STIMMEN D6RZ6IT
212. B A N D
1994
V E R L A G H E R D E R F R E I B U R G
Herbert Schlägel OP Organtransplantation
Das Thema Organtransplantation beschäftigte die Öffentlichkeit bisher nicht so intensiv wie andere Fragen u m Lebensbeginn u n d Lebensende, z u m Beispiel Abtreibung, In-vitro-Fertilisation oder die durch die Thesen des australischen Philosophen Peter Singer1 erneut angestoßene D i s k u s s i o n u m die Euthanasie.
W i e schwierig es ist, mit der Transplantationsmedizin angemessen umzugehen, zeigen zwei auf den ersten B l i c k unverbundene Faktoren: 1. In der Bundesrepu- blik Deutschland gibt es bis heute noch kein Transplantationsgesetz. A l l e Versu- che seit 1978 sind bisher erfolglos geblieben. Zuletzt haben sich die Verfassungs- k o m m i s s i o n des Deutschen Bundestags u n d die K o n f e r e n z der Gesundheitsmini- ster der Länder mit dieser Thematik beschäftigt. 2. T r o t z zahlreicher Versuche u n d Werbekampagnen, u m Frauen u n d Männer als Organspenderinnen bzw.
-spender z u gewinnen, ist i n der Bevölkerung eine große Zurückhaltung gegen- über dem Organspenderausweis z u spüren. Dies w i r d immer wieder v o m
„Arbeitskreis Organspende" beklagt.
Bei diesen Überlegungen geht es nicht darum, die prinzipielle Z u s t i m m u n g zur Organspende, wie sie auch die vielbeachtete Erklärung der Deutschen Bischofs- konferenz u n d des Rates der Evangelischen K i r c h e i n D e u t s c h l a n d2 z u m A u s - druck gebracht hat, zurückzunehmen. D e n n o c h scheint es wichtig, einige P r o - blempunkte näher i n den B l i c k z u nehmen, nämlich die Feststellung des Todes- zeitpunkts, das G e b o t der Nächstenliebe u n d die F o r m der Z u s t i m m u n g .
D i e Feststellung des Todeszeitpunkts
Bei der Organspende eines Toten ist der entscheidende Ausgangspunkt die Fest- stellung des Todeszeitpunkts. Herkömmlicherweise w u r d e der T o d d u r c h den Ausfall der H e r z - u n d K r e i s l a u f f u n k t i o n konstatiert, die auch d u r c h Wiederbele- bungsversuche nicht wiederhergestellt werden konnte. Für die Angehörigen war der T o d d u r c h die bald danach einsetzende Leichenstarre sichtbar. 1968 w u r d e n v o n den Ärzten der H a r v a r d M e d i c a l School R i c h t l i n i e n z u m H i r n t o d veröffent- l i c h t3. D i e Bundesärztekammer hat 1982 u n d 1986 K r i t e r i e n des H i r n t o d s benannt4. B e i m H i r n t o d handelt es sich u m das irreversible Erlöschen des Gehirns i n seiner Gesamtheit, also des Großhirns u n d des H i r n s t a m m s . Dieses irreversible Erlöschen ist aber nicht wie beim Stillstand des Herzens u n d damit
des Kreislaufs v o n außen sichtbar, sondern nur mit H i l f e des H i r n s t r o m b i l d s , des E E G , das 30 Sekunden nach Stillstand der H i r n d u r c h b l u t u n g aufhört.
N a c h dem Stillstand der H i r n d u r c h b l u t u n g u n d dem Erlöschen der H i r n f u n k - tion kann d u r c h künstliche Beatmung die F u n k t i o n v o n H e r z u n d Kreislauf noch tagelang aufrechterhalten werden. Das damit verbundene P r o b l e m w u r d e einer breiten Öffentlichkeit i m O k t o b e r 1992 bewußt. B e i einer nach U n f a l l hirntoten Frau w u r d e n i n der Erlanger Universitätsklinik die H e r z - u n d Kreislauffunktio- nen aufrechterhalten, u m die Schwangerschaft des i n der 14. Schwangerschafts- woche befindlichen Fetus nicht abzubrechen. D i e Möglichkeit, bei festgestelltem H i r n t o d die H e r z - u n d Kreislauffunktionen aufrechterhalten z u können, ist wesentliche Voraussetzung für die Entnahme v o n Organen. D e r Ausfall, das irreversible Erlöschen des Gehirns w i r d anhand einer Reihe v o n Kriterien festge- stellt u n d muß bei einer in Aussicht genommenen Organtransplantation v o n z w e i Ärzten, die nicht z u m Transplantationsteam gehören, begutachtet werden. D i e Hirntodfeststellung fällt i n die K o m p e t e n z der M e d i z i n . D i e Folgerung, die dar- aus gezogen w i r d , ist entscheidend u n d durchaus nicht einheitlich. D i e gemein- same Erklärung der D B K / E K D stellt fest: „Der H i r n t o d bedeutet ebenso wie der H e r z t o d den T o d des Menschen. M i t dem H i r n t o d fehlt dem Menschen die uner- setzbare u n d nicht wieder z u erlangende körperliche Grundlage für sein geistiges Dasein i n dieser W e l t . "5 D a m i t übernimmt die Erklärung die medizinische H i r n - toddefinition. Eine N u a n c e zurückhaltender formuliert Johannes Reiter: „Nach allem, was w i r heute wissen, darf angenommen werden, daß ein M e n s c h als gan- zer tot ist, w e n n der G e h i r n t o d eingetreten ist." 6
K r i t i s c h mit der Hirntodfeststellung setzt sich der D o r t m u n d e r Sozialethiker Hans G r e w e l auseinander. E r weist darauf hin, daß die Hirntodvereinbarung der Ärzte der H a r v a r d M e d i c a l School v o n A n f a n g an mit dem Interesse der O r g a n - transplantation verbunden war. Das D i l e m m a besteht darin, daß der Sterbende meist den W u n s c h hat, der A r z t möge alle Möglichkeiten der Behandlung aus- schöpfen. V o m Empfänger her besteht das Interesse, möglichst bald ein O r g a n z u bekommen, das heißt den Zeitpunkt, v o n dem ab über den Körper des sterbenden Menschen verfügt werden kann, möglichst früh z u bestimmen. G r e w e l wehrt sich nicht gegen die festgelegten Kriterien zur Feststellung des Gehirntods, aber gegen die Folgerung: „Man sagt nämlich, H i r n t o d sei - als Erlöschen der Gehirntätig- keit eines Menschen - der T o d des Individuums, der T o d der Person, der T o d des Menschen. Das heißt, man unterscheidet zwischen dem biologischen T o d u n d dem eigentlich menschlichen T o d u n d bindet das ,eigentlich* Menschliche an die Aufrechterhaltung der G e h i r n f u n k t i o n . " 7 A u c h w e n n diese Folgerung sehr p o i n - tiert ist, so ist damit ein P r o b l e m angesprochen, nämlich die exklusive Bedeutung der G e h i r n f u n k t i o n einerseits u n d die damit verbundene Frage: Welchen Status hat der Körper eines gehirntoten Menschen, der offenkundig noch kein L e i c h n a m ist? O d e r v o n der anderen Seite her gefragt: Was ist mit einem Menschen, bei dem
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Teile des Gehirns ausgefallen sind, der also nach den Kriterien der Hirntodfest- stellung nicht tot ist, aber, wie es heißt, ein „human vegetable" (P. Singer) ist?
M a n c h e n Ärzten u n d Philosophen erscheint die Hirntodfeststellung und die damit verbundene Gleichsetzung des personalen Todes als z u strikt. H a n s - M a r t i n Sass weist auf Positionen hin, „die das K r i t e r i u m eines irreversiblen Funktions- ausfalls des Großhirns für ausreichend (halten), des Teiles also, i n dem diejenigen Prozesse ablaufen, die w i r mit Bewußtsein, Schmerzempfindlichkeit, Denken, K o m m u n i k a t i o n in Korrelation sehen" 8. Es geht also nicht mehr u m das irrever- sible Erlöschen des Gehirns in seiner Gesamtheit, also des Großhirns und des Hirnstamms, sondern nur u m den Funktionsausfall des Großhirns.
D i e Konsequenzen, die daraus gezogen werden, betreffen s o w o h l den Schutz des E m b r y o s am A n f a n g wie des komatösen Patienten am Ende des Lebens. A u f diese D i s k u s s i o n braucht hier i m einzelnen nicht eingegangen z u werden. Aber w e n n i n anderem Zusammenhang die F o r d e r u n g erhoben w i r d , komatöse Patien- ten, die nicht mehr die Fähigkeit zur K o m m u n i k a t i o n u n d z u m Selbstbewußtsein haben, auf dem Weg der nichtfreiwilligen Euthanasie9 z u töten, dann hat dies auch A u s w i r k u n g e n auf das Verhalten der potentiellen Organspender. Insofern ist es nicht nur wichtig, die Kriterien der Hirntodfeststellung bei der möglichen Organtransplantation exakt einzuhalten, sondern auch i n den unmittelbar benach- barten Gebieten der medizinischen E t h i k . D i e Schutzwürdigkeit des menschli- chen E m b r y o s darf also nicht erst mit dem Entstehen des Großhirns beginnen und seine Schutzwürdigkeit nicht mit dem Absterben des Großhirns enden. A u c h hier ist an der Gesamtheit des Gehirns, also des Großhirns u n d des Hirnstamms, festzuhalten. In der Erklärunng der D B K / E K D heißt es z u dem eben angespro- chenen P r o b e l m : „Dementsprechend kann der Begriff H i r n t o d nicht für noch so schwere Schäden u n d Fehlbildungen (Anenzephalie) mit teilweise erhaltener Hirntätigkeit gelten, ebensowenig für das i m Mutterleib wachsende K i n d , dessen Hirntätigkeit sich erst entwickeln w i r d " 1 0. Im E n t w u r f eines Mustergesetzes der Länder w i r d an der strikten Gehirntodregelung festgehalten1 1.
Welchen moralischen Status der gehirntote M e n s c h hat, ist nicht eindeutig zu beantworten. A u f keinen Fall darf ein unbegrenzter Zugriff auf die Organe ermöglicht werden. Es ist deshalb vorgeschlagen w o r d e n , „den T o d (deskriptiv) als Beginn der Desintegration des O r g a n i s m u s " z u verstehen, u n d damit „die Wertfrage zumindest offen" z u h a l t e n1 2.
Das G e b o t der Nächstenliebe
E i n zweiter Brennpunkt bei der Organtransplantation ist die altruistische Sicht- weise, Leiden anderer Menschen z u lindern. D i e Werbung zur Organspende zielt ganz bewußt auf diesen P u n k t , w e n n es dort z u m Schluß heißt: „Lassen w i r uns
also ansprechen, ja bitten v o n den Tausenden, die lebenswichtige Organe z u m Weiterleben benötigen. D i e Zahl der Organspender muß stark zunehmen, w e n n dieser N o t abgeholfen werden soll! Es ist an uns allen, daß w i r i n Solidarität mit dem K r a n k e n leben." 1 3 V o n „Arbeitskreis Organspende" w i r d auf die langen Wartezeiten hingewiesen. Allerdings w i r d auch i m Gegenzug darauf aufmerksam gemacht, daß mit der steigenden Z a h l der Organspenden die Zahl derer, die auf ein O r g a n warten, ebenfalls gestiegen i s tH.
Wie steht es u m die moralische Verpflichtung, als Organspenderin oder -Spen- der zur Verfügung z u stehen? Ich lasse hierbei die Organspende v o n Lebenden außer acht u n d konzentriere m i c h auf die Organspende v o n Toten. Das Spektrum der M e i n u n g e n ist in der theologisch-ethischen Literatur weit gestreut.
A u f der einen Seite w i r d die M e i n u n g vertreten, daß es zwar keine Rechts- pflicht zur Organspende gibt. „Wohl aber gibt es eine sittliche, eine moralische Pflicht, die uns z u m Dienst am Nächsten ruft." 1 5 D e m n a c h soll jeder C h r i s t einen Organspenderausweis h a b e n1 6. A u f der anderen Seite w i r d betont, „daß auch diejenigen, die aus guten Gründen eine Einwilligung verweigern, aus christ- licher Nächstenliebe u n d Verantwortung handeln" 1 7. Zugleich w i r d konsequen- terweise darauf hingewiesen, in diesem Fall auch auf das O r g a n eines anderen z u verzichten. W i e kann es z u solch unterschiedlichen Folgerungen kommen? D i e Ausgangsüberlegungen sind jeweils unterschiedlich.
A u f der einen Seite werden stärker die Menschen gesehen, für die ein gespende- tes O r g a n lebenswichtig ist. Dies gilt besonders für die Nierentransplantationen.
Das heißt nicht, daß bei den Befürwortern der Organtransplantation die P r o b l e m - punkte - angefangen v o n der Hirntodfeststellung - übersehen würden. A b e r bei der Abwägung der unterschiedlichen Gesichtspunkte überwiegt die Z u s t i m m u n g zur Organspende. Dies gilt auch dann, w e n n die Angehörigen eines Verstorbenen zu einer anderen Auffassung gelangen. „Erst recht scheint m i r v o m sittlichen Standpunkt aus gar kein Zweifel möglich, daß das persönliche Entscheidungsrecht und das Pietätsgefühl der Angehörigen immer dann zurücktreten müssen, w e n n die Lebensrettung eines Menschen bei aktuer Gefahr auf dem Spiele steht." 1 8
A u f der anderen Seite w i r d die Organtransplantation nicht einfach abgelehnt.
„Ich habe uneingeschränkte Hochachtung vor jedem Menschen, der - i m Wissen um die vielschichtige, ungelöste Problematik - für den Fall, daß er eines Tages hirntot darliegt, darin einwilligen kann, daß mit H i l f e seiner Organe andere M e n - schen überleben, weiterleben, besser leben." 1 9
D i e Unterschiede sind: „die Lebensrettung eines Menschen bei aktuer Gefahr"
(F. Böckle) - „andere Menschen überleben, weiterleben, besser leben" ( H . G r e - wel). N a c h A n s i c h t der Skeptiker geht es in vielen Fällen gar nicht u m die Lebensrettung, sondern u m eine Verbesserung der Lebensqualität. Transplanta- tionen v o n Augenhornhaut, Gehörknöchelchen u n d Gewebe dienen nicht der Lebensrettung v o n Menschen, sondern der Verbesserung der Lebensqualität2 0.
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D i e G r e n z e n zwischen Lebensrettung u n d Verbesserung der Lebensqualität wer- den schwierig z u bestimmen sein. A b e r es ist i n der Information über die Organ- transplantation notwendig, sich mit diesen Gegenargumenten intensiv auseinan- derzusetzen. D a m i t verbunden ist auch eine andere Frage: D e r jährliche Bedarf an Spenderorganen i n der Bundesrepublik steigt. W i r d nicht ein falsches Anspruchs- denken gefördert, w e n n nicht zugleich mit der Information u n d W e r b u n g für die Organspende auch der behutsame U m g a n g mit der eigenen Gesundheit angespro- chen w i r d ? Wer stellt den Bedarf fest? U n d könnte nicht bei manch einem eine Änderung des Lebensstils dadurch verhindert werden, daß er bei E r k r a n k u n g eines Organs auf eine Organspende hofft oder gar einen A n s p r u c h auf sie formuliert?
Angesichts dieser Probleme genügt es jedenfalls nicht, wie in der Broschüre des Arbeitskreises Organspende festgestellt, die Transplantation allein als Lebensret- tung eines chronisch schwer kranken Menschen z u k e n n z e i c h n e n2 1. D i e christli- che A u f f o r d e r u n g z u r Nächstenliebe hängt wesentlich v o n den Sachverhaltsfra- gen ab. H i e r sind fortschreitend Klärungen auf die kritischen A n f r a g e n hin not- wendig. Selbstverständlich hängen Organspende u n d Nächstenliebe zusammen.
Eine wichtige Unterscheidung bringt Eberhard Schockenhoff ein: „Die Bereit- schaft zur Organspende entspringt dem Geist der christlichen Nächstenliebe, aber sie ist nur i m analogen Sinn als ein Akt der Nächstenliebe anzusehen.
S o w o h l v o n der Person des Spenders als auch v o m Empfänger her unterscheidet sie sich v o n einem unmittelbaren Liebeserweis, denn der Spender ist z u m Zeit- punkt der Organentnahme bereits tot u n d z u personalen A k t e n nicht mehr fähig;
der Empfänger dagegen bleibt a n o n y m , so daß auch v o n seiner Seite her die A u f - nahme einer personalen Beziehung ausgeschlossen ist." 2 2
Weitere Probleme i n diesem Zusammenhang sind: der Organhandel, der bei uns entschieden v o n allen Beteiligten abgelehnt w i r d , die Finanzierung bei stei- gendem Bedarf u n d schließlich auch die Organspende v o n Lebenden. Auffallend ist, daß der Katechismus der katholischen K i r c h e die Frage der Organspende knapp u n d das T h e m a Nächstenliebe sehr zurückhaltend betrachtet: „Die Organ- verpflanzung entspricht (hingegen) dem sittlichen Gesetz u n d kann sogar ver- dienstvoll sein, w e n n die physischen u n d psychischen Gefahren u n d Risiken, die der Spender eingeht, dem N u t z e n , der beim Empfänger z u erwarten ist, entspre- chen" ( N r . 2296).
D i e F o r m der Z u s t i m m u n g
Bei diesem P u n k t unterscheiden sich nicht nur die Gesetzgebungen i n den einzel- nen Ländern, sondern auch i n der ethischen Beurteilung tauchen unterschiedliche A k z e n t e auf. Gemeinsam ist, soweit ich sehe, allen Vorschlägen, daß bei keinem Toten ein O r g a n entnommen werden darf, w e n n dieser sich z u Lebzeiten dagegen
ausgesprochen hat. Dies ist auf jeden Fall z u respektieren. In der D i s k u s s i o n sind drei M o d e l l e : das Zustimmungs-, das Informations- u n d das Widerspruchsmodell.
Das Widerspruchsmodell findet i n Österreich u n d Belgien A n w e n d u n g . Es sieht vor, daß bei Verstorbenen i m Sinn des skizzierten Hirntodverständnisses einzelne Organe oder Organteile entnommen werden dürfen, wenn nicht eine gegenteilige Erklärung des Verstorbenen oder dessen gesetzlichen Vertreters v o r - liegt. E i n entscheidendes D e f i z i t ist: „Eine gesetzliche Verpflichtung, den Patien- ten oder seinen gesetzlichen Vertreter über sein/dessen Widerspruchsrecht z u informieren, ist i n Osterreich nicht gegeben u n d i m Regelfall wegen der N i c h t a n - sprechbarkeit des präsumptiven Spenders gar nicht m ö g l i c h . "2 3 D a s Zustim- mungsmodell setzt voraus, daß der Verstorbene z u Lebzeiten b z w . seine Angehö- rigen nach dem T o d ihre Z u s t i m m u n g z u r Organentnahme gegeben haben. D a s Informationsmodell w i r d derzeit i m B l i c k auf ein mögliches Transplantationsge- setz i n Deutschland diskutiert. Es sieht vor, daß die Entnahme v o n Organen eines Verstorbenen erlaubt ist, wenn die Angehörigen über ihr Widerspruchsrecht v o n den Ärzten informiert w o r d e n sind u n d bis z u einem vereinbarten Zeitpunkt nicht einer Entnahme v o n Organen widersprochen h a b e n2 4.
D i e ethischen Stellungsnahmen fallen unterschiedlich aus, wobei das W i d e r - spruchsmodell wegen des genannten Defizits nicht näher i n Betracht k o m m t . I m Katechismus der katholischen K i r c h e heißt es: „Organverpflanzung ist sittlich unannehmbar, w e n n der Spender oder die für i h n verantwortlichen nicht i m v o l - len Wissen ihre Z u s t i m m u n g gegeben haben" ( N r . 2296). A u c h Klaus D e m m e r hält fest: „Zur unabdingbaren Voraussetzung eines solchen Eingriffs - darauf hat man immer aufmerksam gemacht - gehört der freie u n d voll informierte K o n - sens."2 5 D i e gemeinsame Erklärung der D B K / E K D spricht sich ebenfalls für eine Zustimmungslösung aus, hält aber auch die Informationslösung für möglich,
„daß eine Organentnahme zulässig ist, w e n n die Angehörigen eines Verstorbe- nen, der sich nicht z u r Organspende geäußert hat, über die beabsichtigte O r g a n - entnahme informiert werden u n d diesem Eingriff nicht widersprechen" 2 6. E s ist selbstverständlich, daß diejenigen, die der Transplantationsmedizin skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen, neben der Widerspruchslösung auch das Informati- onsmodell ablehnen.
Ethisch überzeugend ist besonders das Zustimmungsmodell. Bei einer solch wichtigen Entscheidung ist das Einverständnis der Betroffenen einzuholen. Z w e i Gegenargumente werden hier besonders angeführt: D i e Z a h l der Spenderwilligen sei bei dieser Lösung z u gering, u n d viele scheuten sich, eine Z u s t i m m u n g z u r Organspende z u geben, weil sie sich zuvor intensiv mit ihrem eigenen T o d aus- einandersetzen müßten.
Beide Argumente hängen eng zusammen. D i e Zahl der Spendewilligen w i r d nur steigen, w e n n mit der zuverlässigen Information über die N o t w e n d i g k e i t der Organspende eine intensive Auseinandersetzung mit den Einwänden u n d Gegen-
argumenten stattfindet. D e n n es kann nicht übersehen werden, daß ernst z u neh- mende Stimmen sich mehren, die die Transplantationsmedizin insgesamt kritisch in Frage stellen2 7. Weiterhin wäre z u fragen, ob es für den einzelnen nicht zumut- bar ist, sich z u Lebzeiten z u äußern, o b er einer Organspende zustimmt oder nicht. E s ist richtig, daß keiner z u einer solchen Spende gezwungen werden darf.
A b e r i n einem Gemeinwesen, i n dem keiner isoliert existiert u n d , wie das G r u n d - gesetz ausweist, i n vielfältigen sozialen u n d rechtlich relevanten Bezügen lebt, kann der Staat verlangen, daß jede u n d jeder sich z u dieser Frage eine Meinung bildet u n d sich entsprechend äußert. W i e dies geschehen könnte, ist eine andere Frage. In der D i s k u s s i o n ist unter anderem ein entsprechender H i n w e i s i m Perso- nalausweis b z w . eine entsprechende Information, die bei einem A n t r a g auf einen neuen Personalausweis dokumentiert w i r d2 8. Selbstverständlich müßte auch die Möglichkeit bestehen, die eigene Auffassung z u revidieren. Ethisch ist jeder damit herausgefordert, sich mit seiner Endlichkeit u n d seinem T o d auseinanderzuset- zen. Diese Vorgehensweise ist besser, als nach dem plötzlichen T o d eines M e n - schen seine Angehörigen z u befragen, zumal wieder neu geklärt werden müßte, wer dann gehört u n d wie bei unterschiedlichen Auffassungen z u verfahren sei.
A N M E R K U N G E N
1 P. Singer, Praktische Ethik (Stuttgart 1984, 1990). 2 Organtransplantationen (Bonn, Hannover 1990).
3 R. A. Frowein, B. Forster in: Lex. Medizin Ethik Recht (1989) 1187 f.
4 Bundesärztekammer, Kriterien des Hirntodes, in: Dt. Ärztebl. 79 (1982) 45-55; 83 (1986) 2940-2946.
5 A . a . O . 18.
6 J. Reiter, Organspende u. Organtransplantation. Psychol. u. theol. Aspekte, in dieser Zschr. 210 (1992) 226.
7 H . Grewel, Gratwanderungen d. Transplantationsmedizin, in: PTh 81 (1992) 393 f.
8 H . - M . Sass, Hirntod u. Hirnleben, in: Medizin u. Ethik, hrsg. v. dems. (Stuttgart 1989) 165.
9 Singer 177-190. 1 0 A . a . O . 17. 1 1 Hamburg 1993.
1 2 W. Wolbert, Ein Recht auf d. Leib d. anderen? Zu einigen Fragen d. Organtranspl., in dieser Zschr. 209 (1991) 342.
1 3 Zit. n.: Lebensrettung für viele Menschen durch Organtranspl., hrsg. v. Med. ref. d. Diöz. Würzburg.
1 4 G. Wuttke, Körperkolonie Mensch. Über d. Mangel, d. Nächstenliebe u. d. Tod. Eine krit. Bestandsaufnahme, in:
Krit. Ansichten z. Transpia. med., hrsg. v. R. Greinert, G. Wuttke (Göttingen 1991) 9-34.
1 5 F. Böckle, Eth. Probleme d. Organtranspl., in: ArztChr 35 (1989) 157.
1 6 J. G. Ziegler, in: E K L 3 (31992) 928-930. 1 7 Grewel 406.
1 8 Böckle 115. 1 9 Grewel 406. 2 0 Ebd. 395.
2 1 Arbeitskr. Organspende, Organsp. bewahrt Leben. Antworten auf Fragen (Neu-Isenburg n1992) 10.
2 2 E. Schockenhoff, Ethik d. Lebens. Ein theol. Grundriß (Mainz 1993) 259.
2 3 R. Margreiter, Die Widerspruchslösung zur Regelung v. Organentnahmen in Österreich aus d. Sicht eines Transpl.-Chirurgen, in: Ethik in d. Med. 4 (1992) 189.
2 4 E. Nagel, R. Pichlmayr, Transpl.gesetzgebung: Inf.lösung als sinnvoller Kompromiß?, ebd. 195-198.
2 5 K. Demmer, Leben in Menschenhand. Grundlagen d. bioeth. Gesprächs (Freiburg 1987) 130.
2 6 A . a . O . 20
2 7 U. Eibach, Unmenschl. Medizin. Der techn. Fortschritt gefährdet die Menschenwürde, in: E K 26 (1993) 536.
2 8 H K 46 (1992) 446-448.