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Können Wissenschaftliche Bibliotheken strategisch gesteuert werden?

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gesteuert werden?

Ausschlaggebend: Strategie und Management des Trägers

RAFAEL BALL

Wissenschaftliche Bibliotheken können nur dann strategisch gesteuert werden, wenn ihre Trägereinrichtung keine „Behörden-Universität“ ist, sondern ein nach modernen Managementprinzipien arbeitendes ‚Unternehmen‘. Dann aber lassen sich durch die Bestimmung von quantifizierbaren Zielen und Parametern auch Wissenschaftliche Bibliotheken strategisch steuern. Ganz zentral sind hierbei aber Qualifikation und Bereitschaft des Bibliotheks- personals, diese Instrumente einzusetzen und zuzulassen. Dies zu erreichen ist aber die schwierigste Aufgabe in der Vorbereitung eines strategischen Bibliothekscontrollings.

Können Wissenschaftliche Bibliotheken strategisch gesteuert werden? Diese Ausgangsfrage muss und kann mit einem eindeutigen „Ja“ beantwortet werden. Trotzdem erfordert es ein ausführliches und erläuterndes „Aber“.

Wissenschaftliche Bibliotheken sind zunächst Einrichtungen wie jede andere Organisation auch. Sie unterscheiden sich prinzipiell und unter organisato- rischen Aspekten auch nicht von Öffentlichen Bibliotheken. Eine Organisation strategisch zu steuern bedeutet ja nichts anderes, als ein Management nach objektiv messbaren Zielen zu organisieren und umzusetzen. Insofern lässt sich jede Wissenschaftliche Bibliothek prinzipiell strategisch steuern.

Die entscheidende Frage allerdings ist die Art der Steuerung der jeweiligen Trägereinrichtung. Hier ist grundsätzlich zu überlegen, auf welcher Basis das Management und die Strategie, etwa einer Universität, beruhen. Denn im Wesentlichen können wir hier zwei Strategietypen unterschieden:

� Die erste Gruppe nenne ich „Behörden-Universitäten“,

� die zweite Gruppe „unternehmensorientierte Universitäten“.

Universitäten der ersten Gruppe, also „Behörden-Universitäten“, funktionieren nach dem kameralistischen Prinzip auf der Basis von gesetzlichen Regelungen und Verordnungen. Sie sind im Prinzip beamten-technokratische Ein- richtungen, deren Strategien und Ziele ausschließlich den aktuellen, finan- ziellen, gesetzlichen und Regelungs-Rahmenbedingungen untergeordnet sind.

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„Behörden-Universität“: Einhaltung von Regeln und Vorschriften

Insofern ist die Bezeichnung „Behörden-Universität“ durchaus treffend.

Fragen nach Effektivität und Effizienz, nach Service, Quality-Level oder einem ‚return on investment‘ werden hier nicht gestellt und Antworten darauf vergeblich gesucht. Diese Kategorien gehen an einer „Behörden-Universität“

komplett vorbei. Erfolgskriterien sind nicht in einem Strategiepapier oder einer allgemeinen Policy oder einem Leitbild verankert. Als Erfolgskriterien werden ausschließlich die Einhaltung oder Nichteinhaltung von Gesetzen und Regelungen der übergeordneten Behörde, gegebenenfalls des vorgesetzten Ministeriums, gesehen.

Wissenschaftliche Bibliotheken in „Behörden-Universitäten“ lassen sich demnach nicht strategisch steuern. Sie sind auf den ‚good will‘ des Zuwendungsgebers angewiesen und beschränken sich – ebenso wie die Trägereinrichtung – auf die Einhaltung von Regeln und Vorschriften.

Ist eine Wissenschaftliche Bibliothek konservativ orientiert, fällt diese Philosophie nicht auf. Wenn die Einhaltung von Katalogregeln und Vorschriften, das Erfüllen von Fernleihregeln und das Abarbeiten von Schlagwörtern und Schlagwortketten Sinn erschöpfend für Bibliothek und Bibliothekare sind, wird man sich in einer „Behörden-Universität“ gut positionieren können und wohlfühlen. Eine strategische Steuerung im Sinne eines modernen Management-Verständnisses hingegen ist für solche Einrich- tungen unmöglich.

Unternehmensorientierte Universitäten: gesteuert über definierte Ziele Universitäten der zweiten Gruppe, die ich mit dem Terminus „unternehmens- orientierte Universitäten“ beschreibe, sind Einrichtungen mit einer anderen Führungsphilosophie. Sie sind, wenn auch im Rahmen gesetzlicher Regelun- gen und Erlasse von Ministerien und Ländern, gegebenenfalls auch von anderen Institutionen gegründete Einrichtungen, aber ihr Handlungs- und Verantwortungsfreiraum entspricht eher dem eines Unternehmens als dem einer Behörde.

Eine „unternehmensorientierte Universität“ verfügt über eine ausformulierte Strategie und wird über definierte Ziele gesteuert. Sie hat eine klare Policy verabschiedet und entsprechende Erfolgskriterien definiert.

Ist eine Universität so aufgestellt, kann auch eine Universitätsbibliothek strategisch gesteuert werden. In diesem Sinne haben Bibliotheken, deren Trägereinrichtung eine „unternehmensorientierte Universität“ ist, durchaus die Chance, ja sogar die Pflicht, strategisch gesteuert zu werden.

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Die zentrale Aufgabe für die strategische Steuerung einer Wissen- schaftlichen Bibliothek in einer „unternehmensorientierten Universität“ ist die Entwicklung von qualitativen und quantitativen Parametern und Indikatoren, die den Beitrag der Wissenschaftlichen Bibliothek und ihrer Dienstleistungen zum Unternehmenserfolg belegen. Dies sind aber längst nicht mehr klassische Kennzahlen wie Buchbestand, Ausleihe und Ausleihzahlen.1

Von weit aus größerer Bedeutung als die tradierten klassischen Kenngrößen, wie Bestand und Umsatz, sind Parameter für die Messung des ‚return on investments‘. Längst ist es da nicht mehr unanständig, auch das Wort „Geld“

und „Kunde“ in den Mund zu nehmen.2 Seit einigen Jahren sind auch einschlägige Studien und Zeitschriftenbeiträge zu diesem Thema erschienen.

Beispielhaft sei der Beitrag von Carol Tenopir genannt.3

Indikatoren zur Leistungsmessung

Für die Frage einer erfolgreichen strategischen Steuerung bedarf es jedoch der Entwicklung und Festlegung von geeigneten und genügend präzisen Indikatoren, die einerseits mit vertretbarem Aufwand ausreichend genau ermittelt werden können und deren Aussagewert gleichzeitig die leichte Anpassung der Mess- und Stellgrößen ermöglicht. Denn grundsätzlich lässt sich alles messen: Prozesse, Personal, Kommunikation, Output usw.

Für die strategische Steuerung einer Wissenschaftlichen Bibliothek ist es heute sinnvoll, Indikatoren zu entwickeln, die prinzipiell geeignet sind, den Beitrag zum Unternehmen (zur Universität) zu quantifizieren und nachzuweisen.

Dabei geht es zunächst und allgemein um ein ausgewogenes Verhältnis von Input (Ressourcen-Verfügbarkeit), Befähigung (Prozessfähigkeit), Output (Nutzen), Wirkung (Effektivität) und Ergebnissen. Wenn Wissenschaftliche

1 „The indicators that served as benchmarks in the past, such as number of volumes and number of journal subscriptions, are no longer sufficient because of the more expansive role that the contemporary library has assumed“, Weiner (2005), S. 434.

2 „It used to be that the way you put together a library budget was to look at like institutions and then argue for a little more. Now my provost is saying to me, ‘If I give you x dollars, what is the return on investment to the University?’”, T. S. Plutchak, Librarian, University of Alabama at Birmingham, zitiert in: Luther (2008), S. 3.

3Tenopir (2009).

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Bibliotheken strategisch gesteuert werden, müssen deshalb alle ‚alten Zöpfe‘

auf den Prüfstand. Dienstleistungen, Produkte und Kenngrößen, die nur um der guten akademischen oder bibliothekarischen Tradition willen aufrechterhalten werden, sind hier nicht mehr zu verantworten und zumindest überflüssig geworden.

Welche Kennzahlen im Einzelnen erhoben werden, wie sie zu messen und später bei der Steuerung zu interpretieren sind, wird jede Einrichtung vor dem Hintergrund der je spezifischen Situation zu beantworten haben. Sie können nicht identisch sein für alle Wissenschaftlichen Bibliotheken. Vielmehr ist aus der Kundenperspektive heraus der jeweils spezifische Unternehmensbeitrag herauszufinden und dann auf messbare Größen herunterzubrechen.

Dies können etwa die Verbesserung der Forschungsleistung der Wissen- schaftler sein (Publikationsperformance, Zitierquote, Einwerbung von Dritt- mitteln, Berufungssituation), die Verbesserung der Studienbedingungen (Zufriedenheit, Verweildauer, Examensnoten) oder die Gesamtperformance einer Universität.

Messbar: Der Beitrag der Bibliothek zum Unternehmen

Ganz häufig macht die Umstellung von klassischen bibliothekarischen Kenn- größen auf performance-getriebene Parameter gerade dem eher traditionellen Mitarbeiter einer Wissenschaftlichen Bibliothek große Schwierigkeiten.

Kommt man auch ohne betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse mit den tra- dierten Kennzahlen gerade noch zurecht („Statistik muss eben sein“), ist bereits für die Erhebung von Kennzahlen zum Unternehmensbeitrag der Bibliothek weder Verständnis noch Bereitschaft zu erkennen. Und diese Vorbehalte gelten noch stärker bei der Nutzung dieser Kenngrößen für die Steuerung von Prozessen oder Zielen innerhalb der Bibliothek. Auch ohne bösen Willen bleibt häufig nur Unverständnis:

All dies impliziert jedoch, dass die Organisation der post- kapitalistischen Gesellschaft die Menschheit ununterbrochen beunruhigen, desorganisieren und destabilisieren muss. Sie müssen die Anforderungen nach Fähigkeiten und Wissen verändern: Genau in dem Moment, in dem jede Technische Universität in der Lage ist, eine Fakultät für Physik einzurichten, brauchen die Organisationen Genetiker. Genau in dem Moment, in dem Bankangestellte Kreditanalysen perfekt beherrschen,

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müssen sie sich mit einem Job als Anlageberater zufrieden geben … Solche Schritte jedoch versetzen die Menschen in Aufruhr. 4

Kennzahlensysteme und strategische Steuerung

Die Einführung von speziellen Kennzahlensystemen und die strategische Steu- erung einer Wissenschaftlichen Bibliothek darf deshalb insbesondere von eher klassischen Bibliothekaren nicht als brutale Top-down-Aktion erfahren werden. Dies führt nicht nur zu einem Erschrecken der Mitarbeiter, sondern im schlimmsten Falle zum Boykott der Mitarbeit und zum ‚Dienst nach Vorschrift‘.

Vielmehr kann das Verständnis für output-orientierte Unternehmensdaten und -kennzahlen und die Freude an ihnen nur durch ein verinnerlichtes Verständnis der Kundenperspektive erreicht werden.

Fazit

Die strategische Steuerung Wissenschaftlicher Bibliotheken erfordert deshalb einen ganzheitlichen Führungsansatz. Junge und frisch ausgebildete Infor- mationsspezialisten sind hier allerdings deutlich im Vorteil. Wenn auch noch nicht an allen einschlägigen Ausbildungs- und Studieneinrichtungen um- fassend und professionell betriebswirtschaftliches und unternehmensorien- tiertes Denken geschult wird, kommen junge Bibliothekare doch mit einem weitaus offeneren Verständnis für derartige Zusammenhänge in die Bibliotheken als der klassisch, eher noch humanistisch-akademisch geprägte Bibliothekar alter Schule.

Aber auch den „Aufruhr der Menschen“ muss eine strategisch gut gesteuerte Bibliothek im Griff haben. Begeisterungsfähige, innovative und leistungs- bereite Mitarbeiter lassen sich nicht in Aufruhr versetzen, auch wenn an der strategischen Steuerungsschraube der Bibliothek kräftig gedreht wird.

Literatur und Internetquellen

[1] DRUCKER, P. F. (1996).Umbruch im Management. Was kommt nach dem Reengeneering? Düsseldorf: ECON.

[2] LUTHER, J. (2008). University investment in the library: What’s the return? A case study at the University of Illinois at Urbana-Champaign.

4 Drucker (1996), S. 83.

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Library connect, White paper, 1. http://libraryconnect.elsevier.com /whitepapers/0108 /lcwp0101.pdf.

[3] TENOPIR, C. (2009). Measuring the Value and Return on Investment of Academic Libraries. http://crl.du.ac.in/ical09/papers/index_files/ical- 2_158_377_1_RV.pdf.

[4] WEINER, S. A. (2005). Library Quality and Impact: Is There a Relationship between New Measures and Traditional Measures? Journal of Academic Librarianship, 31(5), 432-437.

Referenzen

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