• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Schulen in freier Trägerschaft: „Eine verhängnisvolle Formulierung“" (26.01.2001)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Schulen in freier Trägerschaft: „Eine verhängnisvolle Formulierung“" (26.01.2001)"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

R

und 20 Prozent der Eltern würden ihr Kind gern – trotz Schulgeld – auf eine Schule in freier Trägerschaft schicken, ergaben Umfragen des Bundesverbandes Deut- scher Privatschulen (VDP).

Die Vorteile dieser meist als Privatschulen bezeichneten Einrichtungen sind vielfältig:

Besondere Formen der Päd- agogik zum Beispiel nach Ma- ria Montessori oder Rudolf Steiner, Ganztagsschule mit Freizeitangeboten, Förderung von Sporttalenten und Hoch- begabten, bilingualer Unter- richt, vernetzte Klassen, enga- gierte Lehrer – die Liste lässt sich fortsetzen.

Am Ende der europäischen Skala

Nur fünf Prozent der Kinder in Deutschland besuchen eine der rund 2 300 allgemeinbil- denden Schulen in freier Trä- gerschaft. Im europäischen

Vergleich liegt Deutschland am Ende der Skala freier Schulen. An der Spitze stehen die Niederlande, wo rund 70 Prozent der Kinder eine nicht staatliche Schule besuchen. In Spanien sind es 32 Prozent, in Frankreich 18 Prozent.

Um zu verstehen, warum es in Deutschland wenig freie Schulen gibt, ist ein Blick in die Geschichte hilfreich. Im 12.

und 13. Jahrhundert kommen die ersten weltlichen Schulen auf. Daraus – sowie aus den Pfarrschulen – gehen im 16.

Jahrhundert die städtischen

Lateinschulen hervor. Mit dem Aufblühen der Städte und des Handels kommen am Ende des 14. Jahrhunderts die ersten Privatschulen auf. Die in Zünf- ten organisierten Bürger ent- wickeln ein neues Selbstbe- wusstsein und eigene Anfor- derung an die Bildung: Die Bürgerkinder lernen lesen, schreiben und rechnen – das, was sie zur Berufsausübung brauchen. Diese – im Gegen- satz zu den angesehenen La- teinschulen – als „deutsche Schulen“ bezeichneten An- stalten wurden auch „Winkel-

schulen“ genannt. Sie gelten heute als ein Vorläufer der Volksschule und befanden sich zu Beginn des Reformations- zeitalters in jeder größeren Stadt. Diese negativ besetzten Begriffe haben ihr Pendant in der heutigen Zeit: In der Rechtssprache werden freie Schulen als Ersatzschulen be- ziehungsweise Ergänzungs- schulen bezeichnet.

Revolutionär zur damaligen Zeit war, dass in den „deut- schen Schulen“ auch Mädchen unterrichtet wurden. Die Schul- pflicht für Mädchen führte V A R I A

A

A194 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 4½½½½26. Januar 2001

Schulen in freier Trägerschaft

„Eine verhängnisvolle Formulierung“

Private Schulen haben viele Vorteile gegenüber staatlichen Einrichtungen.

In Deutschland besuchen jedoch nur fünf Prozent der Kinder eine freie Schule.

Die Vormachtstellung der Staatsschulen hat auch historische Gründe.

Bildung

(2)

Württemberg im Zuge der Re- formation als erstes Land 1559 ein; in Preußen bezog sich die Schulpflicht bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nur auf Jun- gen.

Preußen verbietet 1763 alle privaten Winkelschulen, ge- stattet es wohlhabenden El- tern jedoch, „Privatinformato- res“ zu beschäftigen. Der Ein- fluss der Kirche auf das Schul- wesen geht ebenfalls zurück.

Im Allgemeinen Landrecht von 1794 findet sich folgender Satz: „Schulen und Universitä- ten sind Veranstaltungen des Staates, welche den Unterricht der Jugend in nützlichen Kenntnissen und Wissenschaf- ten zur Absicht haben.“ – „Ei- ne verhängnisvolle Formulie- rung“, findet Joachim Bött-

cher, Vorsitzender der Arbeits- gemeinschaft Freier Schulen, denn damit wurden Privat- schulen zu einem genehmi- gungspflichtigen Sonderfall ge- macht. Die Auswirkungen sei- en heute noch spürbar: Ob- wohl im Grundgesetz der Bun- desrepublik Deutschland die Privatschulfreiheit verankert wurde, „tun sich die Länder schwer, freie Schulen zu ak- zeptieren, und berufen sich auf die staatliche Vormachtstel- lung“.

Andere Länder – damals wie heute herrschte Kulturfö- deralismus – gingen mit der freien Bildung nicht so radikal um wie das protestantische und absolutistische Preußen.

Vor allem in katholischen Ge- genden behalten kirchliche und private Schulen Einfluss.

So gibt es gegen Ende des 19. Jahrhunderts rund 1 400 Privatschulen im Deutschen Reich. Die meisten davon sind reine Mädchen-Anstalten – Mädchen gelten dem Staat nicht als rentable Investition.

Reformpädagogik bringt neue Ansätze

Zu Beginn des 20. Jahrhun- derts bringen Reformpäd- agogen völlig neue Ideen in den Schulbetrieb: Maria Mon- tessori, Herrmann Lietz und Rudolf Steiner. Die Lietzschen Landerziehungsheime setzen die Körperbildung und musi- sche Erziehung gleichberech- tigt neben die wissenschaftli- chen Disziplinen; koedukative Lebensgemeinschaften und

Schülermitverantwortung sind weitere Neuheiten. Die Wal- dorfschulen schaffen die Jahr- gangsklassen und das Zensu- rensystem ab.

Die Weltwirtschaftskrise lässt viele Privatschulen aufge- ben. Die überlebenden Schu- len kommen mit dem Natio- nalsozialismus in Konflikt. Die Reformpädagogik ist den In- teressen der Nazis zuwider – die Schulen schließen. Die Aufbauphase der Bundesre- publik löst eine Gründungs- welle bei den Privatschulen aus. Viele Pädagogen, die dem staatlichen Erziehungsauftrag nicht mehr trauen, gründen ei- gene Schulen. Die Alliierten unterstützten diese Bestrebun- gen.

Heute besuchen sechs Pro- zent der westdeutschen Kin- Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 4½½½½26. Januar 2001 AA195

Im Jahr 1887 wurde die Internatsschule Pädagogium Baden-Baden gegründet.

Foto: Bundesverband Deutscher Privatschulen

V A R I A

(3)

der eine Schule in freier Trä- gerschaft und zwei Prozent in den neuen Bundesländern.

Die Gründungswelle in Ost- deutschland setzte erst nach der Wiedervereinigung ein. In der DDR gab es nur staatliche Schulen.

Rund 20 Prozent der Eltern würden die Vorteile freier Schulen für ihr Kind nutzen wollen; wenn kein Schulgeld zu zahlen wäre, sogar 30 Pro- zent. Was fehlt, sind die Kapa- zitäten. Das Problem liegt in der schwierigen Finanzie- rungssituation für die freien Träger. Im Grundgesetz ist die Privatschulfreiheit und das Recht auf freie Schulwahl ver- ankert. Doch der Staat be- handle freie Schulen nicht gleichberechtigt, klagt Christi- an Lucas, Bundesgeschäfts- führer des VDP: „Wenn Gel- der im Bildungsbereich knapp sind, kürzen die Länder bei den privaten Schulen.“ Staat- lich anerkannte

freie Schulen (Ersatzschulen) finanzieren sich, mit Ausnahme von Nordrhein- Westfalen, aus einem Landes- zuschuss und

Schulgeld. Die Bundesländer zahlen – nach circa drei Jahren Wartezeit auf eigene Kosten – etwa zwei Drittel der laufen- den Kosten, die sie für ver- gleichbare staatliche Schüler ausgeben. Das Schulgeld darf in der Höhe das gesetztlich

verankerte Sonderungsgebot nicht verletzen, also nicht höher als 120 DM im Monat sein. Diese Kalkulation be- zieht sich nur auf Vormittags- angebote. Ganztagsbetreuung müssen Eltern grundsätzlich selbst bezahlen. Privatschulen sind daher gezwungen, zusätz- lich zu finanzieren, über För- dervereine und – freiwillige – Spenden der Eltern. Das wie- derum verletze das Sonde- rungsgebot, mahnt der VDP.

Privatschulen können flexibler reagieren

Viele Eltern zahlen zwischen 400 und 800 DM im Monat, damit ihr Kind eine freie Schule besuchen kann. Staat- liche Schulen sind dagegen kostenlos. Die Gründe für das finanzielle Engagement liegen in der flexibleren Struktur: Private Schulen können auf die Bedürfnisse von Eltern, zum Beispiel nach Ganztagsbe- treuung, reagie- ren. Computer im Klassenzim- mer und ent- sprechend aus- gebildete Leh- rer sind an privaten Schulen längst selbstverständlich. Die Lehrer sind motiviert und müssen sich ständig weiterbil- den. In vielen Punkten kön- nen private Schulen den staat- lichen daher sicherlich als Vorbild dienen. Petra Bühring

A

A196 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 4½½½½26. Januar 2001

Sprachkurse

Nützlich für die Karriere

Wirtschaftsorientierte Sprachkurse für junge Berufstätige, Studenten und Hochschulabsolventen an attraktiven Orten weltweit bieten die gemeinnützigen Carl Duisberg Centren (CDC), Köln, an. Das Programm „Fit für die Welt“ wurde in diesem Jahr um berufsbezogene Englischkurse in Australi- en und Neuseeland erweitert. Für die Karriereplanung in- teressant sind Sprachkurse inklusive Arbeitspraktikum, die in England, USA, Kanada, Südafrika, Neuseeland, Italien, Frankreich und Spanien durchgeführt werden. Teilnehmer bis 30 Jahren aus den neuen Bundesländern können Teilsti- pendien erhalten.

❃Die Broschüre „Fit für die Welt“ ist kostenfrei erhält- lich: CDC Sprachreisen, Hansaring 49–51, 50670 Köln, Fax:

02 21/1 62 62 25, E-Mail: sprachreisen@cdc.de Weitere Informationen:

❃❃www.privatschulen.de

❃❃Handbuch Freie Schu- len. Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen (Hrsg.) Rowohlt-Verlag, 1999.

V A R I A

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Unter Berücksichtigung des weiteren Infektionsgeschehens, der Personal- und Raumsituation sollen diese Angebote weiterentwickelt und ausgeweitet werden, mit dem Ziel, ab

Kindertagesbetreuung und der Kindertagespflege können stattfinden, sofern dafür separate Räume vorgesehen sind. Sie bedürfen der Genehmigung durch die Senatorin für Kinder

Designs und Größen möglich Individuell /Bestellung kleiner Lampenschirm ca. 20

1 und § 54 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG vom 20. 1 der Verordnung der Sächsischen

2.1 Die Leitung der Einrichtung nach 1.1 wird verpflichtet, die Personen nach 1.2 (bei Minderjährigen deren Personensorgeberechtigten) und das zuständige Gesundheitsamt

Im Falle der Kündigung des Betreuungsvertrages durch den freien Träger – unter Einhaltung der Bestimmungen des § 6 der Satzung über die Betreuung von Kindern in

(6) 1 Für Anerkennungen nach § 8 Absatz 3 des Sächsischen Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft wird eine bestehende Anerkennung der Schule, aus der die Oberschule+ oder

Es werden neben dem integrierten Kind auch die Kinder der betroffenen Klassen zu kurz kommen, da die integrierten Kinder viel Betreuungszeit in Anspruch nehmen.. Auch von der