soziologie“ veröffentlicht wird (vgl. Moebius, Fischer i.E.).

2 In den Politikwissenschaften findet sich dies insbesondere in der Governance- und Institutionenanalyse (vgl. stellvertretend Scharpf 2000; Zintl 1997), in der Geschichtswissenschaft in transaktionsorientierten Analysen (vgl. stellvertretend Berghoff 2016) und in der Ökonomik als allgemeines Verständnis (vgl.

dazu Homann, Suchanek 2000).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017

A. Maurer, Erklären in der Soziologie, Otto von Freising-Vorlesungen der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, DOI 10.1007/978-3-658-17776-8_2

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