Chancen und Risiken von Gesundheits-Apps [Chances and Risks of Mobile Health Apps]
Ergebnisse der Studie „CHARISMHA -‐
Chancen und Risiken von Gesundheits-‐Apps“
Urs-Vito Albrecht
Medizinische Hochschule Hannover, Peter. L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik der TU Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover
Albrecht.Urs-Vito@MH-Hannover.de
BfArM im Dialog – „Medical Apps
Chancen, Risiken, Herausforderungen“
08. Juni 2016, 10:30 Uhr – 11:00 Uhr, Bonn Chancen und Risiken von Gesundheits-Apps [Chances and Risks of Mobile Health Apps]
Was ist CHARISMHA?
Eine erste mehrdimensionale und unter Anwendung wissenschaKlicher Methoden erhobene Bestandsaufnahme zum Thema Gesundheits-‐Apps.
Gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG).
Analyse der Rahmenbedingungen und Handlungsfelder, Herausforderungen,
Hemmnisse, Strategien und Chancen und Ableitung von HandlungsopXonen für alle beteiligten Akteure.
BerücksichXgte Aspekte:
• PaXentenorienXerung, Gesundheitsförderung und Gesundheitskompetenz,
• Anwendungen in PrävenXon, DiagnosXk, Therapie und Forschung,
• MarktsituaXon, Ersta\ungsmöglichkeiten durch die GKV, Auswirkungen und Anreize für GKV und PKV,
• Qualität in Planung, Entwicklung und Herstellung,
• RegulaXon, Datenschutz und -‐sicherheit sowie HaKung,
• Abwägung moralischer Risiken, des Nutzens, GerechXgkeit der
Nutzungsmöglichkeiten, Vertrauenswürdigkeit, Teilhabe, Autonomie, Privatheit.
Studienstruktur
CHARISMHA 1. Einführung und
BegriffsbesXmmungen 2. Gesundheits-‐ Apps und Markt
3. Gesundheits-‐Apps und poliXsche Rahmenbedingungen
4. Gesundheits-‐Apps und besondere Herausforderungen
5. Gesundheits-‐Apps und PrävenXon
6. Gesundheits-‐Apps und DiagnosXk &
Therapie 7. Gesundheits-‐Apps
im Forschungs-‐
kontext 8. Gesundheits-‐Apps
und Risiken 9. Gesundheits-‐Apps
und Ethik 10. Gesundheits-‐Apps
und Datenschutz 11. Gesundheits-‐Apps
als Medizinprodukte 12.Gesundheits-‐Apps
in der GKV und PKV
13.-‐15.
OrienXerungen für Nutzer, Hersteller und
Anwender
• Medizinische Hochschule Hannover, Peter L. Reichertz InsXtut für Medizinische InformaXk der TU Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover (PLRI):
– Dr. U.-‐V. Albrecht (Studienleitung) , Dr. U. von Jan, D. Kühn, M. Höhn
• Medizinische Hochschule Hannover, InsXtut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung:
– Prof. Dr. M.-‐L. Dierks, Prof. Dr. V. E. Amelung, M. Rutz, B. Kuhn
• Leibniz Universität Hannover und Medizinische Hochschule Hannover, Centre for Health Economics Research (CHERH):
– Dr. M. Frank, I. Aumann
• Heinrich-‐Heine-‐Universität Düsseldorf, InsXtut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin:
– Prof Dr. H. Fangerau, M. Griemmert
• Hochschule Niederrhein, Fachbereich Gesundheitswesen:
– Prof. Dr. B. Breil
• Fraunhofer ISST, Bereich „eHealth“:
– Dr. S. Meister
• Lungenklinik Heckeshorn, Berlin:
– Dr. S. Jungmann
• Ärztekammer Niedersachsen, Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen:
– T. Hartz
• Freiberuflicher Lead-‐Auditor und Referent für die DQS Medizinprodukte GmbH – M. Brönner
• Kanzlei 34 – Rechtsanwälte und Notare, Hannover:
– Dr. O. Pramann
Studien-‐Autoren
Mit Dank an:
PD Dr. S. Böschen und PD. Dr. A. Lösch, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Prof. Dr. U. Gassner und J. Modi (Universität Augsburg), T. Framke, U. Hillebrand, T. Eckhardt, D. Weigel (Medizinische Hochschule Hannover).
• AkXonsforum GesundheitsinformaXonssystem (afgis) e.V.,
• Bundesärztekammer ArbeitsgemeinschaK der deutschen Ärztekammern (BÄK),
• BundesinsXtut für Arzneimi\el und Medizinprodukte (BfArM),
• Die BundesbeauKragte für den Datenschutz und die InformaXonsfreiheit (BfDI),
• Bundesamt für Sicherheit in der InformaXonstechnik (BSI),
• BundeszahnärztekammerArbeitsgemeinschaKderDeutschenZahnärztekammerne.V.(BZÄK),
• Bundeszentrale für gesundheitliche Aunlärung (BZgA),
• Deutscher Behindertenrat (DBR),
• Deutscher Blinden-‐ und Sehbehindertenverband e.V. (DBSV),
• Deutscher Gehörlosen-‐Bund e.V. (DGB),
• Deutsche KrankenhausgesellschaK e.V. (DKG),
• GKV-‐Spitzenverband,
• Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV),
• NaXonale Kontakt-‐ und InformaXonsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS),
• BeauKragter der Bundesregierung für die Belange der PaXenXnnen und PaXenten und BevollmächXgter für Pflege,
• Verband der Privaten Krankenversicherungen e.V. (PKV),
• Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (VZBV),
• ZTG Zentrum für TelemaXk und Telemedizin GmbH.
KommenCerende InsCtuConen
Chancen und Risiken von Gesundheits- Apps (CHARISMHA); engl. Chances and Risks of Mobile Health Apps
(CHARISMHA), Albrecht, U.-V. (Hrsg.), Medizinische Hochschule Hannover, 2016.
urn:nbn:de:gbv:084-16040811153 http://www.digibib.tu-bs.de/?
docid=00060000
http://www.charismha.de/
Referenz
Handlungsfelder
• (a) OrganisaXon und Infrastruktur
• (b) Finanzierung
• (c) Zugang
• (d) Ethik
• (e) RegulaXon
• (f) Forschung
• (g) Qualität
• (h) Transparenz
• (i) InformaXon
Akteure
• Bund/Länder
• Interessenvertretungen
• Hersteller
• Anbieter
• Laien-‐Anwender
• Profi-‐Anwender
• Forscher
• Versorgungseinrichtungen
• Kostenträger
9 Handlungsfelder, insgesamt 64 Handlungsoptionen für verschiedene Akteure.
Ergebnisse
...und weniger abstrakt
• Der Technologie wird ein „großes Potenzial“ von allen Akteuren zugesprochen, wobei dieses allerdings schwer zu fassen ist.
• Konsens besteht über übergeordneten Ziele, wie Effizienzsteigerung,
Versorgungsverbesserung, etc. und generell das Potenzial auszuschöpfen.
• Kein Konsens bezüglich der Zielerreichung.
• An Schärfung eines Profils zur Nutzung mangelt es.
• Es ist wesentlich leichter (konkrete) Risiken der Technologie durch Apps zu belegen.
• Bestehendes Missverhältnis führt zur Verzerrung der Wahrnehmung von Chancen und Risiken der Technologie, wobei das Potenzial unterschätzt werden kann.
• Herausforderung: ObjekXve Nutzen/Risiko-‐Abwägung.
App-‐Schwächen und Ursachen
• Schwächen
• Mangelnde professionelle Umsetzung,
• Verwendung ungenügender Inhalte,
• technische Unzulänglichkeiten der Betreibergeräte.
• Ursachen
• Eher schwammige Vorstellung von Qualität und dementsprechend auch ungenügende Prüfung der Einhaltung dieser Qualitätskriterien,
• mangelnde Fähigkeiten oder Mi\el zur Umsetzung, die zu Schwächen beitragen,
• Nachlässigkeit,
• Unwissenheit um (regulatorische) Anforderungen,
• Betrug und Schadensabsicht sind sicherlich eher seltene Gründe, wenn auch die Schwerwiegendsten, denen angemessen prävenXv begegnet werden muss.
Anforderungen
• Der Gesundheitsbereich ist persönlich und sensibel.
• Eine besondere Sorgfaltspflicht ist bei der Erstellung von technologischen Lösungen zu fordern.
• Die Mehrheit der Apps erfüllt diese Erwartungen nicht.
• Die staatliche RegulaXon greiK nur für Apps, die vom Hersteller als Medizinprodukte eingestuK wurden. Der Großteil der Apps mit Gesundheitsbezug wird hiervon nicht berührt.
• Aunlärung, Austausch und das Angebot von Hilfestellungen sind primär geeignet, die Hersteller in der Umsetzung Ihrer Verantwortung zu
unterstützen.
• Versäumnisse der Hersteller in diesen Punkten führen dazu, dass ihren Produkten zunehmend das Vertrauen durch alle anderen Akteure
entzogen wird; regulatorische Maßnahmen können ebenfalls hieraus resulXeren.
• Dieses könnte sich innovaXonshemmend auswirken und den Fortschri\
deutlich einschränken, wenn nicht sogar verhindern.
mHealth = Mitmachen
• Gesunde oder erkrankte Bürger, professionelle Anwender (Ärzte,
Pflegende, ...) nutzen die Angebote, wenn sie sich hierdurch Komfort und Nutzen versprechen.
• Die Akzeptanz für diese Technologie hängt zudem von der Vertrauenswürdigkeit der ApplikaXonen ab.
• Die Einschätzung, ob es sich um eine „gute App“ handelt, stellt sich für die Anwenderinnen und Anwender mitunter als schwierig dar.
• Insbesondere wenn berücksichXgt wird, dass es ein unübersichtliches und überwälXgendes Angebot gibt, das sich rasant ändert.
• Hier ist es notwendig, die Beteiligten aufzuklären und Hilfestellungen anzubieten.
– Auswahlkriterien für geeignete Apps.
– Aunlärung über Chancen und Risiken der Anwendungen.
– Ziel: Akteure können selbstbesXmmt und informiert ihre Entscheidungen zur Auswahl und Nutzung der Technologie treffen.
– Hiermit werden sich diese ihrer Verantwortung bewusst und können diese auch wahrnehmen.
Schlüsselergebnisse
Ø Entwicklung von Qualitätskriterien in einem breiten Konsensverfahren.
Ø ALLE Hersteller zur qualitätsgesicherten Entwicklung anhalten.
Ø Gestaltung von OrienXerungshilfen für Hersteller unter BerücksichXgung auch weitergehender InformaXonen zur qualitätsgesicherten Entwicklung und zum Zulassungsverfahren.
Ø Umfassende AuPlärung aller beteiligten Akteure über Risiken u. Gefahren von Apps, Maßnahmen zu deren Verringerung/BeseiXgung.
Ø Gestaltung eines auf die App-‐Welt angepassten Vigilanzsystems, in dem Berichte aller Parteien über etwaige Vorkommnisse etc. zusammengeführt werden.
Ø Entwicklung von Leitlinien oder Empfehlungen für professionelle Nutzer sowie die Förderung von Strukturen, die es Ärzten, Krankenkassen und weiteren professionellen Nutzern ermöglichen können, geeignete Apps auszuwählen, einzusetzen und zu empfehlen.
Ø Im professionellen Umfeld: Organisatorische Maßnahmen auf
Betreiberseite umsetzen, um sicheren Betrieb von mobilen Geräten und Apps zu gewährleisten.
Schlüsselergebnisse
Ø Weitergehende wissenschaZliche EvaluaCon von PrävenCons-‐
Apps sowie Apps zur DiagnosCk und Therapie fördern, um Evidenz zu schaffen.
Ø Förderung entsprechender EvaluaXonen, z.B. in üblichen klinischen Studien oder nöXgenfalls mit angepasste Studiendesigns (u.a.
aufgrund der raschen Entwicklungszyklen).
Ø Standardisierungs-‐Ansätze (Apps und Studiendesigns) vorantreiben.
Ø Ethische Diskussion und Gestaltung von Richtlinien für die Entwicklung, Empfehlung und Nutzung von Gesundheits-‐Apps sowie Vorgaben, damit Nicht-‐Nutzern keine Nachteile entstehen.
Ø Weiterentwicklung von Datenschutzstandards, Erweiterung der AuPlärungspflichten.
Ø Weitere Ausarbeitung der Abgrenzungskriterien zum
Medizinprodukt und eine Verpflichtung der Hersteller zur
deutlichen Herausstellung der ZweckbesCmmung einer App, z.B.
im Impressum.
Fazit
• Neue Technologie mit ihrer speziellen CharakterisXk erfordern eine entsprechende Auseinandersetzung.
• Diese muss sich dynamisch und fachlich wie gesellschaKlich übergreifend gestalten, um Gesundheits-‐Apps und mHealth gerecht zu werden.
• Gemeinsam lassen sich Strategien zum Umgang und Einsatz entwickeln, die nachhalXg die Gesundheit mi\els dieser Technologie verbessern helfen.
• Aufgrund der Vielzahl von Aspekten und Akteuren bei einer
weitestgehend unregulierten Umgebung liegt es an allen Beteiligten, an der Gestaltung der Rahmenbedingungen mitzuarbeiten.
• Der mulXdisziplinäre Austausch über Entwicklung, Nutzen, Qualität, Zugang zur Technologie, EvaluaXon, gesellschaKliche Aspekte und Vergütungsmöglichkeiten ist der Schlüssel, um notwendige
Rahmenbedingungen zu besXmmen und umzusetzen, damit das Potenzial ausgeschöpK werden kann.