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1.1BeispieleundMethoden 1Differentialgleichungen

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(1)

1 Differentialgleichungen

1.1 Beispiele und Methoden

Was ist eine Differentialgleichung?

Ist k ∈ N , G ⊂ R × R

k+1

ein Gebiet und F : G → R eine (zun¨ achst beliebige) Funktion, so nennt man

F (x, y, y

0

, y

00

, . . . , y

(k)

) = 0 (*) eine gew¨ ohnliche Differentialgleichung k-ter Ordnung.

Diese Definition wird erst klar, wenn wir sagen, was eine L¨ osung einer solchen Gleichung ist.

Eine L¨ osung der DGL (*) ist eine Funktion ϕ : I → R mit folgenden Eigenschaf- ten:

1. I ⊂ R ist ein Intervall und ϕ ist k-mal differenzierbar.

2. F¨ ur alle x ∈ I ist (x, ϕ(x), ϕ

0

(x), . . . , ϕ

(k)

(x)) ∈ G und F (x, ϕ(x), ϕ

0

(x), . . . , ϕ

(k)

(x)) = 0.

Ein Satz Anfangsbedingungen f¨ ur die DGL (*) besteht aus einem Punkt x

0

∈ I und einem Vektor c = (c

0

, c

1

, . . . , c

k−1

) ∈ R

k

. Eine L¨ osung ϕ erf¨ ullt die Anfangs- bedingungen, wenn gilt:

ϕ(x

0

) = c

0

, ϕ

0

(x

0

) = c

1

, . . . , ϕ

(k−1)

(x

0

) = c

k−1

.

Hauptproblem der Theorie der DGLn ist die Existenz und Eindeutigkeit von L¨ osun- gen. Dabei beschr¨ ankt man sich meist auf sogenannte explizite Differentialglei- chungen der Form

y

(k)

= f (x, y, y

0

, . . . , y

(k−1)

).

1.1.1. Beispiele

A. Die DGL y

0

= ay (mit positiver Konstante a) tritt auf, wenn Wachstumspro- zesse beschrieben werden sollen.

Offensichtlich ist die Funktion ϕ

0

(x) ≡ 0 eine L¨ osung. Ist ϕ eine beliebige L¨ osung, so setzen wir Φ(x) := ϕ(x)e

−ax

. Dann ist

Φ

0

(x) = (ϕ

0

(x) − a · ϕ(x))e

−ax

≡ 0,

(2)

also Φ(x) ≡ c konstant und ϕ(x) = c · e

ax

. Die Probe zeigt, dass dies tats¨ achlich eine L¨ osung ist. Gleichzeitig ergibt sich aus unserer Argumen- tation, dass jede L¨ osung so aussehen muss. Dabei ist c = ϕ(0), insbesondere kann auch c = 0 sein.

Zu jeder Anfangsbedingung gibt es genau eine L¨ osung.

B. Die Gleichung y

0

= √

y ist nicht eindeutig l¨ osbar. Neben der L¨ osung ϕ

0

(x) ≡ 0 ist auch jede der Funktionen

ϕ

α

(x) :=

0 f¨ ur x ≤ α, (x − α)

2

/4 f¨ ur x > α, f¨ ur jedes α ≥ 0 eine L¨ osung mit ϕ

α

(0) = 0.

Bevor wir weitere Beispiele betrachten, wollen wir sehen, dass es reicht, Systeme von expliziten DGLn 1. Ordnung zu betrachten. Ein System von DGLn 1. Ordnung sieht i.a. folgendermaßen aus:

y

10

= f

1

(x, y

1

, . . . , y

k

) y

20

= f

2

(x, y

1

, . . . , y

k

)

.. .

y

0k

= f

k

(x, y

1

, . . . , y

k

)

Eine L¨ osung eines solchen Systems ist ein System von differenzierbaren Funktionen ϕ

1

, . . . , ϕ

k

mit ϕ

0j

(x) = f

j

(x, ϕ

1

(x), . . . , ϕ

k

(x)) f¨ ur j = 1, . . . , k.

Man benutzt gerne die Vektorschreibweise:

Definition

Sei G ⊂ R × R

k

ein Gebiet und F : G → R

n

eine stetige Abbildung. Unter einer L¨ osung der Differentialgleichung

y

0

= F(t, y)

versteht man eine Abbildung ϕ : I → R

k

mit folgenden Eigenschaften:

1. I ⊂ R ist ein Intervall, und der Graph {(t, ϕ(t)) : t ∈ I} liegt in G.

2. ϕ ist differenzierbar, und es ist ϕ

0

(t) = F (t, ϕ(t)) auf I.

Ist k = 1, so spricht man von einer gew¨ ohnlichen Differentialgleichung.

Ist ϕ eine L¨ osung von y

0

= F(t, y) und ϕ(t

0

) = y

0

, so sagt man, ϕ erf¨ ullt die

Anfangsbedingung (t

0

, y

0

). Die L¨ osung heißt maximal, wenn sie sich nicht zu

einer L¨ osung mit gr¨ oßerem Definitionsbereich fortsetzen l¨ asst.

(3)

1.1 Beispiele und Methoden 3

1.1.2. Satz

Ist ϕ L¨ osung der DGL y

0

= F(t, y) und F r-mal (stetig) differenzierbar, so ist ϕ (r + 1)-mal (stetig) differenzierbar.

Beweis: Definitionsgem¨ aß ist ϕ einmal differenzierbar. Ist F stetig, so folgt aus der Gleichung ϕ

0

(t) = F(t, ϕ(t)), dass ϕ sogar stetig differenzierbar ist.

Ist F differenzierbar, so folgt aus der selben Gleichung, dass ϕ

0

differenzierbar, also ϕ zweimal differenzierbar ist, u.s.w.

Es besteht nun ein direkter Zusammenhang zwischen (expliziten) gew¨ ohnlichen DGLn k–ter Ordnung und den Systemen von k expliziten DGLn erster Ordnung:

Ist eine DGL

y

(k)

= f (x, y, y

0

, . . . , y

(k−1)

) (∗) gegeben, so ordnen wir ihr folgendes System zu:

y

01

= y

2

.. . (**)

y

0k−1

= y

k

y

0k

= f (x, y

1

, . . . , y

k

)

Ist ϕ eine L¨ osung der DGL (∗), so ist ϕ k-mal differenzierbar und ϕ

(k)

(x) = f (x, ϕ(x), ϕ

0

(x), . . . , ϕ

(k−1)

(x)). Wir setzen

ϕ

1

:= ϕ, ϕ

2

:= ϕ

0

, . . . , ϕ

k

:= ϕ

(k−1)

. Dann sind alle ϕ

ν

mindestens einmal differenzierbar, und es ist

ϕ

01

(x) = ϕ

2

(x), .. .

ϕ

0k−1

(x) = ϕ

k

(x)

und ϕ

0k

(x) = ϕ

(k)

(x) = f (x, ϕ

1

(x), . . . , ϕ

k

(x)), d.h., ϕ := (ϕ

1

, . . . , ϕ

k

) ist eine L¨ osung des Systems (**).

Ist umgekehrt eine L¨ osung (ϕ

1

, . . . , ϕ

k

) des Systems gegeben, so setze man ϕ := ϕ

1

. Dann ist ϕ differenzierbar, ϕ

0

= ϕ

2

ebenfalls differenzierbar u.s.w., und schließlich auch ϕ

(k−1)

= ϕ

k

differenzierbar. Also ist ϕ k-mal differenzierbar und

ϕ

(k)

(x) = ϕ

0k

(x) = f(x, ϕ(x), . . . , ϕ

(k−1)

(x)), also ϕ L¨ osung von (∗).

Eine Anfangsbedingung f¨ ur ein System von k DGLn hat die Gestalt

(4)

ϕ

ν

(x

0

) = y

ν(0)

, ν = 1, . . . , k.

Uber die Formel ¨

(y

1(0)

, . . . , y

(0)k

) = y

0

= c = (c

0

, . . . , c

k−1

)

erh¨ alt man daraus eine Anfangsbedingung f¨ ur die DGL k-ter Ordnung, und umge- kehrt.

Gew¨ ohnliche Differentialgleichungen lassen sich besonders gut veranschaulichen.

Die durch die DGL y

0

= f(t, y) induzierte Zuordnung (t, y) 7→ f (t, y) ∈ R lie- fert f¨ ur jeden Punkt (t, y) ∈ G eine Richtung, beschrieben durch ihre Steigung f (t, y). Zeichnet man an der Stelle (t, y) einen kleinen Vektor mit der angegebenen Richtung, so erh¨ alt man ein

” Richtungsfeld“ auf G.

Der Graph einer L¨ osungsfunktion ist eine Kurve (eine sogenannte Integralkurve), die sich dem Richtungsfeld anschmiegt.

Es gilt also, eine Kurve zu finden, deren Tangente an jeder Stelle mit dem ge- gebenen Richtungsfeld ¨ ubereinstimmt. Das liefert die Motivation f¨ ur das Peano- Verfahren, einen Beweis f¨ ur die lokale Existenz von L¨ osungen im Falle einer ste- tigen Funktion f. Die Eindeutigkeit kann man i.a. nat¨ urlich nicht erhalten. Wir wollen das Peano-Verfahren kurz andeuten.

Sei (x

0

, y

0

) ∈ G und f : G → R stetig. Wir w¨ ahlen reelle Zahlen a, r > 0, so dass gilt:

1. G

0

:= [x

0

, x

0

+ a] × [y

0

− r, y

0

+ r] ⊂ G.

2. a · sup

G0

|f | ≤ r.

Das ist stets m¨ oglich. Sind n¨ amlich a

0

und r so gew¨ ahlt, dass G

1

:= [x

0

, x

0

+ a

0

] × [y

0

− r, y

0

+ r] ⊂ G ist, so setze man k := sup

G1

|f| und a := min(a

0

, r/k) (bzw. a beliebig im Falle k = 0). Ist K := sup

G0

|f |, so ist a · K ≤ a · k ≤ r.

Nun betrachtet man Zerlegungen Z = (x

0

, . . . , x

n

) des Intervalls I := [x

0

, x

0

+ a].

Bei fester Zerlegung sei J

λ

:= [x

0

, x

λ

], f¨ ur λ = 1, . . . , n. Dann wird wie folgt ein Streckenzug konstruiert.

Auf J

1

sei ϕ

1

(x) := y

0

+ f (x

0

, y

0

)(x − x

0

). An der Stelle x

0

hat ϕ

1

die richtige Steigung, und außerdem ist

1

(x) − y

0

| = |f(x

0

, y

0

)| · |x − x

0

| ≤ K · a ≤ r.

(5)

1.1 Beispiele und Methoden 5

Der Graph von ϕ

1

verl¨ auft ganz in G

0

. Auf J

2

sei

ϕ

2

(x) :=

ϕ

1

(x) f¨ ur x ∈ J

1

, ϕ

1

(x

1

) + f (x

1

, ϕ

1

(x

1

)) · (x − x

1

) sonst.

ϕ

2

ist stetig und hat bei x

1

rechtsseitig die richtige Steigung. Außerdem gilt f¨ ur x

1

< x ≤ x

2

:

2

(x) − y

0

| = |f(x

0

, y

0

)(x

1

− x

0

) + f(x

1

, ϕ

1

(x

1

))(x − x

1

)|

≤ K |x

1

− x

0

| + |x − x

1

|

= K · |x − x

0

| ≤ K · a ≤ r.

Also verl¨ auft auch der Graph von ϕ

2

ganz in G

0

. Und so f¨ ahrt man fort, bis man einen Streckenzug ϕ

Z

¨ uber [x

0

, x

0

+ a] konstruiert hat, dessen Graph ganz in G

0

verl¨ auft und an den Stellen x

i

rechtsseitig jeweils die richtige Steigung hat.

Man kann nun zeigen: Ist Z

ν

eine Folge von Zerlegungen von [x

0

, x

0

+ a], deren Feinheit gegen Null strebt, so kann man aus dem System der zugeh¨ origen Stre- ckenz¨ uge ϕ

Zν

eine Teilfolge ausw¨ ahlen, die gleichm¨ aßig gegen eine Grenzfunktion ϕ konvergiert. Der Graph von ϕ verl¨ auft ganz in G

0

und ϕ selbst l¨ ost die Differential- gleichung mit der Anfangsbedingung ϕ(x

0

) = y

0

. Ist diese L¨ osung sogar eindeutig bestimmt, so braucht man nicht zu einer Teilfolge ¨ uberzugehen. Auf den Beweis dieser Aussagen m¨ ussen wir hier leider verzichten.

Wir untersuchen jetzt einige spezielle Typen von Differentialgleichungen.

Differentialgleichungen mit getrennten Variablen:

Unter einer Differentialgleichung mit getrennten Variablen versteht man eine Dif- ferentialgleichung der Form

y

0

= f(x)g(y),

wobei f : I → R und g : J → R stetige Funktionen auf geeigneten Intervallen sind.

Wir wollen das Anfangswertproblem l¨ osen, d.h., wir suchen eine Funktion ϕ mit ϕ(x

0

) = y

0

und ϕ

0

(x) = f (x) · g(ϕ(x)).

1. Fall: Ist g(y

0

) = 0, so ist f¨ ur jedes x

0

∈ I die konstante Funktion ϕ(x) ≡ y

0

eine L¨ osung mit ϕ(x

0

) = y

0

.

2. Fall: Sei J

0

⊂ J ein offenes Intervall, auf dem g keine Nullstellen hat, und y

0

∈ J

0

. Ist ϕ eine L¨ osung auf I mit ϕ(x

0

) = y

0

, so ist g(ϕ(x)) 6= 0 nahe x

0

und

ϕ

0

(x)

g(ϕ(x)) = f(x).

Also ist

Z

x x0

f (t) dt = Z

x

x0

ϕ

0

(t) g(ϕ(t)) dt =

Z

ϕ(x) y0

1

g(u) du.

(6)

Sei nun F eine Stammfunktion von f auf I und G eine Stammfunktion von 1/g auf J

0

. Dann ist F (x) − F (x

0

) = G(ϕ(x)) − G(y

0

). Außerdem ist G

0

(x) = 1/g(x) 6= 0 f¨ ur x ∈ J

0

, also G dort streng monoton. Damit ist G umkehrbar und

ϕ(x) = G

−1

(F (x) − F (x

0

) + G(y

0

)).

Die Probe zeigt sofort, dass ϕ tats¨ achlich die DGL l¨ ost.

y(t) = y

2

(Nullstelle von g)

y(t) = y

1

(Nullstelle von g) r ϕ

y

0

r

J

0

I

r

x

0

Bemerkung: Die Physiker haben – wie immer – eine suggestive Schreibweise daf¨ ur:

dy

dx = f(x)g(y) = ⇒ dy

g(y) = f(x) dx

= ⇒

Z dy g(y) =

Z

f (x) dx

= ⇒ G(y) = F (x) + c

= ⇒ y = G

−1

(F (x) + c).

Damit y(x

0

) = y

0

ist, muss man c = G(y

0

) − F (x

0

) w¨ ahlen.

Als konkretes Beispiel nehmen wir die DGL y

0

= xy.

Hier sind f (x) = x und g(y) = y auf ganz R definiert. Als Stammfunktionen k¨ onnen wir

F (x) := 1

2 x

2

auf R und

G(y) := ln |y| auf jedem Intervall J, das nicht die Null enth¨ alt, nehmen. Dann ist

G

−1

(z) =

e

z

falls J ⊂ R

+

,

−e

z

sonst, also

y(x) = G

−1

(F (x) + c)

= ± exp( 1

2 x

2

+ c)

= C · exp( 1

2 x

2

), mit C ∈ R .

(7)

1.1 Beispiele und Methoden 7

Das schließt insbesondere die L¨ osung y(x) ≡ 0 mit ein. Liegt J in R

+

, so muss C > 0 gew¨ ahlt werden, sonst C < 0.

Als zweites Beispiel betrachten wir die DGL y

0

= xy

2

. Hier ist f(x) = x, also F (x) = 1

2 x

2

, wie oben, sowie g(y) = y

2

, also G(y) = − 1 y (auf jedem Intervall J , das nicht die Null enth¨ alt). Nach dem obigen Verfahren erhalten wir die L¨ osungen

y

c

(x) = G

−1

(F (x) + c) = − 1

x

2

/2 + c = − 2 2c + x

2

.

Hinzu kommt die konstante L¨ osung y(x) ≡ 0, die sich aus der einzigen Nullstelle von g(y) ergibt.

Lineare Differentialgleichungen:

Eine allgemeine lineare DGL 1. Ordnung ¨ uber einem Intervall I hat folgende Ge- stalt:

y

0

+ a(x)y = r(x), mit stetigen Funktionen a, r : I → R .

Ist r(x) ≡ 0, so spricht man vom homogenen Fall. Dann ist auf jeden Fall die Funktion y(x) ≡ 0 eine L¨ osung. Suchen wir nach weiteren L¨ osungen, so k¨ onnen wir voraussetzen, dass y(x) 6= 0 f¨ ur alle x ∈ I ist, und es gilt:

(ln|y|)

0

(x) = y

0

(x)

y(x) = −a(x).

Ist A(x) eine Stammfunktion von a(x) ¨ uber I, so ist y(x) = c · e

−A(x)

,

mit einer Integrationskonstanten c, die auch ≤ 0 sein darf.

Nun betrachten wir den inhomogenen Fall (r(x) 6≡ 0 ) : Sind ϕ

1

, ϕ

2

zwei L¨ osun- gen, so ist

1

− ϕ

2

)

0

(t) + a(t)(ϕ

1

(t) − ϕ

2

(t)) = r(t) − r(t) = 0,

also unterscheiden sich je zwei L¨ osungen der inhomogenen Gleichung um eine L¨ osung der zugeh¨ origen homogenen Gleichung. Die allgemeine L¨ osung hat dem- nach die Gestalt

ϕ(t) = ϕ

p

(t) + c · e

−A(t)

, mit einer

” partikul¨ aren L¨ osung“ ϕ

p

(t) der inhomogenen Gleichung. Die m¨ ussen wir noch finden.

Meistens findet man spezielle L¨ osungen ¨ uber einen geeigneten Ansatz. So geht man

auch hier vor. Wir benutzen die Methode der Variation der Konstanten.

(8)

Ansatz: y

p

(x) = c(x) · e

−A(x)

.

Durch Differenzieren und Einsetzen in die DGL versucht man, Bedingungen f¨ ur c(x) zu erhalten:

y

0p

(x) = (c

0

(x) − c(x) · A

0

(x)) · e

−A(x)

= (c

0

(x) − c(x)a(x)) · e

−A(x)

. Da y

0p

(x) + a(x)y

p

(x) = r(x) sein soll, erh¨ alt man die Bestimmungsgleichung:

c

0

(x) · e

−A(x)

= r(x), und setzt daher

c(x) :=

Z

x x0

r(t)e

A(t)

dt.

Die Probe zeigt, dass y

p

tats¨ achlich die inhomogene DGL l¨ ost.

Die allgemeine L¨ osung hat somit die Gestalt y(x) = y

p

(x) + c · e

−A(x)

= (

Z

x x0

r(t)e

A(t)

dt + c) · e

−A(x)

.

Transformationen:

Sei G ⊂ R

2

ein Gebiet, F : G → R stetig. Die DGL y

0

= F (x, y) l¨ asst sich manchmal besser l¨ osen, wenn man sie transformiert.

Sei T : G → R × R ein Diffeomorphismus auf ein Gebiet D, mit T (t, y) = (t, T e (t, y)).

Die Integralkurven α(t) = (t, ϕ(t)) der urspr¨ unglichen DGL werden auf Kurven T ◦ α(t) = T (t, ϕ(t)) = (t, T e (t, ϕ(t))) =: (t, ψ(t)) (∗)

abgebildet, und wir versuchen, diese Kurven als Integralkurven einer neuen DGL aufzufassen. Wie sieht diese DGL aus?

Hat die transformierte DGL die Gestalt v

0

= F e (t, v), so muss gelten:

ψ

0

(t) = F e (t, ψ(t)) und ψ(t) = T e (t, ϕ(t)).

Dann ist

∂ T e

∂t (t, ϕ(t)) + ∂ T e

∂y (t, ϕ(t))ϕ

0

(t) = ψ

0

(t) = F e (t, ψ(t)) und (wegen (*))

(t, ϕ(t)) = T

−1

(t, ψ(t)), sowie ϕ

0

(t) = F (t, ϕ(t)), also

F e (t, v) = ∂ T e

∂t (T

−1

(t, v)) + ∂ T e

∂y (T

−1

(t, v)) · F (T

−1

(t, v)).

(9)

1.1 Beispiele und Methoden 9

Als Beispiel betrachten wir

” homogene Differentialgleichungen“. Die DGL y

0

= F (t, y) wird homogen genannt, falls F (rt, ry) = F (t, y) f¨ ur (t, y) ∈ G und r 6= 0 ist.

1

Der Definitionsbereich G von F muss dann folgende Eigenschaft besitzen: Mit (t, y) geh¨ ort f¨ ur jedes r 6= 0 auch (rt, ry) zu G.

Enth¨ alt G keinen Punkt (t, y) mit t = 0, so ist folgende Transformation m¨ oglich:

T (t, y) := (t, y t ).

Ist ϕ(t) L¨ osung der Ausgangsgleichung, so ist ψ(t) := ϕ(t)/t L¨ osung der transfor- mierten Gleichung, und es gilt:

ψ

0

(t) = tϕ

0

(t) − ϕ(t)

t

2

= t · F (t, ϕ(t)) − ϕ(t) t

2

= t · F (t, tψ(t)) − tψ(t)

t

2

= F (1, ψ(t)) − ψ(t)

t ,

d.h., ψ ist L¨ osung der DGL v

0

= F (1, v) − v

t . Eventuell ist ψ einfacher zu finden.

Sei etwa F (t, y) = y t +

r 1 − y

2

t

2

auf

G = {(t, y) : t

2

≥ y

2

} = {(t, y) : (t − y) · (t + y) ≥ 0}.

Man sieht sofort, dass das eine homogene DGL ergibt, und die obige Transformation macht daraus

v

0

= 1 t

√ 1 − v

2

.

Das ist eine DGL mit getrennten Variablen, der Gestalt v

0

= f (t)g(v), mit f(t) = 1/t und g(v) = √

1 − v

2

. Offensichtlich ist die L¨ osung ψ mit ψ(t

0

) = v

0

gegeben durch

ψ(t) = sin ln(t/t

0

) + arcsin(v

0

) .

Dabei sei (t

0

, v

0

) = (t

0

, y

0

/t

0

) eine (transformierte) Anfangsbedingung. Als L¨ osung der Ausgangsgleichung erh¨ alt man dann:

ϕ(t) = t · ψ (t) = t · sin ln(t/t

0

) + arcsin(y

0

/t

0

) .

Ein anderes Anwendungsbeispiel ist die Bernoulli’sche DGL : y

0

= a(x)y + b(x)y

α

,

wobei α reell, 6= 0 und 6= 1 sein soll.

Wir verwenden die Transformation T (t, y) := (t, y

1−α

). Dann ist

1

Dieser Begriff sollte nicht mit dem Begriff

” homogen“ bei linearen DGLn verwechselt werden!

(10)

T

−1

(t, v) = (t, v

1/(1−α)

), ∂ T e

∂t (t, y) = 0 und ∂ T e

∂y (t, y) = (1 − α)y

−α

. Weil F (t, y) = a(t)y + b(t)y

α

ist, folgt: Die transformierten Integralkurven gen¨ ugen der DGL v

0

= F e (t, v), mit

F e (t, v) = ∂ T e

∂t (t, v

1/(1−α)

) + ∂ T e

∂y (t, v

1/(1−α)

) · F (t, v

1/(1−α)

)

= (1 − α)v

−α/(1−α)

· a(t)v

1/(1−α)

+ b(t)v

α/(1−α)

= (1 − α) · (a(t)v + b(t)).

Die transformierte DGL ist linear und daher sicher einfacher zu behandeln als die Ausgangsgleichung.

Die logistische Gleichung:

Die logistische Gleichung (oder Gleichung des beschr¨ ankten Wachstums ) y

0

= ay − by

2

, mit a, b ∈ R

+

und y > 0

ist vom Bernoulli’schen Typ (mit α = 2). Bevor wir sie transformieren, noch ein paar Anmerkungen:

Es ist y

0

= y(a − by). Ist ϕ eine L¨ osung und 0 < ϕ(t) < a/b, so ist a − b · ϕ(t) > 0, also ϕ

0

(t) > 0. Der

” Bestand“ w¨ achst! Ist dagegen ϕ(t) > a/b, so ist ϕ

0

(t) < 0 und der Bestand nimmt ab.

Weiter ist ϕ

00

(t) = aϕ

0

(t) − 2bϕ(t)ϕ

0

(t) = (a − 2bϕ(t))ϕ

0

(t). Ist also 0 < ϕ(t) <

a/(2b), so ist ϕ

0

(t) > 0 und ϕ

00

(t) > 0. Das ist der Bereich

” beschleunigten Wachs- tums“, der Graph beschreibt eine Linkskurve. Ist dagegen a/(2b) < ϕ(t) < a/b, so ist ϕ

00

(t) < 0. Hier beschreibt der Graph eine Rechtskurve, das Wachstum wird gebremst.

r

t

0

y

0

a/(2b) a/b

Nun wenden wir unsere Transformation an. Suchen wir eine L¨ osung von y

0

=

ay − by

2

zum Anfangswert (t

0

, y

0

), so k¨ onnen wir genauso gut eine L¨ osung von

v

0

= −av + b suchen, zum Anfangswert (t

0

, y

0−1

). Das ist eine inhomogene DGL

1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Eine partikul¨ are L¨ osung ist die konstan-

te Funktion v

p

(t) ≡ b/a, und die allgemeine L¨ osung der zugeh¨ origen homogenen

Gleichung ist gegeben durch v

c

(t) := c · e

−at

, c ∈ R .

(11)

11

Die allgemeine L¨ osung der Ausgangsgleichung ist dann gegeben durch y

c

(t) = (v

p

(t) + v

c

(t))

−1

= a

b + ac · e

−at

. F¨ ur alle diese L¨ osungen gilt:

y

c

(t) → a

b f¨ ur t → ∞.

(12)

1.2 Existenz- und Eindeutigkeitssatz

Zur Erinnerung:

Sei E ein Vektorraum mit Norm k· · ·k. Eine Reihe P

ν=1

a

ν

in E heißt (im gew¨ ohn- lichen Sinne) konvergent, falls es ein Element a ∈ E gibt, so dass gilt:

N→∞

lim k

N

X

ν=1

a

ν

− ak = 0.

Die Reihe heißt normal (oder absolut) konvergent, falls die Zahlenreihe P

∞ ν=1

ka

ν

k konvergiert.

Der Vektorraum E heißt vollst¨ andig oder ein Banachraum, falls in E jede normal konvergente Reihe auch im gew¨ ohnlichen Sinne konvergiert.

Definition

Sei E ein Banachraum und M ⊂ E eine Teilmenge. Eine Abbildung f : M → M heißt kontrahierend, falls es eine reelle Zahl q mit 0 < q < 1 gibt, so dass kf (x

1

) − f (x

2

)k ≤ q · kx

1

− x

2

k f¨ ur alle x

1

, x

2

∈ M gilt.

Ein Element x

0

∈ M heißt Fixpunkt von f, falls f(x

0

) = x

0

ist.

Bemerkung: Ist f kontrahierend, so kann f h¨ ochstens einen Fixpunkt besitzen.

1.2.1. Banach’scher Fixpunktsatz

Sei E ein Banachraum, A ⊂ E abgeschlossen und f : A → A eine kontrahierende Abbildung. Dann besitzt f einen (eindeutig bestimmten) Fixpunkt in A.

Definition

Sei (t

0

, x

0

) ∈ R × R

n

. Die Tonne mit Radius r und L¨ ange 2ε um (t

0

, x

0

) ist die Menge

T := [t

0

− ε, t

0

+ ε] × B

r

(x

0

).

Ist G ⊂ R × R

n

ein Gebiet und F : G → R

n

eine stetige Abbildung, so nennt man eine Tonne T ⊂ G mit Radius r und L¨ ange 2ε eine Sicherheitstonne f¨ ur F, falls gilt:

sup

T

kF(t, x)k ≤ r ε .

In einer Sicherheitstonne l¨ asst sich das Streckenzug-Verfahren aus dem Peano’schen

Existenzsatz anwenden!

(13)

1.2 Existenz- und Eindeutigkeitssatz 13

x

2

t x

1

(t0,x

r

0) r

t0−ε

t0+ε t0

B

r

(x

0

)

1.2.2. Existenz von Sicherheitstonnen

Ist T

0

eine beliebige Tonne um (t

0

, x

0

) mit Radius r und L¨ ange 2ε und F stetig auf T

0

, so gibt es ein δ mit 0 < δ ≤ ε, so dass jede Tonne T mit Radius r und L¨ ange ≤ 2δ um (t

0

, x

0

) eine Sicherheitstonne f¨ ur F ist.

Beweis: Sei M := sup

T0

kFk und δ := min(ε, r

M ). Dabei sei r/M := +∞ gesetzt, falls M = 0 ist. Dann ist r/δ = max(r/ε, M ), und f¨ ur die Tonne T gilt: sup

T

kFk ≤ sup

T0

kFk = M ≤ r δ .

Definition

Sei G ⊂ R × R

n

ein Gebiet. Eine stetige Abbildung F : G → R

n

gen¨ ugt auf G einer Lipschitz-Bedingung mit Lipschitz-Konstante k, falls gilt:

kF(t, x

1

) − F(t, x

2

)k ≤ k · kx

1

− x

2

k, f¨ ur alle Punkte (t, x

1

), (t, x

2

) ∈ G.

F gen¨ ugt lokal der Lipschitz-Bedingung, falls es zu jedem (t

0

, x

0

) ∈ G eine Um- gebung U = U (t

0

, x

0

) ⊂ G gibt, so dass F auf U einer Lipschitz-Bedingung gen¨ ugt.

1.2.3. Satz

Ist F = F(t, x

1

, . . . , x

n

) auf G stetig und nach den Variablen x

1

, . . . , x

n

stetig partiell differenzierbar, so gen¨ ugt F auf jeder Tonne T ⊂ G einer Lipschitz- Bedingung.

Beweis: Sei T = I × B ⊂ G eine beliebige Tonne. Die partiellen Ableitungen

F

xi

(t, x) sind auf T stetig und damit beschr¨ ankt, etwa durch M > 0. F¨ ur t ∈ I ist

(14)

f

t

(x) := F(t, x) = (F

1

(t, x), . . . , F

1

(t, x)) auf B (total) stetig differenzierbar, und f¨ ur x ∈ B ist

kDf

t

(x)vk

2

= ∇F

1

(t, x)

v

2

+ · · · + ∇F

n

(t, x)

v

2

≤ k∇F

1

(t, x)k

2

· kvk

2

+ · · · + k∇F

n

(t, x)k

2

· kvk

2

≤ kvk

2

· n · max

ν

k∇F

ν

(t, x)k

2

≤ kvk

2

· n · max

ν

(F

ν

)

x1

(t, x)

2

+ · · · + (F

ν

)

xn

(t, x)

2

≤ kvk

2

· n · (n · M

2

), also

kDf

t

(x)k

op

:= sup

kvk≤1

kDf

t

(x)vk ≤ n · M.

Aus dem verallgemeinerten Mittelwertsatz folgt dann:

kf

t

(x

1

) − f

t

(x

2

)k ≤ n · M · kx

1

− x

2

k, f¨ ur x

1

, x

2

∈ B.

Da dies unabh¨ angig von t gilt, haben wir unsere gesuchte Lipschitz-Bedingung.

1.2.4. Satz

Sei G ⊂ R × R

n

ein Gebiet und F : G → R

n

stetig. Gen¨ ugt F auf G lokal der Lipschitz-Bedingung, so gibt es zu jedem (t

0

, x

0

) ∈ G ein ε > 0 und eine Sicherheitstonne T ⊂ G mit Zentrum (t

0

, x

0

) und L¨ ange 2ε f¨ ur F, auf der F einer Lipschitz-Bedingung mit Lipschitz-Konstante k < 1/(2ε) gen¨ ugt.

Beweis: Sei U = U (t

0

, x

0

) eine Umgebung, auf der F einer Lipschitz-Bedingung mit Konstante k gen¨ ugt. Weiter sei T

0

⊂ U eine Tonne mit Zentrum (t

0

, x

0

), Radius r < 1 und L¨ ange 2ε. Man kann ε so weit verkleinern, dass ε < 1/(2k) und T eine Sicherheitstonne f¨ ur F ist.

1.2.5. Lokaler Existenz- und Eindeutigkeitssatz

Sei G ⊂ R × R

n

ein Gebiet, F : G → R

n

stetig. Gen¨ ugt F lokal der Lipschitz- Bedingung, so gibt es zu jedem (t

0

, y

0

) ∈ G ein ε > 0, so dass auf I := [t

0

−ε, t

0

+ ε] genau eine L¨ osung ϕ der Differentialgleichung y

0

= F(t, y) mit ϕ(t

0

) = y

0

existiert.

Beweis: Es sei T = I × B ⊂ G eine Sicherheitstonne mit Radius r und L¨ ange 2ε um (t

0

, y

0

) f¨ ur F, auf der F einer Lipschitz-Bedingung mit einer Konstanten k < 1/(2ε) gen¨ ugt. Weiter sei I = [t

0

− ε, t

0

+ ε] und B = B

r

(y

0

). Wir betrachten den Banachraum E aller stetigen Abbildungen ϕ : I → R

n

und setzen

A := {ϕ ∈ E : ϕ(I) ⊂ B und ϕ(t

0

) = y

0

}.

(15)

1.2 Existenz- und Eindeutigkeitssatz 15

Offensichtlich ist A 6= ∅ , denn die Funktion ϕ(t) ≡ y

0

geh¨ ort zu A.

Sei nun (ϕ

ν

) eine Folge in A, die in E gegen eine stetige Grenzfunktion ϕ

0

kon- vergiert. Da B abgeschlossen und ϕ

ν

(t) stets in B enthalten ist, muss auch der Grenzwert ϕ

0

(t) in B liegen. Und die Relation ϕ

ν

(t

0

) = y

0

bleibt ebenfalls beim Grenz¨ ubergang erhalten. Das bedeutet, dass ϕ

0

wieder in A liegt, A ist eine abge- schlossene Teilmenge von E.

Als n¨ achstes definieren wir eine Abbildung S : A → E durch (Sϕ)(t) := y

0

+

Z

t t0

F(u, ϕ(u)) du .

Es ist klar, dass Sϕ stetig ist und Werte in R

n

hat. Außerdem ist (Sϕ)(t

0

) = y

0

, und f¨ ur t ∈ I gilt:

k(Sϕ)(t) − y

0

k = k Z

t

t0

F(u, ϕ(u)) duk

≤ |t − t

0

| · sup

T

kF(t, y)k

≤ ε · r ε = r.

Also liegt Sϕ wieder in A, S bildet A auf sich ab.

Wir wollen nun zeigen, dass S kontrahierend ist. F¨ ur ϕ, ψ ∈ A ist kSϕ − Sψk = sup

I

kSϕ(t) − Sψ(t)k

= sup

I

k Z

t

t0

[F(u, ϕ(u)) − F(u, ψ(u))] duk

≤ ε · k · sup

I

kϕ(u) − ψ(u)k

< 1

2 kϕ − ψk.

Das bedeutet, dass S genau einen Fixpunkt ϕ

besitzt. Nun gilt:

ϕ

(t) = (Sϕ

)(t) = y

0

+ Z

t

t0

F(u, ϕ

(u)) du.

Differenzieren auf beiden Seiten ergibt (ϕ

)

0

(t) = F(t, ϕ

(t)). Damit ist ϕ

eine L¨ osung der DGL, mit ϕ

(t

0

) = y

0

.

Ist umgekehrt ϕ eine L¨ osung der DGL mit der gew¨ unschten Anfangsbedingung, so ist

Z

t t0

F(u, ϕ(u)) du = Z

t

t0

ϕ

0

(u) du = ϕ(t) − ϕ(t

0

) = ϕ(t) − y

0

,

also Sϕ = ϕ. Damit ist Existenz und Eindeutigkeit der L¨ osung ¨ uber I gezeigt.

(16)

Bemerkung: Das oben vorgestellte L¨ osungsverfahren nennt man das Verfah- ren von Picard-Lindel¨ of. Es ist konstruktiv in dem Sinne, dass man mit einer beliebigen Funktion (z.B. ϕ(t) ≡ y

0

) starten kann und die gesuchte L¨ osung als Grenzwert der Folge ϕ

k

:= S

k

ϕ f¨ ur k → ∞ erh¨ alt.

Betrachten wir als Beispiel die DGL (y

10

, y

02

) = (−y

2

, y

1

). Sei ϕ

0

(t) := (1, 0). Hier ist F(u, ϕ

1

(u), ϕ

2

(u)) = (−ϕ

2

(u), ϕ

1

(u)), also

ϕ

1

(t) = (1, 0) + Z

t

0

(0, 1) du = (1, t), ϕ

2

(t) = (1, 0) +

Z

t 0

(−u, 1) du = (1 − t

2

2 , t), ϕ

3

(t) = (1, 0) +

Z

t 0

(−u, 1 − u

2

2 ) du = (1 − t

2

2 , t − t

3

6 ) . Per Induktion zeigt man schließlich:

ϕ

2k

(t) = X

k

ν=0

(−1)

ν

t

(2ν)! ,

k−1

X

ν=0

(−1)

ν

t

2ν+1

(2ν + 1)!

und

ϕ

2k+1

(t) = X

k

ν=0

(−1)

ν

t

(2ν)! ,

k

X

ν=0

(−1)

ν

t

2ν+1

(2ν + 1)!

.

Das bedeutet, dass ϕ(t) := (cos(t), sin(t)) die einzige L¨ osung mit ϕ(0) = (1, 0) ist.

Erf¨ ullt F keine Lipschitz-Bedingung, so sichert der Existenzsatz von Peano dennoch die Existenz einer L¨ osung. Allerdings gibt es dann kein konstruktives Verfahren, und es kann passieren, dass es zu einer Anfangsbedingung mehrere L¨ osungen gibt.

Im folgenden betrachten wir eine DGL y

0

= F (t, y) auf einem Gebiet G ⊂ R × R

n

. Die Abbildung F gen¨ uge lokal der Lipschitz-Bedingung.

1.2.6. Satz

Sei ϕ : [t

0

, t

1

] → R

n

eine L¨ osung. Dann gibt es ein t

2

> t

1

und eine L¨ osung ϕ b : [t

0

, t

2

) → R

n

mit ϕ| b

[t0,t1]

= ϕ.

Beweis: Nach dem lokalen Existenz- und Eindeutigkeitssatz gibt es ein ε > 0 und eine eindeutig bestimmte L¨ osung ψ : (t

1

− ε, t

1

+ ε) → R

n

mit ψ(t

1

) = ϕ(t

1

).

Außerdem ist

ψ

0

(t

1

) = F (t

1

, ψ(t

1

)) = F (t

1

, ϕ(t

1

)) = ϕ

0

(t

1

).

Also ist ϕ b : [t

0

, t

1

+ ε) → R

n

mit

ϕ(t) := b

ϕ(t) f¨ ur t

0

≤ t ≤ t

1

,

ψ (t) f¨ ur t

1

< t < t

1

+ ε.

(17)

1.2 Existenz- und Eindeutigkeitssatz 17

stetig differenzierbar und damit eine L¨ osung ¨ uber [t

0

, t

1

+ ε).

1.2.7. Satz (von der globalen Eindeutigkeit)

Sind ϕ, ψ : [t

0

, t

1

) → R

n

zwei L¨ osungen mit ϕ(t

0

) = ψ (t

0

), so ist ϕ = ψ .

Beweis: Nach dem lokalen Eindeutigkeitssatz gibt es ein ε > 0, so dass ϕ(t) = ψ(t) f¨ ur t

0

≤ t < t

0

+ ε ist. Ist ϕ = ψ auf ganz [t

0

, t

1

), so ist nichts mehr zu zeigen.

Andernfalls sei

t

:= inf{t ∈ [t

0

, t

1

) : ϕ(t) 6= ψ(t)}.

Dann ist t

0

< t

< t

1

, und es muss ϕ(t

) = ψ(t

) sein, denn die Menge aller t mit ϕ(t) 6= ψ(t) ist offen. Wegen der lokalen Eindeutigkeit w¨ are dann aber auch noch in der N¨ ahe von t

die Gleichheit von ϕ(t) und ψ(t) gegeben. Das ist ein Widerspruch zur Definition von t

.

1.2.8. Globaler Existenz- und Eindeutigkeitssatz

Zu vorgegebener Anfangsbedingung (t

0

, y

0

) ∈ G gibt es Zahlen t

, t

+

∈ R mit t

< t

0

< t

+

und eine L¨ osung ϕ : (t

, t

+

) → R

n

mit folgenden Eigenschaften:

1. ϕ(t

0

) = y

0

.

2. ϕ l¨ asst sich auf kein gr¨ oßeres Intervall fortsetzen.

3. Ist ψ : (t

, t

+

) → R

n

eine weitere L¨ osung mit ψ (t

0

) = y

0

, so ist ϕ = ψ.

4. Die Integralkurve Φ(t) := (t, ϕ(t)) l¨ auft in G

” von Rand zu Rand“ : Zu jeder kompakten Teilmenge K ⊂ G mit (t

0

, y

0

) ∈ K gibt es Zahlen t

1

, t

2

mit

t

< t

1

< t

0

< t

2

< t

+

,

so dass Φ((t

, t

1

)) ⊂ G \ K und Φ((t

2

, t

+

)) ⊂ G \ K ist.

Beweis: Wir beschr¨ anken uns auf die Konstruktion von t

+

, die von t

kann dann analog durchgef¨ uhrt werden. Es sei

ε

+

:= sup{ε > 0 : ∃ L¨ osung ϕ

ε

: [t

0

, t

0

+ ε] → R

n

mit ϕ

ε

(t

0

) = y

0

} und

t

+

:= t

0

+ ε

+

.

Ist nun t ∈ [t

0

, t

+

), so gibt es ein ε mit t − t

0

< ε < ε

+

, und wir setzen ϕ(t) := ϕ

ε

(t).

Diese Definition ist wegen der globalen Eindeutigkeit unabh¨ angig vom gew¨ ahlten

ε, und ϕ ist deshalb auch eine L¨ osung der DGL. Nach Konstruktion von ε

+

l¨ asst

(18)

sich ϕ nicht ¨ uber t

+

hinaus zu einer erweiterten L¨ osung fortsetzen. Offensichtlich ist ϕ eindeutig bestimmt.

Der Beweis der letzten Aussage ist etwas komplizierter.

Sei Φ(t) := (t, ϕ(t)) f¨ ur t

0

≤ t < t

+

die zugeh¨ orige Integralkurve. Wenn die Be- hauptung falsch w¨ are, g¨ abe es eine kompakte Menge K ⊂ G und eine monoton wachsende und gegen t

+

konvergente Folge (t

ν

), so dass Φ(t

ν

) ∈ K f¨ ur ν ∈ N gilt.

Wir nehmen an, das sei der Fall. Da K kompakt ist, muss dann die Folge (t

ν

) beschr¨ ankt sein, also t

+

endlich. Außerdem muss es eine Teilfolge (t

νi

) geben, so dass Φ(t

νi

) gegen ein Element (t

+

, y

+

) ∈ K (und damit in G) konvergiert. Zur Vereinfachung der Schreibweise nehmen wir an, dass schon die Folge (Φ(t

ν

)) gegen (t

+

, y

+

) konvergiert.

Sei T

0

= [t

+

− ε

0

, t

+

+ ε

0

] × B

r0

(y

+

) eine Tonne, die noch ganz in G liegt. Dabei sei ε

0

so klein gew¨ ahlt, dass F auf T

0

einer Lipschitzbedingung mit Konstante k < 1/(2ε

0

) gen¨ ugt. Weiter sei

M := sup

T0

kF k, ε := min ε

0

2 , r

0

2M

und r := r

0

2 ,

sowie T

1

die Tonne mit Radius r und L¨ ange 2ε um (t

+

, y

+

). F¨ ur einen beliebigen Punkt (t, y) ∈ T

1

ist die Tonne T = T (t, y) mit Radius r und L¨ ange 2ε um (t, y) eine in T

0

enthaltene Sicherheitstonne, denn es ist

r

ε = max r

0

ε

0

, M

, also sup

T

kF k ≤ sup

T0

kF k = M ≤ r ε .

p p p p p p p p p p p p p p p p p p p p ppr

(t

+

, y

+

) (t, r y)

T T

1

T

0

Außerdem erf¨ ullt F auch auf T die Lipschitzbedingung mit der Konstanten k. Wir k¨ onnen das auf T

ν

= T (t

ν

, ϕ(t

ν

)) anwenden, denn f¨ ur gen¨ ugend großes ν liegt (t

ν

, ϕ(t

ν

)) in T

1

. Dann ist (t

+

, y

+

) in T

ν

enthalten. Nach dem lokalen Existenz- und Eindeutigkeitssatz gibt es genau eine L¨ osung ψ : [t

ν

− ε, t

ν

+ ε] → B

r

(ϕ(t

ν

)) mit ψ(t

ν

) = ϕ(t

ν

).

Offensichtlich wird ϕ durch ψ fortgesetzt, und zwar ¨ uber t

+

hinaus. Das ist ein

Widerspruch!

(19)

1.3 Lineare Systeme 19

1.3 Lineare Systeme

Wir betrachten in diesem Abschnitt ein Gebiet G ⊂ R

n+1

und eine DGL y

0

= F (t, y),

wobei F : G → R

n

lokal der Lipschitz-Bedingung gen¨ ugt.

1.3.1. Lemma von Gronwall

Sei t

0

< t

1

≤ ∞, g : [t

0

, t

1

) → R stetig, α ≥ 0 und β ≥ 0. Ist 0 ≤ g(t) ≤ α + β

Z

t t0

g(τ) dτ f¨ ur t ∈ [t

0

, t

1

), so ist

g(t) ≤ α · e

β(t−t0)

f¨ ur t ∈ [t

0

, t

1

).

Beweis: Sei G(t) := α + β Z

t

t0

g(τ) dτ . Dann ist G(t

0

) = α und G

0

(t) = βg(t) ≤ βG(t), also (ln G)

0

(t) ≤ β. Daraus folgt, dass ln G(t) − βt monoton f¨ allt, F¨ ur t > t

0

ist dann

ln G(t) − βt ≤ G(t

0

) − βt

0

= ln α − βt

0

und

g(t) ≤ G(t) ≤ αe

β(t−t0)

.

1.3.2. Folgerung (Fundamentale Absch¨ atzung)

Sei J ⊂ R ein Intervall und B ⊂ R

n

eine Kugel, so dass F auf T := J × B einer Lipschitzbedingung mit Lipschitzkonstante k gen¨ ugt.

Sind ϕ

1

, ϕ

2

: J → B zwei L¨ osungen der DGL y

0

= F(t, y) mit Anfangsbedingun- gen ϕ

1

(t

0

) = y

1

und ϕ

2

(t

0

) = y

2

, so ist

1

(t) − ϕ

2

(t)k ≤ ky

1

− y

2

k · e

k·|t−t0|

f¨ ur t ∈ J.

Beweis: Weil ϕ

0λ

(t) = F(t, ϕ

λ

(t)) ist, f¨ ur λ = 1, 2, folgt:

ϕ

λ

(t) = ϕ

λ

(t

0

) + Z

t

t0

F(u, ϕ

λ

(u)) du.

Nun setzen wir

ω(t) := kϕ

1

(t) − ϕ

2

(t)k f¨ ur t ≥ t

0

.

(20)

Dann ist

ω(t) ≤ kϕ

1

(t

0

) − ϕ

2

(t

0

)k + k Z

t

t0

(F(u, ϕ

1

(u)) − F(u, ϕ

2

(u))) duk

≤ ω(t

0

) + k · Z

t

t0

ω(u) du

und nach Gronwall

ω(t) ≤ ω(t

0

) · e

k(t−t0)

. Damit ist der Satz f¨ ur t ≥ t

0

bewiesen.

Um ihn auch f¨ ur t < t

0

zu erhalten, setzen wir F(t, e y) := −F(t

0

−t, y). Ist ϕ L¨ osung der DGL y

0

= F(t, y), so ist ϕ(t) := e ϕ(t

0

− t) L¨ osung der DGL y

0

= F(t, e y), und umgekehrt, denn es ist ϕ e

0

(t) = −ϕ

0

(t

0

−t) = −F(t

0

−t, ϕ(t

0

−t)) = F(t, e ϕ(t

0

−t)) = F(t, e ϕ(t)). Außerdem ist e ϕ(0) = e ϕ(t

0

).

Sei ω(t) := e k ϕ e

1

(t) − ϕ e

2

(t)k = ω(t

0

− t). Ist t < t

0

, so ist t

0

− t > 0 und ω(t) = e ω(t

0

− t) ≤ e ω(0)e

k(t0−t)

= ω(t

0

)e

k|t−t0|

.

Wir wollen nun Systeme von linearen Differentialgleichungen 1. Ordnung ¨ uber ei- nem offenen Intervall I ⊂ R untersuchen:

y

0

= y · A(t)

>

+ b(t),

mit stetigen Abbildungen A : I → M

n,n

( R ) und b : I → R

n

. Wie im Falle linearer Gleichungssysteme beginnt man mit dem homogenen Fall b(t) ≡ 0. Die stetige Abbildung

F(t, y) := y · A(t)

>

ist auf ganz I × R

n

definiert und gen¨ ugt dort lokal einer Lipschitz-Bedingung, denn es ist

kF(t, y

1

) − F(t, y

2

)k = k(y

1

− y

2

) · A(t)

>

k ≤ ky

1

− y

2

k · kA(t)k

op

.

1.3.3. Der L¨ osungsraum einer homogenen linearen DGL

Ist die lineare DGL y

0

= F(t, y) ¨ uber I = (a, b) definiert, so ist auch jede ma- ximale L¨ osung ¨ uber I definiert, und die Menge aller maximalen L¨ osungen bildet einen reellen Vektorraum.

Beweis: Sei J = (t

, t

+

) ⊂ I, t

0

∈ J und ϕ : J → R

n

eine maximale L¨ osung mit

ϕ(t

0

) = y

0

. Wir nehmen an, es sei t

+

< b. Dann ist kA(t)k

op

auf [t

0

, t

+

] beschr¨ ankt,

(21)

1.3 Lineare Systeme 21

etwa durch eine Zahl k > 0. Wir wenden die fundamentale Absch¨ atzung auf die beiden L¨ osungen ϕ und ψ(x) ≡ 0 an. Damit ist kϕ(t)k ≤ ky

0

k·e

k(t+−t0)

, bleibt also auf [t

0

, t

+

) beschr¨ ankt. Das bedeutet, dass die Integralkurve t 7→ (t, ϕ(t)) im Innern von I × R

n

endet, und das kann nicht sein. Also muss t

+

= b (und entsprechend dann auch t

= a) sein.

Dass die Menge aller (maximalen) L¨ osungen dann einen Vektorraum bildet, ist trivial.

Sei L der (reelle) Vektorraum aller L¨ osungen ¨ uber I. F¨ ur ein festes t

0

∈ I sei E : L → R

n

definiert durch E(ϕ) := ϕ(t

0

).

2

Dann ist E offensichtlich linear, und aus dem globalen Existenz- und Eindeutigkeitssatz und dem obigen Resultat folgt, dass E bijektiv ist, also ein Isomorphismus von L auf R

n

. Daraus folgt:

Der L¨ osungsraum L eines homogenen linearen Systems y

0

= y · A(t)

>

in I × R

n

ist ein n-dimensionaler R -Untervektorraum von C

1

(I, R

n

).

Eine Basis {ϕ

1

, . . . , ϕ

n

} von L bezeichnet man auch als Fundamentalsystem (von L¨ osungen), die Matrix

X(t) := ϕ

>1

(t), . . . , ϕ

>n

(t) nennt man Fundamentalmatrix. Sie erf¨ ullt die Gleichung

X

0

(t) = A(t) · X(t).

Die Funktion W (t) := det X(t) heißt Wronski-Determinante des Fundamen- talsystems.

Wir erinnern uns an einige Tatsachen aus der Determinantentheorie. Sei A ∈ M

n,n

( R ) und S

ij

(A) die Streichungsmatrix, die durch Streichen der i-ten Zeile und der j-ten Spalte aus A entsteht. Dann wird die Zahl A

ij

:= (−1)

i+j

det S

ij

(A) als Cofaktor, algebraisches Komplement oder Adjunkte bezeichnet, und der La- place’sche Entwicklungssatz besagt: F¨ ur beliebiges k und beliebiges l ist

det(A) =

n

X

i=1

a

il

· A

il

=

n

X

j=1

a

kj

· A

kj

.

Man beachte: Sind a

1

, . . . , a

n

die Zeilen der Matrix A, so ist A

ij

= det a

1

, . . . , a

i−1

, e

j

, a

i+1

, . . . , a

n

, und die Koeffizienten a

i1

, . . . , a

in

kommen in A

ij

nicht vor.

Die Matrix ad(A) :=

A

ij

i = 1, . . . , n j = 1, . . . , n

heißt adjungierte Matrix zu A.

2

” E“ steht f¨ ur evaluate (auswerten).

(22)

1.3.4. Hilfssatz

1. Ist A ∈ M

n,n

( R ), so ist (det A) · E

n

= A · ad(A)

>

. 2. Ist t 7→ A(t) ∈ M

n,n

( R ) differenzierbar, so ist

(det ◦A)

0

(t) = X

i,j

a

0ij

(t) · A

ij

(t).

Beweis: 1) Seien a

1

, . . . , a

n

die Zeilen der Matrix A. Dann ist A · ad(A)

>

ij

=

n

X

k=1

a

ik

A

jk

=

n

X

k=1

a

ik

det(a

1

, . . . , a

j−1

, e

k

, a

j+1

, . . . , a

n

)

= det(a

1

, . . . , a

j−1

,

n

X

k=1

a

ik

e

k

, a

j+1

, . . . , a

n

)

= det(a

1

, . . . , a

j−1

, a

i

, a

j+1

, . . . , a

n

)

= δ

ij

· det A.

2) Weil A

ij

von a

ij

nicht abh¨ angt, folgt mit dem Entwicklungssatz

∂ det

∂a

ij

(A) = ∂

∂a

ij

n

X

k=1

a

kj

· A

kj

!

=

n

X

k=1

δ

ik

A

kj

= A

ij

,

nach Kettenregel also

(det ◦A)

0

(t) = X

i,j

∂ det

∂a

ij

(A(t)) · a

0ij

(t) = X

i,j

a

0ij

(t) · A

ij

(t).

Man kann den Begriff der Wronski-Determinante noch etwas verallgemeinern:

Definition

Sind ϕ

1

, . . . , ϕ

n

: I → R

n

irgendwelche (differenzierbare) Funktionen, so nennt man

W (ϕ

1

, . . . , ϕ

n

)(t) := det(ϕ

1

(t), . . . , ϕ

n

(t))

die Wronski-Determinante von ϕ

1

, . . . , ϕ

n

.

(23)

1.3 Lineare Systeme 23

1.3.5. Die Formel von Liouville

Die Wronski-Determinante W (t) eines Systems von L¨ osungen der DGL y

0

= y · A(t)

>

erf¨ ullt die gew¨ ohnliche Differentialgleichung

z

0

= z · SpurA(t) .

Ist W (t) sogar die Wronski-Determinante einer Fundamentalmatrix, so ist W (t) 6= 0 f¨ ur alle t ∈ I, und f¨ ur beliebiges (festes) t

0

∈ R ist

W (t) = W (t

0

) · exp Z

t

t0

SpurA(s) ds

.

Beweis: Sei X(t) = (x

ij

(t)) = (ϕ

>1

(t), . . . , ϕ

>n

(t)) und W (t) = det X(t). Dann ist

W

0

(t) = (det ◦X)

0

(t)

= X

i,j

x

0ij

(t) · (ad(X))

ij

(t)

=

n

X

i=1

(X

0

(t) · ad(X)

>

(t))

ii

= Spur X

0

(t) · ad(X)

>

(t) . Da die Spalten von X(t) L¨ osungen der DGL sind, ist

X

0

(t) = A(t) · X(t), also

W

0

(t) = Spur A(t) · X(t) · ad(X)

>

(t)

= Spur A(t) · (det X(t) · E

n

)

= W (t) · SpurA(t).

Sei X(t) = ϕ

>1

(t), . . . , ϕ

>n

(t)

eine Fundamentalmatrix. Gibt es ein t

0

∈ I mit W (t

0

) = 0, so gibt es reelle Zahlen c

ν

, nicht alle = 0, so dass P

ν

c

ν

ϕ

ν

(t

0

) = 0 ist.

Die Funktion ϕ := P

ν

c

ν

ϕ

ν

ist L¨ osung der DGL und verschwindet in t

0

. Nach dem Eindeutigkeitssatz muss dann ϕ(t) ≡ 0 sein. Also sind ϕ

1

, . . . , ϕ

n

linear abh¨ angig und k¨ onnen kein Fundamentalsystem sein. Widerspruch!

Also ist W (t) 6= 0 und X(t) invertierbar f¨ ur alle t ∈ I. Außerdem ist (ln ◦W )

0

(t) = W

0

(t)

W (t) = SpurA(t),

also

(24)

ln W (t) W (t

0

)

= ln W (t) − ln W (t

0

) = Z

t

t0

SpurA(s) ds.

Wendet man exp an, so erh¨ alt man die Liouville-Formel.

1.3.6. Die Fundamentall¨ osung

Sei A : I → M

n,n

( R ) stetig.

1. Zu jedem t

0

∈ I gibt es genau eine Fundamentalmatrix X

0

der DGL y

0

= y · A(t)

>

mit X

0

(t

0

) = E

n

(= n-reihige Einheitsmatrix).

F¨ ur t ∈ I wird dann C(t, t

0

) := X

0

(t) ∈ M

n,n

( R ) gesetzt.

2. Ist y

0

∈ R

n

, so ist ϕ(t) := y

0

· C(t, t

0

)

>

die eindeutig bestimmte L¨ osung mit ϕ(t

0

) = y

0

.

3. Die Matrix C(t, t

0

) ist stets invertierbar, und f¨ ur s, t, u ∈ I gilt:

(a) C(s, t) · C(t, u) = C(s, u).

(b) C(t, t) = E

n

, (c) C(s, t)

−1

= C(t, s).

4. Ist {a

1

, . . . , a

n

} eine Basis des R

n

, so wird durch ϕ

ν

(t) := a

ν

· C(t, t

0

)

>

ein Fundamentalsystem von L¨ osungen mit ϕ

ν

(t

0

) = a

ν

definiert.

Beweis: 1) Es gibt eindeutig bestimmte L¨ osungen ϕ

1

, . . . , ϕ

n

, so dass ϕ

ν

(t

0

) = e

ν

der ν-te Einheitsvektor ist. Da die Einheitsvektoren eine Basis des R

n

bilden und die Evaluationsabbildung E ein Isomorphismus ist, bilden die ϕ

ν

eine Basis des L¨ osungsraumes. X

0

:= (ϕ

>1

, . . . , ϕ

>n

) ist dann die (eindeutig bestimmte) Fun- damentalmatrix mit X

0

(t

0

) = E

n

.

2) Da X

0

(t) = C(t, t

0

) eine Fundamentalmatrix ist, erf¨ ullt ϕ(t) := y

0

· C(t, t

0

)

>

die DGL. Es ist n¨ amlich

ϕ

0

(t) = y

0

· X

0>

(t)

0

= y

0

· X

0>

(t) · A

>

(t)

= ϕ(t) · A

>

(t).

Nach Konstruktion ist C(t

0

, t

0

) = E

n

, also ϕ(t

0

) = y

0

.

3) Weil W (t) = det C(t, t

0

) nirgends verschwindet, ist C(t, t

0

) immer invertierbar.

Sei y beliebig, t, u ∈ I beliebig, aber fest, sowie s ∈ I beliebig (variabel). Wir

setzen ϕ(s) := y · C(s, u)

>

und ψ(s) := ϕ(t) · C(s, t)

>

. Dann ist ψ(t) = ϕ(t), also

auch ψ(s) = ϕ(s) f¨ ur alle s ∈ I. Daraus folgt:

(25)

1.3 Lineare Systeme 25

y · C(s, u)

>

= ϕ(s) = ψ(s)

= ϕ(t) · C(s, t)

>

= y · C(t, u)

>

· C(s, t)

>

= y · C(s, t) · C(t, u)

>

.

Weil C(s, u) invertierbar ist, folgt die Gleichung C(s, u) = C(s, t) · C(t, u).

4) ist trivial.

Leider ist es im allgemeinen nicht m¨ oglich, die L¨ osungen eines homo- genen linearen Systems explizit anzugeben! In Einzelf¨ allen kann es aber durchaus L¨ osungsmethoden geben.

Wir betrachten nun den inhomogenen Fall y

0

= y · A(t)

>

+ b(t). Wie im homo- genen Fall kann man zeigen, dass alle L¨ osungen ¨ uber ganz I definiert sind. Da die Differenz zweier L¨ osungen der inhomogenen Gleichung eine L¨ osung der homogenen Gleichung ist, bilden die L¨ osungen der inhomogenen Gleichung einen affinen Raum, und es gen¨ ugt, eine partikul¨ are L¨ osung des inhomogenen Systems zu finden. Wir benutzen hier wieder (wie im Falle einer Gleichung erster Ordnung) die Methode der Variation der Kostanten.

Ist X(t) = (ϕ

>1

(t), . . . , ϕ

>n

(t)) eine Fundamentalmatrix, so ist die L¨ osungsgesamt- heit des homogenen Systems die Menge der Linearkombinationen

c

1

· ϕ

1

(t) + · · · + c

n

· ϕ

n

(t).

F¨ ur eine partikul¨ are L¨ osung der inhomogenen Gleichung machen wir den Ansatz ϕ

p

(t) := c

1

(t) · ϕ

1

(t) + · · · + c

n

(t) · ϕ

n

(t) = c(t) · X(t)

>

.

Dann ist

ϕ

0p

(t) = c

0

(t) · X(t)

>

+ c(t) · X

0

(t)

>

= c

0

(t) · X(t)

>

+ c(t) · A(t) · X(t)

>

= c

0

(t) · X(t)

>

+ ϕ

p

(t) · A(t)

>

. Also gilt:

ϕ

p

(t) ist L¨ osung ⇐⇒ ϕ

0p

(t) = ϕ

p

(t) · A(t)

>

+ b(t)

⇐⇒ c

0

(t) · X(t)

>

= b(t)

⇐⇒ c

0

(t) = b(t) · (X(t)

>

)

−1

⇐⇒ c(t) = c(t

0

) + Z

t

t0

b(s) · (X(s)

>

)

−1

ds .

Ist X(t) = C(t, t

0

), also X(t

0

) = E

n

, so ist

(26)

ϕ

p

(t) = c(t) · X(t)

>

=

y

0

+ Z

t

t0

b(s) · C(t

0

, s)

>

ds

· C(t, t

0

)

>

die partikul¨ are L¨ osung ϕ

p

mit ϕ

p

(t

0

) = y

0

.

Eine homogene lineare DGL n-ter Ordnung hat die Gestalt y

(n)

+ a

n−1

(x)y

(n−1)

+ · · · + a

1

(x)y

0

+ a

0

(x)y = 0 .

Das zugeordnete lineare System hat dann – in Spaltenschreibweise – die Form

 y

01

.. . .. . y

n0

=

0 1 · · · 0

.. . . .. .. .

0 0 · · · 1

−a

0

(t) −a

1

(t) · · · −a

n−1

(t)

·

 y

1

.. . .. . y

n

 .

Ist {f

1

, . . . , f

n

} eine Basis des L¨ osungsraumes der DGL n-ter Ordnung, so erhalten wir f¨ ur das System die Fundamentalmatrix

X(t) =

f

1

f

2

· · · f

n

f

10

f

20

· · · f

n0

.. . .. . .. . f

1(n−1)

f

2(n−1)

· · · f

n(n−1)

 .

1.3.7. Beispiel

Wir betrachten eine gew¨ ohnliche inhomogene lineare DGL 2. Grades, y

00

+ a

1

(x)y

0

+ a

0

(x)y = r(x).

Dem entspricht das lineare System y

0

= y · A(t)

>

+ b(t) mit A(t) =

0 1

−a

0

(t) −a

1

(t)

und b(t) = (0, r(t)).

Eine Fundamentalmatrix hat die Gestalt X(t) =

y

1

(t) y

2

(t) y

10

(t) y

20

(t)

.

Dann ist W (t) = det X(t) = y

1

(t)y

20

(t)−y

10

(t)y

2

(t) die Wronski-Determinante, und die Matrix X(t)

−1

kann durch die Formel

X(t)

−1

= 1 W (t) ·

y

20

(t) −y

2

(t)

−y

10

(t) y

1

(t)

berechnet werden. Also ist

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