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Alte Traditionen in einer neuen Welt

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Academic year: 2021

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Post aus Riad, Saudi-Arabien

Normalerweise hätte ich nie im Leben daran gedacht, für meine Forschung nach Saudi- Arabien zu gehen. Fast alles, was ich über das Land wusste, stammte aus Medienberichten.

Daher war ich zunächst eher ängstlich: Das Leben dort schien so anders zu sein. Aber gleich in meiner ersten Woche am neu gegründeten Laserlabor an der König-Saud-Universität, die mit dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik und der Ludwig-Maximilians-Universität zu- sammenarbeitet, fiel mir auf, wie respektvoll und höflich die Menschen sind. Sogar so höf- lich, dass ich während meines Aufenthalts kaum mit anderen Studierenden auf dem Campus gesprochen habe: Denn während es für uns aus westlichen Ländern selbstverständlich ist, auf Fremde zuzugehen und ihnen Fragen zu stellen, gilt das in Saudi-Arabien als aufdringlich.

Durch meine Kindheit auf einem Bauernhof in South Dakota bin ich sehr bodenständig und unabhängig aufgewachsen. Während meines Studiums der Naturwissenschaften an der Uni- versität und auch später an den Max-Planck-Instituten habe ich stets eine offene Atmosphäre erlebt. Ich konnte meine wissenschaftlichen Fähigkeiten völlig unabhängig von Geschlech- terrollen entwickeln. Vor diesem Hintergrund ist für mich die Trennung von Mann und Frau in der arabischen Öffentlichkeit eher befremdlich. Besonders merkwürdig finde ich das Auto- fahrverbot für Frauen.

Die Trennung der Geschlechter zieht sich auch durch das Alltagsleben. In einigen Restaurants gibt es eigene „Familienbereiche“ mit durch Samtvorhänge abgeteilten Séparées. Dort kön- nen Frauen ungestört ihren Gesichtsschleier abnehmen und zusammen mit Familie und Freunden das Essen genießen – das übrigens wirklich fantastisch ist. Gastfreundschaft hat eine lange Tradition in Saudi-Arabien und spielt eine sehr große Rolle in der Kultur. Für uns Kooperationspartner aus Deutschland haben aufmerksame Universitätsmitarbeiter extra eine neue Toilette gebaut, die westlichen Standards entspricht.

Max-Planck-Wissenschaftler kooperieren mit Partnern in rund

120

Ländern dieser Erde. Hier schreiben sie über persönliche Erlebnisse und

Eindrücke. Die Quantenphysikerin Nora Kling hat während eines Besuchs im Laserlabor in Riad eine neue, faszinierende Welt kennengelernt.

Grafik: iStockphoto

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Alte Traditionen in einer

neuen Welt

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Nora Kling, 32, untersucht ultraschnelle, lichtinduzierte Bewegungen von Elektronen und Atomkernen innerhalb von Molekülen. Die Amerikane- rin studierte Chemie und Mathematik, belegte aber darüber hinaus Physikvorlesungen, die es ihr ermöglichten, an der Kansas State University in Physik zu promovieren: über die Entwicklung eines bildgebenden Verfahrens, welches die ultraschnellen Wechselwirkungen zwischen Laserlicht und Ionen in Molekülen analysiert. Als externe Fulbright-Stipen- diatin und Gast der Max-Planck-Gesellschaft konnte sie ihr Promotions- projekt bereits zwei Jahre lang am Max-Planck-Institut für Quantenoptik bearbeiten, bevor sie 2014 als Postdoktorandin zu Ferenc Krausz ans MPI und an das Labor für Attosekundenphysik der LMU in Garching zurückkam.

Da das Labor auf dem männlichen Teil des Campus liegt, habe ich während meines Besuchs im Laserlabor in Riad keine einzige Studentin gesehen. Allerdings hatte ich auch wenig Zeit, da ich mich völlig auf meine Arbeit konzentriert habe.

Wissenschaft ist meine Stärke – das, was ich am besten kann. Und ich würde mir wünschen, dass meine Arbeit dazu beiträgt, kulturelle Barrieren zu überwinden und zu zeigen, dass auch Frauen wissenschaftlich arbeiten können. Der weibliche Teil des Campus ist zwar völlig ge- trennt von unserem, aber eigentlich ist es ja genau die Grundlagenforschung in Physik und im Ingenieurswesen, die für die jungen, hochgebildeten Frauen aus Saudi-Arabien so interes- sant ist. Ihre männlichen Kollegen bevorzugen ohnehin die besser bezahlten Jobs im Finanz- sektor oder in der Ölindustrie.

Unser Labor ist einzigartig: Es liegt mitten in der Wüste und ist erbarmungsloser Hitze und Sonne ausgesetzt. Der Standort in Saudi-Arabien bietet uns die Möglichkeit, Spitzentechno- logie in diesen Teil der Welt zu bringen und neue Synergien mit bereits bestehenden For- schungsprojekten zu schaffen. Einer unser ersten Kooperationspartner etwa ist ein Biophysi- ker, der unsere Geräte nutzen kann, um die ultraschnelle Umwandlung von Melanin zu untersuchen – jenes Pigments, das uns vor der Sonne schützt.

Ich finde es unglaublich spannend, so interessante und fächerübergreifende Projekte mitanzu- stoßen, die es sonst vielleicht gar nicht gäbe. Und ich hoffe, dass wir mit unserem Labor nicht nur eine gemeinsame Forschungsplattform anbieten, sondern auch ein tieferes Verständnis für kulturelle Vielfalt bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aufbauen können.

Fotos: Privat

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