SINUS Transfer Grundschule und Bildungsstandards
Prof. Dr. Gerd Walther Mathematisches Seminar
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Erinnerung: Das Grundkonzept von SINUS Transfer Grundschule
• Unterrichtsentwicklung. Weiterentwicklung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts
• Entwicklung der fachbezogenen Kommunikation und Kooperation auf
– lokaler Ebene (SINUS Schule) durch Verständigung über fachdidaktische und methodische Defizite, Ziele, Konzepte, Verfahren der Qualitätssicherung, gemeinsame
Unterrichtsplanung, gegenseitige Unterrichtsbesuche, gemeinsame Auswertung, schulinterne Curricula etc.
– globaler Ebene (im Schulset etc.) Schulentwicklung
• Persönliche Entwicklung, Veränderung der Lehrerrolle, weitere Professionalisierung (vgl. Logbücher, C. Fischer et al.)
• Dabei externe Unterstützung durch die 10 Module,
STG – die zehn Module
Blick zurück: Impulsreferate
2004, Erich Ch. Wittmann: Mathematik als Wissenschaft von den Mustern – von Anfang an
Bild von Mathematik. Die Schul- und Vorschulmathematik muss als Einheit gesehen und entwickelt werden: Mathematik als Wissenschaft von den Mustern (und Strukturen), die im Prozess entwickelt, erforscht, fortgesetzt und verändert werden können.
2005, Hartmut Spiegel: Kinder und Mathematik
Worauf es ankommt bei den Lehrkräften: Bild von Mathematik und das Bild von Kindern in Bezug auf Mathematik.
2006, Hans Werner Heymann: Mehr als nur rechnen … - Unterrichtskultur im Grundschul-Mathematikunterricht
Der Blick auf den Unterricht. Allgemeinbildungskonzept und Vorschläge
Die Themen dieser Vorträge im Didaktischen Dreieck
Mathematik
Kind(er) Lehrkraft
STG
A propos: Zum Bild von Mathematik bei Grundschullehrkräften:
Die allerdings nicht repräsentativen IGLU Ergebnisse (ca. 5 Jahre alt!) deuten darauf hin, dass Lehrkräfte eher zu einer inhaltsbezogenen, statischen Auffassung von Mathematik neigen, bei der die Entwicklung inhaltlicher Kompetenzen (Kenntnisse, Verfahren) im Vordergrund steht.
Die Genese von Mathematik, Mathematisieren,
Entdeckende Aktivitäten, Problemlösen, Argumentieren, also prozessbezogene Kompetenzen spielen nach
Auffassung vieler Lehrkräfte eher eine untergeordnete Rolle.
Neue Herausforderung von außen an Schule Bildungsmonitoring, Unterrichtsentwicklung
IGLU-E 2001 Publ. 2003
IGLU 2006
TIMSS 2007 VERA
seit 2004/05
SINUS STG
seit Herbst 2004 Bildungsstandards GS
seit Herbst 2004
TIMSS 1995 PISA 2000
2003/06/09
Bildungsstandards MS seit Herbst 2003 SINUS 1998
…
Etwas geordneter:
Ursachen, Wirkungen
Int. Vergleichs- untersuchungen
SINUS Bildungs-
standards TIMSS 1995 (1996/97)
SINUS SEK I 1998-2003 PISA 2000
IGLU-E 2001 (2003)
PISA 2006
PISA 2003 SINUS Transfer(1) 2003-2005 Mittlerer
Schulabschluss
2004 SINUS Transfer Grundschule
STG 2004-2009
Primarbereich Hauptschule
2005 SINUS Transfer(2) 2005-2007
2007 STG (2)
Was haben die Bildungsstandards mit STG zu tun?
Mathematik
Kind(er) Lehrkraft
STG
Bildungsstandards Mathematik Primarbereich
Gemeinsamer Kern
Bildungsstandards Mathematik und STG
• Gemeinsame Intention: Weitere Entwicklung des Mathematikunterrichts
• Insbesondere: Entwicklung von Allgemeinen
mathematischen Kompetenzen (Prozessbezogene Kompetenzen bzw. Tätigkeiten), Bild von Mathematik
• Gemeinsame Einschätzung: Zentrale Rolle von Aufgaben
(aber: Aufgaben sind nicht die einzige Komponente von Unterrichtskultur)
Funktion von Bildungsstandards
KMK Vereinbarungen über Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss 04.12.03
Bildungsstandards als Element eines umfassenden Systems der Qualitätssicherung und des Bildungsmonitoring mit den
Komponenten
¾Schul- bzw. Unterrichtsentwicklung und
¾Evaluation
beschreiben erwartete Lernergebnisse (Outputorientierung) Mit dieser Qualitätsorientierung dienen sie der Sicherung
• der Vergleichbarkeit schulischer Abschlüsse
• der Durchlässigkeit des Bildungssystems
Bildungsmonitoring:
Durch die Brille von Curricula
Intendiertes Curriculum:
Lehrplan, Rahmenplan
Potentielles Curriculum:
Schulbücher, Arbeitsblätter etc.
Implementiertes Curriculum:
Das, was und wie im Unterricht
tatsächlich behandelt wird
LEHRKRAFT
Erreichtes Curriculum:
Das, was Schüler gelernt haben (Schülerleistung)
KERNCURRICULUM
NEU: BILDUNGSSTANDARDS
Drei Thesen
• Bildungsstandards als Chance für STG.
Bildungsstandards Mathematik in ihrer Initiierungsfunktion für Schul- und Unterrichtsentwicklung bieten für SINUS Transfer Grundschule einen fachorientierten, belastbaren, und
allgemein verpflichtenden Rahmen (mit internationalem Bezug NCTM, AAAS) für das Unterrichts-
Entwicklungsprogramm von STG.
• STG als Chance für die Bildungsstandards.
Wichtige Bereiche von Mathematikunterricht, die (bisher) in den Bildungsstandards nicht berücksichtigt sind, aber für Unterrichtsentwicklung unverzichtbar sind, werden
ansatzweise bereits in Modulen von SINUS abgebildet.
• Zudem: Für den NaWi-Unterricht (ohne Bildungsstandards) ist SINUS ein solider „Qualitätsanker“.
I Bildungsstandards als Chance für STG
Die Bildungsstandards schaffen insbesondere mit den
Allgemeinen mathematischen Kompetenzen für Unterricht einen verbindlichen Rahmen für Unterrichtsentwicklung, indem sie eine konsequente Realisierung breit akzeptierter, grundlegender, im Fach, wie auch anthropologisch
verankerter (fachbezogener) Lernziele (z.B. nach H. Winter) ermöglichen.
Zur Erinnerung: Das Kompetenzmodell
der Bildungsstandards für die Grundschule
Mathematische Leitideen:
• Zahl und Operation
• Raum und Form
• Muster und Strukturen
• Größen und Messen
• Daten, Häufigkeit und Zufall
Prozessbezogene mathematische Kompetenzen:
• Probleme mathematisch lösen
• mathematisch kommunizieren
• Mathematisch argumentieren
• mathematisch modellieren
• mathematische Darstellungen verwenden
Anforderungsbereiche
Kognitiver Anspruch an die Schülertätigkeit I Reproduzieren
II Zusammenhänge herstellen III Verallgemeinern und Reflexion
Gedankenexperiment: Was wäre, wenn…
… etwa nach der Devise „Back to the basics“ (Beschränkung auf Wissen und Grundfertigkeiten) in den Bildungsstandards nur die inhaltlichen Kompetenzen zu den fünf Leitideen
berücksichtigt worden wären?
Mathematische Leitideen und inhaltliche Kompetenzen
• Zahl und Operation
• Raum und Form
• Muster und Strukturen
• Größen und Messen
• Daten, Häufigkeit und Zufall
Solche „Bildungsstandards“ wären keine Chance, sondern kontraproduktiv für STG.
Perspektiven der Unterrichtsentwicklung in den Bildungsstandards
KMK Vereinbarungen über Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss und Primarbereich 04.12.03
Unterrichts- entwicklung
Unterrichtskultur Bildungsstandards
• geben den Schulen Gestaltungsräume für ihre pädagogische Arbeit,
• beziehen sich auf den Kernbereich des jeweiligen Faches gründen auf Bildungszielen und greifen
Grundprinzipien des jeweiligen Unterrichtsfaches auf
• Mathematik in der Grundschule: Nicht nur
„Rechnen“.
Allgemeine, prozessbezogene Kompetenzen sind wesentlich für mathematische Grundbildung.
Das Wie, die Art der Auseinandersetzung mit Mathematik ist entscheidend.
Grundbildung Fachorientierung
Ferner:
Bildungsstandards
• zielen auf systematisches und vernetztes Lernen und folgen so dem Prinzip des kumulativen
Kompetenzerwerbs.
• Erwartung: Ein derart veränderter Zugang zur Mathematik fördert eine positive Einstellung der Schüler(innen) zur Mathematik.
Kumulatives,
vernetztes Lernen
Positive Einstellung
Kurz: Fachorientierung und Grundbildung in den Bildungsstandards ...
Nicht nur „Rechnen“. Allgemeine, prozessbezogene Kompetenzen sind wesentlich für mathematische Grundbildung. Das Wie, die Art der
Auseinandersetzung mit Mathematik ist entscheidend. Ein derart veränderter Zugang zur Mathematik fördert eine positive Einstellung der Schüler(innen) zur Mathematik.
Perspektive des Fachs. Mathematik als Muster/Struktur und Tätigkeit.
Dynamische Auffassung von Mathematik: Die allgemeinen (prozessbezogenen)
Kompetenzen beschreiben gerade die mathematischen Prozesse, die beim Arbeiten mit Mustern und Strukturen von grundlegender Bedeutung sind (Wittmann/Müller).
Grundbildungskonzept (H. Winter). Mathematikunterricht soll die Entwicklung von Kompetenzen in folgenden Bereichen fördern: Mathematik als
Kulturbereich eigener Art, Anwendungsbezug (Modellieren), Problemlösen (Denkerziehung)
... sowie Schülerorientierung
• Stärkung der Schülerpersönlichkeit. Zugänge auf unterschiedlichen Anforderungsbereichen: Reproduzieren, Zusammenhänge herstellen, Verallgemeinern und Reflexion
– Chance für natürliche innere Differenzierung
Eine „Schlüsselaufgabe“: Zwei Szenarien
1. Szenario
Ergebnisse berechnen,
zusammentragen, vergleichen, Fehler korrigieren…
… ab zur nächsten Aufgabe Nur rechnen mit dem Ziel:
Entwicklung bzw. Festigung von mündlichen/ schriftlichen
Rechenstrategien (vgl. Gedanken- experiment I-1.2c,f
Rechenolympiade in:
WdZ 4, 2006, S.60
Förderung inhaltlicher Kompetenzen
Eine „Schlüsselaufgabe“: Zwei Szenarien
2. Szenario
Zunächst wie in Szenario 1.
Dann aber weitere kognitive Aktivierung der Schüler.
Addiert jeweils die beiden Ergebnisse.
(Erneut rechnen!) Was fällt auf?
Wie hängen die neuen berechneten Zahlen mit den gegebenen Zahlen zusammen?
Rechenolympiade in:
WdZ 4, 2006, S.60
Rückblick: Ursprüngliche Analyseperspektive in Modul 1 Allgemeine Lernziele
Allgemeinen Lernziele (H. Winter 1972/1975)
Im 2. Szenario regt die Lehrkraft die Kinder - über die inhaltliche
mathematische Tätigkeit „Rechnen“ hinaus – zu „prozessbezogenen Tätigkeiten“ wie
Mathematisieren: Mathematisches erkennen, nutzen, Probleme formulieren und lösen
Explorieren (urspr. Kreativität): Selbst Aufgaben nach dem gegebenen Muster erfinden
Argumentieren: Beziehungen herstellen, begründen
Formulieren, Darstellen: Gefundenes, beobachtetes beschreiben, (z.B. Rechenstrich o.ä. nutzen)
Später verdichtet im Konzept mathematischer Grundbildung
(H. Winter 1995)
Fachlichkeit
Bild von Mathematik Muster, Struktur,
Sprache
Anwendung von Mathematik Modellieren Nützlichkeit
Problemlösen Denkerziehung Mathematikunterricht soll
die Entwicklung von
„Grunderfahrungen“ in folgenden Bereichen fördern
Grundbildungskonzept nach H. Winter ist in die Bildungsstandards eingebettet
H. Winter
Grundbildungs- konzept
Bildungsstandards
Allgemeine mathematische Kompetenzen
Mathematisieren Modellieren (außer-, innermathematisch) Mathematik als
Wissenschaft sui generis
Formulieren/
Darstellen
Argumentieren Kommunizieren
Problemlösen Problemlösen
Fazit
Was die Bildungsstandards Grundschule seit Herbst 2004 verbindlich zur
Entwicklung von allgemeinen mathematischen
Kompetenzen (via prozessbezogener Tätigkeiten) und zur
Unterrichtsentwicklung auf der Basis eines Grundbildungskonzepts
fordern, ist bei SINUS Transfer Grundschule mit der Umsetzung der Idee der Guten Aufgaben seit Beginn in Arbeit.
Salopp ausgedrückt: STG macht bezüglich der allgemeinen mathematischen Kompetenzen i.W. das, was die
Bildungsstandards verlangen. Aber darüber hinaus noch mehr…
II STG als Chance für die Implementation
der Bildungsstandards
Die zentrale Rolle von Aufgaben bei STG und Bildungsstandards
• STG und Bildungsstandards
– Qualitätsentwicklung von Unterricht durch Gute
Aufgaben, Aufgabenbeispiele zu Bildungsstandards
• Bildungsstandards: zusätzlich Evaluation
– Fachleistung wird über Aufgaben konkretisiert und empirisch überprüfbar gemacht
– Überprüfung der Standards mit Hilfe eines breit angelegten Aufgabenpools, entwickelt vom IQB – Überprüfung der Standarderreichung durch Tests
Fokussierung auf „Gute Aufgaben“ alleine greift zu kurz
Illusionäre Vorstellung: (Bestimmte) Aufgaben seien schon
„durch sich“ allein Gute Aufgaben, gewissermaßen bereits als Text; ohne einen geeigneten Umgang der Nutzer (Lehrkraft, Schüler) mit den Aufgaben.
Wichtig: Statt eines reduktionistischen Blicks nur auf Aufgaben Bezug einer System-Perspektive.
System-Perspektive: Lernaufgaben im Mathematikunterricht
Aufgabe bzw.
Aufgabensystem Schüler1
Schüler2
……
Lehrkraft
Inhaltliche
Kompetenzen Allgemeine
Kompetenzen
MATHEMATIK Thematischer Kontext
W e c h s e l w i r k u n g
Beispiel hierzu: Unsere Schlüsselaufgabe
Die Lehrkraft erkennt
das Potential der Aufgabe für
Entdecken, Problemlösen, Erklären, Begründen etc.
Module: G1, G2
Die Lehrkraft trifft angesichts der konkreten Bedingungen in der Klasse Entscheidungen zu
Sozialformen des Lehrens und Lernens (Einzel-, Partner-, Gruppenarbeit, Entdeckerzirkel etc.)
Module: G8 (Eigenständig, Gemeinsam lernen)
Schlüsselaufgabe Forts. 1
Die Lehrkraft trifft angesichts der konkreten Bedingungen in der Klasse Entscheidungen zu Formen der natürlichen Differenzierung, z.B.:
a) Bearbeitung analoger Aufgaben z.B. mit „kleinen“ Zahlen:
35 + 2
35 – 2 mit/ohne Übertrag
b) Unterschiedliche Begründungsformen:
35 + 2 + 35 - 2
Module: G8 (Eigenständig, Gemeinsam lernen)
35 2
35-2
Schlüsselaufgabe Forts. 2
Die Schüler lassen auf ihren Lernwegen
(Eigenproduktionen) verschiedene Lernschwierigkeiten oder Lernerfolge erkennen.
Die Lehrkraft diagnostiziert und trifft weitere Entscheidungen
Module: G3 (Vorstellungen aufgreifen),
G4 (Lernschwierigkeiten), G9 (Lernerfolg beurteilen), G5 (Talente erkennen)
Fazit
Der Umgang mit Aufgaben zur Entwicklung inhaltlicher und allgemeiner Kompetenzen im Mathematikunterricht erfordert die Berücksichtigung von und die Arbeit mit zahlreichen Faktoren, die explizit so in den
Bildungsstandards nicht ausgewiesen sind, die aber STG liefern kann.