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Archiv "Dünndarmtransplantation: Klinischer Stand und eigene Ergebnisse" (05.01.2004)

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B

ereits in den sechziger Jahren wurden experimentelle Dünn- darmtransplantationen technisch erfolgreich durchgeführt (11). Auf- grund der hohen Immunogenität des Dünndarms waren die Überlebens- zeiten kurz und sie blieben es auch nach Einführung weiterer Immun- suppressiva wie Anti-Thymozyten- präparationen (ATG, ALG), Azathio- prin und Ciclosporin A. Humane Dünndarmtransplantationen im Rah- men von Multiorgantransplantationen wurden seit 1985 mit bescheidenen Er- folgen beschrieben (20). Die erste er- folgreiche isolierte Dünndarmtrans- plantation gelang Deltz (5) im Jahr 1987. Es folgten im gleichen Zeitraum kombinierte Leber-Dünndarm-Trans- plantationen in Kanada sowie in Frankreich (7, 8). Jedoch waren nur wenige Langzeiterfolge zu verzeich- nen. Erst die Einführung von Tacroli- mus im Jahr 1994 sowie weiterer Im- munsuppressiva, wie Mycophenolat Mofetil, Rapamycin, aber auch die IL-2 Rezeptorantagonisten Daclizu-

mab und Simulect, führten zu einer deutlichen Verbesserung der Patien- ten- und Transplantat-Überlebensra- ten (1, 12, 21). Hinzu kamen Verbesse- rungen in der operativen Technik, dem peri- und postoperativen Management sowie dem Monitoring und der Thera- pie von viralen Infektionen.

Indikationen zur

Dünndarmtransplantation

Die häufigste Indikation zur Dünn- darmtransplantation stellt das Kurz- darmsyndrom dar. Bei einer Dünn- darmlänge von weniger als 1 m wird bei Erwachsenen eine lebenslange pa- renterale Ernährung notwendig. Die Notwendigkeit einer lebenslangen pa-

renteralen Ernährung ist unabdingbar für die Indikationsstellung zur Dünn- darmtransplantation. In Abhängigkeit von der Länge des Kolons, insbeson- dere bei Vorhandensein der Bauhin- schen Klappe, ist unter Umständen auch eine kürzere Dünndarmlänge ausreichend, um den Patienten nach einer Adaptationsphase von einem Jahr und länger vollständig enteral zu ernähren. Bei Kindern ist die Adapta- tionsfähigkeit des Dünndarms noch größer, sodass noch kürzere Dünn- darmsegmente von circa 50 cm nach entsprechend langer Adaptationspha- se von 1 bis 2 Jahren für eine enterale Ernährung ausreichend sein können.

Verschiedene, benigne Grunderkran- kungen können zum Kurzdarmsyn- drom oder aber dem so genannten in- testinalen Versagen führen (Grafik 1, Tabelle 1) (1–4, 9, 12, 17, 19, 21). Bei malignem Grundleiden sollte nicht transplantiert werden, da aufgrund der hohen Immunsuppression Rezidi- ve beziehungsweise eine Metastasie- rung immer zu erwarten sind.

Dünndarmtransplantation

Klinischer Stand und eigene Ergebnisse

Zusammenfassung

In den letzten fünf Jahren sind in der klinischen Dünndarmtransplantation deutliche Fortschrit- te erzielt worden. Dies gilt insbesondere für die isolierte Dünndarmtransplantation mit 1-Jah- res-Überlebensraten von 70 bis 80 Prozent. Seit 2001 werden weltweit mehr als 150 Dünndarm- transplantationen jährlich durchgeführt, nur wenige davon in Deutschland. Durch Verbesse- rungen in der Immunsuppression ist die Inzi- denz von akuten Abstoßungen deutlich rück- läufig (von 85 Prozent auf 35 Prozent). Auf- grund der Ausbildung einer mit total parentera- ler Ernährung (TEP) assoziierten Leberzirrhose wird die Hälfte der Patienten weltweit kom- biniert Leber-Dünndarm-transplantiert. Auch wenn die kombinierte Transplantation immun- ologische Vorteile bietet, ist die Komplikations- rate unvergleichlich höher und das Überleben mit 52 Prozent 1-Jahres-Überlebensrate deut- lich niedriger. Neben bakteriellen, fungalen und atypischen Infektionen, die in der Frühphase häufig abstoßungs- und komplikationsassozi- iert auftreten, stellen virale Infektionen, insbe- sondere Infektionen mit dem Cytomegalievirus

(CMV) und dem Epstein-Barr-Virus (EBV) ein sig- nifikantes Risiko in der Spätphase dar. Von allen 900 dünndarmtransplantierten Patienten leben noch rund 50 Prozent. Mehr als 80 Prozent der überlebenden Patienten sind frei von parenter- aler Ernährung, voll rehabilitiert, und bei guter Lebensqualität in gutem Allgemeinzustand.

Schlüsselwörter: Dünndarmtransplantation, Im- muntherapie, Indikationsstellung, chirurgische Therapie, Transplantatabstoßung

Summary

Small Bowel Transplantation – Current Status and Initial Results

During the last five years, clinical results of small bowel transplantation has significantly improved. This is especially true for isolated small bowel transplantation with success rates of 70 to 80 per cent 1-year patient survival.

Worldwide more than 150 small bowel trans- plantations are performed per year since 2001.

In Germany, small bowel transplantation is still rare. Due to improvements in immunosuppres-

sion, the incidence of acute rejection has de- creased from 85 per cent to 35 per cent. Half of the patients will receive a combined liver- small bowel graft due to TPN (total parenteral nutrition)-associated liver cirrhosis. Although the combined procedure has immunological advantages, complication rates are high and patient survival is significantly lower (52 per cent at 1 year). Next to bacterial, fungal, and atypic infections, which are frequently associat- ed with rejection and other complications, CMV and EBV infections are of significant interest.

This is of special importance for EBV infections, since all PTLD (post-translation lymphoprolif- erative disease) after small bowel transplanta- tion are EBV-associated so far. Viral infections should be monitored and preemptive therapy using ganciclovir or foscavir initiated. Of the 900 patients transplanted so far, 50 per cent are still alive up to 15 years. Of these, more than 80 per cent are off parenteral nutrition, in good clinical healths, with good quality of life.

Key words: small bowel transplantation, immunosuppressive therapy, surgical thera- py, graft rejection

1Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie (Lei- ter: Prof. Dr. med. Bernd Kremer), Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel

2Klinik für Allgemein-,Visceral- und Transplantationschir- urgie (Leiter: Prof. Dr. med. Peter Neuhaus), Charité, Cam- pus Virchow-Klinikum, Humboldt-Universität zu Berlin

Andrea Raffaella Müller1 Peter Neuhaus2

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Indikationszeitpunkt

Der Zeitpunkt für die Indikationsstel- lung zur Dünndarmtransplantation ist derzeit umstritten. In der Zusammen- setzung sowie dem Management der parenteralen Ernährung hat es in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gegeben.

Das 5-Jahres-Überleben bei paren- teraler Ernährung lag bei benigner Grunderkrankung bei 65 Prozent (25).

Risiken bergen die Entwicklung von septischen Komplikationen im Be- reich der zentralvenösen Katheter (Port, Hickman oder Browiak-Kathe- ter) sowie die Entwicklung von kathe- terbedingten Thrombosen bis hin zum Verschluss sämtlicher zentraler Ge- fäße (Textkasten). Septische Kompli- kationen treten häufig auch im Be- reich der Gallenwege (Cholangitis, Cholezystitis) auf.

Ein weiteres Risiko ist die Ent- wicklung einer cholestatischen Leber- dysfunktion, die bis zur Entwicklung einer Zirrhose führen kann und dann eine Indikation zur kombinierten Leber-Dünndarm-Transplantation dar- stellt (4–8). Patienten mit Leberzirrho- se haben bei parenteraler Ernährung ein erheblich höheres Risiko, die Warte- zeit zur Transplantation nicht zu überle-

ben. Dennoch bedurften die Hälfte der Patienten einer kombinierten Le- ber-Dünndarm-Transplantation (Grafik 2). Dies gilt insbesondere für Kinder, die bei TPE-assoziierter Zirrhose als le- bensrettende Maßnahme eine kombi- nierte Transplantation erhielten.

Die oben genannten Risiken sowie die eingeschränkte Lebensqualität der

Patienten bei täglicher bis zu 14-stün- diger parenteraler Ernährung bei un- ter Umständen hohem Verlust von in- testinalen Sekreten über ein proxima- les, terminales Stoma müssen gegen die Risiken, die eine Dünndarmtrans- plantation mit sich bringt, sorgfältig unter Einbeziehung des Patienten ab- gewogen werden.

Indikationen zur Dünndarmtransplantation bei Erwachsenen (Internationales Dünndarmtrans- plantations-Register, Stand Mai 2001)

Grafik 1

Bei 651 Patienten sind 696 Dünndarmtransplantationen durchgeführt worden. Patienten mit Tumoren werden heute nicht mehr transplantiert; dies sind Patienten, die Ende der 80er-Jahre transplantiert worden sind. Bei Kindern liegt die Inzidenz von funktionellen Darmstörungen höher (circa 30 Prozent). Re-TX, Retransplantation

´ Tabelle 1 ´

Indikationen zur Dünndarmtransplantation – eigene Patienten (n = 13)

Indikationen Patienten Patientenüberleben (Monate) TX-Ort

Mesenterialvenenthrombose 4 25, lebt Berlin

14, lebt Berlin

2, verstorben, therapierefraktäre Abstoßung Berlin

3, lebt Kiel

Mesenterialinfarkt 2 30, lebt Berlin

1, verstorben, Aspergillen Pneumonie* Kiel

Volvolus 2 28, lebt Berlin

12, lebt Berlin

Malrotation 1 37, lebt Berlin

Rezidivierender Bridenileus 1 21, lebt Berlin

Desmoidtumor + FAP 1 10, verstorben, intrakranielle Blutung Berlin

Vaskulitis 1 2, verstorben, Ischämierezidiv Berlin

Morbus Crohn 1 6 Kiel

Alle Patienten wurden aufgrund eines Kurzdarmsyndroms isoliert dünndarmtransplantiert: Restdünndarm: 0–30 cm, Median: 10 cm; Restkolon: variabel; Patienten waren 2–16mal voroperiert; fünf Patienten hatten hohe Verluste über ein Jejunostoma; alle Patienten hatten bereits mehrere Portinfektionen; vier Patienten hatten eine cholestatische Leberdysfunktion, eine Patientin schwer; drei der verstorbenen Patienten hatten zwei bis zwölf Wochen zuvor ihr Dünndarmtransplantat verloren, eine Patientin*verstarb mit funktionsfähigem Transplantat. FAP, familiäre adenomatöse Polyposis;TX,Transplantation

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Spenderauswahl

Da die Dünndarmtransplantation welt- weit selten durchgeführt wird, kann eine Selektion der potenziellen Spen- der vorgenommen werden (Tabelle 2).

Dünndarmspender sollten jung sein, relativ schlank, damit ausreichend Platz im Empfängerabdomen ist für das Transplantat, nur kurze Zeit auf der Intensivstation verbracht haben und unauffällige Laborparameter aufwei- sen (13). Für den Darm spezifische Pa- rameter gibt es bislang nicht. Zur Mo- dulation und Reduktion des Konser- vierungs- und Reperfusionsschadens bevorzugen die Autoren die Appli- kation von Prostaglandinen bereits vor der Organentnahme. Da es mit zuneh- mender Dauer der Nahrungskarenz zu deutlichen Veränderungen der Mukosa- barriere und -Funktion kommt, sollen diese Veränderungen vor der Spender- operation gemindert werden. Dazu wird die Mukosabarriere und Darm- flora mittels Immunonutrition, das heißt enteralen Präparationen, die Glutamin, Arginin, Omega-3-Fettsäuren enthal- ten sowie mit Laktobakterien aufge- baut (13).

Operationstechnik

Die zentralen Dünndarmgefäße wer- den bei simultaner Pankreasentnahme vom Pankreasteam beansprucht. Die Teilung der Mesenterialgefäße ist schwierig und wird vom Dünndarm- team durchgeführt. Da die Anatomie im Bereich der Mesenterialwurzel sehr variabel ist, können mehrere Mesente- rialarterien und -Venen vorgefunden werden. Bei der Empfängeroperation wird ein Aorteninterponat mittels Arte- ria iliaca vom Spender immer erforder- lich, gegebenenfalls unter Rekonstruk- tion mehrerer Mesenterialarterien (13, 14). Die Vena mesenterica inferior kann direkt End-zu-Seit mit der Vena mesen- terica inferior des Empfängers anasto- mosiert werden. Diese Technik wurde von uns eingeführt und bisher neun- mal angewendet (Grafik 3). Alternativ kann auch der Konfluenz beziehungs- weise die Vena mesenterica superior zur Anastomosierung benutzt werden.

Dies macht jedoch in der Regel ein Ve-

neninterponat notwendig. Bei anato- misch schwierigen Verhältnissen wur- den die Vena cava oder Vena renalis zur Anastomosierung verwendet (81, 21).

Letzteres Vorgehen könnte möglicher- weise negative metabolische (portoca- valer Shunt) und immunologische Aus- wirkungen haben.

Die Transplantation sollte so schnell wie möglich, innerhalb von sechs Stun- den nach Organgewinnung erfolgen.

Anhand von Analysen aus Pittsburgh gingen längere Ischämie- und Operati- onszeiten mit einem höheren Leta- litätsrisiko einher. Je nach Anzahl und Ausmaß der Voroperationen muss das operative Vorgehen häufig modifiziert werden. Dies gilt auch für die kombi- nierte Leber-Dünndarm-Transplanta- tion. Hier wurde die Kontinuität von Mesenterialvene und Pfortader früher immer erhalten. Diese Technik wird zunehmend verlassen, da mit ihr die Transplantation des Pankreas für ei- nen weiteren Patienten nicht möglich ist. Dünndarm und Leber werden heu- te separat in der üblichen Technik transplantiert. Ausnahme ist die kom- binierte Leber-Dünndarm-Transplan- tation bei Kindern unter einem Jahr.

Aufgrund der besonderen anatomischen Komplikationen der parenteralen

Ernährung

>Venöse Thrombosen

>Verschluss der zentralen venösen Gefäße

>Sepsis

>Cholestase, Cholangitis, Cholezystitis

>Cholestatische Leberdysfunktion, Leberzirrhose

>Gallenblasen- und Nierensteine

>Wachstumsstörungen bei Kindern

>Psychologische Probleme Textkasten 1

Art der Chirurgie (Internationales Dünndarmtransplantations-Register, Stand Mai 2001; 696 Transplantationen bei 651 Patienten)

Grafik 2

´Tabelle 2 ´

Spenderkriterien zur Dünndarmtransplantation

Alter < 50 Jahre

Intensivdauer < 1 Woche, möglichst enterale Ernährung Schlank Ideal-/Normalgewicht, BMI < 25

Cross Match Negativ

Kalte Ischämiezeit < 6 h

Labor Keine spezifischen Parameter, unauffällige Routineparameter Die Größe des Spenders ist weniger entscheidend als vielmehr der Bodymass-Index (BMI). Spender sollten schlank sein, damit der Platz im Empfängerabdomen ausreichend ist.Alle von den Autoren transplantierten Patienten konnten zügig nach einer kalten Ischämiezeit von 2,5–6 h transplantiert werden (Median: 4 h).

(4)

Verhältnisse hat sich das von Langnas (22) beschriebene Verfahren unter Mitnahme des Pankreaskopfes und Duodenums zusammen mit Dünn- darm und Leber bewährt.

Die Anastomosierung des Darms erfolgt proximal End-zu-End (Grafik 3). Das distale Ende des Transplantates wird mittels Ileostoma durch die Bauchdecken ausgeleitet, wobei die in- testinale Kontinuität zum Kolon (End- zu-Seit) direkt hergestellt wird. Dies erleichtert später, üblicherweise nach sechs Monaten, den Verschluss des Ileo- stomas. Die Transplantation des Kolons zur Reduktion von Diarrhöen hat sich nicht bewährt, da dies im Rahmen von Abstoßungen eine erhebliche Steige- rung des Risikos an letalen septischen Komplikationen mit sich bringt (23).

Die Dünndarmtransplantation unter Einschluss der Ileocaecalregion wird bei fehlendem Kolon jedoch erfolgreich angewandt.

Perioperatives Management

Zur Modulation des Konservierungs-/

Reperfusionsschadens sowie früher immunologischer Reaktionen werden dem Empfänger üblicherweise Pro- staglandine (zum Beispiel Ilomedin) verabreicht (13, 17). Da bei der Dünn- darmtransplantation ein nichtsteriles Organ transplantiert wird, ist zur Reduktion von Bakterientranslokati- on und Einschwemmung der Erhalt beziehungsweise die zügige Wieder- herstellung der Mukosabarriere sehr wichtig. Vielfach wird daher nach Dünndarmtransplantation eine selek- tive Darmdekontamination durchge- führt.

Besser ist jedoch die Wiederherstel- lung der physiologischen Darmflora mittels Laktobakterien, auch im Hin- blick auf die Reduktion von frühpost- operativen Infektionen und Komplika- tionen (16). Neben den Laktobakterien trägt auch die frühpostoperative enter- ale Ernährung des Darmes mittels Glutamin und argininhaltigen Präpara- tionen (Immunonutrition) zur Wieder- herstellung der Mukosabarriere und damit zur Reduktion des Reperfusi- onsschadens sowie zur Reduktion von Infektionen bei (12, 13).

Immunsuppression

Als Basisimmunsuppression wird die hochpotente Kombination von Tacro- limus und Rapamycin verwendet. Zu- sätzlich erhalten die Patienten eine Induktionstherapie mit Antilympho- zytenpräparationen (ATG/ALG) und mit Interleukin-2-Rezeptorantagoni- sten (Daclizumab, Simulect).

Die Verabreichung von Steroiden wird nach der Transplantation hoch- dosiert begonnen und innerhalb eines Zeitraumes von drei bis sechs Mona-

ten komplett ausgeschlichen (Tabelle 3) (12). Die Verabreichung von Myco- phenolat Mofetilist (MMF) ist in der letzen Zeit rückläufig aufgrund von häufig zu beobachtenden Diarrhöen.

Auch Azathioprin und Ciclosporin A werden aufgrund ihrer geringen Po- tenz nur äußerst selten im späten Ver- lauf als Reservemedikamente verwen- det.

Komplikationen

Die am meisten gefürchtete Komplikati- on ist die akute Abstoßung. Die Inzidenz lag früher bei 85 Prozent. Im Mittel ent- wickelte jeder Patient 2,6 Abstoßungen und mehr als ein Drittel der Patienten entwickelte eine schwere steroidresisten- te Abstoßung, die dann der Therapie mit OKT3 (Orthoclone gegen T3-Lympho- zyten) bedurften. Bei schwerer akuter Abstoßung muss wegen der simultan auftretenden Peritonitis rechtzeitig die Explantation des Dünndarmes in Be- tracht gezogen werden. Aufgrund der Verbesserung in der Immunsuppression kann die Inzidenz und die Schwere der Abstoßung deutlich gesenkt werden.

Nach kombinierter Leber-Dünndarm- Transplantation liegt die Inzidenz von akuten Abstoßungen etwas niedriger, so- dass entsprechend den experimentellen Ergebnissen von einer Protektion des Dünndarms durch die Leber ausgegan- gen werden kann. Ein Monitoring allein der Leber ist jedoch nicht ausreichend, da auch Abstoßungen des Dünndarms ohne Abstoßung der Leber beobachtet wurden.

Wie bei anderen Organen ist die Gefahr von akuten Abstoßungen in der frühen Phase nach Transplantation am größten. Dennoch können schwere Abstoßungen auch im späten Verlauf ohne deutliche klinische Symptomatik (Schmerzen und Diarrhöen) unvorher- gesehen auftreten (Tabelle 4). Eine sofor- tige Diagnostik und Therapie wird hier notwendig. Die Abstoßungsdiagnostik wird anhand international etablierter Kriterien an Dünndarmbiopsien vorge- nommen (10). Biopsien sollten vorzugs- weise im Bereich des terminalen Ileums entnommen werden, da hier die Gefahr von Abstoßungen am höchsten ist. Ab- stoßungen können jedoch auch isoliert im Jejunum auftreten, sodass bei unkla- ren Befunden die Endoskopie des ge- samten Darms notwendig werden kann.

Zusätzlich kann die Bestimmung des zel- lulären Immunstatus sowie von Immun- parametern (löslicher Interleukin-2-Re- zeptor, Tumor-Nekrose-Faktor-α, Pro- calcitonin, Lipidbindungsprotein, Hya- luronsäure) zur Diagnostik einer Dünn- darmdysfunktion oder Abstoßung insbe- sondere in der frühen Phase nach Trans- plantation hilfreich sein.

Schematische Darstellung des Dünndarmtrans- plantates

End-zu-End-Jejunojejunostomie, End-zu-End-Ileo- colostomie und Ausleitung des terminalen Ileums als diagnostisches Ileostoma für 6 Monate. Inter- position der Arteria iliaca des Spenders auf die in- trarenale Aorta unter Rekonstruktion von 1 bis 3 Mesenterialarterien. Direkte Anastomosierung der Vena mesenterica superior des Spenders auf die Vena mesentercia inferior (Pfeil) End-zu-Seit.

Grafik 3

(5)

Infektionen

In der frühen Phase nach Transplanta- tion sind vor allem bakterielle und fun- gale Infektionen gefürchtet (2). So stellt die Peritonitis und Sepsis mit 52 Prozent die Haupttodesursache dar.

Im späteren Verlauf ab dem zweiten postoperativen Monat treten vermehrt CMV- und EBV-Infektionen auf. Die- se sind zumeist überimmunsuppressi- onsbedingt und werden durch Reduk- tion der Immunsuppression und intra- venös Ganciclovir therapiert. CMV- und EBV-Infektionen werden häufiger nach kombinierter Leber-Dünndarm- Transplantation oder multiviszeraler Transplantation beobachtet als nach isolierter Dünndarmtransplantation.

Am höchsten liegt die Inzidenz bei Kindern nach multiviszeraler Trans- plantation. EBV-Infektionen sollten konsequent therapiert werden, da sie als Vorstufe für Lymphome angesehen werden (15). In zehn Prozent aller dünndarmtransplantierten Patienten waren Lymphome die Todesursache (Internationales Dünndarmtransplan- tations-Register, Stand Mai 2001). Die- ser Trend ist jedoch aufgrund des ver- besserten Managements von EBV-In- fektionen rückläufig.

Ergebnisse

Von den 651 im Internationalen Dünndarmtransplantions-Register ge- listeten Patienten überlebten bis Mai 2001 335 Patienten (51,5 Prozent). Das 1-Jahres-Patientenüberleben lag bei 71 Prozent für die isolierte Dünndarm- transplantation und bei 62 Prozent für die kombinierte Leber-Dünndarm- Transplantation. Das 5-Jahres-Patien- tenüberleben lag bei 49 Prozent bezie- hungsweise 42 Prozent. Betrachtet man die Ergebnisse ab dem Jahr 1999, so zeigt sich eine Verbesserung der 1-Jahres-Patienten- und -Transplantat- überlebensraten von Erwachsenen mit einem Vorteil für die isolierte Dünn- darmtransplantation (80 Prozent) im Vergleich zur kombinierten Leber- Dünndarm-Transplantation (52 Pro- zent). Gleiches wurde auch für die pä- diatrische Transplantation beobachtet (74 Prozent versus 62 Prozent).

Die Gründe für die höheren Über- lebensraten nach isolierter Transplan- tation sind noch nicht vollständig ge- klärt, könnten jedoch in der kürzeren Operationsdauer, dem geringeren Ope- rationstrauma, dem reduzierten Kon- servierungs- und Reperfusionsschaden sowie einer geringeren Rate von post- operativen Komplikationen begründet sein. Technische Komplikationen wie Thrombosen und Blutungen stellen mit 15 Prozent eine respektable Letalitätsur-

sache dar.Aus diesen Gründen wird der- zeit die isolierte Transplantation vor Ausbildung einer TPE-assoziierten Zir- rhose wenn immer möglich bevorzugt.

Überlebensraten von 70 Prozent und Häufigkeit der Komplikationen schei- nen dieses Vorgehen zu rechtfertigen (Tabelle 5).Alle acht überlebenden Pati- enten (6 bis 37 Monate, Median: 25 Mo- nate) sind derzeit bei guter Gesundheit und haben nach eigener Aussage eine deutlich bessere Lebensqualität als vor

´Tabelle 4 ´

Ergebnisse nach Transplantation (n = 13)

Patientenüberleben 9/13 (69 %)

Transplantatfunktion 8 Patienten voll enteral ernährt Rehabilitation 8 Patienten voll rehabilitiert Komplikationen

Akute Abstoßung 4/13 (31 %)*1

Anastomoseninsuffizienzen 2/13, coloanal, Ösphagojejunostomie Infektionen

früh (< 1 Monat) Peritonitis (n = 4)*2 Pneumonie (n = 2) spät (> 1 Monat) Pneumonie ( n = 1)

Harnwegsinfekt bei Nephrolithiasis (n = 2) Portinfektion (n = 5)

CMV-Infektion (n = 2) EBV-Reaktivierung (n = 4)*3

*1Die akute Abstoßung war in allen Fällen steroidresistent; bei 2 Patienten trat sie im frühpostoperativen

Verlauf auf (1. und 2. Monat) und führte zum Transplantatverlust. Bei den beiden anderen Patienten trat sie nach 10 und 24 Monaten auf;

mittels OKT3-Therapie konnte eine Restitutio ad integrum erreicht werden.

*2Ursache der Peritonitis waren Anastomoseninsuffizienzen (n = 2) sowie therapierefraktäre Abstoßungen (n = 2).

2 Patienten verstarben; 2 Patienten erholten sich

*3EBV-assoziierte Lymphome wurden nicht beobachtet.

EBV, Epstein-Barr-Virus; CMV, Cytomegalie-Virus

´Tabelle 3 ´

Immunsuppressives Management

Immunsuppression Zeitdauer

ATG Induktionstherapie, einmalig für Transplantation

Daclizumab Induktionstherapie, 1x nach 24 h, danach nach Monitoring

Tacrolimus Basisimmunsuppression

Rapamycin Basisimmunsuppression

Prednisolon Stufenschema, nach 6 Monaten absetzen

Anti-Thymozytenglobulin (AGT) wird einmalig hochdosiert (8 mg/kg KG) appliziert. Die weiteren Daclizumab-Gaben erfolgen bei Anstieg des sIL- 2R im Plasma sowie des Anstiegs der CD4+-, CD25+-T-Zellen im peripheren Blut.Tacrolimus und Rapamycin werden prä-und postoperativ per os verabreicht.

(6)

der Transplantation. Ähnliches spiegeln auch internationale Untersuchungen zur Lebensqualität nach Dünndarmtrans- plantation wider.

Der transplantierte Darm nimmt sei- ne Funktion relativ schnell auf. Kohlen- hydrate werden bereits in den ersten Tagen gut resorbiert und die Fettre- sorption normalisiert sich nach wenigen Wochen (6, 21–23). Bis auf eine gewisse, sehr variable Flüssigkeitszufuhr ist in der Regel eine parenterale Ernährung postoperativ nicht notwendig.

Fazit

Auch wenn der Zeitpunkt der Indikati- onsstellung zur Dünndarmtransplanta- tion derzeit noch umstritten ist, sollte nach der jetzigen Datenlage die Indika- tion zur isolierten Dünndarmtransplan- tation rechtzeitig vor Ausbildung einer Leberzirrhose gestellt werden. Zum ei-

nen ist die Letalität in der Wartezeit bis zur kombinierten Leber-Dünndarm- Transplantation vergleichsweise hoch, zum anderen sind die Erfolgsaussichten bei isolierter Dünndarmtransplantation besser.

Aufgrund von Verbesserungen der Immunsuppression und des periopera- tiven Managements kann die Dünn- darmtransplantation erfolgreich durch- geführt werden. In einigen Zentren konnten 1-Jahres-Patientenüberlebens- raten von 80 Prozent erreicht werden (6, 8). Akute Abstoßungen können ver- hindert werden. Neben der initial po- tenten Immunsuppression ist jedoch die kontrollierte Reduktion der Immun- suppression zur Verhinderung von vira- len Infektionen im späteren Verlauf von nicht minderer Bedeutung. Trotz inno- vativem Monitoring sind späte akute Abstoßungen bei geringer klinischer Symptomatik (Schmerzen, Diarrhöen) immer möglich und umgehend zu thera-

pieren, da sonst ein akutes Transplan- tatversagen droht.

Die wiedererlangte Möglichkeit der vollständigen enteralen Ernährung bietet den Patienten subjektiv einen unschätzbaren Gewinn an Lebensqua- lität.

Manuskript eingereicht: 30. 6. 2003; revidierte Fassung angenommen: 15. 9. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2004; 101: A 38–43 [Heft1–2]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit0104 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Andrea Raffaella Müller Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel

Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Arnold-Heller-Straße 7 24105 Kiel

E-Mail: amueller@chirurgie-sh.de

AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT

Epilepsie Heilige Krankheit

Zitat: „Mit der sogenannten heiligen Krankheit verhält es sich folgender- maßen: sie ist nach meiner Ansicht keineswegs göttlicher oder heiliger als die anderen, sondern wie die anderen Krankheiten so hat auch sie eine natürliche Ursache, aus der sie ent- steht [...]. Ich meine nun: diejenigen, die zuerst die Krankheit für heilig er- klärt haben, waren Menschen, wie sie auch jetzt noch als Zauberer, Ent- sühner, Bettelpriester und Schwind- ler herumlaufen und beanspruchen, äußerst gottesfürchtig zu sein und mehr als andere zu wissen. Diese Men- schen nahmen die göttliche Macht als Deckmantel ihrer Ratlosigkeit, weil sie nicht wußten, wie sie den Kranken helfen sollten; und damit ihre Unwis- senheit nicht offenbar würde, brachten sie auf, daß diese Krankheit heilig sei [...].

Schuld an diesem Leiden ist das Gehirn, wie auch an den wichtigsten

MEDIZINGESCHICHTE(N) )

Krankheiten sonst [...]. Wenn der Ab- fluß [des Schleims vom Gehirn] seinen Weg zum Herzen nimmt, ergreift den Kranken Herzklopfen und Atemnot, er wird engbrüstig, manche werden so- gar bucklig. Denn wenn der kalte Schleim zur Lunge und zum Herzen kommt, wird das Blut abgekühlt, die Adern, die mit Gewalt abgekühlt wer- den, schlagen gegen die Lunge und das Herz klopft, so daß aus diesem Grund Asthma und Atemnot eintritt. Denn der Kranke kann nicht so viel Luft ein- atmen, wie er will, bis der Zufluß des Schleims bewältigt und in erwärmtem Zustand in die Adern verteilt ist.

Dann hört das Herzklopfen und die Atemnot auf, und zwar je nach der Menge des Zuflußes, wenn mehr von oben zufließt, langsamer, wenn weni- ger, schneller, und wenn die Zuflüße häufiger eintreten, erfolgen auch die Anfälle häufiger. Das leidet der Kran- ke, wenn der Schleim zur Lunge und zum Herzen geht. Wenn er aber in den Bauch geht, befällt ihn Durchfall.

Wenn der Schleim von diesen Wegen abgeschnitten wird und seinen Abfluß in

die [...] Adern nimmt, verliert der Kranke die Sprache und leidet unter Erstickungsanfällen, Schaum fließt ihm aus dem Munde, die Zähne schlagen aufeinander, die Hände krampfen sich zusammen, er verdreht die Augen und verliert das Bewusstsein. Bei manchen geht auch Kot nach unten ab [...].

Wenn der Schleimfluß stark und dick ist, wirkt er unmittelbar tödlich. Denn er überwältigt das Blut durch seine Käl- te und läßt es erstarren. Wenn er aber schwächer ist, benimmt er zwar dem Kranken den Atem und überwältigt ihn für den Augenblick, wenn er sich aber im Lauf der Zeit in den Adern verteilt und mit dem vielen warmen Blut ver- mischt hat und auf diese Weise überwäl- tigt ist, dann nehmen die Adern die Luft wieder auf, und der Kranke kommt wie- der zum Bewusstsein.“

Hippokratische Schrift (Anfang 4. Jh. v. Chr.): Die Heili- ge Krankheit. In: Hippokrates: Schriften. Hans Diller eds.: Hamburg, 1962; S. 134 beziehungsweise 140. – Diese nicht von Hippokrates selbst verfasste Schrift schildert die „Epilepsie“ (von griech. epilambáno = überraschen, befallen) im Sinne der antiken Säftelehre (Humoralpathologie) als natürliches Anfallsleiden.

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