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Archiv "Anonymes Unverknüpftes Testen (AUT): Anonymität übertrieben" (04.02.1994)

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MEDIZIN DISKUSSION

Anonymes

Unverknüpftes Testen (AUT)

1. Anonymität übertrieben

Sowohl in der Fachpresse, als auch in den Funk- und Drucknach- richten wird man in fast regelmäßi- gen Abständen über Neues und oft Widersprüchliches zum HIV-Test und zur AIDS-Krankheit unterrich- tet. Die oben genannte Arbeit ent- hält richtungweisende Angaben über die zu erwartende Häufigkeit von po- sitiven Ergebnissen des HIV-Testes.

Über das Durchführen von HIV- Tests auch ohne Einwilligung des Pa- tienten gibt es, je nach fachlicher oder ideologischer Grundeinstellung weltweit geteilte Meinungen. Es gilt dabei, zwei Rechtsgüter zu bewerten:

das des Infizierten auf Bewahren des Anscheins über seine erhaltene kör- perliche Integrität und das eines Mit- bürgers auf Schutz gegen Ansteckung mit einer todbringenden Krankheit Mit dem ersteren befaßt sich die Therapie, mit dem zweiten die Pro- phylaxe. Nach einem anerkannten ärztlichen Prinzip ist das Vorbeugen wichtiger als das Heilen.

Unter den 218 HIV-positiven Blutproben der AUT-Studie stam- men sicherlich welche von Patienten, denen ihre Infektion nicht bekannt ist. Das Verwischen der Spur zum Probengeber behindert das Erken- nen einer Infektionsquelle, ermög- licht das weitere Übertragen der tod- bringenden Krankheit Solange es kein zuverlässiges Mittel gibt, den Erreger der Immunschwächeerkran- kung wirksam zu bekämpfen, haben wir uns mit größter Sorgfalt mit sol- chen Maßnahmen zu beschäftigen, die deren Ausbreitung einschränken oder verhindern. Auch in einer Ar- beit, die nur epidemiologische Er- kenntnisse zum Ziele hat, braucht man das Prinzip der Anonymität nicht zu übertreiben.

Beim Werten juristisch-sozialer Vorbehalte für das Ausführen von

Zu dem Beitrag von Professor

Dr. med. Wilhelm von Eimeren und Mitarbeitern

in Heft 6/1993

HIV-Tests sollte man zwei Dinge auseinanderhalten:

—die vom Grundgesetz dem Bürger zugesicherte körperliche Unversehrt- heit

vom

—persönlichen Verfügungsrecht über eine ansteckende Krankheit, die für die Mitbürger des Trägers einer solchen bedrohlich sein kann.

Auf das eingschränkte Verfü- gungsrecht des Erkrankten über sei- ne Krankheit basieren die Vorschrif- ten über die Meldepflicht bestimmter gemeingefährlicher Krankheiten und die seuchenpolizeilichen Maßnah- men in allen zivilisierten Staaten.

Noch sind viele in der derzeitigen Ausbreitungsphase bereit, der Im- munschwächekrankheit einen Son- derstatus einzuräumen. Mit weiterer Zunahme der Zahl von HIV-Infizier- ten kommt der Zwang zum Überprü- fen gegenwärtig üblicher Wertvor- stellungen: weniger Anonymität, mehr Wahrheit im Verhältnis des Betroffenen zu seinem betreuenden Arzt und dem einer erhöhten Ge- fährdung ausgesetzten unmittelbar nahen Personenkreis.

Dr. med. H. Wambach Arbeitsmedizin Siegfriedstraße 14 63785 Obernburg

2. AUT-Verfahren überbewertet

Durch die politische Diskussion um die Mittelvergabe zur epidemiolo- gischen Forschung im Rahmen von AIDS, die vor allem vor dem Hinter- grund sehr knapper finanzieller Mit- tel zu sehen ist, hat das anonyme un- verknüpfte Testen (AUT) eine wis- senschaftlich nicht zu rechtfertigende Aufmerksamkeit erfahren. Gerade die jetzt anlaufende Erweiterung die- ses Verfahrens zum Neugeborenen- screening zeigt erneut die engen Grenzen der Aussagefähigkeit dieses Untersuchungsverfahrens auf.

Da es in der Bundesrepublik grundsätzlich ein Mißtrauen gegen- über epidemiologischer Forschung gibt, das im Bereich der HIV-Infekti- on durch die Allgegenwart von Dis- kriminierung und Ausgrenzung auch rational nachvollziehbar ist, wurde bereits im Jahr 1990 in Bayern der Versuch unternommen, mit Hilfe des AUT „Schlüsse auf die Verbreitung der AIDS-Infektion in der allgemei- nen Bevölkerung" (1) zu ziehen. Da- bei sollten die dort erhobenen Daten dazu dienen, gesundheitspolitische Planung im Bereich der Ressourcen- allokation und Präventionsbemühun- gen zu verbessern. „Die einzige Chance, AIDS wenigstens aufzuhal- ten und zu verlangsamen ist die Un- terbrechung der Infektionsketten.

Wir müssen daher genau wissen, wo- hin diese verlaufen" (1).

Die wissenschaftliche Auswer- tung im Ausland durchgeführter AUT-Studien belegt dagegen, daß nur für engumschriebene, demogra- phisch genau analysierte und epide- miologisch charakterisierte Bevölke- rungsgruppen innerhalb von um- schriebenen geographischen Regio- nen das AUT tatsächlich eine pla- nungsrelevante Bedeutung hat (2).

Die Nachteile des AUT dabei sind wie folgt zu umschreiben:

A-288 (54) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 5, 4. Februar 1994

(2)

MEDIZIN

1. Eine Identifikation von Risi- kofaktoren ist nicht möglich.

2. Das Fehlen umfangreicher demographischer Daten macht die Aussage häufig hinfällig (zum Bei- spiel werden beim Schwangeren- screening nur diejenigen Frauen un- tersucht, die bei sexueller Aktivität auch empfangen haben).

3. Solange davon ausgegangen werden muß, daß im Rahmen klini- scher und niedergelassener Einrich- tungen keine adäquate HIV-Antikör- pertestberatung stattfinden kann, sind Testverfahren, bei denen das Ergebnis der Patientin/dem Patien- ten nicht mitgeteilt werden kann, weiterhin als unethisch zu betrachten (3).

Zu einer entscheidenden Ver- besserung der epidemiologischen Daten kann es kommen, wenn die Vorbehalte gegen die Erhebung von Daten im Zusammenhang mit einer HIV-Infektion unbegründet werden.

Dies kann nur geschehen, in dem eindeutig der sozialen und gesell- schaftlichen Stigmatisierung entge- gengewirkt wird. Nur dann kann es möglich erscheinen, die Epidemiolo- gie in Richtung auf eine politikrele- vante Wissenschaft zu erweitern.

Deshalb schlage ich als ersten Schritt zur Ermöglichung einer politisch re- levanten Epidemiologie die Etablie-

3. Schwerwiegende Schwächen des AUT Dieser Artikel beschreibt die weitreichenden theoretischen Über- legungen und die ersten praktischen Erfahrungen, die mit dem AUT-Ver- fahren erhalten worden sind. Den- noch müssen diesem Verfahren fol- gende schwerwiegende Schwächen angelastet werden.

1. Weder die zeitlichen Verän- derungen der Prävalenz noch der In- zidenz von HIV in Deutschland sind über dieses Verfahren zuverlässig und exakt zu erfassen. Wenn es durchge- führt wird, können nur Bewegungen in den gewählten Fenstern (Klinik, Schwangere, Laborpraxen) in einem gewissen Rahmen ermittelt werden.

2. Ein Bias wird auch bei diesem Verfahren erhalten, weil die Rest- mengen an Serum oder Plasma teil-

DISKUSSION

rung eines Diskriminierungsregisters vor, das die Vorbehalte innerhalb der Bevölkerung und der ärztlichen Krei- se inhaltlich begründen kann. Gegen in einem solchen „Diskriminierungs- register" verzeichnete Fälle können dann adäquate politische Maßnah- men ergriffen werden, die wiederum die Basis eines Abbaus des Mißtrau- ens gegenüber Befragungen jeder Art darstellt.

Zuverlässige und relevante Ant- worten der Epidemiologie wären dann auf die Fragen nach seltenen Übertragungswegen, den Zusam- menhängen des „Langzeitüberle- bens", den sekundären Manifestatio- nen der HIV-Infektion, der klini- schen Verweildauer, dem Zusam- menhang zwischen Drogengebrauch und AIDS-Tod und vielen anderen zu erwarten.

Literatur

1. Pressemitteilung des bayerischen Innenmi- nisteriums (342/90) 21. Juni 1990

2. Ala, Journal of medical Virology 34:

176-178 (1991) 3. Science 250: 1460

Dr. med. Matthias Wienold Referatsleiter Medizin- und Gesundheitspolitik

Deutsche AIDS-Hilfe Dieffenbachstraße 33 10967 Berlin

weise die erwünschte Testung von mehreren Parametern oder von Be- stätigungstests nicht zulassen und die geforderte Art der Anonymisierung die Probenauswahl einschränkt.

3. Die Kosten für das Verfahren sind sehr hoch und rechtfertigen nicht den Erfolg.

Gleichwertige Prävalenzdaten können erhalten werden, wenn Zu- griff genommen wird — natürlich ano- nymisiert und rechtlich abgesichert — auf die routinemäßig durchgeführten HIV-Tests bei Schwangeren, bei Kli- nikpatienten, bei Drogenberatungs- stellen etc. und in Bayern in den Ju- stizvollzugsanstalten. Der Aufwand würde sich wenigstens halbieren, wenn nur die Erfassung von den vor- handenen Testergebnissen zu Studi- enzwecken vorgenommen wird.

4. Auch wenn die HIV-Präva- lenzdaten sehr exakt bestimmt wür-

den, sind sie kein Beitrag zur Ver- minderung der HIV-Übertragung, und sie sind nicht geeignet, den Er- folg von Maßnahmen — welche sind hier auf der ersten Seite gemeint? — hinreichend zu beurteilen. Auch ein Informationsnotstand (Seite 3) über die HIV-Verbreitung besteht nicht, und wenn er bestände und behoben sein sollte, ändert auch das Beheben nichts an der Übertragungsdynamik des HIV, die heute in Deutschland bei sieben bis zehn Neuinfektionen täglich liegt.

Prof. Dr. Gürtler

Max von Pettenkofer-Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie

Pettenkoferstraße 9a 80336 München

Schlußwort

"Anonymität" übertrieben (VVambach):

Das Anonyme Unverknüpfte Te- sten (AUT) in der von uns erprobten Form des „Anonymen Unverknüpf- baren HIV-Tests" übertreibt das Prinzip der Anonymität nicht. Eine in Deutschland durchgeführte AUT- Studie muß den geltenden Daten- schutzbestimmungen voll Rechnung tragen. Bei Testung von Restblut oh- ne Einholung expliziter Einverständ- niserklärungen muß das Testergebnis nicht nur unverknüpft, sondern im da- tenschutzrechtlichen Sinne praktisch unverknüpfbar mit einer bestimmten Person sein, damit geltendes Recht in jedem Fall gewahrt bleibt.

„AUT-Verfahren überbewertet"

(Wienold):

(a) Nutzen für Planungszwecke:

Natürlich kann das AUT „nur für engumschriebene, demographisch genau analysierte und epidemiolo- gisch charakterisierte Bevölkerungs- gruppen innerhalb von umschriebe- nen geographischen Regionen eine planungsrelevante Bedeutung" ha- ben. Mit diesem Satz sind Einsatzbe- dingungen und Vorteile des AUT- Verfahrensansatzes treffend umris- sen. Das AUT-Verfahren soll schließlich die bestehenden Bericht- systeme nicht ersetzen, sondern diese insbesondere durch ein zeitnahes re- A-290 (56) Deutsches Ärzteblatt 91. Heft 5, 4. Februar 1994

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