• Keine Ergebnisse gefunden

D6RZ6IT STIMMEN

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "D6RZ6IT STIMMEN"

Copied!
9
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

STIMMEN D6RZ6IT

212. B A N D

1994

V E R L A G H E R D E R F R E I B U R G

(2)
(3)

Herbert Schlägel OP Organtransplantation

Das Thema Organtransplantation beschäftigte die Öffentlichkeit bisher nicht so intensiv wie andere Fragen u m Lebensbeginn u n d Lebensende, z u m Beispiel Abtreibung, In-vitro-Fertilisation oder die durch die Thesen des australischen Philosophen Peter Singer1 erneut angestoßene D i s k u s s i o n u m die Euthanasie.

W i e schwierig es ist, mit der Transplantationsmedizin angemessen umzugehen, zeigen zwei auf den ersten B l i c k unverbundene Faktoren: 1. In der Bundesrepu- blik Deutschland gibt es bis heute noch kein Transplantationsgesetz. A l l e Versu- che seit 1978 sind bisher erfolglos geblieben. Zuletzt haben sich die Verfassungs- k o m m i s s i o n des Deutschen Bundestags u n d die K o n f e r e n z der Gesundheitsmini- ster der Länder mit dieser Thematik beschäftigt. 2. T r o t z zahlreicher Versuche u n d Werbekampagnen, u m Frauen u n d Männer als Organspenderinnen bzw.

-spender z u gewinnen, ist i n der Bevölkerung eine große Zurückhaltung gegen- über dem Organspenderausweis z u spüren. Dies w i r d immer wieder v o m

„Arbeitskreis Organspende" beklagt.

Bei diesen Überlegungen geht es nicht darum, die prinzipielle Z u s t i m m u n g zur Organspende, wie sie auch die vielbeachtete Erklärung der Deutschen Bischofs- konferenz u n d des Rates der Evangelischen K i r c h e i n D e u t s c h l a n d2 z u m A u s - druck gebracht hat, zurückzunehmen. D e n n o c h scheint es wichtig, einige P r o - blempunkte näher i n den B l i c k z u nehmen, nämlich die Feststellung des Todes- zeitpunkts, das G e b o t der Nächstenliebe u n d die F o r m der Z u s t i m m u n g .

D i e Feststellung des Todeszeitpunkts

Bei der Organspende eines Toten ist der entscheidende Ausgangspunkt die Fest- stellung des Todeszeitpunkts. Herkömmlicherweise w u r d e der T o d d u r c h den Ausfall der H e r z - u n d K r e i s l a u f f u n k t i o n konstatiert, die auch d u r c h Wiederbele- bungsversuche nicht wiederhergestellt werden konnte. Für die Angehörigen war der T o d d u r c h die bald danach einsetzende Leichenstarre sichtbar. 1968 w u r d e n v o n den Ärzten der H a r v a r d M e d i c a l School R i c h t l i n i e n z u m H i r n t o d veröffent- l i c h t3. D i e Bundesärztekammer hat 1982 u n d 1986 K r i t e r i e n des H i r n t o d s benannt4. B e i m H i r n t o d handelt es sich u m das irreversible Erlöschen des Gehirns i n seiner Gesamtheit, also des Großhirns u n d des H i r n s t a m m s . Dieses irreversible Erlöschen ist aber nicht wie beim Stillstand des Herzens u n d damit

(4)

des Kreislaufs v o n außen sichtbar, sondern nur mit H i l f e des H i r n s t r o m b i l d s , des E E G , das 30 Sekunden nach Stillstand der H i r n d u r c h b l u t u n g aufhört.

N a c h dem Stillstand der H i r n d u r c h b l u t u n g u n d dem Erlöschen der H i r n f u n k - tion kann d u r c h künstliche Beatmung die F u n k t i o n v o n H e r z u n d Kreislauf noch tagelang aufrechterhalten werden. Das damit verbundene P r o b l e m w u r d e einer breiten Öffentlichkeit i m O k t o b e r 1992 bewußt. B e i einer nach U n f a l l hirntoten Frau w u r d e n i n der Erlanger Universitätsklinik die H e r z - u n d Kreislauffunktio- nen aufrechterhalten, u m die Schwangerschaft des i n der 14. Schwangerschafts- woche befindlichen Fetus nicht abzubrechen. D i e Möglichkeit, bei festgestelltem H i r n t o d die H e r z - u n d Kreislauffunktionen aufrechterhalten z u können, ist wesentliche Voraussetzung für die Entnahme v o n Organen. D e r Ausfall, das irreversible Erlöschen des Gehirns w i r d anhand einer Reihe v o n Kriterien festge- stellt u n d muß bei einer in Aussicht genommenen Organtransplantation v o n z w e i Ärzten, die nicht z u m Transplantationsteam gehören, begutachtet werden. D i e Hirntodfeststellung fällt i n die K o m p e t e n z der M e d i z i n . D i e Folgerung, die dar- aus gezogen w i r d , ist entscheidend u n d durchaus nicht einheitlich. D i e gemein- same Erklärung der D B K / E K D stellt fest: „Der H i r n t o d bedeutet ebenso wie der H e r z t o d den T o d des Menschen. M i t dem H i r n t o d fehlt dem Menschen die uner- setzbare u n d nicht wieder z u erlangende körperliche Grundlage für sein geistiges Dasein i n dieser W e l t . "5 D a m i t übernimmt die Erklärung die medizinische H i r n - toddefinition. Eine N u a n c e zurückhaltender formuliert Johannes Reiter: „Nach allem, was w i r heute wissen, darf angenommen werden, daß ein M e n s c h als gan- zer tot ist, w e n n der G e h i r n t o d eingetreten ist." 6

K r i t i s c h mit der Hirntodfeststellung setzt sich der D o r t m u n d e r Sozialethiker Hans G r e w e l auseinander. E r weist darauf hin, daß die Hirntodvereinbarung der Ärzte der H a r v a r d M e d i c a l School v o n A n f a n g an mit dem Interesse der O r g a n - transplantation verbunden war. Das D i l e m m a besteht darin, daß der Sterbende meist den W u n s c h hat, der A r z t möge alle Möglichkeiten der Behandlung aus- schöpfen. V o m Empfänger her besteht das Interesse, möglichst bald ein O r g a n z u bekommen, das heißt den Zeitpunkt, v o n dem ab über den Körper des sterbenden Menschen verfügt werden kann, möglichst früh z u bestimmen. G r e w e l wehrt sich nicht gegen die festgelegten Kriterien zur Feststellung des Gehirntods, aber gegen die Folgerung: „Man sagt nämlich, H i r n t o d sei - als Erlöschen der Gehirntätig- keit eines Menschen - der T o d des Individuums, der T o d der Person, der T o d des Menschen. Das heißt, man unterscheidet zwischen dem biologischen T o d u n d dem eigentlich menschlichen T o d u n d bindet das ,eigentlich* Menschliche an die Aufrechterhaltung der G e h i r n f u n k t i o n . " 7 A u c h w e n n diese Folgerung sehr p o i n - tiert ist, so ist damit ein P r o b l e m angesprochen, nämlich die exklusive Bedeutung der G e h i r n f u n k t i o n einerseits u n d die damit verbundene Frage: Welchen Status hat der Körper eines gehirntoten Menschen, der offenkundig noch kein L e i c h n a m ist? O d e r v o n der anderen Seite her gefragt: Was ist mit einem Menschen, bei dem

27 Stimmen 212, 6 377

(5)

Teile des Gehirns ausgefallen sind, der also nach den Kriterien der Hirntodfest- stellung nicht tot ist, aber, wie es heißt, ein „human vegetable" (P. Singer) ist?

M a n c h e n Ärzten u n d Philosophen erscheint die Hirntodfeststellung und die damit verbundene Gleichsetzung des personalen Todes als z u strikt. H a n s - M a r t i n Sass weist auf Positionen hin, „die das K r i t e r i u m eines irreversiblen Funktions- ausfalls des Großhirns für ausreichend (halten), des Teiles also, i n dem diejenigen Prozesse ablaufen, die w i r mit Bewußtsein, Schmerzempfindlichkeit, Denken, K o m m u n i k a t i o n in Korrelation sehen" 8. Es geht also nicht mehr u m das irrever- sible Erlöschen des Gehirns in seiner Gesamtheit, also des Großhirns und des Hirnstamms, sondern nur u m den Funktionsausfall des Großhirns.

D i e Konsequenzen, die daraus gezogen werden, betreffen s o w o h l den Schutz des E m b r y o s am A n f a n g wie des komatösen Patienten am Ende des Lebens. A u f diese D i s k u s s i o n braucht hier i m einzelnen nicht eingegangen z u werden. Aber w e n n i n anderem Zusammenhang die F o r d e r u n g erhoben w i r d , komatöse Patien- ten, die nicht mehr die Fähigkeit zur K o m m u n i k a t i o n u n d z u m Selbstbewußtsein haben, auf dem Weg der nichtfreiwilligen Euthanasie9 z u töten, dann hat dies auch A u s w i r k u n g e n auf das Verhalten der potentiellen Organspender. Insofern ist es nicht nur wichtig, die Kriterien der Hirntodfeststellung bei der möglichen Organtransplantation exakt einzuhalten, sondern auch i n den unmittelbar benach- barten Gebieten der medizinischen E t h i k . D i e Schutzwürdigkeit des menschli- chen E m b r y o s darf also nicht erst mit dem Entstehen des Großhirns beginnen und seine Schutzwürdigkeit nicht mit dem Absterben des Großhirns enden. A u c h hier ist an der Gesamtheit des Gehirns, also des Großhirns u n d des Hirnstamms, festzuhalten. In der Erklärunng der D B K / E K D heißt es z u dem eben angespro- chenen P r o b e l m : „Dementsprechend kann der Begriff H i r n t o d nicht für noch so schwere Schäden u n d Fehlbildungen (Anenzephalie) mit teilweise erhaltener Hirntätigkeit gelten, ebensowenig für das i m Mutterleib wachsende K i n d , dessen Hirntätigkeit sich erst entwickeln w i r d " 1 0. Im E n t w u r f eines Mustergesetzes der Länder w i r d an der strikten Gehirntodregelung festgehalten1 1.

Welchen moralischen Status der gehirntote M e n s c h hat, ist nicht eindeutig zu beantworten. A u f keinen Fall darf ein unbegrenzter Zugriff auf die Organe ermöglicht werden. Es ist deshalb vorgeschlagen w o r d e n , „den T o d (deskriptiv) als Beginn der Desintegration des O r g a n i s m u s " z u verstehen, u n d damit „die Wertfrage zumindest offen" z u h a l t e n1 2.

Das G e b o t der Nächstenliebe

E i n zweiter Brennpunkt bei der Organtransplantation ist die altruistische Sicht- weise, Leiden anderer Menschen z u lindern. D i e Werbung zur Organspende zielt ganz bewußt auf diesen P u n k t , w e n n es dort z u m Schluß heißt: „Lassen w i r uns

(6)

also ansprechen, ja bitten v o n den Tausenden, die lebenswichtige Organe z u m Weiterleben benötigen. D i e Zahl der Organspender muß stark zunehmen, w e n n dieser N o t abgeholfen werden soll! Es ist an uns allen, daß w i r i n Solidarität mit dem K r a n k e n leben." 1 3 V o n „Arbeitskreis Organspende" w i r d auf die langen Wartezeiten hingewiesen. Allerdings w i r d auch i m Gegenzug darauf aufmerksam gemacht, daß mit der steigenden Z a h l der Organspenden die Zahl derer, die auf ein O r g a n warten, ebenfalls gestiegen i s tH.

Wie steht es u m die moralische Verpflichtung, als Organspenderin oder -Spen- der zur Verfügung z u stehen? Ich lasse hierbei die Organspende v o n Lebenden außer acht u n d konzentriere m i c h auf die Organspende v o n Toten. Das Spektrum der M e i n u n g e n ist in der theologisch-ethischen Literatur weit gestreut.

A u f der einen Seite w i r d die M e i n u n g vertreten, daß es zwar keine Rechts- pflicht zur Organspende gibt. „Wohl aber gibt es eine sittliche, eine moralische Pflicht, die uns z u m Dienst am Nächsten ruft." 1 5 D e m n a c h soll jeder C h r i s t einen Organspenderausweis h a b e n1 6. A u f der anderen Seite w i r d betont, „daß auch diejenigen, die aus guten Gründen eine Einwilligung verweigern, aus christ- licher Nächstenliebe u n d Verantwortung handeln" 1 7. Zugleich w i r d konsequen- terweise darauf hingewiesen, in diesem Fall auch auf das O r g a n eines anderen z u verzichten. W i e kann es z u solch unterschiedlichen Folgerungen kommen? D i e Ausgangsüberlegungen sind jeweils unterschiedlich.

A u f der einen Seite werden stärker die Menschen gesehen, für die ein gespende- tes O r g a n lebenswichtig ist. Dies gilt besonders für die Nierentransplantationen.

Das heißt nicht, daß bei den Befürwortern der Organtransplantation die P r o b l e m - punkte - angefangen v o n der Hirntodfeststellung - übersehen würden. A b e r bei der Abwägung der unterschiedlichen Gesichtspunkte überwiegt die Z u s t i m m u n g zur Organspende. Dies gilt auch dann, w e n n die Angehörigen eines Verstorbenen zu einer anderen Auffassung gelangen. „Erst recht scheint m i r v o m sittlichen Standpunkt aus gar kein Zweifel möglich, daß das persönliche Entscheidungsrecht und das Pietätsgefühl der Angehörigen immer dann zurücktreten müssen, w e n n die Lebensrettung eines Menschen bei aktuer Gefahr auf dem Spiele steht." 1 8

A u f der anderen Seite w i r d die Organtransplantation nicht einfach abgelehnt.

„Ich habe uneingeschränkte Hochachtung vor jedem Menschen, der - i m Wissen um die vielschichtige, ungelöste Problematik - für den Fall, daß er eines Tages hirntot darliegt, darin einwilligen kann, daß mit H i l f e seiner Organe andere M e n - schen überleben, weiterleben, besser leben." 1 9

D i e Unterschiede sind: „die Lebensrettung eines Menschen bei aktuer Gefahr"

(F. Böckle) - „andere Menschen überleben, weiterleben, besser leben" ( H . G r e - wel). N a c h A n s i c h t der Skeptiker geht es in vielen Fällen gar nicht u m die Lebensrettung, sondern u m eine Verbesserung der Lebensqualität. Transplanta- tionen v o n Augenhornhaut, Gehörknöchelchen u n d Gewebe dienen nicht der Lebensrettung v o n Menschen, sondern der Verbesserung der Lebensqualität2 0.

27* 379

(7)

D i e G r e n z e n zwischen Lebensrettung u n d Verbesserung der Lebensqualität wer- den schwierig z u bestimmen sein. A b e r es ist i n der Information über die Organ- transplantation notwendig, sich mit diesen Gegenargumenten intensiv auseinan- derzusetzen. D a m i t verbunden ist auch eine andere Frage: D e r jährliche Bedarf an Spenderorganen i n der Bundesrepublik steigt. W i r d nicht ein falsches Anspruchs- denken gefördert, w e n n nicht zugleich mit der Information u n d W e r b u n g für die Organspende auch der behutsame U m g a n g mit der eigenen Gesundheit angespro- chen w i r d ? Wer stellt den Bedarf fest? U n d könnte nicht bei manch einem eine Änderung des Lebensstils dadurch verhindert werden, daß er bei E r k r a n k u n g eines Organs auf eine Organspende hofft oder gar einen A n s p r u c h auf sie formuliert?

Angesichts dieser Probleme genügt es jedenfalls nicht, wie in der Broschüre des Arbeitskreises Organspende festgestellt, die Transplantation allein als Lebensret- tung eines chronisch schwer kranken Menschen z u k e n n z e i c h n e n2 1. D i e christli- che A u f f o r d e r u n g z u r Nächstenliebe hängt wesentlich v o n den Sachverhaltsfra- gen ab. H i e r sind fortschreitend Klärungen auf die kritischen A n f r a g e n hin not- wendig. Selbstverständlich hängen Organspende u n d Nächstenliebe zusammen.

Eine wichtige Unterscheidung bringt Eberhard Schockenhoff ein: „Die Bereit- schaft zur Organspende entspringt dem Geist der christlichen Nächstenliebe, aber sie ist nur i m analogen Sinn als ein Akt der Nächstenliebe anzusehen.

S o w o h l v o n der Person des Spenders als auch v o m Empfänger her unterscheidet sie sich v o n einem unmittelbaren Liebeserweis, denn der Spender ist z u m Zeit- punkt der Organentnahme bereits tot u n d z u personalen A k t e n nicht mehr fähig;

der Empfänger dagegen bleibt a n o n y m , so daß auch v o n seiner Seite her die A u f - nahme einer personalen Beziehung ausgeschlossen ist." 2 2

Weitere Probleme i n diesem Zusammenhang sind: der Organhandel, der bei uns entschieden v o n allen Beteiligten abgelehnt w i r d , die Finanzierung bei stei- gendem Bedarf u n d schließlich auch die Organspende v o n Lebenden. Auffallend ist, daß der Katechismus der katholischen K i r c h e die Frage der Organspende knapp u n d das T h e m a Nächstenliebe sehr zurückhaltend betrachtet: „Die Organ- verpflanzung entspricht (hingegen) dem sittlichen Gesetz u n d kann sogar ver- dienstvoll sein, w e n n die physischen u n d psychischen Gefahren u n d Risiken, die der Spender eingeht, dem N u t z e n , der beim Empfänger z u erwarten ist, entspre- chen" ( N r . 2296).

D i e F o r m der Z u s t i m m u n g

Bei diesem P u n k t unterscheiden sich nicht nur die Gesetzgebungen i n den einzel- nen Ländern, sondern auch i n der ethischen Beurteilung tauchen unterschiedliche A k z e n t e auf. Gemeinsam ist, soweit ich sehe, allen Vorschlägen, daß bei keinem Toten ein O r g a n entnommen werden darf, w e n n dieser sich z u Lebzeiten dagegen

(8)

ausgesprochen hat. Dies ist auf jeden Fall z u respektieren. In der D i s k u s s i o n sind drei M o d e l l e : das Zustimmungs-, das Informations- u n d das Widerspruchsmodell.

Das Widerspruchsmodell findet i n Österreich u n d Belgien A n w e n d u n g . Es sieht vor, daß bei Verstorbenen i m Sinn des skizzierten Hirntodverständnisses einzelne Organe oder Organteile entnommen werden dürfen, wenn nicht eine gegenteilige Erklärung des Verstorbenen oder dessen gesetzlichen Vertreters v o r - liegt. E i n entscheidendes D e f i z i t ist: „Eine gesetzliche Verpflichtung, den Patien- ten oder seinen gesetzlichen Vertreter über sein/dessen Widerspruchsrecht z u informieren, ist i n Osterreich nicht gegeben u n d i m Regelfall wegen der N i c h t a n - sprechbarkeit des präsumptiven Spenders gar nicht m ö g l i c h . "2 3 D a s Zustim- mungsmodell setzt voraus, daß der Verstorbene z u Lebzeiten b z w . seine Angehö- rigen nach dem T o d ihre Z u s t i m m u n g z u r Organentnahme gegeben haben. D a s Informationsmodell w i r d derzeit i m B l i c k auf ein mögliches Transplantationsge- setz i n Deutschland diskutiert. Es sieht vor, daß die Entnahme v o n Organen eines Verstorbenen erlaubt ist, wenn die Angehörigen über ihr Widerspruchsrecht v o n den Ärzten informiert w o r d e n sind u n d bis z u einem vereinbarten Zeitpunkt nicht einer Entnahme v o n Organen widersprochen h a b e n2 4.

D i e ethischen Stellungsnahmen fallen unterschiedlich aus, wobei das W i d e r - spruchsmodell wegen des genannten Defizits nicht näher i n Betracht k o m m t . I m Katechismus der katholischen K i r c h e heißt es: „Organverpflanzung ist sittlich unannehmbar, w e n n der Spender oder die für i h n verantwortlichen nicht i m v o l - len Wissen ihre Z u s t i m m u n g gegeben haben" ( N r . 2296). A u c h Klaus D e m m e r hält fest: „Zur unabdingbaren Voraussetzung eines solchen Eingriffs - darauf hat man immer aufmerksam gemacht - gehört der freie u n d voll informierte K o n - sens."2 5 D i e gemeinsame Erklärung der D B K / E K D spricht sich ebenfalls für eine Zustimmungslösung aus, hält aber auch die Informationslösung für möglich,

„daß eine Organentnahme zulässig ist, w e n n die Angehörigen eines Verstorbe- nen, der sich nicht z u r Organspende geäußert hat, über die beabsichtigte O r g a n - entnahme informiert werden u n d diesem Eingriff nicht widersprechen" 2 6. E s ist selbstverständlich, daß diejenigen, die der Transplantationsmedizin skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen, neben der Widerspruchslösung auch das Informati- onsmodell ablehnen.

Ethisch überzeugend ist besonders das Zustimmungsmodell. Bei einer solch wichtigen Entscheidung ist das Einverständnis der Betroffenen einzuholen. Z w e i Gegenargumente werden hier besonders angeführt: D i e Z a h l der Spenderwilligen sei bei dieser Lösung z u gering, u n d viele scheuten sich, eine Z u s t i m m u n g z u r Organspende z u geben, weil sie sich zuvor intensiv mit ihrem eigenen T o d aus- einandersetzen müßten.

Beide Argumente hängen eng zusammen. D i e Zahl der Spendewilligen w i r d nur steigen, w e n n mit der zuverlässigen Information über die N o t w e n d i g k e i t der Organspende eine intensive Auseinandersetzung mit den Einwänden u n d Gegen-

(9)

argumenten stattfindet. D e n n es kann nicht übersehen werden, daß ernst z u neh- mende Stimmen sich mehren, die die Transplantationsmedizin insgesamt kritisch in Frage stellen2 7. Weiterhin wäre z u fragen, ob es für den einzelnen nicht zumut- bar ist, sich z u Lebzeiten z u äußern, o b er einer Organspende zustimmt oder nicht. E s ist richtig, daß keiner z u einer solchen Spende gezwungen werden darf.

A b e r i n einem Gemeinwesen, i n dem keiner isoliert existiert u n d , wie das G r u n d - gesetz ausweist, i n vielfältigen sozialen u n d rechtlich relevanten Bezügen lebt, kann der Staat verlangen, daß jede u n d jeder sich z u dieser Frage eine Meinung bildet u n d sich entsprechend äußert. W i e dies geschehen könnte, ist eine andere Frage. In der D i s k u s s i o n ist unter anderem ein entsprechender H i n w e i s i m Perso- nalausweis b z w . eine entsprechende Information, die bei einem A n t r a g auf einen neuen Personalausweis dokumentiert w i r d2 8. Selbstverständlich müßte auch die Möglichkeit bestehen, die eigene Auffassung z u revidieren. Ethisch ist jeder damit herausgefordert, sich mit seiner Endlichkeit u n d seinem T o d auseinanderzuset- zen. Diese Vorgehensweise ist besser, als nach dem plötzlichen T o d eines M e n - schen seine Angehörigen z u befragen, zumal wieder neu geklärt werden müßte, wer dann gehört u n d wie bei unterschiedlichen Auffassungen z u verfahren sei.

A N M E R K U N G E N

1 P. Singer, Praktische Ethik (Stuttgart 1984, 1990). 2 Organtransplantationen (Bonn, Hannover 1990).

3 R. A. Frowein, B. Forster in: Lex. Medizin Ethik Recht (1989) 1187 f.

4 Bundesärztekammer, Kriterien des Hirntodes, in: Dt. Ärztebl. 79 (1982) 45-55; 83 (1986) 2940-2946.

5 A . a . O . 18.

6 J. Reiter, Organspende u. Organtransplantation. Psychol. u. theol. Aspekte, in dieser Zschr. 210 (1992) 226.

7 H . Grewel, Gratwanderungen d. Transplantationsmedizin, in: PTh 81 (1992) 393 f.

8 H . - M . Sass, Hirntod u. Hirnleben, in: Medizin u. Ethik, hrsg. v. dems. (Stuttgart 1989) 165.

9 Singer 177-190. 1 0 A . a . O . 17. 1 1 Hamburg 1993.

1 2 W. Wolbert, Ein Recht auf d. Leib d. anderen? Zu einigen Fragen d. Organtranspl., in dieser Zschr. 209 (1991) 342.

1 3 Zit. n.: Lebensrettung für viele Menschen durch Organtranspl., hrsg. v. Med. ref. d. Diöz. Würzburg.

1 4 G. Wuttke, Körperkolonie Mensch. Über d. Mangel, d. Nächstenliebe u. d. Tod. Eine krit. Bestandsaufnahme, in:

Krit. Ansichten z. Transpia. med., hrsg. v. R. Greinert, G. Wuttke (Göttingen 1991) 9-34.

1 5 F. Böckle, Eth. Probleme d. Organtranspl., in: ArztChr 35 (1989) 157.

1 6 J. G. Ziegler, in: E K L 3 (31992) 928-930. 1 7 Grewel 406.

1 8 Böckle 115. 1 9 Grewel 406. 2 0 Ebd. 395.

2 1 Arbeitskr. Organspende, Organsp. bewahrt Leben. Antworten auf Fragen (Neu-Isenburg n1992) 10.

2 2 E. Schockenhoff, Ethik d. Lebens. Ein theol. Grundriß (Mainz 1993) 259.

2 3 R. Margreiter, Die Widerspruchslösung zur Regelung v. Organentnahmen in Österreich aus d. Sicht eines Transpl.-Chirurgen, in: Ethik in d. Med. 4 (1992) 189.

2 4 E. Nagel, R. Pichlmayr, Transpl.gesetzgebung: Inf.lösung als sinnvoller Kompromiß?, ebd. 195-198.

2 5 K. Demmer, Leben in Menschenhand. Grundlagen d. bioeth. Gesprächs (Freiburg 1987) 130.

2 6 A . a . O . 20

2 7 U. Eibach, Unmenschl. Medizin. Der techn. Fortschritt gefährdet die Menschenwürde, in: E K 26 (1993) 536.

2 8 H K 46 (1992) 446-448.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Bei Ein- sendungen an die Schriftleitung wird das Einverständnis zur vollen oder auszugsweisen Ver- öffentlichung vorausgesetzt, wenn gegenteilige Wünsche nicht besonders zum Ausdruck

torii sich nach unten hin sammelten, dringen in die tubercula olfactoria hinein: neue Fasern scheinen hier von den Zellen zu entspringen. Diese und jene bilden im vorderen Theil

brunnens angesehen werden kann, indem beide Gefäße in einem einzigen vereint sind. De Gans beschreibt diesen Apparat wie folgt: „Nimm eine kupferne Kugel, welche überall wohl

Insgesamt ist mit einem Trend zur formalen Pflege zu rechnen Nachfrage nach Pflegekräften wächst stärker als Zahl

1977 wurde er auf den Lehrstuhl für Augenheilkunde an der Universität Göttingen berufen und leitete die Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum bis zu seiner

Karl Wilhelm Jacobi, der zwischen 1976 und 2001 den Lehrstuhl für Augenheilkunde in Gießen inne hatte.. Er war zwischen 1986 und 1988 Präsident der DGII (Deutschsprachige

Nach dem Medizinstudium in Bonn und Heidelberg legte Frau Professor Blankenagel 1964 ihr medizinisches Staatsexamen in Heidelberg ab und wurde im gleichen Jahr promoviert..

Nach § 161 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides statt zuständigen Behörde eine solche