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Ein Responsum des Gaons R. Häja über Gottes Vorher¬

wissen und die Dauer des menschlichen Lebens (Agal).

Von David Kaafmann.

In dem staiTen Dilemma Allwissenheit oder Willens¬

freiheit hat der Glaube keine Wahl. Die Verzweiflungsversuche,

die Präscienz zu beschränken , um der Scylla des Determinismus

zu entrinnen, wie es die Socinianer in der Kirche gethan haben,

oder den freien Willen zu opfem, um an der Charybdis des gött¬

lichen Vorherwissens vorbeizuschiflfen , gehören daher in der Ge¬

schichte des religiösen Denkens späteren Epochen an. Es hat denn

auch in der jüdischen Religionspbilosopbie des Mittelalters einer

langen Entwickelungsreihe Ijedurft , ehe Levi b. Gerson mit

verketzerter Kühnheit Gottes Allwissenheit, man möchte sagen, auf

die Gattungs- und Gnippengedanken einzuschränken wagte, um für

alle Einzelgescbehnisse Möglichkeit und Preiheit zu retten,

und nocb längere Zeit gebraucht , bis Chasdai Crescas mit

einer Unerschrockenheit und Folgerichtigkeit des Denkens, der selbst

Arthur Schopenhauer die Anerkennung nicht hätte versagen

können, Möglichkeit und Willensfreiheit opferte um Gottes Voll¬

kommenheit nicht anzutasten.

In dem Zwange, Gegensätze, die für die Vernunft einander

ausschliessen, als gleich unentbehrliche Wahrheiten festzuhalten,

musste der Glaube ein Feuer annehmen, das nicht brennt, ein

Wasser , das nicht löscht , ein Vorherwissen , das den Dingen ihre

Möglichkeit belässt und im Menschen die Preiheit der EntSchliessungen

nicht aufhebt, ein Wissen, das wabr und unveränderlich bleibt, wie

immer auch sein Inhalt sich gestaltet. So musste auch die jüdische

Religionsphilosophie zur Annahme eines Wissens in Gott gelangen,

das die Speculation der Jesuiten -), besonders Petrus Ponseca's

und Ludwig Molina's, nachmals als scientia media oder scientia

1) Vgl. die treffliche, nicht genug zu würdigende Uebersetzung und Ab¬

handlung Dr. Philipp Bloch's: Die Willensfreiheit von Chasdai Crescas (München 1879).

2) David Friedrich Strauss, Die christliche Glaubenslehre I, 568f.

(2)

74 Kaufmann, Ein Responsum des Gaons R. Häja.

futuribilium aufgestellt hat. Wenn aber bisher unsere Kenntniss

dieser Lehre nur auf vereinzelte litterariscbe Zeugnisse sich be¬

schränkte , so sind wir jetzt durch das Gutachten des Gaons R.

Häja, dessen Erhaltung wir Ibn Bal'äm verdanken, in der Lage,

die Annahme von der Möglichkeit innerhalb des Wissens Gottes

als Bestandstück der gleichsam praktischen jüdischen Religions¬

philosophie vor Maimüni kennen zu lernen.

Das Bedürfniss nach Ausgleichung der Bekenntnissschriften

mit den Forderungen der Philosophie hat unter den in den Ländeni

der arabischen Zunge wohnenden Juden früh die philosophische

Exegese erweckt, deren Einflüsse und deren Ergebnissen selbst mehr

grammatisch gerichtete Bibelerklärer wie Ibn Bal'ämsich nicht

zu entziehen vermochten. In seinem Dank der Unermüdlichkeit

Joseph Derenbourg's uns nunmehr fertig vorliegenden Com¬

mentare zu Jesajas ^) hat er denn der Erklärung des das religions¬

philosophiscbe Denken geradezu herausfordernden 38. Capitels einen

Excurs vorausschicken zu sollen geglaubt, zu dem sich ibm auf

das Passendste ein diesem Capitel gewidmetes Gutachten R. Häja's

anbot, von dem wir sonst bisber keine Kunde erlangt haben.

R. Häja theilt die Gedanken und Zweifel, zu denen die merk¬

würdige Erzählung von der an den König Chiskijjabu ergangenen

Todesandrohung und der ihm dann scheinbar unvermittelt zu Theil

gewordenen Lebensverlängerung mannigfache Anregung leiht, in

drei Gruppen: 1) die Frage nacb der Möglichkeit einer Sinnes¬

oder Wissensänderung in Gott, 2) die Frage der Vorherbestimmung

unserer Lebensdauer und 3) die praktiscben Folgen dieser An¬

schauungen.

Was nun zunächst das scheinbar Widerspruchsvolle, die Selbst¬

aufhebung der göttlichen Strafverkündigung in unserem Berichte

betriflft, so ist vor Allem darauf hinzuweisen, dass Jesajas mit keinem

Worte sagt, der König werde an dieser Krankheit sterben. Da

wir ihn nun genesen sehen, so ist offenbar die Bedingung der Busse,

von der das Weiterleben Chiskijjabus abhängig war, erfüllt worden.

Wir wissen aber durch die gleichsam kanonische Formulirung bei

Jeremia 18, 7-10, dass das Eintreffen aller göttlichen Ansagen,

Verheissungen wie Androhungen, ausdrücklich oder stillschweigend

an gewisse Bedingungen ^) geknüpft wird.

1) Vgl. Sal. Fuchs, Studien Uber Abu Zakarjä Jachja (R. Jehuda) Ibn Bal'Äm (Berlin 1893).

2) Revue des etudes juives XXII, 202—206.

3) Derenbourg übersetzt p. 202: nNIJODNDN 1» NI-nD

-13 na iriüTllO'): ypn np liyibST nyibsi car bien des annonces, des

promesses et des menaces se presentent intentionellement sous une forme conditionnelle. Abgesehen davon, dass die Form -Iina eine solche Ueber¬

setzung verbietet, erscheint die Bemerkung auch inhaltslos und überfiüssig. Es

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Kaufmann, Ein Responsum des Gaons R. Häja. 75

Erhebt sich hier nun naturgemäss die Prage, ob denn Gottes

Wissen ein bedingtes, in seiner Wahrheit von ausser ihm liegenden

Momenten abhängiges sein könne , so schreitet R. Hftja zu der

eigentlichen und hauptsächlichsten Erklärung fort '), die ihm am

Herzen liegt und die er folgendermassen ausspricht: ,Gott weiss,

dass Etwas eintreten wird, wenn eine Sache so, oder dass es nicht

eintreten wird , wenn sie anders erfolgt , darum zweifelt er aber

nicht etwa, sondem weiss von dem, was nicht eintritt, wie es ein¬

getreten wäre*)." Es ist allerdings, wie der Gaon hinzufügt, einige Vorbildung oder Vorbereitung ^) dazu erforderlich, um diese schein¬

bare ünmöglichkeit, dieses gleichsam labile Wissen zu begreifen.

Indessen bietet eine classische Stelle *) der heiligen Schrift 1. Sam.

23, 11-14 die beste Handhabe zum Verständniss dieser Lösung.

Hier erklärt Gott auf Davids Fragen, Saul werde nach Keila ziehen

und David und seine Leute von den Bewohnem der Stadt aus¬

geliefert erhalten. Keine von beiden Vorhersagen ist eingetreten ^),

aber Beides wäre erfolgt , wenn David sich nach Kella begeben

hätte. Die Schriftstelle will uns somit sagen, dass Gott eben nicht

nur das wisse, was in Wirklichkeit eintritt, sondem auch das, ,was

unter einer gewi.ssen nicht eintretenden Bedingung geschehen sein

würde." Ebenso weiss Gott in unserem Falle bei Chiskijjahu, dass

sein Tod unmittelbar bevorstehe, wenn er nicht durch sein Gebet

und seine Thränen die Gefahr beschwöre , dass aber , da diese Be¬

dingung erfüllt wird, dem bussfertigen Könige eine weitere Lebens¬

dauer von fünfzehn Jahren beschieden sein werde. Das Wissen

von dem , was eingetreten sein würde , aber nicht eintreten wird.

ist, wie mir Prof. Goldzilier vorschlagt, [rij-llha (vgl. Koran 68, 18) zu lesen und zu iibersetzen.

1) Statt nON 13 naa ist ib. wohl nilJN m Naa und ebendaselbst statt IMNbN "»nä -N offenbar ""li IN zu lesen.

2) So lehrt auch der im Jahre 935 verstorbene Abn'l-Hasan Al-As'ari als Grundlehre seines Glaubens : Wir glauben, dass Gott weiss, was die Menschen thun und was sie thun wollen, was geschieht und wie das, was nicht geschieht,

«

wenn es geschähe , geschehen wäre (^)l^ O-*^ ^ O-?^

^^jCj ^^SLfS ^ s. Spitta, Zur Geschichte Abu'l-Hasan Al-As'aris p. 101 und 137.

3) riiN'^l, das gewöhnliche Wort fdr Propädeutik. Derenbourg über¬

setzt p. 203: un effort d'intelligence.

4) Dasselbe „solenne Beispiel" benutzen die Jesuiten s. Strauss a. a. O.

I, 569 n. 14.

5) In den Worten: IT'JOn N5 DibNp »imV npi ist offenbar

statt des fehlerhaften DibNp zu lesen: nb-Jp briN oder nb"yp 13*3.

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6 Kaufmann, Ein Responsum des Gaons R. Häja.

bildet das Wesen der göttlichen Präscienz und begründet zugleich

die Möglichkeit unserer Preiheit '). Lohn und Strafe im Jenseits,

die allein unter der Voraussetzung unserer Willensfreiheit zu be¬

greifen sind, vereinigen sich nach diesem Grundsatze auf das Beste

mit dem Vorherwissen Gottes, das von jeder Verkündigung weiss,

dass sie im Palie der Erfüllung einer gewissen Bedingung sicb

verwirklichen, im Nichterfüllungsfalle aber sich nicht verwirklichen

wird. Das ist auch der Sinn des Schriftwortes Prov. 10, 27, dass

die Gottesfurcht das Leben verlängert , Gottlosigkeit es verkürzt.

Die Bedingung , unter der die Erfüllung unserer Lebensdauer ein¬

tritt, wird hier angegeben, nicbt aber etwa jedem Prommen und

jedem Sünder ein Lebensmass verkündet.

Es ist jedoch kein völlig neuer Gedanke , den wir hier den

Gaon so angelegentlich vertheidigen sehen. Hundert Jahre vor

ihm hat ibn bereits ein anderer Gaon, der grosse Begründer der

jüdischen Religionsphilosophie im Mittelalter, Sa'adja Alfajjüml in

seinen Glaubenslebren und -Meinungen ^) mit voller Schärfe aus¬

gesprochen. Es ist auch kein blosses Zusammentreffen, sondern eine

deutliche Abhängigkeit von Sa'adja, was uns hier bei R. Häja ent¬

gegentritt. In den Beispielen, in denen Sa'adja die scheinbare Auf¬

hebung göttlicher Befehle und Verkündigungen in der h. Schrift

zu beseitigen sucht, begegnet uns auch dieselbe Lösung für den

jesajanischen Bericht über König Chiskijjahu wie bei Häja. Auch

die Schlussbemerkung R. Häjas über Prov. 10, 27 scheint mir eine

Abhängigkeit von Sa'adja ^) zu verrathen und erst von seiner Aus¬

führung, zu der sie sich wie ein kurzer Auszug verhält, ihr volles

Licht zu erhalten.

Ich kann jedoch diese Beleuchtung des ersten Vorkommens

der sog. scientia media in der jüdischen Religionsphilosophie nicbt

verlassen, ohne die Kritik hierherzustellen , in der Leibniz in dem

leider Fragment gebliebenen deutschen Entwurf zur Theodicee *)

1) Es sei hier vorübergehend an Schopenhauer's Theorie von der

hypothetischen Wahrheit der Träume erinnert. Dieser Traum, heisst es

in Neue Paralipomena ed. Grisehach 136*, trug viel dazu bei, mich zu be¬

wegen, beim Eintritt der Cholera 1831 Berlin zu verlassen; er mag von hypo¬

thetischer Wahrheit , also eine Warnung gewesen sein , d. h. wenn ich ge¬

blieben wäre, wäre ich an der Cholera gestorben.

2) Kitäb al-Amänät wa 'l-I'tiqädät ed. S. Landauer p. If^v, mSinNTt

nynm m (ed. Slucky, p. 70, Nr. 7).

bei R. Häja.

i) S. Ludwig Stein, Leibniz und Spinoza p. 353 — 355. Vgl. Theodicee 1 § 39—40.

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Kaufmann, Ein Responsum des Gaons R. Häja. 77

die Lauge seines Spottes über dieses von Fonseca und Molina be¬

sonders ausgebildete scheinbare Auskunftsmittel ausgegossen hat:

(§ 19) Andere bemühen sich unterm Vorwand des menschlichen

freyen willens die adamantine Kette der aus einander folgenden

Ursachen zu zerreissen und Gott zu erbaltung seiner gerecbtigkeit

seine eigne natur (dass er sey die erste und letzte ursacb aller

dinge) zu benehmen. Derowegen, obwohl die menschen insgemein,

so lang ihr gemüth von keinen gezwungenen unverständlichen

Grillen der Philosophen verdrehet und gleichsam gefälschet, dafür

halten, derjenige habe freyen willens gnug , der da thun kan was

er will, und will was er guth befindet, so haben doch die guthen

berren, welche gesehen, dass eine Kette der Ursachen gleich daraus

folge . . . alle ihre kräfite des gemüths angewendet, solche natür¬

liche auslegung aus den gemüthern zu tilgen. Welches sie dann

bei ihren schühlern auch verlanget und wunder meinen, wie sie

der göttlichen gerecbtigkeit geholff'en haben. Demnach sagen sie,

der freye wille ist eine solche Krafi^t eines verständigen Ge¬

schöpfs, dass es olme einige Ursach dieses oder jenes wollen kan.

Dieses nun heissen sie indilferentiam puram, geben ibm wimderliche

Nahmen, tiiel und unterscheide, und bringen eine unzählbare Menge

unbegreifflicher dinge und philosophischer wunderwercke, wie leicht

zu erachten, darauss. Weil aber also die Kette der Ursachen zer¬

rissen wird, wissen sie nicht, wie sie allwissenbeit Gottes, als die darauflf gegründet, dass er die erste Ursacb (ens a se, a quo omnia,

wie sie selbst lehren) ist, erclären sollen. Zum Exempel als Ab-

jathar dem David aus gottlichem eingeben prophezeyet, wenn Saul

von ') Ziclag käme, würden ihn die Bürger dem Belägerer liefern,

da wissen sie nicht, wie sie es machen sollen ; umb zu sagen, wie

doch Gott solches immermehr wissen können , was die Bürger von

Ziclag einmabl würden gethan haben, da doch der Ziclager freyer

wille ein ganz indifferentes , an keine Ursachen gebundenes ding,

darinn Gott nicht das geringste sehen können, und wenn er gleich

alle umbstände noch so genau betrachtet hätte, dahin doch menschen

ihre zufiucht imd oft unfehlbar gnugsam zu nehmen pflegen ; woraus

er gewiss vrissen können , wohin die balance ihres freyen willens

ausschlagen würde. Wie muss es doch nun Gott immermehr ge¬

macht haben, dass er dieses geheimnüss errathen ? Seine allmacht,

dadurch er alles weis was er schaffet, hat hier nicht helffen können,

dieweil er dem freyen wiUen seine ungebundene Natur lässet und

nicht das geringste in ihm würcket, wie sie glauben, dadurch der

ausschlag verui-sachet werde. So hat auch seine Unendlichkeit und

Allgegenwart , dadurch künfftige Dinge gleichsam als jezo gegen-

1) Unzweifelhaft hat Leihniz vor Ziclag geschrieben! d. h. zur Be¬

lagerung von Ziclag, wie er irrthümlich in der ganzen Digression statt Keila (1. Sam. 2'A, 8) schreibt. Vor als einzig richtige Leseart hiitte sich übrigens selbst gegen das Zeugniss der Vorlage dem Herausgeber aus dem Zusammen¬

hange ergeben müssen.

(6)

78 Kaufmann, Ein Ruponsum des Gaons R. Häja.

wärtig vor ihm stehen, nichts dabey thun könneu, denn hier war

nicht die frage , was künflftig geschehen werde , sondem was da

würde geschehen seyn, wenn Saul kommen und David blieben

were, obwohl weder David blieben , noch Saul kommen. Hier ist

nun der unvergleichliche Geist zweyer Spanier Fonsecae und Molinae

der nothleidenden allwissenbeit Gottes eben recht zu hülfl'e kommen

und hat dem menschlichen geschlecht eröfiiet, wie das Gott alle

solche consequenzen der dinge, da der freye wüle mit eingemischet, wisse, durch eine gewisse wissenschafft, so , glaub ich , im Himmel

scientia media genennet werde. Mehr hat er nicht entdecket

prohibent nam ctetera Parese

Seir« Heleaam farique vetat Satomia Juno.

0 bHnde menschen! Diess wird als eine grosse subtilität, als eine

übernatürliche erfindung, ja als ein Meisterstück des menschlichen

Verstandes gerühmet, davon man nichts als den laut des worths

verstehet. Die schwührigkeit stack darin, wie aus den göttlichen

attributis und sonderlich ans dem unserm verstand nach für-

nehmsten hauptattribute , dass er die erste Ursach aller Dinge sey,

solches vorwissen heraus zu fühi-en. Dieses wird nicht gewiesen,

. . . sondem anstatt dessen, der wissenschafft solcher dinge, daran

niemand zweifelt, nur ein neüer nahmen geben vmd auff die, so

sich dagegen sezen, als ob sie die allwissenbeit Gottes oder den

freyen willen des menschen verl&ugnen woiten, fulminiret.

Nach dieser Kritik des deutsclien PhUosophen, die allerdings

unserem Ibn Bal'äm die Freude an der von R. Häja lange vor den

spanischen Jesuiten gefundenen Lösung von der scientia media ver¬

dorben baben würde , fahren wir in der Erörterung des Gut¬

achtens fort.

Die zweite Frage, welche durch den Bericht von der Lebens-

verlfingemng des Königs Chiskijjahu veranlasst wird, war die nach

der Vorherbestimmung der Lebensdauer überhaupt, eine Frage, zu

der die unter den Arabern wohnenden Juden durch die muham¬

medanische Dogmatik besonders nachdrücklich angeregt wurden.

Haja stellt sich anf den Standpunkt, dass der Fragesteller nur im

Zusammenhange mit der Präscienz auf dieses Problem des Agal,

der unveränderlich vorherbestimmten Lebensdauer, gerathen sei.

In dem Vorherwissen Gottes, so mochte er meinen, ist die Un¬

verrückbarkeit unserer Lebensgrenze gegeben. Allein Gottes Wissen

ist kein causatives , nicht ürsache der Dinge , weiss er doch, dass

die Freveltbat des Frevlers eintreten werde ohne dass diese daram

1) rrsew^A« rwn yprcp -^SNybN isa ob«» n;K -^n sb«;

Derenbonrg p. 204 Ubersetzt unbegreiflicber Weise: tu vois bien qu'il süt que le mechant abajidonnera sa m^chancet^.

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Kaufmann, Eün Responsum des Gaons R. Häja. 79

etwa durch sein Wissen verursacht wurde '). Man kann eben

correcter Weise nur sagen: Gott weiss, was geschieht,

nicht aber: Was Gott weiss, geschieht^). Jede sonstige

Erörterung der Agalfrage fällt ausserbalb des Rahmens der jüdischen

Dogmatik. Die arabische Religionsphilosophie der Mutakallimün,

sagt R. Häja, kennt allerdings ein Agal im Sinne der Lebensdauer

und der Lebensgrenze der Lebewesen , die heilige Schrift enthält

aber keinen einzigen Ausdruck, der eine solche Vorstellung zu er¬

wecken geeignet wäre. Selbst die Worte Ex. 23, 26: Die AnzabI

deiner Tage werde icb voll machen *), die allenfalls noch im Sinne

der Vorherbestimmung aufgefasst werden könnten , bedeuten docb

wohl nur den Tod im Alter und die Verlängerung des Lebens.

Und wenn David (1. Samuel 26, 10) äussert: oder sein Tag wird

kommen, und er stirbt, so will auch er nicht von einer festgesetzten

Lebensgrenze, sondern im Gegensatze zum Tod duroh Pest oder in

der Schlacht von dem natürlichen Tode sprechen, dessen Tag nur

Gott bekannt ist.

Auch die Prage vom Agal hatte schon hundert Jahre vor

R. Häja den Gaon Sa'adja beschäftigt*). War sie docb in den

Kaläm der Mutaziliten eingedrungen und mehr als hundert Jahre

vor Sa'adja selbst von Abu'l Hudail al-'Alläf 6) in dem Sinne ent-

1) Ahron h. Elia aus Niliomedien formulirt in seinem im Jahre 1346 verfassten CTI yS ed. F. Delitzsch p. 116 diese Lösung folgendermassen:

-iiSENH nN-Jtin Nb nrnb a-^-iiscNn nira nnxb nanpio nyn-n

Nb IN i-WN-iB nbiDin n-ai nn-na p Nin mNnia ni:Nai initiocNa

nmniia iann isb naiaa; na npia oisn nynii -jiaNi

.inyTib "jca; ninn^ia iann -j-Ni ai-'iiöDNn irioa nnNW

2) la fi-iNasbN -e aiSN im iiaio Na ab» bNp- in aiitNbNs

nbbN naby «a [ino 1.] ]Na bNp- in. Derenbourg, der diese un¬

ausweichliche Correctur nicht vorgenommen hat, lässt R. Häja ib. die Gedanken¬

losigkeit aussprechen: Le plus juste est donc de dire que Dieu sait ce qui sera, et c'est une expression plus correcte que do dire que Dieu ne le sait pas.

3) Vgl. den grösseren Commentar Abraham Ibn Esras z. St.

4) Kitäb al-Amänät p. T.!^; Emunoth VI, 101 Z. 34 ist offenbar in den Handschriften der Uebersetzung Ibn Tibbons durch das Homoioteleuton von N-'nn man ein stuck ausgefallen — es fehlt bereits in der editio princeps —, das nach dem Original i5>5üLj jj*.~*-Jj (j»isi*jj StX*J! a^-l-li ij, A^jjJ xJLc L« (^JkXc HJ^4-!! so ZU ergänzen sein dUrfte: N-nn maa Ej-OiaSJ

my-ia [N-nn man ■'biN ]-ni ispai].

5) SharastSni J.;SS^!^ JJU! ed. W. Cureton I, H : ^31^^! j-

j jI^j ^.jI j^.:?^J ^5 u^Jj o'uo J..X.ä-) |J ^.,1 J.i*Ji

^jojiXi s. Haarbrücker's Uebersetzung 1,52.

(8)

80 Kaufmann, Ein Responsum des Gaons R. Häja.

schieden worden, dass die Lebensgrenze etwas Peststehendes sei und

dass die Lebensdauer weder vermehrt noch verringert werden könne.

Aber viel zu laut sprach das Zeugniss der jüdischen Bekenntniss¬

schriften für die Verlängerangsfähigkeit des menschlichen Lebens,

als dass der Gaon von Sui-a sicb auch nur hätte versucbt fühlen

können, in dieser Frage mit seinem muhammedanischen Vorbilde *)

zu gehen. Gleichwohl war der Einfluss der mutazUitischen Dog¬

matik stark genug, um ihn an der Spitze des sechsten Abschnittes

seines religionsphilosophischen Grundwerkes im Allgemeinen , die

spätere Einschränkung vorbehalten , als Lehre des Judenthums die

Vorherbestimmtbeit der Dauer für die Verbindung von Leib und

Seele behaupten zu lassen. Juda Ibn Tibbons Missverständniss seiner

Vorlage hat aber wie an so vielen Orten den Sinn von Sa'adja's

Behauptung so gründlich verschüttet, dass man die Lehre des Agal

gar nicht dahinter vermutben konnte. In vier Hauptsätzen fasst

hier nämlich Sa'adja die Anschauung des Judenthums von der Seele,

ihrer Entstehung, Dauer und Wiederkehr zusammen. Ricbtig und

auf Grund seiner eigenen Worte verstanden, erklärt er: 1) dass

die Seele, sobald der Körper zu ihrer Aufnahme vollendet sei, im

Herzen sich bilde , 2) dass für ihr gemeinsames Besteben mit dem

Körper eine Dauer vorherbestimmt sei, nach deren Ablauf sie ge¬

trennt werden -), 3) dass dies mit einer so grossen Anzahl von

Seelen erfolge , als der Schöpfer in seiner Allweisheit zu schafi'en

für nöthig gefunden bat, und 4) dass nach Erschöpfung dieser Zahl

die dauernde und ewige Wiedervereinigung der Seelen mit ihren

Leibern eintreten werde.

Den Einfluss des mutazilitischen Kaläms in dieser Frage weist

1) Vgl. Kaufmann, Attributenlehre p. 33.

2) Ibn Tibbon batte wobl in seiner Vorlage statt des Singulars bl^l den Plural, den er durch das unverständliche D-pbn wiedergiebt, übersetzt, aber gleichwohl das sich darauf beziehende ^«»äi t durch den Singular Obffi"' . Was bei solchen Fallstricken Fürst zu Wege gebracht hat, wolle man in seiner Uebersetzung nachsehen. Gutmann hat sich die Auseinandersetzung mit den Schwierigkeiten der Stelle durch Auslassung derselben erspart. Zur Vergleichung setze ich aus cod. München 42 f. 428b nach einer Copie des Herrn cand. phil.

Felix Perles die sog. zweite Uebersetzung hierher: lITlb« ISmN yilin

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"iTSJa ni-nj:;T Di-nais mni25;m moiin [i](n)iniT mn ni nbiiaii

innana idi-iij: D^aon itün nTODsn -icow Nb?:- iüjn nyn ny omit

"jMTa mN^asn mccsn •nDoa npcn on-iB yot omiaybi DmN NTnab

Dnn Dvibab Dnn miecsn iiTn-i msio oye DmN 'n -an-' Ninn

Oinaiai mniN nTn nn-MN by o-N-asn n-ryb nayi nra m DN-aii

.Dbapbi ana •]i7:Nnb na i:aiinn:i

(9)

Kaufmann, Ein Jtesponsum des Gaons R. Häja. 81

auch die Religionsphilosophie der Karäer auf. So beschäftigt sie

bereits den nach Saadja schreibenden Josef al-Baslr, der am Schlüsse

seines grösseren Compendiums der Dogmatik , des Muhtawi oder

wie das Buch in der hebräiscben Uebersetzung heisst , Nefmoth

dem Agal eine besondere Abhandlung widmet. Die Verlängerung

und Verkürzung des menschlichen Lebens, die Gott nach der heü.

Schrift sich vorbehalten hat , muss neben der Annahme von der

vorherbestimmten festen Lebensgrenze aufrecbt bestehen. Ja, Josef

al-Baslr verknüpft die Prage bereits ausdrücklich , wie nachmals

R. Häja, mit dem Problem von der Sündhaftigkeit des Mörders,

dessen Scbuld bei der Voraussetzung der unveränderlichen Lebens¬

dauer einfach wegzufallen scbeint

Aber auch noch mehr als anderthalb Jahrhunderte nach R. Hftja

sehen wir die Prage vom Agal in jüdisch-arabischen Kreisen nicht

zur Rube gekommen. Kein Geringerer als der grosse Schüler und

Freund Maimüni's , Josef Ibn Aqnln^) wendet sich an seinen

Meister mit der Frage , ob das Leben der Prommen auf dieser

Welt an eine Grenze (Agal) gebunden ist und nicht abgeschnitten

werden kann, so dass die Schicksalsmächte ihm unterworfen sind,

oder ob dieses den Schicksalsmächten unterworfen ist, wenn sie

es treffen , so dass sie es vemichten , wenn man sich nicbt vor

ihnen schützt; (im letzteren Falle) bliebe man nämlich, wenn man

sich nicht in Acht nimmt und sich nicht darauf rüstet, sie ab¬

zuwehren, nicht am Leben, würde aber, so man sich rüstet, ihnen

zu begegnen , eine lange Lebensdauer erreichen , eine längere, als

sie ohne diese Vorsicht und Rüstung einem zu Theil vpürde. Wie

Häja weist auch Maimüni die Lehre vom Agal als unjüdisch

a limine zurück.

1) S. F. F. Frankl, ein matazilitischer Kal&m aus dem 10. Jahrh. p. 19.

2) Steinschneider in Berliner's Magazin XV, 105. Ich versuche

hier eine Diorthose des ohne handschriftliche Vorlage kaum völlig zu heilenden

Textes: niB» flbSD ÜSb'S [IS'IN 1.] a'TlN 1« n-NI npT

bn nb bspi nbno min- -la {\oi^ niinbn (n-B nbsD) intn [ms]

[nra hebr. =t nnn [NiDTNb« 1.] (iNrnb«) iNim Nbs« ns-n

yüNipbsi 5>üpn Nbi n-bN •'nns-' ■)« in nb na Nb bäN ^bN [n](n)riapn

[n](n)?2nym na nbn nN 5t2NipbN [n](n)nnan -^Tt in n'mSn-'

nNnynONb anNn-i jrnn'' ob ■!'nN[i] NniW o-inn- ob 'in [n](n)N''nbN

NnnmNpnb anNm «nb nynoN in -jni N-in Npai nb Nnb yena

ycnni ob ib omn n:ND Nn'a nhDN nnN-n nbNai nNpa üNn

.131 laiyi iNiinbN INI N;n:y biN Nb .aNiibN. nnno-i [■(■Enni 1.]

Bd. XLIX. 6

(10)

82 Kaufmann, Ein Responsum des Gaons R. Häja.

Aber auch das Hauptargument, dessen sich R. Häja zur 'Be¬

kämpfung der Annahme vom Agal bedient, war bereits durch

Sa'adja in die jüdische Religionspbilosopbie eingedrungen. Der

Kanon von der nicht causativen Natur des göttlichen Wissens hat

schon Sa'adja über das Problem hinweggeholfen, dass der Prevler

ja nothgedrungen seinen Prevel begehen müsse , wenn Gott ihn

bereits solle vorhergewusst haben. ^). Ja , R. Häja beruft sieb auf

diese Lösung mit so formelhafter Kürze , als hätte er sie als all¬

gemein bekannt und angenommen voraussetzen können. In der

That hat denn aucb nocb Jehuda Halewi ^) auf denselben Grundsatz

sicb berufen , um die scheinbai' aus dem Vorherwissen Gottes

folgende Aufhebung aller Möglichkeit in der Welt zu widerlegen.

>

1) P. lof: JJüs yS>} i^^^' O'' 'H-^^

L^j^ V-*.*" tUÄ^b vJÜLrsJl jJlc ^Ix: ü.ju» (j«wJ »tXS"

^JLc »J! lcX$ öV^J) ■ »LX..*_*j' ü^ys Sji Uil

p p

öi lijj jJ »•♦J'^J tLyitsSi vi>J'üü c?**-^^^

'xä-üi;»- JJl« ^Lc tLkii^i *jl iXäXxj L*jl^ «.^Ic

L^-j^. Bei Ibn Tibbon IV, 79, Z. 12 ist demnach zu lesen: H-Nl lb l^tt

nm-n nao Nin D-nmn N-.ian nyn-c:, nicht nn, wie selbst

bereits in der ed. pr. steht. Josef Albo , der die sog. zweite Uebersetzung Sa'adja's benutzt (s. Zunz, Ges. Schriften, 3, 232), beruft sich Ililtarim IV, 1 auf diese Stellung in einer Fassung, die einen Einfluss durch Juda Halewi's

Kusari V, 20 verräth: nimm niSTONn nDDS miSO 'l lINJn n:ni

nao n--"i;üDNn nnann -"-an nT-n- vnüj imni 'iyam nbs'i-a

13'au '^s -iNia: bax in-in nao Ninis nnu inyini iinü5 i72a nniNisi:

nN\03 a"yi DniNij:?^ nao [nDiN 1.] a;iN an-iiacNn ni-iann inyini p

n-Nitn; I-n nniNiit?: nao inyini nnin ibxia nni-iüscN sau by

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lim« -jioMsi b"T ymr, l'lan ibs nmnffiBN saa by ninann nNia:

.-iTian 'o bya 2) Kusari ed. H. Hirscbfeld p. 340:

nbb« aby nasi Nbc iisbN "jb'i -jiab Naao iisbxa nbybs oibi

Nna nbyb« oib 'in 'jian Nbi pan n;ann "^b-i yn im nN;iNabb

naiab Naao oib iNa NWa nbybN -jN Nna nsia ib aaobN in iia-o

ed. D. Cassel' V, 20 p. 418:

mma nmbNn nyini nnnn Nbi mmb nao iann nyini ^ini

nini© nna nyinin -jin ia iim Nbai iimia -icniNa nt ny nni

immb nao n::iN nmia nwa nyinm niSNa imma naon Nin

Die Varianten des hebräischen Textes stammen aus meiner alten Handschrift der Uebersetzung Ibn Tibbons.

(11)

Kaufmann, Ein Responsum des Croon» R. Häja. g3 Der Kanon von der durch die Allwissenheit Gottes unberührten

Möglichkeit der Dinge bilft dem Gaon R. Häja aber auch über

eine Schwierigkeit hinweg, die auf dem Boden der Agaltheorie

sich naturgemäss erheben musste. Sollen wir im Sinne des Vorher¬

wissens Gottes annehmen, dass das Opfer einer Mordthat auch ohne

diese zur selben Zeit den Tod gefunden haben würde? Die Lehre

von der Möglichkeit des gewissermassen labilen Wissens in Gott

setzt uns, so antwortet der Gaon, in den Stand, diese Frage ebenso

gut bejahend wie verneinend zu entscheiden ^). Gott allein weiss

es freilich, aber die Möglichkeit müssen aucb wir zugeben, dass

der Ermordete aucb ohne den Mörder zur gleichen Zeit sein Ende

gefunden hätte oder aber, wenn es in Gottes Wissen so vorher¬

gewusst war, im Falle der Nichtermordung weiter gelebt haben

würde. Kann aber, so lautet die Frage weiter^), dasselbe auch

für eine grössere Anzahl von Menschen, die ermordet wurde, be¬

hauptet werden? Wird auch hier die Annahme gestattet sein,

dass sie auch ohne die Mordthat zm- selben Zeit gestorben wären ?

R. Häja antwortet unbedenklich : Ja. Sehen wir doch , dass die

Pest manchmal an einem Orte eine grosse Menge Menschen weg¬

rafft oder, wie der Gaon mit den von Aristoteles in seiner Zufalls -

theorie gewählten Beispielen sagt, ein Gebäude auf eine ganze Zahl

von Leuten stürzt , die unter seinen Trümmern ihr Grab finden,

oder Viele ein Schiff besteigen imd durch einen losbrechenden

Sturm in den WeUen untergehen Diese Möglichkeit des über

einer grossen Zahl von Menschen gleichzeitig schwebenden und ab¬

wendbaren Verhängnisses lehrt sogar die heilige Schrift ausdrücklich

in einigen Beispielen. So , wenn sie von Pineas Auftreten (Num.

25, ll)*) die Beschwörung des göttlichen Zomes und die Rettung

so Vielör ableitet, die sonst mit den Uebrigen den Tod durch die

Pest gefunden haben würden. Oder wenn Aron mit dem Räucher¬

werk (ib. 17, 13) zwischen die Todten und die Lebenden tritt und

der Pest Einhalt gebietet. So gut wie hier also die Opfer der

zum Stillstand gebrachten Seuche ohne diese offenbar hätten weiter

leben können, so kann von dem gewaltsam Getödteten behauptet

werden, dass sie ohne den Mord weiter gelebt haben würden;

ebenso gut kann aber von beiden Pällen angenommen werden, der

1) Die Entsclieidang über die Frage, ob der Gemordete, wenn er nicht ermordet worden wäre, weitergelebt haben würde, lehnt Josef al-Basir am Schlosse seines Muhtawi ansdrüciclich wegen ihrer Unlösbarkeit mit den Worten ab :

iJi^s^ ^IX! Jjaü ^ _^ JyaJt ^^t ^ jiiü LJ ^J«.J JXJ

.«5ÜJ>o ^! ^\ Lü ^^J^j fJ LJ

2) P. 205, Z. 4 mnss statt npnSN gelesen werden: npny[n]i« . 3) Vgl. Maimüni, More III, 17; Guide des Agares ed. S. Münk IU, 130, n.2.

4) Auf dasselbe Beispiel beruft sich auch Sa'adja p. f.f; VI, 102.

6*

(12)

84 KaufnUmn, Ein Responsum des Gaons R. Häja.

Tod hätte die Opfer auch ohne diese gewaltsamen Ursachen zu

gleicher Zeit getroffen.

Auf diesem Punkte schlägt das akademische Interesse dieser

Probleme in ein praktisches über, da sich sofort die Prage erhobt,

wieso dem Mörder die Todesstrafe gebühre, wenn auch ohne seine

Mordthat der Ermordete durch Gottes Veranstaltung im selben

Zeitpunkte den Tod gefiinden haben würde. R. Häja antwortet

natürlich, dass diese Annahme den Mörder nicht entlasten könne.

Obzwar sein Opfer, auch ohne dass er es getroffen und auch ohne

dass er es getödtet , gestorben wäre '), so hat der Mörder darum

doch Etwas gethan, was er nicht thun durfte , imd verdient somit

unbedingt, was über ihn verhängt wird.

Wir gewinnen so auch durch dieses neue Gutachten das Bild,

das wir von dem Gaon R. Häja als einem jüdischen Mutakallim ^)

schon nach seinen sonst bekannten philosophischen Aeusserungen

uns haben bilden müssen. Wie er seine Vorgänger unter seinen

Glaubensgenossen, besonders R. Sa'adja benutzt und Kenntnisse vom

arabiscben Kaläm zeigt, so sind ihm auch Plato ^) und Aristoteles,

soweit diese seinen Zeitgenossen zugängKch waren, nicbt völlig

unbekannt. Er steht dem philosophischen Bildungsinhalte seiner

Zeit nicht fremd gegenüber und erweist sich , je mehr wir von

ihm kennen lernen , als vielseitige und erleuchtete Persönlichkeit,

die in den Bahnen des Gaons Sa'adja gewandelt ist.

Diese Antwort B. Häja's mit ihren gewundenen und ver¬

zweifelten Auskünften zeigt uns aber auch die rettende That in

ihrem vollen Lichte, die Maimüni für das mittelalterliche jüdische

Denken geleistet hat, als er wie mit einem Schwertschlag den un¬

entwirrbaren Knoten zerhieb , zu dem das Problem der Präscienz

sich immer mehr versrickelt hatte. Mit dem erlösenden Worte

von der Transcendenz und blossen Gleichnamigkeit aller göttlichen

Eigenschaften fallen alle Schlüsse und Räthselfi-agen aus imserem

auf Gottes Wissen in Nichts zusammen; , meine Wege sind nicht

eure Wege, spricht der Herr" (Jes. 55, 8 nach More III, 20).

1) p. 206, z. 1: Nn ysp-N DbNübN "^bnb ob ib njN axiibNi

1« p iib-« D-ibD [n]Nnb nbnpi ob nb na« -^byi binpttbua WpiN

ribyc IN nb o-b Nn bsc np pc übersetzt Derenbourg: Nous ripon-

drons: Si mSme Ie meurtrier n'avait pas trouve Toccasion de rencontrer sa victime et bien qu'il füt mort quand mSme il ne l'eüt pas tue, le meurtrier y. s. w.

Diese Uebersetzung erweckt den falscbeu Scbein, als ob der Mörder, auch wenn ihm die Gelegenheit zur Mordthat entzogen worden w&re, die Strafe verdiente, was aber R. Häja gar nicht sagen will.

2) Vgl. M. Schreiner in Frankel-Graetz' Honatsschrift 35, 314ff.

3) Vgl. ni:iN3n mailSn ed. Lyk Nr. 28.

(13)

86

Verbesserungen und Nachträge zu R. Geyer's Aus

b. Hagar.

Von A. Fischer.

Geyer's Buch ist , abgesehen von meiner eigenen Keeension in

den Göttingischen Gelehrten Anzeigen, an zwei Stellen ausführlich

besprochen worden: in den SanHCKH BoCT. Ot^. Hmü. PyCCK.

Apx. 06m., T. VII, 376—85, von B. P. d. h. von Victor

von Bosen, und in dieser Zeitschrift, Bd. XLVII, 323—334, von

J. Barth. Beide Recensenten haben das Verständniss des Aus

positiv gefördert : von Rosen durch eine kleine , aber werthvolle

Collection von Varianten und Nachträgen zu G.'s Materialien,

Barth durch eine lange Reihe scharfsinniger Coirecturen.

Der vorliegende Aufsatz entbält die Unterlagen für die Kritik,

die ich 1. c. an G.'s Buche geübt habe. Pebler, welche Barth

bereits gerügt hat , habe ich begreiflicherweise nicht noeh einmal

zur Sprache gebracht (neun oder zebn Pälle ausgenommen, in denen

ich Barth nicht beizustimmen vermag). Dagegen habe ich die

kritischen Fingerzeige , die von Rosen's Recension enthält — die

Zahl derselben ist, wie bemerkt, nur klein — fast ausnahmslos wieder¬

holt bezw. verwerthet. Icb glaubte mich hierzu aus einem dop¬

pelten Grunde berechtigt : einmal, weil russische Aufsätze der Mehrzahl

der deutschen Arabisten unzugänglich sind ; sodann weil von Rosen

zum Theil nur skizzirt, ohne die Zeichnung im einzelnen auszu¬

führen : er setzt kritische Fragezeichen , zieht Varianten heran, tritt

gelegentlich wohl auch in die Discussion ein , unterlässt es aber

meist, dieselbe zu Ende zu führen. Selbstverständlich habe icb den

Namen des Petersbm-ger Gelehrten regelmässig suo loco citirt.

Herr Professor Socin hat mir mit gewohnter Liebenswürdig¬

keit die Benutzung des Ms. Thorbecke A 33 gestattet (s. diese

Zeitschrift, Bd. XLV, 473, Nr. 46). Herm Professor de Goeje

schulde ich für die Collation verscbiedener Stellen des Isläh al-Mantiq,

Herm Geheimrath Pertsch für Mittheilung einer Notiz aus Ibn

Ginni's Kitäb al-IJasais (Codd. Gotb. A. 186. 187) herzlichen Dank.

j , y o- -o-

Gedicht I, lb .w/^jj vJi/eL»J! ^j^j^^ ijwoiij übersetzt G. :

,und nun ist dir Zainab entflohen mit dem Pfände (d. i. einem

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