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Beiträge zum strukturellen Design von Ionischen Flüssigkeiten mit einem reduzierten Gefahrenpotenzial

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Academic year: 2021

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(1)Beiträge zum strukturellen Design von Ionischen Flüssigkeiten mit einem reduzierten Gefahrenpotenzial. DISSERTATION. zur Erlangung des Grades eines Doktors der Naturwissenschaften - Dr. rer. nat. -. Dem Fachbereich Biologie/Chemie der Universität Bremen vorgelegt von Stefan Stolte. im September 2007.

(2) Diese Arbeit wurde in der Zeit von November 2004 bis September 2007 im Fachbereich II (Biologie/Chemie) der Universität Bremen angefertigt.. Eingereicht am:. 7. September 2007. Verteidigt am:. 19. Oktober 2007. Gutachter:. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Bernd Jastorff Prof. Dr. Detmar Beyersmann. Prüfer:. Prof. Dr. Wolfgang Heyser Prof. Dr. Jorg Thöming.

(3) III. Zusammenfassung Das Ziel des nachhaltigen Chemikaliendesigns ist die Entwicklung von Chemikalien, chemischen Produkten oder Prozessen, die ein höchstes Maß an Eigensicherheit aufweisen - also ein möglichst geringes Gefährdungspotenzial für Mensch und Umwelt - verbunden mit einer maximalen Leistungsfähigkeit in ihrer Anwendung (beispielsweise in Synthesen, Extraktionen etc.) bei sehr guter Profitabilität. Ionische Flüssigkeiten stellen eine ideale Substanzklasse für das nachhaltige Chemikalien-Design dar. Sie werden in der Literatur als "Designer Solvents" bezeichnet, da deren physikochemische Eigenschaften durch die Kombination und Variation der Strukturelemente Kopfgruppe, Anion und Seitenkette optimierbar sind und eine breite technische Anwendbarkeit ermöglichen. Für Ionische Flüssigkeiten, die den „Nachhaltigkeits-Kriterien“ möglichst gerecht werden sollen, ist allerdings nicht nur das technische Leistungsprofil entscheidend, sondern ebenso ein hohes Maß an Eigensicherheit notwendig, was ein Wissen zur (Öko-)Toxizität und zur biologischen Abbaubarkeit von Strukturen dieser Substanzklasse beinhaltet. In der vorliegenden Arbeit wurden auf Basis des Struktur-Wirkungs-Denken (T-SAR), durch die systematische Zusammenstellung von Testsubstanzen, der Ermittlung von toxischen Effekten mittels einer flexiblen (öko-)toxikologischen Testbatterie und dem konsequenten Einsatz geeigneter analytischer Methoden die Gefahrenpotenziale von insgesamt mehr als 150 verschiedenen Ionischen Flüssigkeiten untersucht. Durch die hier vorgestellten Forschungsergebnisse konnte gezeigt werden, dass Ionische Flüssigkeiten im Hinblick auf eine minimierte (Öko-)Toxizität „designbar“ sind. Durch die breit angelegte (biologische) Teststrategie konnten Strukturelemente identifiziert werden, die aus toxikologischer Sicht empfehlenswert sind beziehungsweise vermieden werden sollten. Die Untersuchungen haben einen Zielkonflikt im Design von Ionischen Flüssigkeiten zwischen der biologischen Abbaubarkeit und Toxizität aufgedeckt. Eine reduzierte Lipophilie der Kationen von Ionischen Flüssigkeiten führt eindeutig zu einer verminderten (Öko-)Toxizität, geht aber mit einer geringeren biologischen Abbaubarkeit einher. Die Substanzen, für die ein biologischer Abbau ermittelt werden konnte, zeigten hingegen zum Teil drastische Toxizitäten. Ob sich dieser Zielkonflikt - durch ein strukturelles Design von biologisch abbaubaren und wenig toxischen Verbindungen - lösen lässt, muss Ziel zukünftiger Untersuchungen sein..

(4) IV. INHALTSVERZEICHNIS Einleitung und Problemstellung……………………………………………………………………………..1  Umweltchemikalien............................................................................................................................1 Exkurs: Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) ..................................................................................4 Nachhaltigkeit und das nachhaltige Chemikalien-Design.............................................................7 Ionische Flüssigkeiten ....................................................................................................................10 Das nachhaltige Chemikalien-Design am Beispiel der Ionischen Flüssigkeiten......................16 Gefahrenpotenzialanalyse und Risikobewertung ........................................................................18 Stand des Wissens zur (Öko-)Toxizität von Ionischen Flüssigkeiten zu Beginn der Arbeit ...20 Ziele der Arbeit .....................................................................................................................................22 Herangehensweise...............................................................................................................................24 Struktur-Wirkungs-Denken .............................................................................................................24 Auswahl der Testsubstanzen ........................................................................................................25 Auswahl der Testsysteme .............................................................................................................26 Auswahl des Analytik-Systems......................................................................................................27 Veröffentlichungen...............................................................................................................................28 No. 1: Anion effects on the cytotoxicity of ionic liquids.............................................................29  No. 2: Influence of anion species on the toxicity of ionic liquids observed in an (eco)toxicological test battery.......................................................................................................38 No. 3: Effects of different head groups and modified side chains on the cytotoxicity of ionic liquids...............................................................................................................................................48 No. 4: Effects of different head groups and functionalised side chains on aquatic toxicity of ionic liquids.....................................................................................................................................56 No. 5: Primary biodegradation of ionic liquid cation, identification of degradation products of 1-methyl-3-octyl-imidazolium chloride and electrochemical waste water treatment of poorly biodegradable compounds……………………………..……………….............................................66 Liste weiterer Veröffentlichungen..................................................................................................77 Zusammenfassende Diskussion und Ausblick.................................................................................78 Untersuchungen zur (Öko-)Toxizität von Ionischen Flüssigkeiten ............................................78 Beitrag zur Gefahrenpotenzialanaylse ..........................................................................................78 Identifizierte (öko-)toxische Strukturelemente von Ionischen Flüssigkeiten .................................79 Hinweise auf Wirkmechanismen ...................................................................................................82 Aktueller Stand des Wissens zur (Öko-)Toxizität ..........................................................................83 Forschungsbedarf zur (Öko-)Toxizität von Ionischen Flüssigkeiten .............................................84 Untersuchungen zur biologischen Abbaubarkeit von Ionischen Flüssigkeiten.....................85 Beitrag zur Gefahrenpotenzialanaylse ..........................................................................................85 Einfluss des Inokulums..................................................................................................................86 Strukturelemente die den biologischen Abbau beeinflussen ........................................................87 Biologische Transformation ...........................................................................................................87 Alternative Entsorgungs-Strategien...............................................................................................88 Forschungsbedarf zur biologischen Abbaubarkeit von Ionischen Flüssigkeiten...........................89. .

(5) V. Fazit .......................................................................................................................................................90 Literatur.................................................................................................................................................92 Danksagung........................................................................................................................................101 Appendix .............................................................................................................................................103 1 : Design of sustainable chemical products - the example of ionic liquids........................(103) 2 : Beschreibung der verwendeten Testsysteme .......................................................................127 Der Zytotoxizitätstest mit IPC-81 Zellen ......................................................................................127 Vibrio fischeri ...............................................................................................................................128 Scenedesmus vacuolatus............................................................................................................129 Lemna minor................................................................................................................................130 3 : Curriculum Vitae ......................................................................................................................131.

(6)

(7) Einleitung und Problemstellung. 1. EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG UMWELTCHEMIKALIEN Eine der wichtigsten Aufgaben des prospektiven Umweltschutzes ist es, den Eintrag von Schadstoffen in die Biosphäre zu minimieren. Diese anthropogen eingetragenen Schadstoffe, auch als Umweltchemikalien bezeichnet, können eine Gefahr für die Ökosysteme weltweit, sowie für die Gesundheit und das Wohlergehen von Millionen von Menschen darstellen. Sie tragen teilweise oder sogar vollständig zu globaler Erwärmung, Klimaveränderung und dem Verlust der biologischen Vielfalt bei. Die Komplexität der durch Chemikalien verursachten Gefahren für Mensch und Umwelt kann durch die enorme Anzahl der vom Menschen synthetisierten Substanzen verdeutlicht werden. Im internationalen Bezeichnungsstandard für chemische Substanzen, dem Chemical Abstracts Service (CAS), wurden im Juli 2007 über 32 Millionen verschiedene Stoffe (einschließlich Legierungen und Polymere) erfasst, und jeden Tag kommen ca. 4000 neue Stoffe hinzu. Insgesamt werden weltweit von ungefähr 800 Chemikalienproduzenten über 13 Millionen chemische Produkte kommerziell vertrieben und somit potenziell in die Umwelt entlassen (Chemical Abstracts Service, 2007). Jede dieser Chemikalien weist ihr eigenes Wirkprofil auf und hat das Potenzial (dosis-abhängig) für den Menschen u.a. toxisch zu sein, Allergien auszulösen, die Fruchtbarkeit zu beeinflussen oder krebserregend zu sein. Chemikalien können Schadwirkungen auf einzelne Arten, Biozönosen und ganze Ökosysteme ausüben und sich in Nahrungsketten anreichern und noch Jahrzehnte nach ihrer Freisetzung in Blut und Fettgeweben von Organismen nachgewiesen werden (siehe Exkurs). Im Laufe der letzten 50 Jahre haben Chemieunfälle und daraus folgende Umweltkatastrophen (Tabelle 1) sowie von Chemikalien verursachte Umweltveränderungen auf die Problematik der Verbreitung chemischer Substanzen in der Biosphäre aufmerksam gemacht. Im besonderen Fokus standen und stehen dabei anthropogen eingetragene Schadstoffe wie u.a. Detergenzien (Ying, 2006), Pharmazeutika (Khetan and Collins, 2007) und die Gruppe der halogenierten organischen Verbindungen (Betianu and Gavrilescu, 2006). Zu dieser Gruppe, die auch als langlebige organische Schadstoffe oder POPs (engl. Persistant Organic Pollutants) bezeichnet werden, gehören Polychlorierte Biphenyle (PCB), Dioxine und Pestizide wie Aldrin, Hexachlorbenzol und Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT). Die Reichweite und das Ausmaß der chemikalien-verursachten Bedrohung für Mensch und Umwelt ist am Beispiel des DDT im Exkurs exemplarisch zusammengefasst. Die aus dem Eintrag von Schadstoffen resultierenden Umweltprobleme haben dazu geführt, dass Menschen die selbst herbeigeführte Bedrohung der eigenen ökologischen und ökonomischen Lebensgrundlage wahrnehmen und zum Handeln.

(8) 2 gezwungen sind, um sich und zukünftigen Generationen die Möglichkeit zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu geben. Auf politischer Ebene wurden zahlreiche internationale Umweltkonferenzen abgehalten (Tabelle 2) und Programme entwickelt, um globale und lokale Umweltprobleme erkennen, vermeiden und lösen zu können. Um die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß einer chemikalien-verursachten Schadwirkung an Mensch und Umwelt abschätzen zu können, sind viele Kenndaten einer Substanz notwendig. Dazu gehören umfangreiche physikochemische und (öko-)toxikologische Datensätze, sowie u.a. Informationen zur Freisetzung, Verfügbarkeit und zu der Verbeitung in der Umwelt. Nationale Gesetze und Verordnungen schreiben die Erhebung dieser Daten und den Umgang mit Chemikalien vor. In Deutschland basiert das Chemikalienrecht u.a. auf dem Chemikaliengesetz, der Gefahrstoffverordnung, der Chemikalienverbotsverordnung und der Chemikalien-Gift-Informationsverordnung (um nur die wichtigsten zu nennen). Das bis zum 31.05.2006 gültige System hatte eine europaweite Einteilung von Industriechemikalien in Alt- und Neustoffe vorgesehen. Ungefähr 100.000 Stoffe, die bis September 1981 auf den Markt gekommen sind, werden als Altstoffe bezeichnet (enthalten im europäischen Altstoffverzeichnis EINECS) und sind keiner Anmeldepflicht unterworfen. Damit bestehen keine Verpflichtungen der Hersteller diese Stoffe vor der In-Verkehr-Setzung (öko-)toxikologisch zu prüfen, oder entsprechende Daten zu sammeln. Das Wissen zur (Öko-)Toxizität dieser Altstoffe ist daher zum großen Teil sehr lückenhaft, was mit einem unkalkulierbaren Risiko für Mensch und Umwelt einhergeht, und dennoch sind sie Bestandteil vieler Produkte und Prozesse. Stoffe, die seit September 1981 entwickelt wurden (Neustoffe, enthalten im europäischen Neustoffverzeichnis ELINCS), müssen vor ihrer Markteinführung angemeldet werden. Dazu ist die Vorlage einer umfangreichen Datensammlung erforderlich, insbesondere die Durchführung einer Reihe von physikochemischen, toxikologischen und ökotoxikologischen Prüfungen zur Ermittlung etwaiger gefährlicher Eigenschaften. Der Umfang der zu liefernden Daten, ist von der produzierten Jahresmenge des Stoffes abhängig. Je höher die Menge desto mehr Prüfungen auf unterschiedlichen Testniveaus müssen durchgeführt werden. Erste Daten sind für Produktionschargen ab 10 kg notwendig. Seit dem 01.06.2007 ist das neue europäische Chemikalienrecht zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (englisch: REACH – Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals) in Kraft getreten (Lahl and Hawxwell, 2006; Umweltbundesamt, 2007). Das Innovative dieses Chemikalienrechts ist, dass es auf dem Grundsatz der Eigenverantwortung auf Herstellerseite basiert. Der Produzent oder Importeur eines Stoffes ist für die Sicherheit seiner Chemikalie verantwortlich und dies gilt nun für Alt- und Neustoffe gleichermaßen. Die Bewertung zum sicheren Umgang (Risiko-Management) mit den Stoffen entlang der gesamten Wertschöpfungskette und die dafür notwendigen Daten sind selbst zu beschaffen (Beweislastumkehr), und einer europäischen Bewertungsbehörde zu übergeben. Chemikalien, deren Produktionsmenge über einer Tonne pro Jahr liegt, sind nach.

(9) Einleitung und Problemstellung. 3. REACH registrierungspflichtig. Auch hier ist der Umfang der bei der Registrierung beizubringenden Daten von der Tonnage des produzierten/importierten Stoffes abhängig. In den nächsten 11 Jahren sollen Wissenslücken zu Chemikalien, die bisher unter die Altstoffverordnung gefallen sind, gefüllt werden. Zusätzlich bedarf es gesonderter Untersuchungen, Risikoabschätzungen und Autorisierungsschritte für Chemikalien, die als persistent, bioakkumulierend oder toxisch beziehungsweise als sehr persistent oder sehr bioakkumulierend eingestuft werden (oder im Verdacht stehen, diese Eigenschaften aufzuweisen). Ähnliches gilt für potenziell kanzerogene, mutagene oder reproduktionstoxische Chemikalien. Die Industrie wird angehalten, diese Stoffe grundsätzlich durch sicherere Alternativen zu ersetzen. Sofern dies im Einzelfall noch nicht möglich ist, müssen die Unternehmen einen Plan für die Erforschung und Entwicklung von Alternativen vorlegen. Die beschriebenen gesetzlichen Maßnahmen sind in langjährigen Verhandlungen und Entwicklungsprozessen entstanden und stellen einen Kompromiss zwischen (vertretbaren) toxikologischen Risiken und der Wirtschaftlichkeit dar. Während Industrie und Hersteller diese Maßnahmen oft als zu teuer und innovationshemmend kritisieren, fordern Umweltverbände deutlich weiter gehende Regulationen und Prüfungen von Chemikalien, noch bevor sie im Tonnen-Maßstab produziert und vertrieben werden.. Tabelle 1: Chemieunglücke und Umweltkatastrophen (Weder, 2003) Tankerunglücke Nuklearunfälle Chemieunfälle- und verseuchungen. Waldsterben Ozonloch Klimawandel. Torrey Canyon (1967), Amoco Cadiz (1978), Exxon Valdez (1989), Erica (1999), Pretige (2002) etc.. Majak im Ural (1958), Harrisburg, USA (1979), Tschernobyl (1986). Quecksilbervergiftung in der Minimata-Bucht, Japan (1959), CadmiunVerseuchung (Itai-Itai-Krankheit auf Kiushu, Japan (60er-Jahre), DioxinAustritt in Seveso, Italien (1976), Methyl-Isocyanat-Austritt, Bhopal (1984), Rheinvergiftung durch Lagerhausbrand bei Sandoz in Basel (1986). Seit Beginn der 80er-Jahre, saurer Regen versauert Böden. 1985 wird ein erschreckend großes Loch in der Ozonschicht über dem Südpol festgestellt. Seit Ende der 80er-Jahre wird der vom Menschen gemachte globale Klimawandel kontrovers diskutiert..

(10) 4 Tabelle 2: Meilensteine Internationaler Umweltpolitik (Informationen zur politischen Bildung (287), 2005) 1972 1979 1985 /1987 1991. 1992 2002. Stockholmer Konferenz der Vereinten Nationen über die Menschliche Umwelt und Gründung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP). Genfer Übereinkommen gegen weiträumige grenzüberschreitende Luftverschmutzung in Europa. Wiener Übereinkommen und Montrealer Protokoll zum Schutz der Ozonschicht. Gründung der Umweltfazilität (GEF), um die Bekämpfung globaler Umweltprobleme in bedürftigen Ländern zu unterstützen (Finanzbeiträge aus 174 Ländern; Gesamtvolumen bis 2004: 7,4 Mrd. US Dollar. Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro (Auftakt zu „Regelmäßigen Weltklimagipfeln“ u.a. in Kyoto). Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklungen in Johannesburg; Agenda 21.. EXKURS: DICHLORDIPHENYLTRICHLORETHAN (DDT) Das Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) zählt wohl zu den prominentesten und am besten untersuchten Umweltchemikalien überhaupt. DDT wurde 1874 vom deutschen Chemiker Othmar Zeidler aus Chloral und Chlorbenzol synthetisiert. Die insektizide Wirkung erkannte 1939 der Schweizer Paul Hermann Müller, der dafür 1948 den Nobelpreis für Medizin erhielt. Zwischen 1970 und 1980 wurde das Mittel aufgrund seiner weitreichenden Umweltschädigungen nach und nach in fast allen Staaten der Erde verboten.. Cl. Cl. Cl Cl. Cl. Abbildung 1: para-para-Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT).

(11) Einleitung und Problemstellung. 5. Eigenschaften und Verwendung: Paul Müller, der bei der Erforschung des DDTs nach einem Kontaktgift gegen Kleider- und Teppichmotten suchte, fasst die Eigenschaften eines idealen Pestizids wie folgt zusammen (Simon, 1999): • • • •. Große Toxizität gegenüber Insekten Rascher Eintritt der toxischen Wirkung Keine oder geringe Toxizität gegenüber Warmblütlern und Pflanzen Keine Reizwirkung und kein oder schwacher, jedenfalls nicht unangenehmer Geruch • Der Wirkungsbereich sollte möglichst groß sein und sich auf möglichst viele Arthropoden erstrecken • Niedriger Preis = ökonomische Anwendung • Lange Dauer der Wirkung, d.h. große chemische Stabilität DDT wird nach ersten Untersuchungen in den 50er Jahren all diesen Punkten gerecht. Es zeigt eine hervorragende insektizide Wirkung verbunden mit einer äußerst geringen akuten Toxizität gegenüber Warmblütlern und die Herstellung ist billig und in großem Maßstab möglich. Zunächst wurde DDT im 2. Weltkrieg von den Alliierten zur Bekämpfung von Läusen eingesetzt. So wurden 1944 monatlich etwa 900 Tonnen und zu Kriegsende monatlich etwa 1350 Tonnen DDT für das US-Militär hergestellt. DDT wurde dabei nicht als Reinstoff hergestellt und verwendet, sondern in technischer Reinheit. DDT enthielt nur 65-75% para-para-Dichlordiphenyltrichlorethan (Abbildung 1), die restlichen Anteile machten verschiedene Isomere und Synthesenebenprodukte aus. Für zivile Zwecke wurde DDT zur großflächigen Vernichtung der Anophelesmücke (Überträger der Malaria), der Tsetsetfliege (Überträger der Schlafkrankheit) und der Kleiderlaus (Überträger des Fleckenfiebers) angewendet. Durch die Nutzung von DDT ist die Zahl der jährlichen Malariatodesfälle in Indien von schätzungsweise 750 000 auf 1500 gesunken (Dekant and Vamvakas, 2005). Ähnliche Erfolge wurden auch in Pakistan, Ceylon (heute Sri Lanka), Paraguay, Venezuela, Mexiko und Zentralamerika erzielt. In Europa war Malaria Ende der 1960er Jahre ausgerottet. Für diese Erfolge bekam Paul Müller 1948 den Nobelpreis für das „Wundermittel“ DDT. Neben der Seuchenbekämpfung wurde DDT in der Landwirtschaft zur Schädlingsbekämpfung für Gemüse- und Getreidefelder, sowie zur Bekämpfung von Baumschädlingen genutzt, so wurden zum Beispiel in der Deutschen Demokratischen Republik 1983/84 etwa 600 Tonnen DDT ausgebracht um gegen eine Borkenkäferplage vorzugehen (Chemie.de Informations-Service, 2007). Nutztiere wie Schafe und Kühe wurden Herdenweise durch DDT-Bäder geführt um sie für mehrere Wochen von Insekten zu befreien..

(12) 6.  

(13)      Die von Paul Müller gepriesene große chemische Stabilität führte schlussendlich 1972 in den USA und in den Folgejahren in fast allen Ländern der Erde zu einem Verbot von DDT. Der extrem langsame biotische und abiotische Abbau (Persistenz) von DDT und seinen Isomeren (die Halbwertszeit von DDT in der Umwelt wird auf >10 Jahre geschätzt) führte zu einer Anreicherung in der Umwelt. Verbunden mit der guten Fettlöslichkeit des DDTs (und seiner Isomere) reicherte es sich in der Nahrungskette an (Bioakkumulation). Die Aufnahme erfolgte durch Mikroorganismen (überwiegend durch Plankton), Muscheln, Krebse, Schnecken und Fische wobei die Konzentration in den Endgliedern einer Nahrungskette stark ansteigen (oft millionenfach höher als in den Umweltmedien). Auch im Menschen reicherte sich das DDT über die Nahrung (und beim direkten Kontakt auch über die Haut) im Fettgewebe an. Diese Anreicherung in Organismen führte dazu, dass DDT und seine Derivate Konzentrationen erreichten, bei denen toxische Wirkungen auftraten. Besonders der Umstand, dass DDT (und einige seiner Derivate) endokrine Disruptoren sind - sie also ähnlich wie Hormone wirken (DDT bzw. sein Metabolit Dichlordiphenyldichlorethen als Agonist des Östrogen-Rezeptors) oder natürliche Hormone hemmen (DDT als Antagonist des Androgen-Rezeptors) - hatte weitreichende Folgen für die Umwelt. Die endokrine Wirkung von DDT und seinen Derivaten gilt heute als Ursache von Reproduktionsstörungen unterschiedlicher Art, die bei Lebewesen aus verschiedenen Tierklassen (Säugetiere, Reptilien, Amphibien, Fische, Insekten) auftraten (BUA report 216, 1998). Die bekannteste davon ist die Eischalenverdünnung (Störung der Calcium-Einlagerung) bei Vögeln. Besonders empfindlich auf diese Eischalenverdünnung reagierten Greifvögel, was zu sehr deutlichen Bestandseinbrüchen (bis zur regionalen Ausrottung) von z.B. Wanderfalken, Seekopfadlern oder Sperbern führte (Chemie.de InformationsService, 2007). Mitte der 1950er Jahre machte die amerikanische Biologin Rachel Carson mit dem Buch "Silent Spring" ("Der stumme Frühling") auf die Probleme und Risiken des DDT-Einsatz aufmerksam und löste eine öffentliche Debatte zu den Folgen von DDT aus. 1972 erfolgte das Verbot in den USA, dem sich viele weitere Länder anschlossen. Auch nach Jahrzehnten nach der großflächigen Anwendung von DDT (inklusive seiner Derivate) ist es noch in signifikanten Mengen, z.B. in der Muttermilch des Menschen (Minh et al., 2006) oder im Fettgewebe von Seehunden in der Arktis, nachweisbar und trägt so immer noch zur Gefährdung von Mensch und Umwelt bei. Die geschichtliche Entwicklung des DDTs vom "Wundermittel" und Nobelpreis bis hin zum Verbot, verdeutlicht wie komplex und vielschichtig die Problematik von Umweltchemikalien sein kann. Den zuerst offenkundig lebensrettenden Eigenschaften in der Seuchenbekämpfung stehen generationsübergreifende.

(14) Einleitung und Problemstellung. 7. Langzeitschadwirkungen gegenüber. Desweiteren verdeutlicht das Fallbeispiel DDT wie gewichtig der Faktor "Unsicherheit" in der Gefahrenpotenzialanalyse von Chemikalien ist. Trotz (öko-)toxikologischer Untersuchungen ist das wirkliche Gefahrenpotenzial der Chemikalie DDT erst viele Jahre nach dessen Verwendung offenkundig geworden. Dieser Umstand hat zur Entwicklung von neuen (öko-)toxikologischen Tests zur Bestimmung der biologischen Abbaubarkeit, der Bioakkumulation und der endokrinen Wirkung geführt, die teilweise (und in Abhängigkeit der Produktionsmenge) zur Pflicht bei der Markteinführung von Chemikalien geworden sind.. NACHHALTIGKEIT UND DAS NACHHALTIGE CHEMIKALIEN-DESIGN Generell umfasst das Nachhaltigkeitskonzept die Dimensionen Wirtschaft, sozialer Zusammenhalt und Umwelt und beinhaltet die generationsübergreifende ökologische, soziale und ökonomische Gerechtigkeit. „Nachhaltigkeit“ bedeutet ebenfalls, dass diese Dimensionen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen und keinem dieser Aspekte ein höherer Stellenwert eingeräumt wird. In dem 1987 veröffentlichten Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (World Commission on Environment and Development, 1987) wird die nachhaltige Entwicklung auf zwei Arten definiert:. „Entwicklung zukunftsfähig zu machen, heißt, dass die gegenwärtige Generation ihre Bedürfnisse befriedigt, ohne die Fähigkeit der zukünftigen Generation zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen zu können." oder "Eine zukunftsfähige Entwicklung ist ein Prozess der Veränderung, in dem die Nutzung der Ressourcen, die Struktur der Investitionen, die Orientierung des technischen Fortschrittes und die institutionellen Strukturen konsistent gemacht werden mit den zukünftigen und den gegenwärtigen Bedürfnissen.“. Bezieht man das Konzept der Nachhaltigkeit auf die Chemie, also letztlich auf Produkte und Prozesse der chemischen Industrie, so trägt diese eine besondere Verantwortung und steht gleichermaßen vor ökologischen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen. Im vorangegangenen Abschnitt wurden die Gefahren für Mensch und Umwelt, die mit Chemikalien und chemischen Prozessen einhergehen können, aufgezeigt. Gleichzeitig verbraucht die chemische Industrie Unmengen an Energie und natürlichen Ressourcen. Die daraus resultierenden Umweltprobleme widersprechen der ökologischen generationsübergreifenden Gerechtigkeit. Allerdings ist die chemische Industrie die viertgrößte Industriebranche.

(15) 8 in Deutschland. Zu ihr zählen etwa 3 000 Unternehmen mit mehr als 400 000 Mitarbeitern und einem Gesamtumsatz von mehr als 150 Milliarden Euro pro Jahr (Verband der chemischen Industrie, 2006). Die chemische Industrie trägt also wesentlich (jedenfalls für Deutschland) zu den Dimensionen „Wirtschaft“ und „sozialer Zusammenhalt“ im Nachhaltigkeitskonzept bei. Außerdem sind die Produkte der chemischen Industrie unersetzlich für die Fertigung nahezu aller technischen Erzeugnisse und sind Bestandteil fast sämtlicher Alltagsgegenstände (Lebensmittel, Arzneimittel, Textilien etc.). Daher sind die Erzeugnisse der chemischen Industrie in den meisten Kulturen ein unabdingbarer und zentraler Teil des heutigen Lebensstandards. Und sie bieten ein großes Potenzial zur nachhaltigen Entwicklung, wenn ein Paradigmenwechsel in der Chemieindustrie hin zur Forschung und Entwicklung eigensicherer und somit nachhaltiger Produkte im besten Sinne des Wortes gelingt. Um die noch bestehenden Ungleichgewichte zwischen den Dimensionen Wirtschaft und Umwelt zu beheben, haben Dr. Paul T. Anastas (US Environmental Protection Agency) und Dr. John C. Warner (University of Massachusetts, Boston) die 12 Grundprinzipien der „Green Chemistry“ (Tabelle 3) und des „Green Engineering“ (Tabelle 4) entwickelt. Diese Ansätze beinhalteten, dass bei der Herstellung von chemischen Produkten die Umwelt und ihre Ressourcen geschont werden, indem weniger gefährliche Substanzen gebraucht, hergestellt oder diese vollständig eliminiert werden und möglichst wenig Ressourcen verbraucht werden. Das trifft für die Synthese neuer Verbindungen ebenso zu, wie für die Herstellung oder Anwendung bekannter Produkte. Das nachhaltige Chemikaliendesign beschreibt man am einfachsten mit seinem Idealziel: Die Entwicklung von Chemikalien, chemischen Produkten oder Prozessen, die ein höchstes Maß an Eigensicherheit aufweisen - also ein möglichst geringes Gefährdungspotenzial für Mensch und Umwelt - verbunden mit einer maximalen Leistungsfähigkeit in ihrer Anwendung (beispielsweise in Synthesen, Extraktionen etc.) bei sehr guter Profitabilität. Die Prinzipien von „Green Chemistry“ oder „Green Engineering“ für chemische Produkte oder Prozesse jeweils in allen Punkten zu verwirklichen, ist nahezu unmöglich. Zielkonflikte sind dabei unausweichlich. Daher muss eine Strategie gefunden werden, mit der es gelingt, akzeptable Kompromisse zwischen einem vertretbaren Gefahrenpotenzial, technischer Leistungsfähigkeit und ökonomischer Rentabilität eines Produktes oder Prozesses zu finden. Der dazu nötige Forschungs- und Entwicklungsbedarf kann deshalb nur durch eine möglichst früh startende interdisziplinäre Zusammenarbeit (u.a. der Fachrichtungen Biologie, Chemie, Ingenieurswissenschaften, Medizin und Wirtschaftswissenschaften) und in enger Partnerschaft zwischen Wissenschaft, Produzenten und Anwendern bewältigt werden (Jastorff et al., 2005)..

(16) Einleitung und Problemstellung. 9. Neben Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit sollte die akademische Seite auch den Anspruch haben, die Nachhaltigkeitsprinzipien in die Lehre zu integrieren, um interdisziplinäres Denken und Arbeiten schon in der Ausbildung zu fördern. Wären für Chemiker beispielsweise die Einhaltung der Prinzipien von „Green Chemistry“ ein genauso strenges Lehr- und Lernziel wie beispielsweise das Erreichen hoher Ausbeuten bei Synthesen, könnten zukünftige Generationen von Chemikern wahrscheinlich flexibler und zielgerichteter mit den Anforderungen der nachhaltigen Entwicklung in der Chemie umgehen.. Tabelle 3: Principles of Green Chemistry entnommen aus (Anastas and Warner, 1998) 1. Prevent waste: Design chemical syntheses to prevent waste, leaving no waste to treat or clean up. 2. Design safer chemicals and products: Design chemical products to be fully effective, yet have little or no toxicity. 3. Design less hazardous chemical syntheses: Design syntheses to use and generate substances with little or no toxicity to humans and the environment. 4. Use renewable feedstock: Use raw materials and feedstock that are renewable rather than depleting. Renewable feedstock are often made from agricultural products or are the wastes of other processes; depleting feedstock are made from fossil fuels (petroleum, natural gas, or coal) or are mined. 5. Use catalysts, not stoichiometric reagents: Minimize waste by using catalytic reactions. Catalysts are used in small amounts and can carry out a single reaction many times. They are preferable to stoichiometric reagents, which are used in excess and work only once. 6. Avoid chemical derivatives: Avoid using blocking or protecting groups or any temporary modifications if possible. Derivatives use additional reagents and generate waste. 7. Maximize atom economy: Design syntheses so that the final product contains the maximum proportion of the starting materials. There should be few, if any, wasted atoms. 8. Use safer solvents and reaction conditions: Avoid using solvents, separation agents, or other auxiliary chemicals. If these chemicals are necessary, use innocuous chemicals. If a solvent is necessary, water is a good medium as well as certain eco-friendly solvents that do not contribute to smog formation or destroy the ozone. 9. Increase energy efficiency: Run chemical reactions at ambient temperature and pressure whenever possible. 10. Design chemicals and products to degrade after use: Design chemical products to break down to innocuous substances after use so that they do not accumulate in the environment. 11. Analyze in real time to prevent pollution: Include in-process real-time monitoring and control during syntheses to minimize or eliminate the formation of byproducts. 12. Minimize the potential for accidents: Design chemicals and their forms (solid, liquid, or gas) to minimize the potential for chemical accidents including explosions, fires, and releases to the environment..

(17) 10 Tabelle 4: Principles of Green Engineering entnommen aus (Anastas and Zimmerman, 2003) 1. Designers need to strive to ensure that all material and energy inputs and outputs are as inherently nonhazardous as possible. 2. It is better to prevent waste than to treat or clean up waste after it is formed. 3. Separation and purification operations should be designed to minimize energy consumption and materials use. 4. Products, processes, and systems should be designed to maximize mass, energy, space, and time efficiency. 5. Products, processes, and systems should “output pulled” rather than “input pushed” through the use of energy and materials. 6. Embedded entropy and complexity must be viewed as an investment when making design choices on recycle, reuse, or beneficial disposition. 7. Targeted durability, not immortality, should be a design goal. 8. Design for unnecessary capacity or capability (e.g., “one size fits all”) solution should be considered a design flaw. 9. Material diversity in multicomponent products should be minimized to promote disassembly and value retention. 10. Design of products, processes, and systems must include integration and interconnectivity with available energy and materials. 11. Products, processes, and systems should be designed for performance in a commercial “alterlife”. 12. Material and energy inputs should be renewable rather than depleting.. IONISCHE FLÜSSIGKEITEN „Ionische Flüssigkeiten“ ist die Bezeichnung für eine in ihren chemischen Strukturen sehr variable Stoffklasse. Per Definition ist eine Substanz eine Ionische Flüssigkeit, wenn sie ausschließlich aus Ionen besteht und einen Schmelzpunkt unter 100°C aufweist. In der englischsprachigen Literatur werden unterschiedliche Begrifflichkeiten für „ionic liquids“ genutzt so spricht man synonym auch von, „molten salts“, „liquid organic salts“ oder „low melting salts“. Bei Substanzen, die bei Raumtemperatur flüssig vorliegen, erfolgen zusätzlich noch Abwandlungen wie „ambient temperature molten salts“ oder „room temperature molten salts“. In der Regel sind Ionische Flüssigkeiten aus einem organischen Kation (Tabelle 5) und einem Anion (Tabelle 6) mit einem anorganischen Zentralatom aufgebaut. Die Kationen sind in der Regel sterisch aufwändige, unsymmetrische Ammonium- oder Phosphonium-Verbindungen, oder Heteroaromaten mit geringer Ladungsdichte und Symmetrie. Im Prinzip sind Ionische Flüssigkeiten Salzschmelzen, die, im Gegensatz zu klassischen Salzschmelzen, in einem Temperaturbereich flüssig vorliegen, der für Reaktionen der organischen Chemie üblich ist. Dadurch finden sie bevorzugt.

(18) Einleitung und Problemstellung. 11. Anwendung als Lösungsmittel in der Synthesechemie. Die erste Ionische Flüssigkeit (Ethylammmoniumnitrat) wurde bereits 1914 beschrieben (Walden, 1914), aber erst in den letzten 10 Jahren sahen sich die Ionischen Flüssigkeiten einem stetig wachsenden Interesse der Forschung gegenüber, was zu mehreren Büchern (Brazel and Rogers, 2005; Ohno, 2005; Rogers et al., 2003; Wasserscheid and Welton, 2002) und einer Vielzahl von Publikationen (Abbildung 2) zu dieser Substanzklasse führte.. Abbildung 2: Publikationen zu Ionischen Flüssigkeiten. Viele Ionische Flüssigkeiten zeichnen sich durch eine hohe chemische (Dupont and Suarez, 2006) und thermische Stabilität (Scammels et al., 2005), eine hohe Wärmekapazität (Van Valkenburg et al., 2005), eine hohe elektrische Leitfähigkeit (Endres, 2002) und durch ein weites Fenster elektrochemischer Stabilität aus (Endres, 2002). Ein großer Vorteil von Ionischen Flüssigkeiten ist, dass durch Kombinationen der Strukturelemente Kopfgruppe, Seitenkette und Anion (Tabelle 5 und Tabelle 6) eine nahezu unendlich große Anzahl potenzieller Ionischer Flüssigkeiten möglich ist. Davon sind einige hundert derzeit kommerziell erhältlich und noch viele mehr sind in der Literatur beschrieben. Diese enorme Strukturvielfalt hat zur Prägung des Begriffes „Designer Solvent“ für die Ionischen Flüssigkeiten geführt (Freemantle, 2000). Gezielte Veränderungen an den Strukturen sind mit Veränderungen der physikochemischen Eigenschaften (molekulares Wechselwirkungspotenzial, thermische Stabilität Schmelzpunkt, elektrische Leitfähigkeit, Dichte, Viskosität usw.) verbunden. Durch das sogenannte „Tuning“ der Verbindungen ist deren Optimierung für eine bestimmte Applikation denkbar. Aus den interessanten physikochemischen Eigenschaften leitet sich folgerichtig eine Vielzahl von möglichen Anwendungen ab (Überblick in Tabelle 7). So wird seit 2002 eine Ionische Flüssigkeit von der Firma BASF in einem ihrer großtechnischen Produktionsprozesse für die Synthese des Fotoinitiators.

(19) 12 Diethoxyphenylphosphin verwendet. In dem sogenannten BASIL™ (Biphasic Acid Scavenging utilizing Ionic Liquids) Prozess wird 1-Methylimidazol als Säurefänger verwendet (Rogers and Seddon, 2003; Seddon, 2003). Neben diesem Prozess werden Ionische Flüssigkeiten beispielsweise in größerem Maßstab zur Lagerung von gefährlichen Gasen (Air products, 2007), bei der Herstellung von Silanen (Weyershausen et al., 2005), als „Flüssigkolben“ in Kompressoren der Linde GmbH, (Katholieke Universiteit Leuven, 2007) oder als Additiv in Farben (Weyershausen and Lehmann, 2005) verwendet. Neben der Variabilität in den Strukturen und der Möglichkeit physikochemische Eigenschaften zu „Tunen“ ist ein weiterer großer Vorteil von Ionischen Flüssigkeiten im Vergleich zu konventionellen Lösungsmitteln (Diethylether, Hexan etc.) - , dass sie keinen messbaren Dampfdruck aufweisen. Dies führt dazu, dass die meisten Vertreter dieser Substanzklasse schwer entflammbar und nicht explosionsgefährlich sind. Für einen Anwender, der mit Ionischen Flüssigkeiten arbeitet, leitet sich daraus ein deutlich vermindertes Unfallpotenzial ab. Außerdem ist das inhalative Expositionspotenzial stark reduziert. Speziell die günstigen Aspekte der Arbeitssicherheit haben dazu geführt, dass Ionische Flüssigkeiten oft als „Green Chemicals“ oder „Green Solvents“ bezeichnet werden. Allerdings ist das Wissen zur (Öko-)Toxizität von Ionischen Flüssigkeiten sehr begrenzt und bezieht sich, wenn Untersuchungen auf diesem Gebiet vorliegen, auf nur wenige Vertreter dieser sehr heterogenen Stoffklasse. Von einigen Substanzen dieser Stoffklasse ist bekannt, dass diese eine deutliche (Öko-)Toxizität aufweisen und biologisch nicht abbaubar sind. Daher dürfen Ionische Flüssigkeiten nicht per se als „Green“ bezeichnet werden. Vielmehr müssen sie sehr differenziert und immer auf der Ebene der Einzelsubstanzen diskutiert werden, wenn es um eine Bewertung ihrer Nachhaltigkeit geht. Werden Ionische Flüssigkeiten in Prozessen eingesetzt, spielt auch die Frage eine Rolle, welche umwelttechnischen Schutzmaßnahmen möglich und bezahlbar sind..

(20) Einleitung und Problemstellung. 13. Tabelle 5: Kationen von Ionischen Flüssigkeiten (Jastorff et al., 2005). Kopfgruppe. Seitenkette. R2 R1. R. N + N. Imidazolium. 3. R1/3= -Wasserstoff, -Methyl, -Ethyl, -Propyl, -Methoxyethyl, -Butyl, -Pentyl, -Hexyl, -Octyl, -Decyl, -Dodecyl, -Tetradecyl, -Hexadecyl, -Octadecyl, -Benzyl, -Phenylpropyl, -1H,1H,2H,2H-Perfluorooctyl R2= -H, -CH3, Nortallow. R2. R1=. -Ethyl, -Propyl, -Butyl, -Hexyl, -Octyl. + N R1. R3. R2/4= -Wasserstoff, -Methyl R4. Pyridinium R1. R3=. -Wasserstoff, -Methyl. R2 N +. R1/2= -Methyl, -Ethyl, -Propyl, -Butyl, -Hexyl, -Octyl. Pyrrolidinium. R1 + N R4. R2 R3. R1-4= -Methyl, -Ethyl, -1-Hydroxyethyl, -Butyl, -Pentyl, -Cyclohexyl, -Octyl, -Cocos, -Tallow,-Polyethylen-glycolether,-Stearyl. Ammonium. R2. R1 + P R4. R3. R1-4 = -Methyl, -Ethyl, -Butyl, -isoButyl, -Hexyl, -Octyl, -Tetradecyl, -Hexadecyl, -Phenyl. Phospohnium R1. R2. R3. N. N. + C. R4. R1-6= -Wasserstoff, -Methyl, -Ethyl, -Propyl, -isoPropyl,. N R5. R6. Guanidinium N. + C. N. R1. Isouronium + S. Sulfonium. R1= -Methox, -Ethoxy, Ethylthioether.

(21) 14 Tabelle 6: Anionen von Ionischen Flüssigkeiten (Jastorff et al., 2005) Maingroup 3 B. Structure. Maingroup P. Name. -. [BF4] [B(CN)4]. Tetrafluoroborate Tetracyanoborate. O -O B O O. Bis[1,2-benzenediolato(2-)] borate. O. Structure. Name. 3-. [PO4] [(H3CO)2PO2] [(H5C2O)2PO2] [PF6] [(C2F5)3PF3]. -. [(C3F7)3PF3]. -. [(C4F9)3PF3]. -. Tris(pentafluoroethyl)trifluorophosphate. O O -O B O O. Bis[salicylato(2-)]-borate. O. O. Bis[malonato(2-)]borate. O -O B O O O. O. Phosphate Dimethyl phosphate Diethyl phosphate Hexafluoro phosphate. Tris(heptafluoropropyl)trifluorophosphate Tris(nonafluorobutyl)trifluorophosphate. O -. Bis(2,4,4trimethylpentyl)phosphinate. O P. Sb Bis[2,2'biphenyl-diolato(2-)-O,O']-borate. O -O B O. O. [(C2F5)2P(O)O]. -. Al -. Hexafluoroantimonate. -. Thiocyanate Hydrogen sulfate Methyl sulfate Ethyl sulfate Butyl sulfate Hexyl sulfate Octyl sulfate Heptadecafluorooctanesulfonate 2-(2-methoxyethoxy)ethylsulfate Methanesulfonate Trifluoromethanesulfo nate Nonafluorobutanesulf onate. [SbF6] O O. O. O - O B O O. Bis[oxalato(2-)]-borate. O. 6. Bis(trifluoromethanesulfonyl)methide Tris(trifluoromethylsulfonyl)methide. [SCN] [HSO4] [CH3OSO3] [C2H5OSO3] [C4H9OSO3] [C6H13OSO3] [C8H17OSO3]-. -. Acetate. [C8F17SO3]. -. Trifluoroacetate Decanoate. -. [AlCl4]. Tetrachloroaluminate. 4 [HC(SO2CF3)2]. -. [C(SO2CF3)3]C [CH3COO]. [CF3COO] [H3C-(CH2)8-COO]. S. 5 -. [NO3]. [(CN)2N]. -. Dicyanamide. [C4F9SO3]. -. Bis(trifluoromethyl)imide. [N(SO2CF3)2]. [N(SO2CF2CF3)2]. -. SO3-. Bis(trifluoromethylsulfonyl)imide. -. -. Subgroup. -. [CF3SO3]. N. -. [H3CO(CH2)2O(CH2)2OSO3] [CH3SO3]. Nitrate. [N(CF3)2]. Bis(pentafluoroethylsulfonyl)imide -. [Co(CO)4]. Bis(pentafluoroethyl)phosphinate. 7. -. [Cl] [Br][I]. Tosylate. Chloride Bromide Iodide Cobalttetracarbonyl.

(22) Einleitung und Problemstellung. 15. Tabelle 7: Anwendungsbeispiele von Ionischen Flüssigkeiten. Synthese: Praktisch alle Namensreaktionen der organischen Chemie wurden in Ionischen Flüssigkeiten durchgeführt. Beispielsweise die Diels-Alder-Reaktion (Earle et al., 1999), die ReformatskyReaktion (Kitazume and Kasai, 2001), die Beckmannumlagerung (Guo et al., 2006), die HornerWadsworth-Emmons-Reaktion (Kitazume and Tanaka, 2000), die Knoevenagel-Kondensation (Morrison et al., 2001), die Robinson-Anellierung (Morrison et al., 2001) die Friedel-CraftsAlkylierung (Adams et al., 1998) und Acylierung (Csihony et al., 2002). Eine Zusammenfassung der Literatur zum Stand des Wissens in der Synthese findet sich in (Wasserscheid and Welton, 2002) und (Chowdhury et al., 2007). Katalyse: Viele Ionische Flüssigkeiten finden aufgrund ihrer guten Lösungsund Koordinationseigenschaften Anwendung in der Katalyse. Dort dienen sie als Solvenz für Katalysen (1), als Co-Kataysator (2) oder als Katalysator selbst (3) (1) z.B. bei der katalysierten Elektroreduktion bei der Homokupplung von Alkyl- und Benzylhaliden (Barhdadi et al., 2003) der Heck-Kupplung (Kaufmann et al., 1996) oder bei enzymkatalyisierten Reaktionen, wie beispielsweise der regioselektiven Acylierung von Glukose durch Lipase (Kazlauskas et al., 2002). (2) beispielsweise bei der Nickelkatalysierten Oligomerisation von Ethen (Einloft et al., 1996) (3) z.B. bei der elektrophilen Substitution von Anthracen (Adams et al., 1998) oder bei DielsAlder-Cycloadditionen (Schreiner, 2003). Die zahlreichen Publikationen auf dem Gebiet (Bio-)Katalyse sind in Übersichtsartikel zusammengefasst (Fellay, 2007; Welton, 2004; Welton, 1999; Zhao, 2005) Elektrochemie: Es sind Anwendungen beschrieben in denen Ionische Flüssigkeiten aktive Komponenten in Sensoren sind (Dai and Liang, 2001), als Elektrolyte für Batterien (Koch et al., 1995) und bei der Positionierung von Metallen auf Elektroden verwendet werden (Endres, 2002). Zusammenfassungen der elektrochemischen Eigenschaften und Anwendungen finden sich in (Endres, 2002; Galinski et al., 2006; Silvester and Compton, 2006). Analytik: In der Analytik finden Ionische Flüssigkeiten Anwendung als Matrix für die Massenspektroskopie (Armstrong et al., 2001) und als stationäre Phase für die Gaschromatografie (Armstrong et al., 1999). Eine Übersicht zur Anwendungen von Ionischen Flüssigkeiten in der Analytik und über die Analytik von Ionischen Flüssigkeiten sind in (Anderson et al., 2006; Kazarian et al., 2002; Poole, 2006; Stepnowski, 2006) zusammengefasst. Technik: In diesem Feld sind viele mögliche Anwendungsgebiete für Ionischen Flüssigkeiten erschlossen worden, z.B. als Wärmeträger (Van Valkenburg et al., 2005), als Schmiermittel (Liu et al., 2002), als Flüssigkristalle (Bowlas et al., 1996; Holbrey and Seddon, 1999) bei der Extraktion (Dietz and Dzielawa, 2001; Rogers et al., 2000) und in der Trennung von Gasen (Gan et al., 2006). Ein Übersicht zu möglichen Anwendungen von Ionischen Flüssigkeiten findet sich in (Li et al., 2006; Zhao, 2006)..

(23) 16. DAS NACHHALTIGE CHEMIKALIEN-DESIGN AM BEISPIEL DER IONISCHEN FLÜSSIGKEITEN Ionische Flüssigkeiten strukturell so zu designen, dass sie den Kriterien der Nachhaltigkeit so gut wie möglich entsprechen ist seit dem Jahre 2002 ein Leitprojekt im Zentrum für Umweltforschung und Umwelttechnologie (UFT) der Universität Bremen. In diesem Forschungsverbund arbeiten auf dem Gebiet der Ionischen Flüssigkeiten die Abteilungen "Bioorganische Chemie", "Wertstoffrückgewinnung" und "Allgemeine und Theoretische Ökologie" eng zusammen und bilden ein interdisziplinäres Team aus Biologen, (Bio-)Chemikern, Umweltchemikern, und Produktions- und Verfahrenstechnikern. Wie im vorangegangenen Abschnitt beschrieben wurde, werden Ionische Flüssigkeiten als "Designer Solvents" bezeichnet, weil deren physikochemische Eigenschaften durch die Kombination und Variation der Strukturelemente Kopfgruppe, Anion und Seitenkette (Jastorff et al., 2005) optimierbar sind. Die Strukturen lassen sich nicht nur hinsichtlich ihrer technisch relevanten Eigenschaften, sondern auch bezüglich eines möglichst minimierten Gefahrenpotenzials für Mensch und Umwelt "Tunen" und viele haben auch das Potenzial für eine breite großindustriellen Anwendbarkeit. Daher stellen Ionische Flüssigkeiten eine ideale Substanzklasse für das nachhaltige Chemikalien-Design dar. In unterschiedlichen Projekten (u.a. gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt) wird die Anwendbarkeit von Ionischen Flüssigkeiten u.a. als Thermofluid für Sonnenkollektoren oder als Schmiermitteladditiv untersucht. In diesen Projekten arbeiten neben den akademischen Arbeitsgruppen auch die Hersteller und die Anwender von Ionischen Flüssigkeiten in enger Partnerschaft zusammen. Nur gemeinsam können bestehende Zielkonflikte zwischen technischen Anforderungen, dem Anspruch nach einem möglichst geringen Gefahrenpotenzial für Mensch und Umwelt und dem Erfordernis der guten wirtschaftlichen Rentabilität der eingesetzten Chemikalien, frühzeitig aufgedeckt und gelöst werden. Der Zusammenhang dieser drei Punkte ist graphisch in Abbildung 3 verdeutlicht. Durch ein gezieltes Chemikalien-Design gilt es dann, die aufgeworfenen Zielkonflikte zu lösen, oder, wenn dies nicht möglich ist, rechtzeitig die Entwicklungsarbeit zu beenden, oder nach Alternativen zu suchen..

(24) Einleitung und Problemstellung. 17. Technische Anforderung / Leistungsprofil. Chemische Struktur PF6 H3C. +. N. CH3. Minimiertes Gefahrenpotenzial für Mensch und Umwelt. Wirtschaftlichkeit / Profitabilität. Abbildung 3: Dreieck zum nachhaltigen Chemikalien-Design. Die parallele Erforschung von technischen und (öko-)toxikologischen Eigenschaften ist ein innovativer Ansatz, der helfen kann, teure Fehlinvestitionen zu vermeiden. Der konventionelle Ansatz bei der Neuentwicklung oder Optimierung von chemischen Produkten und Prozessen ist, dass zunächst nur die technische Leistungsfähigkeit der eingesetzten Chemikalien im Vordergrund steht. Erst nachdem der größte Teil der Entwicklungsarbeit geleistet wurde und ein Produkt oder Prozess Marktreife erlangt, werden in der Regel, die von der Gesetzgebung verlangten Daten zur (Öko-)Toxizität der involvierten Chemikalien erhoben. Diese konventionelle Strategie kann dazu führen, dass zeitaufwändige und teure Entwicklungsarbeiten vergeblich getätigt wurden, wenn die verwendeten Chemikalien ein regulatorisch nicht vertretbares Risiko für Mensch und Umwelt aufweisen, oder aufwändige Prozessführungen nötig werden, um die Substanzen in der „Technosphäre“ zu halten, und so das Risiko für Mensch und Umwelt zu senken. Speziell bei Ionischen Flüssigkeiten, die als potenzieller Ersatz für herkömmliche Lösungsmittel oder andere Feinchemikalien in vielen Anwendungen in Frage kommen, besteht dieses Risiko zu Fehlinvestitionen, weil nicht wenige Vertreter dieser Substanzklasse ein deutliches ökotoxikologisches Gefahrenpotenzial aufweisen. Zudem bestehen hohe ökonomische Anforderungen an die Ionischen Flüssigkeiten, um etablierte und kostengünstige Chemikalien in kommerziellen Produkten und Prozessen zu ersetzen. Dies ist für Ionische Flüssigkeiten, die in der Regel deutlich teurer sind als im Tonnenmaßstab produzierte Feinchemikalien oder Lösungsmittel, nur möglich, wenn die technische Leistungsfähigkeit des Produktes/Prozesses deutlich gesteigert wird oder aufwändige Sicherheitsmaßnahmen (notwendig bei dem Umgang mit brennbaren oder explosionsgefährlichen Stoffen) in großtechnischen Anlagen eingespart werden können..

(25) 18. GEFAHRENPOTENZIALANALYSE UND RISIKOBEWERTUNG Die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Erhebung von physikochemischen, toxikologischen und ökotoxikologischen Daten von produzierten Chemikalien oder Chemikaliengemischen bildet die Grundlage für die Beurteilung der möglichen Schadwirkung von Substanzen auf Mensch und Umwelt. Dabei ist zwischen den Begrifflichkeiten Gefahr und Risiko zu unterscheiden. Gefahr beschreibt qualitativ einen drohenden Schaden, der entstehen kann, oder auch nicht. Der Begriff Risiko berücksichtigt die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Schaden eintritt, wenn Mensch oder Umwelt mit einer bestimmten Menge einer Chemikalie exponiert werden. Dementsprechend wird zwischen Gefahrenpotenzialanaylse und Risikobewertung einer Chemikalie unterschieden. Die Gefahrenpotenzialanalyse basiert auf der Expositionsabschätzung und auf der Gefährlichkeitsabschätzung (Abbildung 4). Die Expositionsabschätzung bezieht sich auf die Konzentration der Chemikalie in der Umwelt und ist von unterschiedlichen Faktoren (zusammengefasst Abbildung 4; linker Kasten), wie z.B. von der Art der Verwendung und den wahrscheinlichen Eintragsweg in die Umwelt und der Verteilung einer Substanz in verschiedenen Umweltkompartimenten abhängig. Die Gefährlichkeitsabschätzung ist eine Wirkungsanalyse, die sich auf die physikochemischen, toxikologischen und ökotoxikologischen Eigenschaften einer Chemikalie (Abbildung 4; rechter Kasten) bezieht. Das Gefahrenpotenzial einer Chemikalie oder eines Stoffgemisches lässt sich aus den voraussichtlichen Umweltkonzentrationen (Expositionsabschätzung) und den mit diesen Konzentrationen verbundenen Schadwirkungen (Gefährlichkeitsabschätzung) für Mensch und Umwelt abschätzen und beurteilen. Für die meisten Umweltchemikalien ist eine Gefahrenpotenzialanalyse ausreichend. Sollte diese Gefahrenpotenzialanalyse allerdings zum Schluss kommen, dass eine Chemikalie oder ein Chemikaliengemisch in relevanten Mengen in die Umwelt gelangt, muss in einem zweiten Schritt eine Risikobewertung durchgeführt werden (Abbildung 4). Diese bezieht die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer Schadwirkung aufgrund detaillierter Expositionsdaten (Ausmaß, Häufigkeit und Folgen einer Kontamination) mit ein. Für die Risikobewertung werden je nach Datenlage experimentell bestimmte oder aufgrund quantitativer StrukturAktivitätsbeziehungen (Q-SAR) prognostizierte Werte einbezogen. Wichtige Kenngrößen sind dabei: PEC (Predicted Environmental Concentration): Prognostizierte Konzentration einer Chemikalie in der Umwelt. NOEC (No Observed Effect Concentration): Bezeichnet die Prüfkonzentration, bei der im Vergleich zu der Kontrolle innerhalb eines angegebenen Expositionszeitraums keine statistisch signifikante Wirkung auftritt..

(26) Einleitung und Problemstellung. 19. PNEC (Predicted No Effect Concentration): Prognostizierte Konzentration einer Chemikalie in der Umwelt bei der keine Wirkung zu beobachten sein sollte. Ist der Quotient aus PEC und PNEC (für möglichst viele unterschiedliche Testsysteme) beispielsweise kleiner als eins, so kann die in der Umwelt auftretende Konzentration der Chemikalie als tolerierbar angesehen werden. Dementsprechend ist das Risiko einer Schadwirkung als gering zu beurteilen. Ist der Quotient größer als eins, geht dies entsprechend mit einem höheren Risiko einer Schadwirkung einher.. Expositionsabschätzung • Verwendung • Eintragsmenge • Eintragshäufigkeit • Räumliche Verteilung • Eintragskompartiment • Bioverfügbarkeit • Bioakkumulation. Gefährlichkeitsabschätzung •. Physikochemische Eigenschaften (pH-Wert, Wasserlöslichkeit, etc.) Abiotische und biotische Transformation Akute Toxizität Chronische Toxizität Einfluss auf Population, Biozönose und Ökosystem (Einzelspeziestests, Multispeziestest, Modellökosysteme). • • • •. Unsicherheit. Gefahrenpotenzialanalyse Wahrscheinlichkeit des Eintretens. Risikobewertung. Abbildung 4: Schematische Darstellung einer Gefahrpotenzial/Risikoanalyse. Generell sind die Gefahrenpotenzialanalyse und die Risikobewertung mit einem hohen Maß an Unsicherheit verbunden (Abbildung 4). Die Wechselwirkungen von Chemikalien mit verschiedenen Arten, Biozönosen und ganzen Ökosystemen qualitativ und quantitativ zu erfassen, ist aufgrund der Vielfalt der in der Natur vorkommenden Pflanzen-, Tier-, und Mikroorganismen, dem Zusammenwirken biotischer und abiotischer Faktoren und der Komplexität möglicher toxischer Wirkmechanismen und Vorbelastungen von Organismen oder Lebensräumen nur.

(27) 20 sehr begrenzt möglich. Die im Labor zur Verfügung stehenden suborganismischen Testsysteme, Einzelspezies- und Multispeziestests, sowie Modellökosysteme sind Ansatzpunkte, um diesem Problem gerecht zu werden. Speziell aber chronische Effekte durch Langzeitexposition gegenüber Chemikalien, die Berücksichtigung von Kombinationseffekten verschiedener in der Umwelt vorkommender Substanzen und bestehende Vorbelastungen, oder die Bestimmung von kanzerogenen und mutagenen Effekten sind experimentell nur schwer zu realisieren. Aus humantoxikologischer Sicht verbleibt des Weiteren immer ein Restrisiko, weil im Tierversuch ermittelte toxikologische Daten nur annäherungsweise auf den Menschen übertragbar sind. Nichtsdestotrotz, je fundierter die Datenbasis in den Bereichen Expositionsabschätzung und Gefährlichkeitsabschätzung ist, desto kleiner wird die Unsicherheit in der Gefahrenpotenzialanalyse und der Risikobewertung.. STAND DES WISSENS ZUR (ÖKO-)TOXIZITÄT VON IONISCHEN FLÜSSIGKEITEN ZU BEGINN DER ARBEIT Zu Beginn dieser Arbeit gab es nur wenige Publikationen, die sich mit der (Öko-)Toxizität von Ionischen Flüssigkeiten beschäftigt haben. Die antimikrobielle Wirkung von oft sehr langkettigen Alkoxymethylimidazolium und Alkoxypyridinium Verbindungen wurde an unterschiedlichen Bakterien-Stämmen und Pilzen untersucht (Pernak et al., 2001; Pernak et al., 2004a; Pernak et al., 2004b). In Zytotoxizitätsstudien und Tests mit marinen Bakterien (Ranke et al., 2004), in Enzymhemmtests mit Acetylcholinesterase (Stock et al., 2004), in Letalitätsstudien mit dem im Boden lebenden Fadenwurm Caenorhabditis elegans (Swatloski et al., 2004) konnte ein Zusammenhang zwischen Toxizität und der Kettenlänge gefunden werden. Je länger die Alkylseitenkette an den Imidazolium-, Pyridinium-, oder Phosphonium-Grundgerüsten war, desto größer waren die ermittelten toxischen Effekte. In Tests zur leichten biologischen Abbaubarkeit, mit Impfmaterial aus Klärschlamm, wurden einige Imidazolium-Verbindungen mit Butylseitenkette und verschiedenen Ester- und Amidsubstituenten untersucht (Gathergood et al., 2004; Gathergood and Scammells, 2002). Keine der untersuchten Ionischen Flüssigkeiten konnte als leicht biologisch abbaubar eingestuft werden. In einer theoretischen Arbeit wurden aufgrund von Struktur-Wirkungs-Beziehungen mögliche biotische Transformationsprodukte von ausgewählten Ionischen Flüssigkeiten formuliert (Jastorff et al., 2003a). Außerdem wurden zwei Ionische Flüssigkeiten in einer multidimensionalen Risikoanalyse mit dem Lösungsmittel Aceton verglichen. Ein Ergebnis dieser Analyse war, dass aufgrund der sehr wenigen Daten zu Ionischen Flüssigkeiten, die für eine Gefährlichkeitsabschätzung notwendig sind (Abbildung 4), diese Substanzklasse mit einer großen „Unsicherheit“ für Mensch und Umwelt verbunden ist..

(28) Einleitung und Problemstellung. 21. Aus diesen Überlegungen leiten sich die Ziele der vorliegenden Doktorarbeit (siehe folgenden Abschnitt) ab. Mittlerweile ist die Datenlage zu Ionischen Flüssigkeiten und deren (Öko-)Toxizität und anderen umweltrelevanten Kenndaten deutlich verbessert. Eine aktuelle Zusammenstellung (Stand Mai 2007) findet sich in einem Übersichtsartikel (Ranke et al., 2007b) aus unserer Gruppe (siehe Appendix 1). Diese Ergebnisse werden in einer zusammenfassenden Diskussion der vorliegenden Arbeit aufgegriffen..

(29) 22. ZIELE DER ARBEIT Die besonderen physikochemischen Eigenschaften, die Anpassungsfähigkeit, die große Strukturvielfalt und die günstigen Eigenschaften in der Arbeitssicherheit haben dazu geführt, dass Ionische Flüssigkeiten ein großes Potenzial zur kommerziellen technologischen Anwendung erlangt haben. Für Ionische Flüssigkeiten, die den „Nachhaltigkeits-Kriterien“ möglichst gerecht werden sollen, ist allerdings nicht nur das technische Leistungsprofil entscheidend, sondern ebenso ein hohes Maß an Eigensicherheit notwendig, was ein Wissen zur (Öko-)Toxizität und zur biologischen Abbaubarkeit von Strukturen dieser Substanzklasse bedingt. Wie zuvor gezeigt, herrschte auf diesen Gebieten zu Beginn dieser Arbeit sehr großer Forschungsbedarf. Untersuchungen zur (Öko-)Toxizität und zum biologischen Abbau waren nur für wenige Vertreter dieser Substanzklasse und nur auf wenige untersuchte biologische Testsysteme begrenzt. Ein wesentliches Ziel dieser Arbeit ist deshalb, für Anwender und Hersteller von Ionischen Flüssigkeiten ergänzende Kriterien für eine Auswahl aus der strukturellen Vielfalt denkbarer Ionischer Flüssigkeiten bereitzustellen. Welche Ionische Flüssigkeit für eine bestimmte Applikation ausgesucht wird, beruht heute in der Regel auf den für diese Anwendung geforderten physikochemischen Eigenschaften. Weisen mehrere Substanzen die notwendigen Eigenschaften auf, spielen oft eher pragmatische Überlegungen - wie Verfügbarkeit, Preis oder Erfahrungen mit ähnlichen/vergleichbaren Anwendungen - eine wichtige Rolle bei der Substanzauswahl. In Ergänzung hierzu soll dem Anwender frühzeitig das Entscheidungskriterium „(Öko-)Toxizität und biologische Abbaubarkeit“ an die Hand gegeben werden. Wenn mehrere Substanzen über ein ähnliches Leistungsprofil verfügen, können diejenigen Substanzen ausgewählt werden, von denen man weiß, dass sie weniger toxisch oder besser biologisch abbaubar sind. Dieses kann einen wichtigen Beitrag zum „nachhaltigen Charakter“ der angestrebten Produkte oder Prozesse leisten. Die vorliegende Arbeit hat daher zwei Schwerpunkte. Der eine Schwerpunkt beinhaltet Untersuchungen zur (Öko-)Toxizität, und der andere befasst sich mit der biologischen Abbaubarkeit von bestimmten Ionischen Flüssigkeiten. Daraus ergeben sich im Einzelnen folgende Detailziele:.

(30) Ziele und Herangehensweise. 23. 1. Ziele zur Untersuchung der (Öko-)Toxizität : • Verkleinerung des Faktors Unsicherheit in der Gefahrenpotenzialanalyse. • Identifizierung der Strukturelemente, die für (öko-)toxische Wirkungen verantwortlich sind. • Ersatz durch weniger (öko-)toxische Strukturen, um so Ionische Flüssigkeiten in Zukunft derart „designen“ zu können, dass sie ein reduziertes Gefahrenpotenzial für Mensch und Umwelt aufweisen. • Generierung möglichst allgemeingültiger Aussagen, wie einzelne Strukturelemente die (Öko-)Toxizität beeinflussen. So wären Rückschlüsse auf nicht untersuchte Substanzen idealerweise schon vor ihrer Synthese möglich. • Erlangung von Hinweisen auf mögliche toxische Wirkmechanismen, die dann als Ausgangspunkt für weiterführende Untersuchungen genutzt werden können. 2. Ziele zur Untersuchung des biologischen Abbaus: • Verkleinerung des Faktors Unsicherheit in der Gefahrenpotenzialanalyse dieser Substanzen. • Identifizierung von Strukturelemente, die gut biologisch abbaubar sind, um nicht abbaubare Strukturen ersetzen zu können. • Identifizierung von Transformationsprodukten, um deren Gefahrenpotenzial für Mensch und Umwelt abschätzen oder untersuchen zu können. • Aufstellen von Arbeitshypothesen zum Mechanismus der biologischen Transformation aufgrund der identifizierten Transformationsprodukte.. Diese Arbeit hat nicht das Ziel, Wirkmechanismen von toxischen Verbindungen im Detail aufzuklären..

(31) 24. HERANGEHENSWEISE STRUKTUR-WIRKUNGS-DENKEN Die hier vorgestellte Auswahl der Testsubstanzen, der biologischen Testsysteme, des Analytiksystems sowie die Interpretation der Ergebnisse aus (Öko-)Toxizitätsund Abbaustudien basieren im Wesentlichen auf dem Struktur-Wirkungs-Denken (T-SAR: Thinking in Terms of Structure-Activity-Relationships)(Jastorff et al., 2003). Das Struktur-Wirkungs-Denken analysiert auf theoretischer Ebene eine Strukturformel. Aus dieser Analyse leiten sich stereochemische Besonderheiten, Reaktionsverhalten, biotische und abiotische Transformationsreaktionen/Transformationsprodukte und das molekulare Wechselwirkungspotential einer Chemikalie ab (Abbildung 5). H-Donor Hydrophobie. H-Akzeptor Charge transfer. negative Ladung. Molekulares Wechselwirkungspotenzial (MWP) Dipolmoment. N. +. positive Ladung. N. N. +. N. N + N BF4. Stereochemie. Hybridisierung. Reaktivität. Konfiguration. Konformation. freie Drehbarkeit eingeschränkte Drehbarkeit keine Drehbarkeit. Tautomerie. pKa-Wert. Bindungstypen funktionelle Gruppen Chiralitätszentren Chiralitätsachsen Chiralitätsebenen E/Z-Isomerie. Abwandlungsreaktionen Metabolismus. Abbildung 5: T-SAR Analyse [entnommen aus (Jastorff et al., 2003)] mit kolorierten Ionischen Flüssigkeiten.

(32) Ziele und Herangehensweise. 25. Die aus den Strukturelementen der chemischen Formel erschlossenen Informationen ermöglichen nun die Formulierung von Arbeitshypothesen zu physikalischen, chemischen, toxischen und ökotoxischen Eigenschaften und Wirkungen. Diese theoretischen Annahmen gilt es dann, durch Recherchen zum Stand des Wissens sowie durch Experimente mit gezielt ausgewählten Strukturen oder Strukturelementen - sogenannten Leitstrukturen - für die jeweilige Stoffklasse zu verifizieren oder zu falsifizieren. Ein wesentliches Ziel ist es, allgemeine Trends und Mechanismen zu erkennen und auf nicht untersuchte Verbindungen übertragen zu können, nicht aber jede Einzelsubstanz der Stoffklasse für sich und in allen Details zu untersuchen. Diese Vorgehensweise kann auch zur Ableitung von molekularen Deskriptoren führen, die wiederum zur Aufstellung aussagekräftiger Q-SAR (Quantitative Structure Activity Relationships) Gleichungen für die (öko-)toxikologische Risikoanalyse verwendet werden können. Die Fokussierung auf wenige theoretisch begründbare Leitstrukturen und die Aufdeckung genereller Zusammenhänge kann helfen Zeit und finanzielle Mittel zu sparen. Das Struktur-Wirkungs-Denken ist auch von besonderer Bedeutung bei der Untersuchung von biologischen Transformationsprozessen. Aufgrund theoretischer Überlegungen können Transformationsprodukte einer Chemikalie formuliert werden, indem man auf das Wissen der Organischen Chemie und der Biochemie zurückgreift. Wenn möglich, kann dabei auch mit bekannten Stoffwechselkaskaden ähnlicher Chemikalien verglichen werden. Für Ionische Flüssigkeiten wurde dieses Vorgehen bereits anhand zweier Leitstrukturen durchgeführt (Stolte, 2004). Die Ergebnisse waren der Ausgangspunkt für die in Veröffentlichung 5 (Stolte et al., 2007a) beschriebenen Untersuchungen. Die Identifikation von biologischen Transformationsprodukten und die Ermittlung ihrer (öko-)toxikologischen Gefahrenpotenziale für Mensch und Umwelt, ist ein unverzichtbarer Teil bei der Gefährdungspotenzialanalyse von Chemikalien.. AUSWAHL DER TESTSUBSTANZEN Die Auswahl der zu untersuchenden Substanzen erfolgt nach dem sogenannten „test-kit-concept“ (Jastorff et al., 1981). In den nachfolgend zusammengestellten veröffentlichten Arbeiten wurden jeweils „test-kits“ zusammengestellt, um systematisch den Effekt der Strukturelemente Kopfgruppe (das kationische Grundgerüst), Seitenkette und Anion auf die (Öko-)Toxizität zu untersuchen. Bei diesen Untersuchungen werden jeweils zwei Strukturelemente konstant gehalten und nur eines variiert. Will man beispielsweise den Effekt der Kopfgruppe untersuchen, entscheidet man sich für eine fixe Seitenkette (z.B. -butyl) und ein fixes Anion (z.B..

(33) 26 Chlorid) und variiert die Kopfgruppe (Pyridinium, Imidazolium, Ammonium etc.). Dieser Ansatz ermöglichte es, aus der Vielzahl der unterschiedlichen Strukturelemente (Tabelle 5 und Tabelle 6) diejenigen herauszufinden, die entweder ein besonders geringes oder ein deutliches (öko-)toxikologisches Gefahrenpotenzial aufweisen.. AUSWAHL DER TESTSYSTEME Um die von Xenobiotika ausgehenden Gefahren für Mensch und Umwelt abschätzen zu können, sind (öko-)toxikologische Untersuchungen notwendig. Im UFT wurde hierfür eine flexible (öko-)toxikologische Testbatterie etabliert. Diese umfasst Testsysteme unterschiedlicher Organisationsstufen (Enzyme, Zellen, Organismen und Multispezies-Systeme) und beinhaltet sowohl Säugerzellen als auch Organismen aus den Umweltkompartimenten Wasser und Boden. Diese Testsysteme werden nach standardisierten Versuchsvorschriften der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD: Organisation for Economic Cooperation and Development) durchgeführt. Viele von den Tests sind auch in der Chemikalienbewertung Standardsysteme zur Beurteilung von (öko-)toxikologischen Gefahrenpotenzialen. Im Rahmen dieser Doktorarbeit werden folgende Testsysteme eingesetzt: 1. 2. 3. 4.. Enzymtest: Acetylcholinesterase-Hemmtest Zytotoxizitätstest mit der Rattenleukämiezell-Linie IPC 81 Lumineszenzhemmtest mit dem marinen Bakterium Vibrio fischeri Reproduktionshemmtest mit der einzelligen, limnischen Grünalge Scenedesmus vacuolatus 5. Wachstumshemmtest mit der Wasserlinse Lemna minor 6. Wachstumshemmtest mit Weizen (Triticum aestivum) und Kresse (Lepidium sativum) 7. Reproduktionshemmtest mit Folsomia candida. Der Schwerpunkt der experimentellen Arbeit liegt beim Zytotoxizitätstest mit den IPC81 Zellen, dem Lumineszenzhemmtest mit Vibrio fischeri und den Wachstumshemmtests mit Scenedesmus vacuolatus und Lemna minor. Der Zytotoxizitätstest ist ein in vitro Testsystem, das es erlaubt eine große Anzahl von Substanzen in relativ kurzer Zeit zu testen. Dieser Test dient in der flexiblen Testbatterie zur Vorauswahl von toxikologisch interessanten Strukturelementen, die in den anschließenden in vivo Tests - mit einem geringeren Chemikaliendurchsatz untersucht werden sollen. Für die in vivo Tests wird der Schwerpunkt auf Organismen des Umweltkompartiments Wasser gesetzt, da das Abwasser (z.B. nach.

(34) Ziele und Herangehensweise. 27. Extraktionsprozessen) den wahrscheinlichsten Eintragsweg von Ionischen Flüssigkeiten in die Umwelt darstellen dürfte. Um die Gefährdung des aquatischen Lebensraums durch den Eintrag von Ionischen Flüssigkeiten zu untersuchen, werden marine (Vibrio fischeri) und limnische (Scenedesmus vacuolatus und Lemna minor) Organismen ausgewählt. Diese aquatischen Testorganismen sind etablierte Endpunkte zur Bestimmung durch Chemikalien induzierter Schadwirkungen und zur Bestimmung von Wasserqualitäten. Eine kurze Vorstellung dieser Testsysteme findet sich im Appendix 2. Die experimentelle Durchführung der einzelnen Toxizitätstests ist ausführlich in den entsprechenden Veröffentlichungen beschrieben. Die Untersuchungen zur biologischen Primärabbaubarkeit werden anhand modifizierter OECD Richtlinien (OECD 301, 2006) durchgeführt. Als Impfmaterial wird zum einen Belebtschlamm aus einer Kläranlage (Bremen-Seehausen) und zum anderen ein kommerziell erhältliches Bakterienlyophilisat der Firma Lange (Düsseldorf, Deutschland) genutzt.. AUSWAHL DES ANALYTIK-SYSTEMS Die Analytik von Ionischen Flüssigkeiten ist ein wichtiger Teil dieser Arbeit und wird zur Bestimmung •. der Reinheit/Identität der Testsubstanzen. •. von Ist-Konzentrationen für schwer lösliche Verbindungen. •. von Membran-Wasser-Verteilungskoeffizienten. •. zur Identifizierung von biologischen Transformationsprodukten. genutzt. Für die meisten Untersuchungen wird als stationäre Phase eine Kieselgel basierte HILIC (Hydrophile Interaktionschromatographie) Säule (Atlantis HILIC Silica 5μM, 4,6*150mm) verwendet (Stolte et al., 2007a). Diese Säule kann sehr spezifisch funktionelle Gruppen (Ether in verschiedenen Positionen der Seitenkette, sowie Nitril-, Carboxyl- und Hydroxygruppen) voneinander trennen. Diese Trennfähigkeit ist besonders wichtig bei der Untersuchung von biologischen Transformationsreaktionen, die hauptsächlich mit der Einführung von funktionellen Sauerstoffgruppen einhergehen. Für Ionische Flüssigkeiten mit sehr langen Alkyl-Seitenketten (>C10) hat sich der Kationenaustauscher (250/3 NUCLEOSIL 100-5 SA) von Macherey-Nagel (Stolte et al., 2007b) bewährt. Mit dieser Säule und dem entsprechenden Laufmittel, lässt sich die Retentionszeit auch von sehr lipophilen Substanzen über einen weiten Bereich verschieben. Je nach Fragestellung ermöglicht dies, die notwendige Trennleistung.

(35) 28. gegenüber der (möglichst kurzen) Messdauer abzuwägen. Speziell sehr lipophile Substanzen würden auf einer unpolaren Umkehrphase erst sehr spät oder gar nicht und auf der polaren HILIC-Säule in der Totzeit eluieren. Die Kationenaustauschersäule hat allerdings den Nachteil, dass diese nur eine geringe Trennleistung für funktionelle Gruppen aufweist. Die Methoden-Entwicklung (Erprobung unterschiedlicher stationärer und mobiler Phasen; Erstellung von Elutionsprofilen) und die Vor- und Nachteile der untersuchten stationären Phasen, sowie deren Eignung für Analyse von biologischen Matrizes, werden in naher Zukunft in einer separaten Publikation behandelt.. VERÖFFENTLICHUNGEN Die folgenden Veröffentlichungen sind in dem Journal „Green Chemistry“ der „Royal Society of Chemistry“ erschienen (oder sind dort eingereicht). Diese renommierte Zeitschrift (impact factor: 4.2) hat den Anspruch innovative Forschungsarbeiten im Bereich der nachhaltigen Entwicklung von Technologien zu präsentieren. Speziell für Ionische Flüssigkeiten stellt „Green Chemistry“ ein sehr gutes Forum dar, in dem mittlerweile mehr als 200 Publikationen (Chemical Abstracts Service, 2007) zu Ionischen Flüssigkeiten erschienen sind. Davon sind die meisten Veröffentlichungen anwendungsbezogene Arbeiten u.a. auf den Gebieten der Elektrochemie, der Synthese und der Katalyse. Entsprechend werden unsere Forschungsarbeiten, die sich mit dem „Design“ von Ionischen Flüssigkeiten mit einem möglichst geringen Gefahrenpotenzial für Mensch und Umwelt beschäftigen, Anwendern von Ionischen Flüssigkeiten zugänglich gemacht. Neben anwendungsbezogenen Arbeiten ist „Green Chemistry“ auch eine Plattform für (öko-)toxikologische Untersuchungen und verfügt entsprechend über Gutachter auf diesem Gebiet..

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