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«Die Anweisungen zur Herz- druckmassage sind unbrauchbar»

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Academic year: 2022

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Anfang dieses Jahres haben zwei JAMA-Studien bestätigt, was viele Experten schon lange befürchten: Selbst Re- animationsteams führen die grundlegenden Massnahmen der Herz-Lungen-Wieder- belebung oft nur mangelhaft durch. Die Reanimation muss in wichtigen Punkten ein- facher werden, fordert des- halb Professor Fritz Sterz, Wien. Im Gespräch erläutert er, wie man den Herzstill- stand ohne Überprüfung von Puls und Atmung erkennt und welche Fehler bei der Reani- mation typisch sind.

ARS MEDICI: Herr Prof. Sterz, wie kraftvoll soll man bei der Herzmassage drücken?

Sterz: Die Leitlinien fordern bei der Herzmassage, vier bis fünf Zen- timeter tief zu drücken. Diese An- weisung ist jedoch viel zu theo- retisch und für die Praxis völlig unbrauchbar. Die Empfehlung muss vielmehr heissen: ordentlich hin- eindrücken. Und wenn es dabei nicht knackst, dann wurde norma- lerweise auch nicht tief genug gedrückt. Wer das Herz nur strei- chelt, wird keinen ausreichenden Blutfluss zustande bekommen.

ARS MEDICI: Wo ist der korrekte Druckpunkt?

Sterz:Die Leitlinien verlangen, am Rippenbogen die Sternumspitze aufzusuchen und von dort zwei Querfinger nach oben zu gehen.

Aber auch diese Empfehlung ist für die Praxis viel zu kompliziert.

Viel einfacher und mindestens ge- nauso gut ist der Ratschlag, in Höhe der Brustwarzen auf das Brustbein zu drücken. Bei diesem simplen Vorgehen ist die Gefahr, dass eine Rippe bricht und sich in die Leber oder Milz bohrt, sicherlich nicht grösser als bei der Zwei-Querfinger-Empfehlung. Zumal das potenzielle Risiko in keinem Verhältnis zum möglichen Benefit steht, dass näm- lich mit möglichst einfachen Empfehlun- gen die Qualität der Reanimation zu- nimmt, die Bereitschaft zur Ersten Hilfe steigt und somit möglichst viele Men- schenleben gerettet werden. Lediglich bei Frauen mit grosser Brust muss man sich eventuell mit der Mitte des Brustbeins be- helfen, aber das ist nur in seltenen Fällen erforderlich.

ARS MEDICI: Was sind die typischen Fehler bei der Beatmung?

Sterz:Selbst bei der scheinbar einfachen Beatmung kommt es immer wieder zu Problemen. Wichtig ist, dass ausreichend Luft in die Lungen gelangt. Um das zu überprüfen, muss man während der Atemspende mit einem Auge in Richtung Brustkorb schielen, ob sich dieser hebt.

Tut er das nicht, dann gelangt keine Luft in die Lungen und die Beatmung ist in- effektiv. Typische Fehler sind, dass der Kopf des Patienten nicht korrekt nach hin- ten überstreckt wird oder der Mund bei der Atemspende nicht fest genug aufge- presst wird und Luft entweicht. Zudem

«Die Anweisungen zur Herz-

druckmassage sind unbrauchbar»

Der Internist und Notfallmediziner Fritz Sterz empfiehlt ein vereinfachtes Vorgehen bei der Reanimation

Professor Dr. med. Fritz Sterz, stellvertretender Vorstand der Universitätsklinik für Notfallmedizin in Wien

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muss die Nase des Patienten zugehalten werden, damit die Luft auch tatsächlich in Richtung Luftröhre strömt.

ARS MEDICI: Für grosse Unsicherheit sorgt im Notfall immer wieder die Frage, ob tatsächlich ein Herz-Kreis- lauf- Stillstand vorliegt und reanimiert werden muss.

Sterz: Für diese Frage sind die Leitlinien wenig brauchbar. Die Pulskontrolle ist dafür zum Beispiel nur bedingt tauglich. Denn das Tasten des Pulses ist bei Herz-Kreislauf-Not- fällen nicht nur extrem schwierig, sondern kostet oft auch viel wertvolle Zeit. Selbst Notärzte haben damit häufig Probleme, wie Studien belegen. Und auch die Kontrolle der Atmung kann schnell zu Fehleinschätzungen führen. Nicht selten entpuppt sich eine vermeintliche Atmung als Schnappatmung im Rahmen der Ago- nie. Eine ausreichende Ventilation der Lunge findet dabei jedoch nicht statt. Die fatale Folge ist, dass nicht umgehend mit der Reanimation begonnen wird und die Chancen auf eine erfolgreiche Wieder- belebung sinken. Statt der unsicheren

Überprüfung von Atmung und Puls sollte die praktische Empfehlung daher lauten:

Umgehend mit der Herzdruckmassage zu beginnen, wenn jemand bewusstlos zu- sammenbricht und der Betroffene «wie tot» aussieht.

ARS MEDICI: Wie sieht ein toter Mensch aus?

Sterz:Dieser Zustand lässt sich zwar nur schwer definieren, dennoch wird dies je-

der in einer solchen Situation sofort er- kennen. Fragt man bei einem Herzstill- stand die Angehörigen, wie der Betroffene aussah, als er kollabiert am Boden lag, dann kommt immer die gleiche Antwort:

Der sah aus wie tot. Dieses Bild ist so ein- deutig, dass keine weitere Beschreibung notwendig ist. Und falls sich der Patient gegen die schmerzhafte Herzdruckmas- sage wehren sollte, ist das kein Problem.

Im Gegenteil: Dann liegt auch kein Herz- Kreislauf-Stillstand vor, und eine Reanima- tion ist nicht notwendig. Hinfällig ist da- mit auch die Diskussion, wie man am besten einen Schmerzreiz zur Überprü- fung des Bewusstseins setzt. Und auch für die Beatmung gilt: Kein Mensch, der noch selbst atmet, lässt sich beatmen. Grund- sätzlich sollte man bedenken, dass noch niemand gestorben ist, weil mit der Herz- massage begonnen wurde. Allerdings

sind schon viele Millionen Menschen ge- storben, weil damit nicht begonnen wurde. Die Devise kann daher im Zwei- felsfall nur lauten: Just do it!

Das Interview führte Karl Eberius.

Interessenkonflikte: keine deklariert

Die Überprüfung von Atmung und Puls ist oft unsicher, und man verliert unnötig Zeit

«Die Anweisungen zur Herzdruckmassage sind unbrauchbar»

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