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Statusinkonsistenz und Schichtung: Eine Erweiterung der Statusinkonsistenztheorie*Volkei^Bomschier, Peter Heintz

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© F. Enke Verlag Stuttgart Zeitschrift für Soziologie, Jg. 6, Heft 1, Januar 1977, S. 2 9 - 4 8

Statusinkonsistenz und Schichtung: Eine Erweiterung der Statusinkonsistenztheorie*

Volkei^Bomschier, Peter Heintz Universität Zürich, Soziologisches Institut

Status inconsistency and stratification: An extension of status inconsistency theory*

Abstract: First, it is asked whether the contributions to status inconsistency research can be considered as tests of the theoretical concept of status inconsistency. The central elements of the theoretical concepts are then dealt with and some theoretical approaches are described which fit into the framework of these common elements. The status inconsistency theory which is presented afterwards takes into account the coexistence of different norms of consistency, i.e. societal and stratum norms. Furthermore, the theory is used for a systematic presentation of consistent and inconsistent status configurations whithin stratification systems, i.e. consistent and inconsistent aspects of configurations are simultaneously analysed together with their structural location within stratification systems. The theoretical model implies complex hypotheses on social change and behavioral consequences of actors, especially in the case that different parameters o f systems and marginal conditions are changed.

Inhalt: Zunächst wird die Frage gestellt, inwiefern die Beiträge zur Statusinkonsistenzliteratur als Überprüfungen des theoretischen Konzeptes der Statusinkonsistenz angesehen werden können. Sodann wird auf zentrale theore­

tische Vorstellungen, die dem Begriff der Statusinkonsistenz zugrunde liegen, und auf die theoretischen Ansätze, die innerhalb dieser Vorstellungen möglich sind, eingegangen. Die Statusinkonsistenztheorie, die anschließend for­

muliert wird, berücksichtigt die Koexistenz verschiedener Konsistenznormen, nämlich von sozietalen und schicht­

spezifischen Normen. Sie entwickelt eine Systematik von konsistenten und inkonsistenten Statuskonfigurationen innerhalb von Schichtungssystemen, d.h. die gleichzeitig konsistenten und inkonsistenten Aspekte von Statuskon­

figurationen werden zusammen mit ihrer strukturellen Lage in Schichtungssystemen betrachtet. Aus dem theore­

tischen Modell und der simultanen Variation einzelner Systemparameter und Randbedingungen lassen sich kom­

plexe Sätze über den sozialen Wandel und über Verhaltenskonsequenzen bei Akteuren ableiten.

Im Anschluß an die beträchtliche Zahl wider­

sprüchlicher empirischer Ergebnisse der Status­

inkonsistenzforschung ist durch zahlreiche metho­

denkritische Beiträge in der Literatur der Ein­

druck geweckt worden, die Probleme dieser Forschungsrichtung ließen sich durch eine reine Methodendiskussion lösen. Dies hat den Blick von der Ausarbeitung des theoretischen Kon­

zeptes und substantieller Theorien, die mit Hilfe dieses Konzeptes formuliert werden kön­

nen, abgelenkt. Eine Methodendiskussion kann aber nicht unabhängig von der Frage geführt werden, welche Theorien überprüft werden sollen. Mit Recht läßt sich bezweifeln (HOPE,

1975), daß in der jüngeren Diskussion im Rahmen der Statusinkonsistenzforschung die Entsprechnung von Theorie und Methode ge­

nügend berücksichtigt worden ist.

* Eine erste Fassung mit dem Titel ”A Revised Sta­

tus Inconsistency Theory“ wurde dem Symposium der International Sociological Association, Commitee on Stratification, Genf, 16.-18. Dezember 1975, vorgelegt. Wir möchten insbesonder LAWRENCE R. ALSCHULER, aber auch HANSPETER KRIESI und DONALD I. WARREN für ihre Kommentare und Kritik danken.

Status und Statusinkonsistenz sind zwei Kon­

zepte, die miteinander verwoben sind. Wenn man in Untersuchungen beabsichtigt, Status­

inkonsistenz variieren zu lassen, ohne die einzelnen Status zu variieren, steht man offen­

sichtlich vor unlösbaren Problemen: . . there is no logically conceivable way of iso­

lating the effects of status crystallization from the effects of the socio-economic variables from which measures of status crystallization are constructed“ (HODGE and SIEGEL, 1970: 515).

In diesem Sinne hat BLALOCK (1966, 1967) als erster in mehreren Beiträgen eine fundamentale Kritik an der Statusinkonsistenzforschung geübt.

BLALOCK, DUNCAN (1966) und TAYLOR (1973) haben vorgeschlagen, Inkonsistenzeffekte als eine besondere Art von Interaktionseffekten Zwischen einzelnen Statusvariablen zu sehen.

Das Verfahren, das darin besteht, Statusinkon­

sistenz als Interaktion zwischen Statusvariab­

len zu interpretieren, nachdem alle Effekte der verschiedenen Statusvariablen statistisch kontrolliert worden sind (vgl. JACKSON and BURKE, 1965, TREIMAN, 1966, PLOCH, 1968, BROOM and JONES, 1970, OLSEN and TULLY, 1972, JACKSON and CURTIS, 1972,

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HOUSE and HARKINS, 1975), stellt jene Sta­

tusinkonsistenzforschung in Frage, bei der keine Kontrolle aller vertikalen Statusdifferenzierun­

gen vorgenommen wird. Die „rigorosen“ Tests, die alle additiven Statuseffekte statistisch kon­

trollieren, haben keine oder eine nur sehr be­

schränkte Bestätigung von Statusinkonsistenz­

effekten erbracht. Damit stellt sich die Frage:

Ist die Methode, die in den letzten Jahren mehrheitlich keine oder nur unbedeutende Be­

stätigungen von Statusinkonsistenzeffekten er­

bracht hat, ein angemessener Test des theore­

tischen Konzeptes der Statusinkonsistenz? Die Vorstellung eines mehrdimensionalen Schich­

tungssystems, die zuerst bei WEBER (1921, Aus­

gabe 1972: Klassen, Stände, Parteien, S. 531 ff.), SOROK IN (1927) und im Sinne einer ersten Systematisierung für das Problem der Statusin­

konsistenz bei BENOIT-SM ULLYA N (1944) entwickelt wurde, fand ihre erste empirische Überprüfung in der mittlerweüe klassisch gewor­

denen Arbeit von LENSKI (1954).

Statusinkonsistenz oder fehlende Statuskristalli­

sation wurde von LENSKI als eine nicht-vertikale Dimension des sozialen Ranges in die empirische Analyse eingeführt mit der Absicht, zu prüfen

. .whether an analysis employing this new dimension would be capable of accounting for some of the variance in political behavior which is left unexplained by traditional methods of stratification analysis“ (LENSKI, 1954: 405).

Bei LENSKI selbst wird allerdings die Annahme nicht explizit gemacht, wonach Statusinkonsistenz als Folge differenzieller Mobüität bei Individuen zunächst das Bestreben auslöst, die inkonsistente Statuskonfiguration zu äquüibrieren. Die Annah­

me einer Tendenz zur Statusäquüibrierung geht auf BENOtT-SMULLYAN (1944) zurück, der sie in Anlehnung an die Gleichgewichtsanalyse von PARETO (1916) formulierte. Nur wenn eine Statusäquilibrierung nicht möglich oder sehr schwierig ist, kann man daraus ein poli­

tisches Verhalten ableiten. Statusinkonsistenz ist dann eine Folge von strukturell bedingten differenziellen Mobilitätschancen. Statusinkon- sistente Akteure, die ihre Statuskonfiguration nicht äquilibrieren können, suchen die Lösung dieses Problems in sozio-politischer Veränderung.

Die Hypothese, wonach zwischen Statusinkon­

sistenz und dem Wunsch nach sozio-politischer

Veränderung eine Beziehung besteht, ist sehr häufig empirisch untersucht worden. Obwohl die theoretisch vorgeordnete Tendenz zur Sta­

tusäquüibrierung bei diesen Untersuchungen nicht berücksichtigt wurde, kam man in den meisten Fällen, wenn auch lange nicht bei allen Überprüfungen, zu einer empirischen Bestäti­

gung der Hypothese. Dies kann man so inter­

pretieren, daß in allen untersuchten Gesellschaf­

ten ein gewisses Maß an differenziellen Mobüi- tätschancen strukturell verankert ist; es ist nicht ausgeschlossen, daß, selbst wenn Statusäquüibrie­

rung über die Zeit hinweg als möglich wahrge­

nommen wird, Statusinkonsistenz als solche den Wunsch nach politischer Veränderung er­

zeugt.

Soweit uns bekannt, ist die Beziehung zwischen Statusinkonsistenz und Wunsch nach sozio-po­

litischer Veränderung im Rahmen der engeren Statusinkonsistenzforschung und von interindi­

viduellen Systemen zwischen 1953 und 1975 in rund 20 Untersuchungen überprüft worden1.

Jede dritte Untersuchung brachte keine Bestä­

tigung für eine solche Beziehung2.

Es kann mit Grund vermutet werden, daß po­

sitive Bestätigungen deutlicher ausfallen bzw.

negative Evidenzen relativiert werden (z.B.

BROOM and JONES, 1970), wenn man nicht alle Statusinkonsistenzen gleich behandelt, son­

dern verschiedene Typen von Statusinkonsi­

stenzen unterscheidet und einzeln untersucht.

Ein Survey der genannten Studien zeigt, daß die Quote der Nichtbestätigungen ziemlich konstant bei einem Drittel bleibt, wenn man die aufgrund von Stichproben aus den Ver- 1 RINGER/SILLS (1952/53), LENSKI (1954),

KENKEL (1956), GOFFMAN (1957), BRAND­

MEYER (1965), KELLY/CHAMBLISS (1966), LENSKI (1967), SEGAL/KNOKE (1968), PLOCH (1968), SMITH (1969), BROOM/JONES (1970), EITZEN (1970), STEHR (1971), LAUMANN/

SEGAL (1971), LUPRI (1972), BLINKERT et al. (1972), OLSEN/TULLY (1972), JACKSON/

CURTIS (1972), GUTSCHER (1975).

2 Wir haben hierbei auch Ergebnisse als Bestätigun­

gen gezählt, die diese Beziehung nicht linear oder bei extremen Graden von Statusinkonsistenz, son­

dern nur bei mittleren Graden nachweisen konnten, nämlich: BLINKERT et al. (1972), GUTSCHER (1975), sowie die Ergebnisse einer eigenen Sekun­

däranalyse der Daten von BRANDMEYER (1965).

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V. Bornschier, P. Heintz: Statusinkonsistenz und Schichtung 31

einigten Staaten erzielten Ergebnisse und die aus anderen Gesellschaften stammenden Re­

sultate gesondert ausgezählt oder wenn man sich auf Untersuchungen beschränkt, die einen vergleichbaren Indikator für politische Veränderungswünsche verwenden, nämlich die Präferenz für Parteien links von der Mitte.

Zwei Faktoren hingegen bewirken Unterschiede in der Bestätigungsquote. Studien, die nur er­

werbbare (sozio-ökonomische) Statusmerkmale verwenden, weisen relativ mehr Nichtbestäti­

gungen auf als Studien, die sowohl erwerbbare als auch zugeschriebene Merkmale benutzen (sozio-ökonomischer und rassischer bzw. eth­

nischer oder religiöser Status). Diese zeigen nicht nur etwas mehr Bestätigungen, sondern gelangen auch in manchen Fällen nur bei In­

konsistenzen zwischen erwerbbarem und zuge­

schriebenem Status zu signifikanten Ergebnis­

sen. Die Interpretation diese Befundes fällt nicht schwer. Statusinkonsistenz zwischen er­

werbbarem und zugeschriebenem Status stellt einen speziellen Fall strukturell bedingter Blockierung der Statusäquilibrierung dar. Im­

plizit wird demnach bei Verwendung von zu­

geschriebenen Statusmerkmalen die intervenie­

rende Variable der Statusäquilibrierung mitbe­

rücksichtigt.

Der zweite Faktor, der noch deutlichere Unter­

schiede zwischen den Bestätigungsquoten be­

wirkt, ergibt sich aus der unterschiedlichen Kon­

trolle der vertikalen Dimension, d.h. des Ranges.

Man kann unterscheiden zwischen Untersuchun­

gen, die überhaupt keine Kontrolle des Ranges vornehmen, und solchen, die den Rang kon­

trollieren, allerdings nicht immer in befriedi­

gender Weise, und schließlich solchen, die eine rigorose Kontrolle aller Statusvariablen, die den Rang bilden, durchführen. Diese Un­

terschiede in der Kontrolle des Ranges fallen z.T. mit sonstigen methodischen Unterschie­

den zusammen; entscheidend scheint aber die Kontrolle des Ranges zu sein. Zwei von sieben Untersuchungen (29%), die keine Kontrolle des Ranges vornehmen, kommen zu einer Nichtbe­

stätigung. Bei Kontrolle des Ranges, auch wenn sie wie z.B. bei LENSKI (1954) unbefriedigend ist, gelangt nur 1 von 6 Untersuchungen zu einer Nichtbestätigung (17%). Werden dagegen die einzelnen Statusvariablen, die den Rang bil­

den und zwischen denen Statusinkonsistenz­

effekte überprüft werden sollen, rigoros — wie etwa bei der sog. Dummy-Variablen-Regressions- methode — statistisch kontrolliert, so liefern drei von fünf Untersuchungen (60%) negative Eviden­

zen, und die beiden übrigen berichten von sehr bescheidenen Erklärungsbeiträgen der Statusin­

konsistenz als Interaktionseffekt, nachdem alle additiven Statusvariablen statistisch kontrolliert worden sind.

Von diesen Studien, die mehrheitlich negative Resultate erbracht haben, ist zu sagen, daß sie nicht das Statusinkonsistenzmodell überprüfen, sondern ein anderes Modell, das die Varianz in der abhängigen Variablen primär auf einzelne Statuseffekte zurückführt. Wie HOPE (1975) richtig argumentiert, beinhaltet das theoretische Konzept der Statusinkonsistenz als einer nicht- wertikalen Dimension des sozialen Ranges gerade

nicht, daß alle Statuseffekte einzeln kontrolliert werden, sondern es impliziert nur, daß der so­

ziale Rang kontrolliert wird, was nicht das gleiche ist.

Die Statusinkonsistenztheorie unterscheidet zwei klare und interpretierbare Konzepte, den Rang oder die Schicht als Ausdruck der allgemeinen sozialen Lage in der Vertikalen und die Status­

inkonsistenz als Ausdruck der Abweichung ein­

zelner Status vom Rang. Die statistische Kon­

trolle jeder einzelnen Statusvariable stellt ein anderes Erklärungsmodell dar. Dieses kann aber das theoretische Konzept der Statusinkonsistenz nicht einfach deshalb ersetzen, weil es in be­

stimmten empirischen Bereichen zu einer gleich oder ähnlich guten Vorhersage bezüglich der zu erklärenden Varianz in abhängigen Variablen gelangt.

Es ist durchaus möglich, daß bestimmte Sätze von Daten durch unterschiedliche theoretische Modelle gleich gut beschrieben werden können.

Kriterien, die besagen, welches Modell vorgezo­

gen werden soll, ergeben sich u.a. aus dem Er­

klärungsgehalt (im Unterschied zur bloß modell­

haften Beschreibung von Daten), aus der theo­

retischen Eleganz und Klarheit und aus der Fruchtbarkeit, d.h. der Ableitbarkeit von Sätzen, die auch in anderen Bereichen der betreffenden Wissenschaft überprüft werden können.

Hinsichtlich dieser Kriterien scheint es sinnvoll zu sein, daß dem theoretischen Konzept der Sta­

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tusinkonsistenz der Vorzug gegeben wird. Die Tatsache nämlich, daß man eine abhängige Va­

riable wie etwa politische Veränderungswünsche empirisch mit unterschiedlich gewichteten einzel­

nen Statusvariablen in einem Regressionsmodell

„erklären“ kann, berücksichtigt zu wenig, daß die verschiedenen Statusvariablen auf dem Niveau sozialer Akteure im Sinne von mehr oder weniger konsistenten Rängen oder sozialen Lagen ver­

knüpft Vorkommen. Wenn man bei einer Regres­

sion auf einzelne Statusvariablen unterschiedliche Gewichte (Parameter) für die verschiedenen Sta­

tusvariablen erhält, dann weist das deutlich dar­

auf hin, daß man nicht ohne Fehler von einem Status auf einen anderen schließen kann. Dies wiederum setzt Statusinkonsistenz voraus. Mit­

hin sind in den unterschiedlichen Parametern der Statusvariablen Effekte (verzerrt) einge­

schlossen, die man besser als Statusinkonsistenz messen sollte, weü sie dann theoretisch sinnvoll interpretiert werden können.

Wir fassen zusammen: Ein angemessener Test des theoretischen Konzeptes der Statusinkon­

sistenz setzt voraus, daß man den Rang, nicht aber die einzelnen Statusvariablen, kontrolliert.

Das schließt nicht aus, daß der Rang als gewichte­

te Summe von Status definiert werden kann, son­

dern heißt nur, - wie HOPE (1975) argumen­

tiert —, daß weder eine einfache Summierung von Statusvariablen noch ihre a priorische Ge­

wichtung mit einer Summe von empirisch einzeln gewichteten Statusvariablen verwechselt werden darf. Wie HOPE richtig sieht, liegt die Konfu­

sion bei der Statusinkonsistenzdebatte somit da­

rin, daß zwei eigenständige Forschungstätigkei­

ten, nämlich die Messung von theoretischen Di­

mensionen (hier Rang einerseits und Statusin­

konsistenz andererseits) und der davon unab­

hängige Test der Beziehungen dieser Dimensi­

onen mit abhängigen Variablen, nicht getrennt werden. Die Logik des Statusinkonsistenzkon­

zeptes verlangt, daß man zunächst den Rang auf der Grundlage von Statusmerkmalen defi­

niert und erst dann Statusinkonsistenz als ortho­

gonal dazu bestimmt (vgl. HOPE, 1975: 327).

Dann kann getestet werden, ob Statusinkon­

sistenz als solche oder bestimmte Typen mit einer abhängigen Variablen assoziiert sind, sei es additiv zum Rangeffekt, sei es als Interak­

tionseffekt zwischen bestimmten Status unter­

schiedlicher Höhe oder zwischen Status und Rang.

Die negativen Ergebnisse der Untersuchungen, die rigoros jeden einzelnen Statuseffekt kon­

trollieren, sprechen demnach nicht gegen die Brauchbarkeit des theoretischen Konzeptes der Statusinkonsistenz. Die positiven Evidenzen, die zustande kamen, ohne daß der Rangeffekt kontrolliert wurde, können nicht als Beweis für die eigenständige empirische Bedeutung von Sta­

tusinkonsistenz betrachtet werden. Jedoch lassen die Studien mit halbwegs befriedigender Rang­

kontrolle vermuten, daß Statusinkonsistenz tat­

sächlich empirische Erklärungskraft besitzt.

II

Das Konzept der Statusinkonsistenz setzt die Existenz von verschiedenen Statushierarchien voraus, die differenziert, voneinander abgesetzt und gleichzeitig verknüpft sind. Diese Verknüp­

fung wird in der theoretischen Diskussion sehr unterschiedlich behandelt. Verknüpfungen kön­

nen mit Häufungen faktischer Statuskombina­

tionen, die mithin in einzelnen Bereichen der Schichtung „normal“ sind, in Zusammenhang gebracht werden. Diese Sichtweise erlaubt es, Statuskonfigurationen hinsichtlich ihrer Kon­

formität mit solchen faktischen „Normen“ zu analysieren, aber auch, diese faktischen „Nor­

men“ eines Systems miteinander zu vergleichen.

Diese Möglichkeiten sind in der ursprünglichen Konzeptualisierung von Statuskonsistenz bei LENSKI (1954) nicht enthalten, weil der dabei eingeschlagene Weg der Operationalisierung das verhinderte. Wenn man wie LENSKI (1954) verschiedene Statushierarchien so standardisiert, d.h. vergleichbar macht, daß man die Prozentfre­

quenzen der Besetzungen auf verschiedenen Sta­

tusstufen in jeder einzelnen Statushierarchie ku­

muliert und den verschienen Status in jeder ein­

zelnen Statushierarchie den kumulierten Wert (bzw. das Klassenmittel) als Statuswert zuord­

net, dann sind zwei Status in zwei Statushier­

archien konsistent oder in der Terminologie von LENSKI kristallisiert, wenn sich beide Status am gleichen relativen Ort der beiden vertikalen Statusverteüungen befinden. Wichtig ist für unsere Diskussion, daß LENSKIS Operationali­

sierungsverfahren keine (oder höchstens un­

scharf, je nach Art der Schichtung) Häufungen von faktisch zugeordneten Status als Grund­

lage für eine operationale Definition von Status­

konsistenz verwendet.

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V. Bornschier, P. Heintz: Statusinkonsistenz und Schichtung 33

Das Messen von Statuskonsistenz auf der Basis von faktisch häufigen Statuskombinationen in verschiedenen Bereichen von Rängen hat eben­

falls eine operationeile Tradition einmal im Median- oder Modusverfahren (vgl. GOFFMAN, 1957, BUNKERT et al., 1972, GUTSCHER, 1975), dann im Clusterverfahren (vgl. MACHO- NIN, 1970), schließlich im Regressionsverfah­

ren (vgl. ALSCHULER, 1973), das sich beson­

ders für sehr kontinuierliche Statusverteilun­

gen eignet.

Faktisch häufige Statuskombinationen ent­

sprechen mit großer Wahrscheinlichkeit in Teilbereichen der Schichtung normativ äquili­

brierten Rängen. Solche Ränge bilden Schich­

ten und repräsentieren Schichtnormen nach Maßgabe ihrer Besetzungen und ihrer Distanzen zu anderen Rängen. Die Begründung dafür, daß Verknüpfungsnormen zwischen verschiedenen Statushierarchien vor allem im Bereich von be­

sonders häufigen Statuskombinationen auftre- ten, besteht darin, daß solche Verknüpfungs­

normen die Funktion haben, Statusinkonsistenz zu minimisieren.

Allerdings dürfte sich bei raschem Strukturwan­

del der Zusammenhang zwischen Häufigkeit und Norm lockern. Es ist anzunehmen, daß die Insti­

tutionalisierung von Verknüpfungen mit einer zeitlichen Verzögerung der Änderung der faktisch häufigen Statuskombinationen folgt (strukturell­

normative Asynchronien).

Die allgemeine Annahme der Statusinkonsistenz­

theorien, die von verschiedenen sowohl differen­

zierten als auch miteinander verknüpften Status­

hierarchien ausgehen, kann noch weiter spezifi­

ziert werden. Es können verschiedene Grade der Differenzierung und Verknüpfung von Status- tiierarchien unterschieden werden.

Beim Vergleich nationaler Gesellschaften kann uan feststellen, daß der Grad der Differenzie-

•ung von Statushierarchien mit dem sozio-öko- lomischen Entwicklungsniveau tendenziell zu- limmt. Ferner besteht eine kurvilineare Bezie- lung zwischen dem Grad der Isolierung von itatushierarchien und dem Entwicklungsniveau, ind zwar in dem Sinne, daß die Isolierung an len beiden Extremen der Entwicklungsdimen- ion relativ tief ist. Daneben spielen noch Un- erschiede in der ethnischen und rassischen Zu­

sammensetzung der Bevölkerung und struktu­

relle Faktoren wie die Größe von Gesellschaf­

ten eine Rolle (zum letzteren vgl. GESER/

HÖPFLINGER, 1976, HEINTZ, 1976). Mithin können der Grad der Differenzierung und der der Isolierung und dementsprechend die Art und Stärke von sozialen Verknüpfungsnormen nicht als konstant angesehen werden.

Das Entstehen von systematischen Statusinkon­

sistenzen im Verlauf des sozialen Wandels hat in der Literatur nur wenig Beachtung gefunden.

Solche Inkonsistenzen ergeben sich als Folge von asynchronen Entwicklungen institutionel­

ler Ordnungen. Zwei Modelle solch asynchro­

nen Wandels sollen hier kurz skizziert werden.

Für den Entwicklungsmodus der hochentwik- kelten kapitalistischen Ländern trifft das von W.F. OGBURN vorgeschlagene Modell zu, das auf der Dominanz der technisch-ökonomischen über die soziokulturelle Entwicklung beruht.

So beeinflußt der Wandel der Berufsstruktur als Folge des technologischen und organisa­

tioneilen Vorsprungs die Bildungsstruktur in stärkerem Maße als umgekehrt3. Für den so- zioökonomischen Wandel bedeutet dies ein Nachhinken der allgemeinen Bildung hinter der Wirtschaft. Die technologische Entwicklung in den hochentwickelten Ländern erfordert nur relativ geringe Änderungen in den an die Mas­

se der Arbeiter gestellten bildungsmäßigen An­

forderungen (z.B. KERN/SCHUMANN, 1970).

Gleichzeitig hat die technologische Entwick­

lung zu einer ernormen Produktivitätssteigerung und einem entsprechenden wirtschaftlichen Wachstum geführt. Diese Entwicklung hat trotz einer gesamthaft gesehen bemerkenswerten Kon­

stanz der ungleichen Einkommensverteilung (BORNSCHIER, 1977) eine absolute (und in einigen Bereichen auch eine gewisse relative) Einkommensverbesserung ohne eine entspre­

chend ausgeprägte Mobilität auf den unteren Rängen der Berufs- und Bildungsstruktur zur Folge gehabt. Unter der Annahme, daß die Ver­

knüpfungsnormen sich erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung anpassen, bewirkt die- 3 Die europäischen sozialistischen Länder scheinen

demgegenüber eine Entwicklungspolitik verfolgt zu haben, bei der den autonomen Bildungsinvestitio­

nen für das wirtschaftliche Wachstum eine größere Bedeutung beigemessen wird (vgl. z.B. HEINTZ,

1975a).

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34 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 6, Heft 1, Januar 1977, S. 2 9 - 4 8

ser Modus des sozialen Wandels eine Häufung von Statusinkonsistenzen, bei denen der Ein­

kommensstatus vorausläuft, von der Art Ein­

kommensstatus (I) > Berufsstatus (0) > Bil­

dungsstatus (E).

Demgegenüber ist der soziale Wandel in den unterentwickelten Ländern durch ein erhebli­

ches Nachhinken des technologischen Standes und damit des Einkommens und der berufli­

chen Differenzierung hinter der Bildung (HEINTZ, 1969, 1972, HEINTZ/HEINTZ,

1974) gekennzeichnet. Wiederum unter der Bedingung einer zeitlichen Verzögerung bei der Anpassung der Verknüpfungsnormen folgt aus dem zuletzt genannten Modus, daß das Vorauslaufen des Bildungsstatus häufig Statusinkonsistenzen des Typus E > 0 > I be­

wirkt.

Wir können hier nicht auf die Interdependenz der beiden Entwicklungsmodi im Rahmen der Weltgesellschaft eingehen (vgl. z.B. BORN­

SCHIER, 1975, 1976, Teil III).

Als Konsequenz des sozialen Wandels gemäß dem einen oder dem anderen Modus nimmt die interne Legitimität der wachsenden Status­

hierarchie zu. Akteure, die ihre Statuskonfigu­

ration zu äquilibrieren trachten, aber individu­

ell dazu nicht in der Lage sind, weil sich in ihrer Inkonsistenz die institutionelle Asynchro- nie widerspiegelt, befürworten häufig soziopo- litische Veränderungen, oder sie neigen dazu, die Relevanz des vorauslaufenden Status zu er­

höhen (HEINTZ, 1968: 284).

Es gibt empirische Ergebnisse, die diese Hypo­

these stützen. Wenn man die Statuskonfigura­

tionen von Globalgesellschaften mit dem in­

ternen Niveau von soziopolitischem Konflikt korreliert, so zeigt sich unter Vernachlässigung zahlreicher intervenierender Variablen wie Ent­

wicklungsniveau, Repression, Urbanisierung und spannungsabsorbierender Mechanismen, daß in den weniger entwickelten Ländern ein Voraus­

laufen des Büdungs- vor dem wirtschaftlichen Niveau und den beruflichen Aufstiegschancen mit einem hohen Niveau an anti-Status-quo-Kon flikten einhergeht (ARCHETTI/HEINTZ, 1972, SCHWARTZMAN, 1972, BORNSCHIER, 1970).

In einigen hochentwickelten Ländern ist das

Vorauslaufen des individuellen Einkommens­

status vor dem Berufs- und Bildungsstatus eben­

falls mit soziopolitischen Veränderungswünschen assoziiert; dies güt so lange, als das Vorauslau­

fen nicht extrem ist (BLINKERT et al., 1972, GUTSCHER, 1975). Dasselbe trifft für das Vor­

auslaufen des Büdungsstatus zu (BLINKERT et al., 1972).

Es gibt drei verschiedene Ansätze zu einer Sta­

tusinkonsistenztheorie : 7. Interaktionistischer Ansatz.

Nimmt ein Individuum diskrepante Status ein, so sieht es sich widersprechenden Erwartungen und Erfahrungen im Interaktionsprozeß ausge­

setzt. Seine inkonsistente Statuskonfiguration wird also im Interaktionsprozeß bewertet und sanktioniert. Solche und verwandte Vorstellun­

gen, die sich auf Stress und verschiedene Ver­

meidungsstrategien (Statusäquilibrierung, Rück­

zug aus dem Interaktionsfeld u.a.) beziehen, finden sich bei LENSKI (1956), GOFFMAN (1957), JACKSON (1962), STEHR (1971), BLINKERT et al. (1972) und anderen.

2. Verknüfung des Prinzips der Verteilungsge­

rechtigkeit (distributive justice) mit der Dissonanztheorie.

Dieser Ansatz ist von GESCHWENDER (1967) formuliert worden, der sich dabei auf HOMANS (1961), ZALEZNIK et al. (1958), SAMPSON (1963) und FESTINGER (1957) stützt. Bei GESCHWENDER leiten sich die Konsequenzen der Statusinkonsistenz aus dem individuellen Bewußtsein von Ungerechtigkeit ( ’’felt in­

justice“) ab, nämlich aus der Wahrnehmung von Unterschieden im Austauschverhältnis zwischen Investitionen ( ’’investments“) und Belohnungen (’’rewards“). GESCHWENDER (1967, p. 162) schreibt z.B. ’’There are uni- versalistic norms in American society which lead one to expect that he wül be rewarded in terms of his level of education.“

Die Referenznorm ist für die Wahrnehmung und die dadurch bewirkte Dissonanz von Be­

deutung. Verhaltenskonsequenzen werden dem­

nach nicht notwendigerweise über direkte In­

teraktion vermittelt.

(7)

V. Bornschier, P. Heintz: Statusinkonsistenz und Schichtung 35

Dieser Ansatz ist von ALSCHULER (1973) weiter ausgearbeitet und formalisiert worden.

Durch zusätzliche Annahmen schränkt er die Unbestimmtheit verschiedener Dissonanzreduk­

tionen ein, führt mehrfache Referenzgruppen ein und integriert den Ansatz mit der ’’social field theory“ . Diese Integration ermöglicht es ihm, Sätze über die Kollektivierung der Proble­

matik von Statusinkonsistenz in Anlehnung an HEINTZ (1969), Teü II, Kap. 1; 1972b) abzu­

leiten.

3. Ansatz einer allgemeinen Theorie der struktu­

rellen und anomischen Spannungen.

Kernstück ist eine umfassende Strukturtheorie der ungleichen Verteilung von Macht und Pre­

stige (vgl. HEINTZ, 1968: Kap. 14; 1969, 1972a, b, c; HEINTZ/HEINTZ, 1974: 3. Kap., I). Die Legitimationsnotwendigkeiten der Macht im System bewirken, daß die Rangspannung (Marginalität in Bezug auf die zentralen Werte eines Systems) infolge partieller Mobilität in einer Statushierarchie, deren Zugänglichkeit relativ wenig kontrolliert ist, zusätzlich in eine Ungleichgewichtsspannung transformiert wird.

Der Prozeß der Legitimierung führt über partiel­

le Mobilität zu Statusinkonsistenzen im Sinne von Ansprüchen auf eine höhere (äquilibrierte) Teilnahme an den Werten des Systems. Solche Ansprüche können wegen der größeren Kontrol­

le des Zugangs zu den weniger offenen Status­

hierarchien nur beschränkt erfüllt werden.

Dieser Ansatz behandelt sowohl die Entstehungs­

bedingungen als auch die Konsequenzen von Sta­

tusinkonsistenz in einem gemeinsamen theore­

tischen Rahmen. Es werden nicht nur Inkonsi­

stenzen behandelt, bei denen der Status in der zugänglichen Hierarchie vorausläuft, sondern auch umgekehrte Statusinkonsistenzen, die dann entstehen, wenn partielle Mobilitätschancen und neue Legitimationsquellen nicht ausgeschöpft werden.

Die drei theoretischen Ansätze führen zwar nicht immer zu gleichlautenden empirischen Hypothe­

sen, jedoch schließen sie sich gegenseitig nicht vollkommen aus. Die Vorstellung GESCHWEN- DERS (1967) über die Beurteilung der Vertei­

lungsgerechtigkeit mit Hilfe des Vergleichs der eigenen Statuskonfiguration mit normativen Zu­

ordnungen der Referenzgruppe ist mit der Ab­

leitung legitimer Ansprüche aufgrund partieller Mobilität bei HEINTZ (1968: Kap. 14; 1972a, b, c) verwandt. Darüber hinaus läßt sich im theo­

retischen Ansatz von HEINTZ nach der Gerech­

tigkeit verschiedener Verknüpfungsnormen selbst fragen. Erste Ansätze zu einer solchen Er­

weiterung der Statusinkonsistenztheorie finden sich in der zitierten Arbeit von ALSCHULER (1973). ALSCHULER führt nämlich mehrere Referenzgruppennormen ein. Obwohl er in Be­

zug auf einzelne Referenzgruppennormen die Beziehung zwischen Investition und Belohnung formalisiert und der Analyse hinsichtlich Ge­

rechtigkeit (Steigung der Regression) und Gleichheitsnorm (absolutes Glied der Regression der Belohnungen auf die Investitionen) zugäng­

lich macht, unternimmt er es noch nicht, den Gerechtigkeitsgrad verschiedener Schichtnormen zu systematisieren und die Determinanten der Unterschiede in einen allgemeinen theoretischen Rahmen zu stellen.

Der auf HOMANS (1961) zurückgehende Vor­

schlag GESCHWENDERS (1967), Statusdimen­

sionen hinsichtlich ihrer Bedeutung als Investi­

tionen oder Belohnungen zu unterscheiden, ist mit der Vorstellung bei HEINTZ vereinbar, wo*

nach in einer Sozialstruktur zum Zwecke der Legitimation die Zugänglichkeit zu gewissen in Statushierarchien institutionalisierten Werten re­

lativ groß gehalten wird. Der zu der leichter zu­

gänglichen Statushierarchie gehörende und durch partielle Mobüität erworbene höhere Status stellt eine legitimierte Forderung (Investition) dar, in einer anderen Statushierarchie, in der der Zugang stärker kontrolliert ist, ebenfalls einen Aufstieg zu vollziehen. Die Positionen in leich­

ter zugänglichen Statushierarchien haben mit­

hin den Charakter von Investitionen (legitimier­

ten Ansprüchen) und die in schwerer zugänglichen den von Belohnungen.

Im Anschluß an HOMANS (1961) und GE- SCHWENDER (1967) wird Büdung gewöhnlich als Investition betrachtet, Einkommen — aber auch Macht und Autorität — als Belohnung. Der Beruf wird als Belohnung für Bildung und als Investition für Einkommen (vgl. z.B. STOLZEN­

BERG, 1975) gesehen. Unter der Bedingung, daß ein ökonomischer Überschuß besteht, kön­

nen Macht und Autorität ihrerseits als Investi­

tion für Einkommen und Reichtum im Sinne

(8)

36 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 6, Heft 1, Januar 1977, S. 2 9 - 4 8

von Privilegien betrachtet werden (vgl. LENSKI, 1966: 45, und vorher WEBER, 1921, 1972). Die­

se Beispiele weisen darauf hin, daß die Unter­

scheidung zwischen Investition und Belohnung im sozialen Sinne nicht auf einer universellen und einseitig funktionalen Beziehung zwischen Werten gründet. Ferner sind nicht alle Status­

hierarchien durch ein Verhältnis zwischen In­

vestition und Belohnung miteinander verknüpft.

Statushierarchien können sehr wohl — wie wir früher gesagt haben — stark isoliert sein. Wenn das der Fall ist, dann ist ihre soziale Bedeutung verschieden: Sie repräsentieren Schichtungen von unabhängigen Werten. Wenn z.B. die Bil­

dung isoliert ist, leitet sich ihre Bedeutung nicht von ihrem Investitionscharakter ab; sie ist dann ein Ziel an sich. Die Bedeutung der Bildung kann sich aber auch mit der Höhe des Bildungs­

status ändern, etwa von einer stark instrumen- tellen Bedeutung bis zum Verständnis der Bil­

dung als Selbstzweck (vgl. HEINTZ, 1969: 50).

III

Ausgangspunkt der hier vertretenen Theorie ist die Differenzierung von sozioökonomischen Statuslinien. Es wird postuliert, daß die interne Legitimität der Statushierarchien unterschiedlich ist und daß diese so miteinander verknüpft sind, daß ein gewisses Maß an Legitimität von einer intern legitimeren auf eine intern weniger legi­

time Hierarchie übertragen wird. Mit anderen Worten, die Differenzierung schafft Unterschie­

de in der internen Legitimität, und die Ver­

knüpfung baut diese Unterschiede durch Über­

tragung innerhalb der einzelnen Statuskonfigu­

rationen z.T. wieder ab. Das Verhältnis zwischen Differenzierung und Verknüpfung ist folglich so, daß sowohl Unterschiede als auch Übertragung von Legitimität auftreten.

Es stellen sich zwei Fragen:

1. Welches sind die Determinanten von Unter­

schieden der internen Legitimität von Status­

hierarchien?

2. Welches sind die Determinanten der Übertra­

gung von Legitimität?

Zur ersten Frage wird postuliert:

a) Je größer die Ungleichheit der Verteilung, desto geringer ist die Legitimität. Auf den einfachen Fall der pyramidenförmigen Ver­

teilung angewandt heißt dies: Je flacher die Pyramide, desto größer die interne Legitimi­

tät.

b) Je mehr die Ungleichheit der Verteilung zu­

nimmt, desto geringer ist die Legitimität.

Auf den Fall der pyramidenförmigen Vertei­

lung angewandt: Je flacher die Pyramide wird, desto größer ist die Legitimität.

c) Je größer die Zunahme der Teilnahme aller Status an dem institutionalisierten Wert einer Statushierarchie, ohne daß sich die Ungleich­

heit der Verteilung ändert, desto größer ist die Legitimität.

Wir beschränken uns im folgenden auf a), und unter diesem Punkt auf den einfachen Fall der pyramidenförmigen Verteüung.

Zur zweiten Frage wird postuliert:

a) Je höher die positive ordinale Korrelation zwischen den Status der Mitglieder von mit­

einander verknüpften Statushierarchien, desto mehr Legitimität wird übertragen.

b) Je größer die Variation des Verhältnisses zwischen den Graden der Partizipation an mehreren Statushierarchien, desto weniger Legitimität wird übertragen.

Das bedeutet, daß die Übertragung bei perfek­

ter Korrelation und einem konstanten Verhält­

nis maximal ist.

Diesen zwei Postulaten liegt die Überlegung zu­

grunde, daß die Akteure, die hohe Positionen in jenen Statushierarchien einnehmen, deren institu­

tionalisierte Werte machtgeladen sind, ein dop­

peltes Interesse haben und es auch durchzusetzen vermögen, nämlich 1) die bestehende Machtver­

teilung zu erhalten oder zu ihren Gunsten zu ver­

bessern und 2) die bestehende Machtverteilung zu legitimieren.

Es wird postuliert:

1. Je ungleicher die Verteilung, desto höher die Machtgeladenheit. Dazu kommt, daß Macht-

(9)

V. Bornschier, P. Heintz: Statusinkonsistenz und Schichtung 37

gefalle akkumulative Prozesse im Sinne einer positiven Assoziation zwischen Status und Aufstiegsmobilität möglich machen.

2. Die Mächtigen haben ein Interesse an der Op­

timierung der ordinalen Korrelation zwischen den Partizipationen an verschiedenen Status­

hierarchien. Die intergenerationelle Stabilität von Verknüpfungen ist. u.a. von BLAU/DUN- CAN (1967) untersucht worden; neuere Stu­

dien sind z.B. die von ALEXANDER et al.

(1975) und WILSON/PORTES (1975).

3. Es besteht bei den Mächtigen ein Zielkonflikt zwischen Erhaltung der weniger legitimen Statushierarchie und ihrer Legitimation durch Übertragung.

Im folgenden soll dieser Zielkonflikt näher er­

läutert werden. Er impliziert, daß weder das eine noch das andere Ziel völlig erreicht werden können. Das heißt, daß es nicht gelingen kann, die bestehende Machtverteilung zu erhalten und gleichzeitig voll zu legitimieren. Es wird also ein Kompromiß zwischen diesen verschiedenen Kräf­

ten postuliert.

Der legitimere Status wird im folgenden als Inve­

stitionsstatus, der weniger legitime als Belohnungs­

status bezeichnet. Die Analyse geht von zwei stu­

fenförmig geschichteten Pyramiden, die sich hin­

sichtlich ihrer Steilheit, nicht aber hinsichtlich ihres Volumens (d.h. gleiche Zahl von Positionen) unterscheiden, aus. Bei optimaler Korrelation zwischen den Status ergibt sich, 1. daß die Nor­

men (siehe S. 33) des Austausches zwischen In- DARSTELLUNG 1

vestition und Belohnung von den tiefen zu den hohen Schichten sich zugunsten der Belohnun­

gen und zu Lasten der Investitionen ändern, und 2. daß Statusinkonsistenzen hinsichtlich der Nor­

men in systematischer Weise auftreten, nämlich Statusinkonsistenzen zu Gunsten der Belohnung im Bereich der tieferen Schicht und zu Gunsten der Investition im Bereich der höheren Schicht.

Darstellung 1 veranschaulicht diesen Sachverhalt auf einfache Weise.

Der systematische Wechsel der Schichtnormen (I und II), deren Institutionalisierung — wie wir annehmen — auf der relativ häufigen Besetzung gründet, ist in Darstellung 2 wiedergegeben. Die­

ses Schema erlaubt uns auch, eine sozietale Norm der Verteilungsgerechtigkeit (III) zu be­

stimmen, die zwischen den extremen Schicht­

normen liegt. Diese Norm entspricht der Aus­

tauschrate, die unter Annahme perfekter Kor­

relation zwischen den Status bestehen würde, wenn die beiden Pyramiden gleich wären.

Der Ort der sozietalen Norm der Verteilungsge­

rechtigkeit in Darstellung 2 besagt, daß die bei­

den Statuspyramiden in zwei Bereiche, die privi­

legierten und unterprivüegierten Statuskonfigu­

rationen entsprechen, unterteüt sind. Wir defi­

nieren die sozietale Norm der Verteüungsge- rechtigkeit als eine ideale Norm (weil sie nicht auf der Grundlage von häufigen Besetzungen entsteht) in dem Sinne, als sie eine Austausch­

rate zwischen Investition und Belohnung reprä­

sentiert, die existieren würde, wenn Investitio­

nen und Belohnungen proportional über alle Mitglieder der Struktur verteilt wären, Status-

Investitions- Belohnungs-

Status-Pyramide Status-Pyramide

Legende zu Darstellung 1: Schichtnormen:

D : S tatusinkonsistenzen

Dj: Statusinkonsistenzen in Bezug auf Schichtnorm I Dn : Statusinkonsistenzen in Bezug auf Schichtnorm II

(10)

38 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 6, Heft 1, Januar 1977, S. 2 9 - 4 8

DARSTELLUNG 2

Investitions- Belohnungs­

dimension dimension

konfigurationen, die dem entsprächen, wären Parallelverschiebungen zu III in Darstellung 2 (operational: wenn eine standardisierte Einheit

„Investition“ genau von einer standardisierten Einheit „Belohnung“ kompensiert würde).

Falls beide Statushierarchien eine identische Form (Volumen und Ausdehnung) hätten und wenn die Korrelation zwischen den Status per­

fekt wäre, so gäbe es keine Abweichung von der sozietalen Norm der Verteilungsgerechtig­

keit. Jeder Rang würde dann diese Norm reprä­

sentieren.

Die Darstellungen 1 und 2 zeigen das doppelte Problem, das sich bei der Verknüpfung von zwei Statushierarchien mit unterschiedlicher interner Legitimität ergibt. Auch wenn die Verknüpfung unter Beachtung einer optimalen ordinalen Kor­

relation zwischen Status in verschiedenen Hier­

archien geschieht, wodurch Statusinkonsisten­

zen als Abweichungen von Schichtnormen mini- misiert werden, so weichen die Schichtnormen (I, II) doch notwendigerweise von der sozieta­

len Norm der Verteilungsgerechtigkeit (III) ab, und es entstehen bei stufenförmiger Schichtung auch Statusinkonsistenzen bezüglich der Schich­

ten (siehe Darstellung 1: Dj, Dtj). Weiter wird aus den Annahmen deduziert, daß die Abwei­

chungen von der sozietalen Norm und die Sta­

tu sinkonsistenzen ein systematisches Muster bil­

den.

Das Modell beinhaltet demnach zwei verschiede­

ne Begriffe von „Statuskonsistenz“ , nämlich 1.

Statuskonfigurationen, die Schichtnormen ent­

sprechen, und 2. Statuskonfigurationen, die mit der sozietalen Norm der Verteilungsgerechtig­

keit übereinstimmen4 . Statuskonsistenz oder -inkonsistenz kann damit auf beide Aspekte be­

zogen werden.

Auf tiefen Rängen sind die Statusinkonsisten­

zen bezüglich Schichtnormen durch ein Nach­

hinken des legitimierenden Status und bezüg­

lich der sozietalen Norm durch einen voraus­

laufenden legitimierenden Status gekennzeich­

net. Auf hohen Rängen ist die Sitation umge­

kehrt: bezüglich der Schichtnormen vorauslau­

fender und bezüglich der sozietalen Norm nach­

hinkender legitimierender Status. Dies wird durch Darstellung 3 illustriert, die auch die Statusinkonsistenzen (Dj, Djj) aus Darstellung

1 schematisch aufnimmt. Darstellung 3 zeigt ferner, daß die Inkonsistenz bezüglich der Schichtnormen im Modell umso größer ist, je geringer die Inkonsistenz bezüglich der sozieta­

len Norm.

Bei den Konfigurationen a’, b \ c’ und d’ ist der Grad der Isolierung größer als bei den Konfigu­

rationen a, b, c und d, ferner sind die Winkel kleiner, die Statushöhen aber gleich.

Die Winkel zwischen den Schichtnormen (oder den Statusinkonsistenzen) und der sozietalen Norm drücken den Grad der Abweichung von dieser Norm aus. Der Grad der Abweichung hängt aber auch von der Distanz zwischen den Statusdimensionen ab. Im Anschluß an die Dis­

kussion in Abschnitt II interpretieren wir die horizontale Distanz im Modell als Grad der Iso­

lierung zwischen den Statushierarchien. Bei voll­

ständiger Isolierung von zwei Statusdimensionen, d.h., wenn jede Statusdimension eine Schichtung unabhängiger, sozial nicht als komplementär defi­

nierter Werte darstellt, wird die horizontale Di­

stanz im Modell unendlich, und die Winkel von a, b, c und d mit der sozietalen Norm streben gegen Null. Dies bedeutet: Welche Austauschrate die Statuskombination irgendeiner Einheit auch ha­

ben mag, sie weicht nicht von der sozietalen Norm ab. Je geringer der Grad der Isolierung,

4 Im Zusammenhang mit Familienstrukturen (tradi­

tionelle Familie) wird die Existenz solcher sozie­

talen Normen von HELD/LEVY (1974, Tabelle 89, S. 344) nachgewiesen.

(11)

V. Bornschier, P. Heintz: Statusinkonsistenz und Schichtung 39

DARSTELLUNG 3

Investitions- Investitions- Belohnungs-

desto kürzer ist die horizontale Distanz und desto größer sind die Winkel von a, b, c und d, die die Abweichung von der sozietalen Norm repräsentieren. Das Verhältnis zwischen den Positionen der Schichten (a, d) und der inkon­

sistenten Konfigurationen (b, c) auf den Status­

dimensionen hängt demgegenüber nicht von der horizontalen Distanz ab. Je geringer die Isolie­

rung, desto größer ist demnach das Problem der Abweichung von der sozietalen Norm.

Akteure, die an der Erhaltung einer sehr unglei­

chen Verteilung von Belohnungen interessiert sind, mögen deshalb Politiken und Entwicklun­

gen unterstützen, die die Isolierung der Status­

hierarchien vergrößern, wodurch die Ungleich­

heit zwischen den Austauschraten der Schichten reduziert wird. Je höher jedoch der Grad der Isolierung, desto weniger kann Legitimität auf die Verteilung der Belohnungen übertragen wer­

den, obwohl gleichzeitig die durch die Ungleich­

heit der Relationen zwischen Investition und Belohnung erzeugte Illegitimität der Struktur abnimmt.

Nimmt man ein bestimmtes Maß an Isolierung und ein bestimmtes Maß an Legitimität an, das aufgrund der Differenz in der vertikalen Aus­

dehnung von der intern legitimeren auf die intern weniger legitime Statushierarchie über­

tragen wird, so hängt die Legitimität der Struk­

tur von der Steüheit der Pyramiden ab. Dieser Zusammenhang wird in Darstellung 4 veran­

schaulicht.

Die durch den Grad an Ungleichheit zwischen den Austauschrelationen bedingte Illegitimität der Struktur kann zur Aufsplitterung der legi­

timierenden Dimension in zwei oder mehr Be­

reiche führen. Eine solche Aufsplitterung zei­

gen z.B. die Ergebnisse von MACHONIN (1970), der die soziale Schichtung in der

(12)

40 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 6, Heft 1, Januar 1977, S. 2 9 - 4 8

DARSTELLUNG 4

Investitions- Belohnungs­

dimension dimension

Q] 2: steilere Pyramiden

gleicher Höhe aus der intern legitimeren Sta­

tuspyramide können auf demselben Niveau der Belohnungspyramide realisiert werden (vgl. Dj, Djj, in Darstellung 1).

2. Das Problem der Abweichung der Statuskon­

figurationen von der sozietalen Norm der Verteilungsgerechtigkeit zwischen Investition und Belohnung (vgl. Schicht I und II in Dar­

stellung 1). Die legitimen Ansprüche können nicht durch eine über die Ränge hinweg kon­

stante Austauschrate in der Belohnungspyra­

mide erfüllt werden.

Ein Kompromiß, der sich im Verlauf der Insti­

tutionalisierung von zwei oder mehr Statushier­

archien mit unterschiedlicher interner Legitimi­

tät herausbildet, besteht darin, daß Statuskonsi­

stenzen definiert werden, die zwar im Rahmen der Struktur normalerweise möglich sind, jedoch gleichzeitig von der sozietalen Norm abweichen.

Statuskonsistenz kann demnach in zwei Hin­

sichten definiert werden:

DARSTELLUNG 5

Tschechoslowakei untersucht hat. In diesem em­

pirischen Beispiel ist das Schichtungssystem in manuelle und nichtmanuelle Beschäftigungen segregiert. Darstellung 5 zeigt die Ausplitterung der Schichtung in zwei Bereiche (Überschichten).

Infolge der Aufsplitterung des Schichtungssy­

stems sind die beiden Überschichten intern legi­

timer als das Schichtungssystem als ganzes.

Gleichzeitig aber sind sie voneinander segre­

giert und nehmen kastenähnliche Züge an.

Fassen wir zusammen: Wenn bei konstantem Grad der Isolierung und der Steilheit der Be­

lohnungspyramide deren Legitimität durch Über­

tragung aus einer intern legitimeren Statushier­

archie erhöht werden soll, treten zwei Proble­

me auf, die im Verlauf der Institutionalisierung der Verknüpfung von Statushierarchien nur Teülösungen zulassen:

1. das Problem der Statusinkonsistenz bezüglich der Schichten: Nicht alle legitimen Ansprüche

Investitions­

dimension

Belohnungs­

dimension

o</5

<D o

oC/3 t-H<L>

o<u 3G

(13)

V. Bornschier, P. Heintz: Statusinkonsistenz und Schichtung 41

1. Statuskonsistenz als Konfiguration, die nicht von vorhandenen Schichtnormen ab weicht.

Statusinkonsistenz soll in diesem Fall als

„Schichtstatusinkonsistenz“ bezeichnet werden.

2. Statuskonsistenz als Konfiguration, deren Austauschrate mit der sozietalen Norm der Verteilungsgerechtigkeit übereinstimmt.

Statusinkonsistenz soll in diesem Fall „sozie- tale Statusinkonsistenz“ genannt werden.

Normalerweise gibt es keine Statuskonfiguration, die hinsichtlich beider Definitionen konsistent ist (vgl. Tabelle l ) 5.

Die bisherige Diskussion gründet auf der Annah­

me von Statuspyramiden gleichen Volumens.

Marginalität im Sinne des Ausschlusses vom Be­

lohnungsstatus oder vom Investitionsstatus kann ebenfalls in den theoretischen Ansatz integriert werden. Im Falle ungleichen Volumens sind ent­

weder nicht alle Investitionsstatus oder nicht alle Belohnungsstatus besetzt. Es ist zu vermuten, daß solche Leerstellen Schichtinkonsistenzen und hohe sozietale Inkonsistenzen vermindern und da­

mit die Legitimität der Struktur erhöhen, wobei

— wie angenommen — gleichzeitig unvollständige Statüskonfigurationen auftreten.

IV

Im folgenden werden die theoretisch entwickel­

ten Grundtypen der Statusinkonsistenz hypo­

thetisch mit einigen Verhaltensdimensionen von Akteuren in Zusammenhang gebracht. Die vier Typen, die in Darstellung 3 wiedergegeben wor­

den sind, sind die folgenden:

Die Konfiguration (a) stellt eine sozietal unter- privüegierte Konfiguration dar, die durch eine Schichtnorm institutionalisiert ist. Daraus lei­

ten wir die Hypothese ab, daß linksorientierte Strukturkritik die Folge sein wird.

5 Eine Operationalisierung der Theorie wird die Sta­

tus in verschiedenen Statushierarchien zum Zwecke des Vergleichs standardisieren müssen. Es wird sich wahrscheinlich die „z“ - Transformation anbieten, die die natürliche Statusdifferenzierung und die un­

terschiedliche vertikale Ausdehnung von Statushier­

archien nicht verfälscht. Eine solche Standardisie­

rung impliziert auch keine willkürlichen Gleichge­

wichtsdefinitionen, sofern man für die Bestimmung von verschiedenen Schichtnormen ähnliche Verfah­

ren verwendet, wie sie z.B. bei MACHONIN (1970) und bei ALSCHULER (1973) diskutiert werden.

TABELLE 1

Inkonsistenz hinsichtlich:

Schicht- sozietaler normen Norm

Legitimieren­ tief hoch (a)

der Status > Belohnungs­

(Investition) status hoch tief (b)

Legitimieren­ hoch tief (c)

der Status < Belohnungs­

(Investition) status tief hoch (d) (a), (b), (c), (d): siehe Darstellung 3

Die Konfiguration (d) repräsentiert eine sozie­

tal privilegierte Konfiguration, die durch eine Schichtnorm institutionalisiert ist. Die Hypo­

these, die wir daraus ableiten, besagt, daß kon­

servatives Strukturlob die Folge sein wird.

Die Konfigurationen (b, c) sind relativ legitim bezüglich der sozietalen Norm, (b) hat aller­

dings ein Legitimitätsdefizit im Vergleich zu Akteuren, die bei gleicher Investition eine ge­

ringere Belohnung erhalten (a), und (c) hat einen Legitimitätsüberschuß im Vergleich zu den Akteuren, die bei gleicher Investition eine höhere Belohnung erhalten (d). Ohne weitere Spezifikation der strukturellen Lage der Konfi­

gurationen (b) und (c) sind die vorhersagbaren Verhaltenskonsequenzen ambivalent.

In unserem einfachen Modell stellt die Konfigu­

ration (c) im Vergleich zur (relativen) Majorität (d) eine Minorität dar. Wenn die Mitglieder der Majorität regelmäßig ausgewechselt werden, be­

steht für die Mitglieder der Minorität eine rela­

tiv große Chance, in die Majorität überzugehen (vgl. z.B. HELD/BAUTZ, 1972). Im Falle von interindividuellen Schichtungssystemen scheidet aus der Majorität der Schicht (d) durch Tod oder aus Altersgründen laufend eine Reihe von Positionsinhabern aus, die durch Mitglieder der Gruppe (c) ersetzt werden können, die einen ebenso legitimen Anspruch (Investition) auf solche Positionen haben wie die Mitglieder der Gruppe (d). Die hypothetische Verhaltens­

konsequenz der Konfiguration (c) besteht des­

halb in einem relativ hohen individuellen Auf­

stiegsstreben. Ein Mißerfolg wird ebenfalls in­

dividuell als eigenes Versagen interpretiert,

(14)

42 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 6, Heft 1, Januar 1977, S. 2 9 - 4 8

weil die Aufstiegschancen relativ hoch sind. Da die Konfiguration von der sozietalen Norm in derselben Richtung abweicht wie (d) kann auch mit einem gewissen Maß an Strukturlob gerech­

net werden.

Wenn wir aber von einer Situation ausgehen, in der die Konfiguration (c) gleich stark besetzt ist wie die Konfiguration (d), wenn also ihr Ver­

hältnis nicht ein solches zwischen Majorität und Minorität ist, dann nimmt die Wahrscheinlich­

keit ab, daß die durch Investitionen begründe­

ten Ansprüche der Mitglieder der Konfiguration (c) durch individuellen Aufstieg auf der Beloh­

nungsdimension und Übergang in die Konfigu­

ration (d) eingelöst werden können. Eine solche Situation kann sich z.B. durch eine von einer zur nächsten Generation erfolgende massive Er­

höhung der Zugänglichkeit der Investitionshier­

archie (etwa durch starke Zunahme der höheren Bildung) ergeben. Wenn eine solche Statusinkon­

sistenz von den Betroffenen als strukturell be­

dingt wahrgenommen wird (was durch räumliche Konzentration und homogenen Lebensstü sowie durch das Vorhandensein einer historisch beding­

ten Antikultur erleichtert wird), kann sich aus den Mitgliedern der Konfiguration (c) eine revo­

lutionäre Gegenelite zu (d) büden, die das Sy­

stem der Belohnungsverteüung, einschließlich der dabei zur Anwendung gelangenden Mecha­

nismen ablehnt, und dies wird umso eher gesche­

hen, je weniger die Konfiguration von der sozie­

talen Norm abweicht. Eine international verglei­

chende Analyse von Studentenprotesten, die die­

sen Erklärungsansatz verwendet, findet sich bei BORNSCHIER (1970).

Die relative Privüegierung der minoritären Kon­

figuration (b) im Vergleich zur unterprivüegier- ten Majorität, die durch die Schichtnorm (a) re­

präsentiert wird, läßt vermuten, daß die Mitglie­

der der Konfiguration (b) ihren Belohnungssta­

tus als bedroht empfinden und daher zu reaktio­

nären soziopolitischen Artikulationen neigen.

Allerdings ergibt sich eine gewisse Ambivalenz aus der Tatsache, daß die gleiche Konfiguration in derselben Richtung von der sozietalen Norm ab weicht wie (a).

Gute Beispiele hierfür finden sich im traditionel­

len selbständigen Kleinbürgertum. Anders zu be- urteüen sind die relativ gut verdienenden Arbeiter, die einer Beschäftigung mit verhältnismäßig tie­

fem Prestige nachgehen. Diese Konfiguration er­

klärt sich aus dem kompensatorischen Verhält­

nis zwischen Beschäftigung und Einkommen (vgl.

INGHAM, 1970, und GOLDTHORPE et al., 1968). Graphisch kann diese Konfiguration (b*) folgendermaßen dargestellt werden.

DARSTELLUNG 6

Investitions- Belohnungs­

dimension dimension

Aus dieser Konfiguration läßt sich keine Bedro­

hung des Belohnungsstatus ableiten und damit auch keine reaktionäre Strukturkritik. Da die Chance des Aufstiegs in eine höhere Schicht bei (b*) noch geringer ist als bei (a), ist auch bei (b*) mit linksorientierter Strukturkritik zu rech­

nen, die allerdings durch den relativ hohen Be­

lohnungsstatus gemüdert werden dürfte.

Tabelle 2 ordnet die aus den Konfigurationen (a) - (d) abgeleiteten Hypothesen gemäß der struk­

turellen Lage im Grundmodell.

Wie wir dargelegt haben, sind die Konfigurati­

onen (b) und (c) ambivalent. Akteure mit die­

sen Konfigurationen werden Inkonsistenzen in Bezug auf die sozietale Norm umso eher em­

pfinden, je mehr sie von der sozietalen Norm abweichen. Je stärker also die sozietale Status­

inkonsistenz dieser Konfigurationen, desto mehr werden sie zu linker Strukturkritik (b) oder zu konservativem Strukturlob (c) neigen.

Die abgeleiteten Hypothesen gelten nur unter bestimmten Randbedingungen. Die aus der Struktur abgeleiteten Verhaltenskonsequenzen

(15)

V. Bornschier, P. Heintz: Statusinkonsistenz und Schichtung 43

TABELLE 2

Investitions- Belohnungsstatus Verhaltenskonsequenzen

h hh (d) Konservatives Strukturlob

h h (c) Individuelles Aufstiegsstreben (und geringes Maß

an Strukturlob)

t t (b) Reaktionäre oder ambivalente Strukturkritik

t tt (a) Linksorientierte Strukturkritik

Strukturkritik und Strukturlob setzen voraus, daß die Akteure an die Struktur gebunden sind oder daß die Struktur für sie relevant ist. Je größer die Relevanz der Struktur, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, daß die strukturellen Bedingungen sich in diesen Verhaltenskonsequen­

zen ausdrücken. Wir postulieren, 1. je höher der Rang, desto stärker ist die Bindung an die Struk­

tur. 2. Je mehr die Bedürfnisse, die durch die Belohnung befriedigt werden, primären Charak­

ter haben, und je geringer der Grad der Befrie­

digung ist, d.h. je geringer der absolute Grad der Teilnahme an den ökonomischen Belohnun­

gen ist, desto größer ist die Bindung. 3. Je tie­

fer der Rang und je höher der Grad an Befriedi­

gung hinsichtlich der Primärbedürfnisse, desto geringer ist bei gleicher struktureller Lage die Strukturkritik (a, b), und desto mehr betonen die Akteure andere, leichter zugängliche Werte im Sinne der subkulturellen Differenzierung.

Für eine gute Illustration der subkulturellen Differenzierung vgl. MAYER (1972).

Das stufenartig geschichtete Grundmodell schließt zwei andere mögliche Arten von inkonsistenten Statuskonfigurationen (s. Tabelle 3) nicht ein.

Für jede der beiden Konfigurationen in Tabelle 3 können zwei Unterfälle unterschieden werden, die in Darstellung 7 veranschaulicht werden.

TABELLE 3

Hinsichtlich des Verhaltens von Akteuren mit den in Darstellung 7 eingezeichneten Konfigura­

tionen lassen sich folgende Hypothesen formu­

lieren:

(ej) ist durch individuelles Mobüitätsstreben ähnlich wie Konfiguration (c) und durch relativ geringe Strukturkritik gekennzeich­

net.

ist umgekehrt durch besonders ausgepräg­

te linke Strukturkritik gekennzeichnet, wenn man annimmt, daß es auf der Inve­

stitionsdimension zu keiner Statusbedro­

hung kommt.

(fj) ist durch ein gewisses Maß an individuel­

lem Mobilitätsstreben und durch ein ver­

gleichsweise geringes Maß an Strukturlob gekennzeichnet.

(f2) verbindet reaktionäre Strukturkritik ähn­

lich wie Konfiguration (b) mit einem ge­

wissen Maß an konservativem Strukturlob.

Die Statusinkonsistenzen (e, f) können als Kon­

sequenzen von Wachstumsprozessen in einer der beiden stufenförmig geschichteten Statushierar­

chien angesehen werden. Im Verlaufe von solchen Prozessen, die langfristig zur Reproduktion der gleichen Statuspyramide auf höheren Statusni­

veau führen, tauchen auf der untersten Stufe der Pyramide eine unterprivilegierte Minorität als

Inkonsistenz hinsichtlich:

tnormen sozietaler Norm Legitimierender

(Investitions-) Status

Legitimierender (Investitions-) Status

> Belohnungs­

status

< Belohnungs­

status

hoch hoch (e)

hoch hoch (f)

(16)

44 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 6, Heft 1, Januar 1977, S. 2 9 - 4 8

DARSTELLUNG 7

Investitions- Belohnungs­

dimension dimension

Investitions- Belohnungs­

dimension dimension

Folge des Schrumpfens der untersten Schicht und an der Spitze der Pyramide eine privilegier­

te Minorität auf, die so lange zunimmt, bis sie die Größe der alten obersten Statusschicht er­

reicht hat. Ein solcher Wachstumsprozeß wird für die Bildung auf dem Niveau nationaler Ge­

sellschaften bei HEINTZ (1975b) behandelt.

(Für die Beziehung zwischen MobÜität und strukturellem Wandel siehe auch HAUSER et al., 1975.)

Wie die Darstellungen 8 und 9 zeigen, können

(e2) und (fj) bzw. (ej) und (f^ als Ergebnis von bestimmten Phasen des Wachstums stufen­

förmig geschichteter Pyramiden gedeutet wer­

den.

A stellt eine Phase des Wachstums der Investi­

tionspyramide dar.

B stellt eine Phase des Wachstums der Beloh­

nungspyramide dar.

Mit anderen Worten können die Konfigurati- DARSTELLUNG 8

Investitions- Belohnungs­

dimension dimension

A B

III

II II II DI DII

I I I

III DII

II II II

I I I DI

Abbildung

Tabelle  2  ordnet  die  aus  den  Konfigurationen  (a)  -  (d)  abgeleiteten  Hypothesen  gemäß  der  struk­

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