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INTEGRATION ISLAMISCHER BEGRIFFE IN MODERNEN

ARABISCHEN STAATSDOKUMENTEN *)

Von Monika Tworuschka, Köln

Dieser Vortrag umfaßt einen Teil der Ergebnisse meiner Dissertation mit

dem Thema: "Die Rolle des Islam in den arabischen Staatsverfassungen", die

durch ein von Herrn Prof. Dr . A . Noth am Seminar für Orientalische Sprachen in

Bonn gehaltenes Seminar ähnlichlautenden Themas angeregt wurde.

Die folgenden Ausführungen widmen sich der Revitalisierung der Begriffe:

Sürä, Umma und öihäd in arabischen Verfassungen und anderen offiziellen

Dokumenten.

Seit dem 19. Jahrhundert übernahmen die arabischen Staaten Verfassungs¬

modelle aus Europa, da sie über keine eigenen verfügten und weil sie Verfas¬

sungen als Beweise politischer Emanzipation, zur Selbstbestätigung und zur

Aufnahme in die internationale Staatenwelt benötigten. Aber obgleich die Ver¬

fassungsgebung ein revolutionärer Akt ist, der nicht unbedingt Ein vorher be¬

stehende Rechtsnormen anknüpfen muß, ist sie dennoch kein traditionsloser

Neuanfang. Deshalb fließen bestimmte Vorstellungen aus Geschichte und Kul¬

tur eines Volkes zwangsläufig in das Verfassungsdokument ein. Nachdem also

die fremde Tradition auf die arabisch-islamischen Verhältnisse übertragen

worden war, mußte sie den Gegebenheiten angepaßt werden, d.h. die euro¬

päische Form wurde meistens schon in der Präambel mit islamischem In¬

halt gefüllt.

Diese arabischen Verfassungen sind im Gegensatz zu den europäischen we¬

niger über dem Herrscher stehende Rechtsnormen, die nur erschwert geän¬

dert werden dürfen, als vielmehr für einen bestimmten Zeitraum gültige po¬

litische und teilweise sogar religiöse Programme, Dieser Programmcharak¬

ter hat zur Folge, daß sie weniger Aufschluß geben über die Gegenwart als

über die Zeit, die der Verfassungsgebung vorausging und über die Ziele, die

erreicht werden sollen. Sie lassen sich daher in die Reihe solcher histori¬

scher Dokumente einordnen, die für eine bestimmte Geschichts- bzw. Gegen¬

wartsbetrachtung typisch sind. Arabische Verfassungen sind also einerseits

Proklamationen des eigenen Selbstverständnisses. Andererseits enthalten sie

für den Verfassungsgeber selbst oft unbewußt - Deutung ihrer eigenen Ge¬

schichte.

V_ _ I. Sura

Sürä ist bekcinntlich die im Koran angeführte Aufforderung zur Beratung:

"Ratschlage mit ihnen über die Angelegenheit." (III, 159), und "Ihre Ange¬

legenheit ist die Beratung unter ihnen" (XLII, 38). Diese beiden Verse wur¬

den von den muslimischen Kommentatoren als Pflicht interpretiert, über Pro¬

bleme zu beraten, damit sie nicht willkürlich durch eine Einzelperson ent¬

schieden würden. Der Kalif °Umar wandte dieses Prinzip zum ersten Mal

praktisch politisch an, als er einen fünfköpfigen äürä-Rat zur Ermittlung

seines Nachfolgers gründete, der cutmän zum Kalifen ernannte. Später wur-

(2)

den islamische Herrscher oftmals beschuldigt, nicht durch §ürä an die Macht

gekommen zu sein (l). Dennoch blieb das Beratungsprinzip weitgehend - mit

Ausnahme des umayyadischen Kalifates in Spanien - ein Ideal, das selten

verwirklicht wurde, aber in einigen Haditen weiterlebte (2).

Als im vergangen und in diesem Jahrhundert angesichts des wachsenden

europäischen Einflusses islamische Werte neu interpretiert wurden, setzten

Denker, wiez.B. Räsid Ridä, °A1T ^Adb ar Räziq, Maulänä Maudüdi, Mu¬

hammad Mahmüd az Zubairi u.a. Sürä mit Parlamentarismus und Demokra¬

tie gleich (3).

In den Verfassungen können wir zwei Verwendungsarten des Sürä-Begrif-

fes nachweisen: Zunächst werden die einschlägigen Koranverse zitiert und

damit die Forderung verbunden, daß §ür5 ein demokratisches Prinzip und

daher Bezeichnung einer Staatsform schlechthin sei.

Der jemenitischen Verfassung (l970) sind z.B. die beiden Verse voran¬

gestellt, um gewissermaßen Verfassungsgebung und Verfassungsinhalt re¬

ligiös zu rechtfertigen (4). In einem Verfassungkommentar bezeichnet sich

der Jemen mit folgender Begründung als eine parlamentarische sürawitische

Republik: "Der Prophet befahl seinen Gefährten, an der Sürä festzuhalten

und schuf so die Grundlage für eine demokratische Regierung. Die Menschen

oder ihre Stellvertreter wählen den Präsidenten und müssen ihm gehorchen,

solange er die Bestimmungen des Islam durchführt." (5). An anderer Stelle

wird äürä als Gerechtigkeit, Freiheit und der Weg zur kollektiven Führung

zitiert: "Sie ist sowohl^Körper als auch Geist des republikanischen Regi¬

mes." (6). Hier wird Sürä eindeutig uminterpretiert, um einen kollektiven

Präsidentschaftsrat zu legitimieren. Die islamische §ürä hingegen forderte

nur zur Beratung mehrere Personen auf. Der zu wählende Herrscher war je¬

doch eine Einzelperson und kein mehrköpfiges Gremium.

Auch im Verfassungskommentar Kuwaits wird die Staatsgewalt aus der Sürä

abgeleitet: "Wie haben dem Staat Kuwait die Verfassung gegeben, indem wir

die Rede des Allmächtigen: 'Ratschlage mit ihnen über die Angelegenheit'

befolgen und indem wir aufschauen zu der Rede derer, die er in seinem mäch¬

tigen Buch durch den Satz: 'Ihre Angelegenheit ist die Beratung unter ihnen'

würdigte und indem wir die Sunna des Propheten hinsichtlich Beratung und

Gerechtigkeit pflegen." (7).

Abgesehen von der Staatsform kann äürä als Gremium Ausdruck eines is¬

lamischen Urparlamentariums sein. Aus diesem Grund werden in den Ver¬

fassungen Nordjemens (1970) und Qatars (1972) die gesetzgebenden Körper¬

schaften Marlis al äürä genannt. Dieskannkein bloßer Zufall sein, denn der

arabische Sprachgebrauch kennt genügend andere Namen für Parlament, wie

z.B. Maglis as sa^b, Maglis al Umma, Maglis an nuwwäb und barlamän.

Ausserdem wird in der kuwaitischen Verfassung (1962) hervorgehoben, daß

die Minister die traditionelle Beratung ausüben (8), was eine rein säkulare

Interpretation des Begriffs ausschließen dürfte.

II. Umma

Der Begriff Umma im Sinne einer weltlichen und religiösen Gemeinschaft

aller Muslime jenseits von Rasse und Nationalität wurde von Denkern, wie

al Afgani, Muhammad, ^Abdüh und Räsid Riqlä aktualisiert. Sie alle glaub¬

ten, daß keine nationcUistischen Bestrebungen die vom Islam geschaffene So¬

lidarität ersetzen könnten. Säti* al Husri war der erste, der den Sprachfaktor

(3)

376

als allein ausschlaggebend betrachtete, da selbst Religion keine nationalen

Unterschiede auslöschen könnten. Die Religion kann nach Husrl keine politi¬

sche Gemeinschaft gründen, sondern sie nur stärken. Die islamische Umma

ist zwar eng mit dem Islam verbunden, aber die Araber bilden nicht notwen¬

digerweise eine mulimische Nation. Säti'^al HusrTs "Umma" ist daher stark mit der europäischen "Nation" verwandt.

In den Verfassungen tritt der arabische Aspekt gegenüber dem islamischen

stärker in den Vordergrund. Umma wird nicht mehr als Gemeinde aller Mus¬

lime interpretiert, obwohl diese Bedeutung noch anklingen kann. Darüber hin¬

aus sind zwei andere Umma-Typen zu differenzieren:

Zunächst wird mit Umma ein arabisches nationales Großreich, gleichsam

eine staatspolitische Utopie, bezeichnet. In allen arabischen Verfassungen

wird unabhängig von der Verschiedenheit ihrer Systeme verkündet, daß der

gegenwärtig bestehende Nationalstaat nur ein unvollständiges Teil der ara¬

bischen Umma ist. "Das (ägyptische, algerische, jordanische — ) Volk

ist ein Teil der arabischen Umma - so lautet die typische Aussage. Dieses

Bekenntnis zur arabischen Einheit erschien vermutlich unter dem Einfluß der

Ba°t-Partei zum ersten Mal in der syrischen Verfassung (1950). In der Ver¬

fassung (1971) wurde noch einmal daraufhingewiesen: "Die arabische, sozi¬

alistische Ba^tpartei war die erste Bewegung im arabischen Vaterland, die

der arabischen Einheit ihren gesunden revolutionären Inhalt gegeben hat und

zwischen nationalem und sozialistischem Kampf verbindet." (9). Obwohl das

Wesen der Umma von der Ba^tideologie sozialistisch und revolutionär ver¬

standen wurde, verlor die avantgardistische Zugehörigkeitserklärung zur ara¬

bischen Umma ihre revolutionäre Brisanz, als alle Staaten ausnahmslos die¬

se Wunschvorstellung in ihre Verfassung aufnahmen.Da nun das Ziel, ein ara¬

bisches Großreich zu verwirklichen sowohl von konservativen Ländern (z.B.

Marokko, Jordanien) und fortschrittlichen Regimen (z.B. Südjemen, Alge¬

rien) geäußert wird, kann dieser Zukunftsstaat nicht näher spezifiziert wer¬

den, ohne daß die allgemeine Verbindlichkeit verloren ginge. Umma als um¬

fassender Zukunftsstaat bleibt somit eine Utopie.

Umma kann jedoch nicht nur einen Zukunftsstaat, sondern auch eine Art

Geisteshaltung charakterisieren. In den syrischen Verfassungen (1971) und

(1973) ist Umma beispielsweise das solidarische Element einer Gemeinschaft,

die einstmals eine festgefügte Gesellschaft entstehen ließ, bis dieser Ideal¬

zustand durch die Ankunft der Kolonialmächte verlorenging: "Die arabische

Umma konnte ihre bedeutende Rolle beim Aufbau der menschlichen Gesell¬

schaft spielen, solange die Umma geeint war. Als die Bande ihrer starken

Zusammengehörigkeit schwach wurden, ging ihre zivilisatorische Rolle zu¬

rück, und die Wellen der kolonialistischen Aggression konnten die Einheit auf¬

lösen, ihr Land besetzen und ihre Güter rauben." (lO). " ... die Errichtung

des Einheitsstaates ist der wirkliche Rahmen zur Vervollkommnung der Per¬

sönlichkeit der arabischen Umma und der Weg der Ausübung ihrer wirkungs¬

vollen Rolle in der internationalen Gesellschaft." (ll). Umma ist hier als

Geisteshaltung der Rahmen, der eine solidarische arabische Gemeinschaft

in der Vergangenheit schuf, und auch heute den Aufbau einer neuen Gesell¬

schaft ermöglichen soll.

Diese durch die in der Umma herrschende Denkungsart bedingte Solidari¬

tät kann auch Träger und zugleich Ziel von Kampf und Revolution sein, d.h.

die Existenz einer Umma ist der Garant für eine gemeinsame Aktionsbasis:

(4)

Aufbau eines geeinten arabischen Staates ein, der befreit ist von allen For¬

men der Ausbeutung, Zerstückelung und kolonialer Herrschaft. " (12). "Die

Ba'^tpartei setzt die Grundlinien für die Revolution, die aus den Tiefen der

Volksmassen stammt und Ergebnis der arabischen Umma ist in Geschichte,

Gegenwart und Zukunft." (13). Umma ist hier zugleich Voraussetzung und'

Ziel des Kampfes. Die Gesinnung, die einstmals in der Umma herrschte,

ermöglicht ein geschlossenes Vorgehen. Auch unterstützt diese Einstellung

die Gründung eines Staates, in dem sich die Umma als Grundeinstellung voll¬

enden kann.

III. Gihäd

&häd ist bekanntlich der dem Muslim im Koran anempfohlene Kampf ge¬

gen Ungläubige: "Bekämpft sie (die Ungläubigen) bis es keine fitna mehr gibt

und die Religion diejenige Gottes ist." (VIII, 40). Dabei unterscheidet der

Koran, wie man weiß, zwischen Heiden, die bis zum Übertritt bekämpft wer¬

den sollen, und Buchbesitzern, die ihrem Glauben weiter anhängen dürfen,

wenn sie Steuern zahlen. (IX, 5; IX, 29). Hieraus geht hervor, daß man

den Islam nicht unbedingt ausbreiten wollte, sondern Steuerzahler zu gewin¬

nen suchte. Es hat im Islam nie einen heiligen Krieg von staatswegen gege¬

ben, in dem der religiöse den einzig ausschlaggebenden Faktor darstellte,

ohne daß nicht gleichzeitig Staatsinteressen mitgetroffen waren. Da diese

Kämpfe oft aus steuerpolitischen Erwägungen geführt wurden, konnte der ei¬

gentliche Missionsgedanke in den Hintergrund treten. "Der Islam sollte ge¬

stärkt, nicht ausgebreitet werden." (14). Diese offiziellen Eroberungskrie¬

ge des Staates sind auch weniger mit dem Ausdruck Gihäd zu bezeichnen, son¬

dern der religiös verdienstvolle Kampf des Einzelnen. 6ihäd ist keine No¬

men actionis, sondern Nomen agendis. Der Staat führt keinen Gihäd, sondern

ruft zum <5ihäd auf.

In den arabischen Verfassungen wird Gihäd auf drei Weisen wiederbelebt.

Zunächst bezeichnet" Gihäd einen Befreiungskampf gegen Kolonialismus, aber

auch gegen innere Mißstände. Die ägyptische Verfassung (1956) ist ein Bei¬

spiel dafür: "... Wir verankern diese Prinzipien und Grundlagen zu einer

Verfassung, die unseren Gihäd organisiert und schützt. Wir verkünden heute

diese Verfassung, deren Bestimmungen aus dem Innersten unseres Kampfes

hervorgehen, aus dem wesentlichen Gehalt unserer Experimente, den heili¬

gen Bedeutungen, denen unsere Massen zujubeln, aus den ewigen Werten, um

deren Verteidigung willen unsere Suhadä' gefallen sind, und aus den Träumen

der Schlachten, in die sich unsere Väter und Großväter sowohl in der Wonne

des Sieges als auch in der Bitterkeit der Niederlage stürtzten." (l5).

Wenn wir uns bei der Verwendung von Gihäd vor Augen führen, daß der Ko¬

lonialismus die Werte des Islam bedrohte, kann ein Befreiungskampf durch¬

aus ein Öihäd sein, angesichts der Tatsache, daß es sich um die Rückerobe¬

rung muslimischer Gebiete aus den Händen nichtmuslimischer Kolonialherren

handelt. Vor allem bietet die zeitliche Unbegrenzbarkeit von öihäd die Mög¬

lichkeit, eine Kontinuität dieser Aktivität vom Frühislam bis heute zu sehen.

Da unter Gihäd kriegerische Betätigung einzelner Muslime und nicht unbe¬

dingt staatliche Maßnahmen zu verstehen sind, kann ein moderner Staat, wenn

er zum Öihäd aufruft, jedes Individuum persönlich ansprechen und so Grund¬

lage für eine Massenbewegung schaffen. Gihäd wird dabei profaneren Voka-

(5)

378

beln für Kampf (Nidäl, Kifäh, Qitäl) vorgezogen, da er immer noch religiös

verdienstvoll ist.

Ebenfalls bezeichneten die Jemeniten ihre Revolution gegen den Imam in

der Verfassung (1963 ) als öihäd: "Im Namen des Gihäd führenden jemeniti¬

schen Volkes, das vor Gott und der Geschichte geschworen hat, sich mit sei¬

ner Kraft in den großen öihäd zu stürtzen, den Kampf zum Aufbau seines ge¬

liebten Vaterlandes, die erhabene Gestaltung, die sich auf die starken, so¬

liden Grundpfeiler des öihäd stützt, indem sie aus den hochstehenden Zielen

flatternde Banner entnimmt, die sie bei dem großen Befreiungskampf recht¬

leiten, damit die Hoffnungen und ewigen Werte des Volkes erfüllt werden, um

deren Verteidigung und Aufopferung willen die liebsten seiner Söhne als from¬

me äuhadä' gefallen sind " (16). Um ihre Revolution zu rechtfertigen,

mußten die Jemeniten ihren Imam als Ungläubigen bezeichnen. Damit stehen

sie auf einer Stufe mit früheren islamischen Reformbewegungen, wie z.B.

Almoraviden, Fatimiden und Wahhabiten, die die an der Macht befindlichen

islamischen Herrscher des Unglaubens bezichtigten, um gegen sie zum öi¬

häd aufrufen zu können. Die jemenitischen Republikaner begründen die Ab¬

setzung des Imams folgendermaßen: "Das Blut der Suhadä'in langen Jsihrhun-

derten des Kampfes gegen abweichende Herrschaft und Regierimg ist nur die

Anwendung des Glauben des Volkes, der es ihm auferlegt, gegen einen unge¬

rechten Herrscher zu Felde zu ziehen." (17).

Allerdings wird von den Revolutionären nicht nur das destruktive Element

betont, denn öihäd schließt für sie neuen Staatsaufbau ein nach der Abschaf¬

fung des Imamates.

V

Als dritte Möglichkeit ist Gihad die Methode eines islamischen Herrschers,

die traditionell eingestellten Bevölkerungsteile gegen die Revolutionäre kämp¬

fen zu lassen. So sieht der Imam seine Herrschaft durch die Republikaner und

die von ihnen gerufenen ägyptischen Truppen bedroht und ruft zum öihäd auf,

um den alten status quo wiederherzustellen: "Dies sind die Hoffnungen des

jemenitischen Volkes, um deretwillen es vor Gott und dem Imam gelobt hat,

sich im öihäd zu bemühen mit dem Ziel, die ägyptischen Truppen aus dem Va¬

terland zu vertreiben." (l8). Die Ägypter sind Ungläubige, weil sie zusam¬

men mit den Revolutionären islamisches Land besetzt und die Herrschaft des

Imams in Frage gestellt haben. Angesichts dieses Notstandes erklärt der Imam

das Führen von Gihäd zur Grundpflicht. (l9) Damit geht er über die sonst in

einem islamischen Staat bestehenden Gepflogenheiten hinaus, da öihäd bekannt¬

lich ein Fard ^alä^l kifäya war, die nicht jeder erfüllen mußte. In einem is¬

lamischen Bürgerkrieg, den der Imam bezeichnenderweise Fitna nennt, ist je¬

doch eine Ausnahmesituation gegeben, die eine allgemeine Mobisilierung zum

öihäd erfordert.

V

Ein letztes Beispiel für aktuelle Gihädinterpretationen ist ein von der Pub¬

likationsabteilung der ägyptischen Streitkräfte veröffentlichter Leitfaden zum

Yom Kippur-Krieg, dessen arabisches Code-Wort bezeichnenderweise al Badr

lautete. In dieser Schrift wird dem ägyptischen Soldaten anempfohlen, an re¬

ligiösen Werten festzuhalten und sich die Ideologie des öihäd zu eigen zu ma¬

chen. Militärische Tugenden, wie Gehorsam, Respekt gegenüber Vorgesetzten,

Zusammenarbeit von Offizieren und Mannschaften und Standfestigkeit in der

Schlacht werden mit Koranversen und Zaditen belegt. Für die koptischen Sol¬

daten wird sogar ein entsprechender Bibelvers zitiert (Lukas 21, 24). (20)

(6)

ist keine Schande für einen Soldaten, in der Schlacht Angst zu haben, wenn

er in einem Gebet Zuflucht sucht. Außerdem sind in einem Kampf nicht Trup¬

penstärke oder Ausrüstung ausschlaggebend, sondern der Glaube; denn schon

Hälid ibn al WalTd siegte durch den Glauben, obwohl die Perser in der Uber¬

zahl waren (21).

Auch Präsident Asad rief am 6.10.73 im Ruixlfunk zum Öihäd auf, indem

er in einer langen Ansprache alle Schlachtenerfolge vom Frühislam bis zur

heutigen Zeit aufzählte (22).

Wenn wir nach den Gründen der Revitalisierung suchen, müssen wir uns

vor Augen führen, daß das Geschichtsbild der heutigen Muslime retrospek¬

tiv oder anaklitisch ist. Die ersten Jahrhunderte oder sogar Jahrzehnte wa¬

ren eine Blütezeit. Diese Werte dieser Epoche besitzen einen doppelten Vor¬

zug: Sie gehen auf die Autorität des Propheten oder seiner engsten Anhän¬

ger zurück und mit Hilfe dieser Ideale wurde ein Weltreich erfolgreich er¬

obert und verwaltet. Die erörterten Begriffe sind daher für die verschiede¬

nen Bereiche charakteristisch: Umma ist das soziale Gefüge, in dem Solida¬

rität und Einheit herrscht. Sürä ist die gerechte Regierungsform, die die

Rechte des Individuums und der Gesellschaft wahrt. Öihäd ist das Symbol

des außenpolitischen Erfolges auf weltlichem und religiösem Gebiet.

Anmerkungen

*) Dieser Beitrag erschien in leicht geänderter Form in: G. Stephenson

(Hg. ), Der Religionswandel unserer Zeit im Spiegel der Religionswissen¬

schaft, Darmstadt (WBG) 1976, 152-167.

1. T. Nagel, Untersuchungen zur Entstehung des abbasidischen Kalifates,

Bonn 1972, 107-116.

2. Ahmad Ibn Hanbai, 27,48 Musnad, Kairo 1313h. At TirmidT, Fitan 78,

Kairo 1350h.

3. Z.B. E. Rosenthal, Islam in a Modern National State, Cambridge 1965,

77, 131, 149.

4. al GarTda ar rasmiya, §an^ä Dezember 1970, 1.

5. As äarT^a wa^l qanün, §an'=ä, April 1974, 12.

6. Saih ^Abdalläh ibn Husain al Alomar, Barnämi| li'lamal al watanT wa

isläi al hukm, San^ä Dezember 1973, 13.

7. Matba^^at hukümat al Kuwait 1962, 50.

8. Ebd. Art. 156.

9. Qarär al Qiyäda al qutriya Ii hizb al ba^t al CarabT al istiräkl raqm 39.1.

5. 1969 al mu^ddal bi qarär al qiyäda al qutriya al muqlna raqm 141,

12.2.1971. Präambel, 6.

10. ad dustür ad dä^im, min mansürät mu^assasät al wahda lit taba^at wa'n

nasr wa'l tauziC 4.2.1973, Präambel, 8.

11. Verfassung Syriens 1971, a.a.O. 3f.

12. Ebd. 3f.

13. Ebd. 6.

14. A. Noth, Heiliger Krieg und Heiliger Kampf im Islam und Christentum,

Bonn 1966, 19.

15. At taba'at al amlrlya, BuIäq 1956, Präambel, 3,4.

(7)

380

16. Verfassung Nordjemens (1963), in: '^Adnän TarslsT, AI Yaman wa'l hadä¬

rat al °Arab, Beirut, 1963, 244-253, bes. 245.

17. Saih ^Abdalläh ibn Husain al Ahmar, a.a.O., 7.

18. Nationalcharta des jemenitischen Volkes 1964, während des Bürgerkrieges

im öaufgebiet entworfen, Art. 35.

19. Nationalcharta des jemenitischen Volkes, a.a.O. Art. 26.

20. Idärat al matbü^at wa'n nasr li'I quwwät al museillaha 1973.

21. Ebd.

22. W. Laqueur, Confrontation. The Middle East War and World Politics,

London 1974, 105f.

(8)

Von Nejat Goyiiny, Ankara Mit 2 Karten

Leonhart Rauwolff, der schwäbische Arzt, Botaniker und Entdeckungsrei¬

sende des 16. Jahrhunderts, wird von Jacob Strieder (l) als der Vater der

deutschen Botanik bezeichnet, und zwar zusammen mit seinen Kollegen Otto

Brünfels ( + 1534), Hieronymus Beck (1498 - 1554) und Leonhard Fuchs (1501-

1566), die sich ebenso wie Rauwolff auf dem Gebiet der Pflanzenwelt einen

Namen gemacht haben.

Er wird von seinem jüngsten Biographen Dietmar Henze (2) mit Busbecq

verglichen und als einer der zwei bedeutendsten Männer des genannten Jahr¬

hunderts bezeichnet; sie beide hätten als gute Beobachter und Forschungs¬

reisende unter vielem einderen unsere Kenntnis von den osmanischen Landen

im Orient bereichert.

Rauwolff wurde am 21. Juni 1535 in Augsburg geboren (3). Er immatri¬

kulierte sich im Jahre 1556 in Wittenberg, dann schrieb er sich 1560 an der

Universität Montpellier ein, deren medizinische Fakultät damals sehr be¬

rühmt war. Rauwolff hatte eine tiefe Neigung zur Pflanzenkunde und wollte

sein Wissen über die in der Medizin gebräuchlichen Heilpflanzen vervoll¬

ständigen (4). Er legte 1562 in Valence das Doktorexamen ab, und nach ei¬

ner langen Reise durch Norditalien und die Schweiz kehrte er im darauffol¬

genden Jahr nach Hause zurück. Bis er 1571 eine Stelle als Stadtphysikus in

Augsburg erhielt, praktizierte er eiIs Arzt in Aichach und in Kempten im All¬

gäu.

Wie er in den ersten Zeilen seiner Reisebeschreibung betont (5), hatte er

seit seiner Jugend eine besondere Begierde, in ferne Landschaften, beson¬

ders aber in die Länder des Morgenlandes zu ziehen, um Sitten und Gebräu¬

che der dort lebenden ältesten Völker und die im Orient gepflanzten und von

Dioscörides, Avicenna und anderen beschriebenen schönen Gewächse und

Kräuter zu erforschen und kennen zu lernen. Als sein Schwager Melchior

Manlich der Ältere ihm 1573 vorschlug, ihn in die Levante zu schicken, da¬

mit er dort seine Geschäfte erledige, willigte Rauwolff voller Freude ein.

So brach er am 18. Mai 1573 zu seiner abenteuerlichen Fahrt von Augsburg

über Mailand nach Marseille auf, wo er zusammen mit seinem Mitbürger

und Reisegefährten Friedrich Rentz am 5. Juli eintraf. Am 2. September

lief das wohlausgerüstete Manlichsche Schiff "Santa Croce" unter französi¬

scher Flagge aus. Leonhart Rauwolff war an Bord in Begleitung seines Freun¬

des Hans Ulrich Krafft aus Ulm. Sie landeten am 30. September 1573 in Tri¬

polis in Syrien und fuhren am 9. November weiter nach Aleppo, wo Rauwolff

sich fast ein dreiviertel Jahr aufhielt. Nachdem er einen namentlich nicht

bekannten Niederländer zum Gefährten gewonnen hatte, schloß er sich ge¬

meinsam mit ihm einer Gruppe armenischer Kaufleute an. Sie zogen am 13.

August 1574 mit einer Karawane von Aleppo nach Birecik am Euphrat. Diese

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ebenda 48-51 sowie jetzt noch den Abrechnungstext S N S A T 490 aus dem Jahre SS 4, in dem der Abrechnungsüberschuß des Jahres SS 3 auf der Habenseite zu finden ist (Rs.

3) Eigentümlich ist die Mitteilung des portugiesischen Grammatikers David ibn Jachja, daß man „im ganzen Westen der islamischen Länder&#34; Cholem und Schurek in der Aussprache