DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Gurtanlegepflicht: Auswirkungen FÜR SIE GELESEN
gefahr besteht und die Versicher- tengemeinschaft sowie der Steu- erzahler die Mehrkosten der ver- meidbaren Unfallfolgen tragen müssen, hat bereits 1976 der Ar- beitskreis „Sicherheitsgurt und Mitverschulden" des 16. Deut- schen Verkehrsgerichtstages die
Mitverantwortung eines Unfallbe- teiligten (gemäß §§ 254 BGB, 17 StVG) für solche Unfallverletzun- gen, die durch den Gurt vermie- den worden wären, herausge- stellt. Dieser Empfehlung ist auch die höchstrichterliche Rechtspre- chung gefolgt (BGH VRS 56, 416 und 431 sowie NJW 1980, 2125).
Ausnahmen von der Gurtpflicht nur in ärztlich
eindeutig indizierten Fällen Aus präventivmedizinischen Grün- den sollten mit Wissen um die Mög- lichkeit der Vermeidbarkeit von schweren und tödlichen Verlet- zungen bei Pkw-Insassen durch den Sicherheitsgurt die in Praxis und Klinik tätigen Kolleginnen und Kollegen nur in ärztlich ein- deutig indizierten Fällen dem als Patienten vorsprechenden Kraft- fahrer eine Bescheinigung aus- stellen, wonach eine Ausnahme von der Gurtanlegepflicht befür- wortet wird. In umfassenden Un- tersuchungen haben K. Luff und Mitarb. (8) nach Erfassung von 133 760 Herzschrittmacherpatien- ten an 400 Kliniken in der Bundes- republik Deutschland und nach Crash-Tests mit Frontalaufprall bei 50 km/h zeigen können, daß ein Patient mit einem Herzschritt- macher durch den Sicherheits- gurt nicht gefährdet ist und dieser Eingriff keine Ausnahmebeschei- nigung von der Gurtanlegepflicht rechtfertigt. Das gilt auch für Schwangere oder Patienten nach Organtransplantation.
Kurze temporäre Ausnahmen von der Gurtanlegepflicht bei einem Beifahrer sind allenfalls bei aku- tem Herpes Zoster, bei relativ fri- schen Operationswunden oder nach Bestrahlung mit Reizzustän- den an der Thorax-Haut denkbar.
Kraftfahrer sollten bei solchen Er- krankungen kein Kraftfahrzeug steuern. Wer als Fahrzeugführer wegen Fesselungsängsten (unter anderem Claustrophobie) eine Befreiung von der Gurtanlege- pflicht wünscht, sollte auf dem Boden des Gutachtens: „Krank- heit und Kraftverkehr" (des Ge- meinsamen Beirates für Verkehrs- medizin in der dritten Auflage vom April 1985) auf seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen un- tersucht werden.
Im übrigen sollte jeder Arzt, der mit einem Attest die Ausnahmere- gelung ermöglicht, bedenken, daß er für daraus resultierende Schäden beim Patienten verant- wortlich gemacht werden kann, wenn die Befürwortung auf einem Mangel an Sorgfaltspflicht oder gar auf eine vorsätzlich falsche Bescheinigung („Gefälligkeitsat- test") zurückgeht. Das Wissen um den präventivmedizinischen Nut- zen des Sicherheitsgurtes bei ei- nem Unfall sollte bei allen Bera- tungen den Ausschlag geben.
Literatur
(1) und (2) Scott, P. P.; Willis, P. A.: Road casu- alties in Great Britain during the first year with seat-belt legislation, Hrsg.: Transport and Road Research Laboratory, Crowthorne 1985
— (3) Otte, D.; Südkamp, N.: Auswirkungen der Gurtanlegepflicht auf Art und Schwere der Einzelverletzungen, Kongreßbericht Dtsch.
Ges. Verkehrsmed. e. V. im Druck (1986)— (4) Dellen, R. G.: Psychologische Grundlagen für das Verhältnis von PKW-Fahrern zum Sicher- heitsgurt, in: Dokumentation zum 1. Sympo- sion der Dr.-Kurt-Stein-Stiftung am 26. 6. 1983, Freiburg i. Br. — (5) Höh, H.: Verkehrsunfallver- letzungen der Augen-Auswirkungen des Si- cherheitsgurtes, Saarl. Ärzteblatt (1985) 607-612 — (6) Lund, O.-E.: Frontscheibenver- letzungen, Häufigkeit — Versorgung — Sicher- heitsmaßnahmen. Fortschr. Ophthalmol.
(1984) 81, 21-28 — (7) Friedel, B.; Krupp, K.;
Lenz, K.-H.; Löffelholz, H.: Sicherheitsgurte im PKW. Unfall u. Sicherheitsforschung im Stra- ßenverkehr, Heft 17 (1978) hrsg. Bundesmini- ster für Verkehr — (8) Luff, K.; Lutz, F. U.; Mül- ler, J.; Zech, G.: Zur Problematik der Ausnah- meregelungen von der Gurtanlegepflicht aus verkehrsmedizinischer Sicht. Z. Verkehrssi- cherh. 31 (1985), Heft 3/111, 121-124.
Anschrift für die Verfasser:
Professor Dr. med.
Hans-Joachim Wagner Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes 6650 Homburg/Saar
Prognostische Bedeutung des karzinoembryonalen Antigens (CEA)
Bislang hat man der Bestimmung des karzinoembryonalen Antigens (CEA) in erster Linie Bedeutung bei der postoperativen Überwa- chung von Patienten mit einem erfolgreich operierten Kolonkarzi- nom beigemessen. Eine umfang- reiche Studie der Amerikanischen Krebsgesellschaft zeigt jedoch, daß die präoperativen CEA-Spie- gel mindestens so aussagekräftig sind wie die Dukes-Klassifikation am Resektionspräparat.
Die Auswertung der Daten von 945 Patienten ergab eine enge Korre- lation zwischen der Dukes-Klassi- fikation und der Höhe des CEA- Spiegels:
Im Dukes-Stadium A lag der durchschnittliche CEA-Wert bei 3,9, im Stadium B bei 9,3, im Sta- dium C bei 32,1 und im Stadium D bei 251,0.
Die prognostische Aussagekraft des CEA-Wertes wurde durch ei- nen Lymphknotenbefall nicht be- einflußt. Kolonkarzinome, die nur das halbe Darmlumen umfaßten, wiesen signifikant niedrigere CEA-Spiegel auf als Tumoren, die zirkulär die Darmwand invadier- ten. Eine Lumenobstruktion hatte hingegen keinen Einfluß auf die Höhe des CEA.
Je höher die CEA-Werte bei Tu- moren im Stadium Dukes B und C lagen, desto weniger erfolg- reich erwies sich die bis dahin ein- geschlagene Therapie. Daraus folgt, daß in künftigen Therapie- studien die präoperative Bestim- mung des karzinoembryonalen Antigens mitberücksichtigt wer- den sollte.
Wolmark, N.; Fisher, B.; Wienand, H. S., et al.:
The prognostic significance of preoperative carcinoembryonic antigen levels in colorectal cancer. Results from NSABP clinical trials.
Ann. Surg. 199:375-382, 1984
From the National Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project (NSABP) Headquarters, Pittsburgh, PA 15261, U.S.A.
Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 5 vom 29. Januar 1986 (41) 247