E. Vl. Ärzte im öffentlichen Dienst
Das Aufgabengebiet der Gesund- heitsfachverwaltung soll wie bisher Gesundheitsschutz, gesundheitli- che Vorsorge und Gesundheitshilfe beinhalten. Es umfaßt auch:
— Umwelthygiene,
— Überwachung des Verkehrs mit Lebensmitteln und Bedarfsgegen- ständen,
— Jugendzahnpflege,
— Aufgaben des staatlichen Ge- werbearztes.
Bei dieser Konzeption stellt sich die Frage nach Einrichtung der medizinisch-technischen Zentren für die Gesundheitsfachverwaltung nicht, da die einzelnen Abteilungen notwendigerweise technisch so eingerichtet sein müssen, daß sie die anfallenden medizinisch-techni- schen Untersuchungen selbst vor- nehmen können.
Es ist zwingend notwendig, daß die Gesundheitsfachverwaltung in al- len Fragen, welche die Gesamtheit der Bevölkerung betreffen, von sich aus initiativ werden und ande- re Verwaltungen zu den erforderli- chen Maßnahmen veranlassen kann.
Diese neue Gesundheitsfachver- waltung wird nur dann voll wirksam werden können, wenn ihre Zusam- menarbeit zwischen niedergelasse- nen Ärzten, Krankenhausärzten und den Ärzten der Sozialversiche- rungsträger in echter kollegialer Partnerschaft mit dem Ziele einer engen Verzahnung aller Tätigkeits- bereiche unseres Gesundheitswe- sens intensiviert wird.
I> Zusammenarbeit mit Klinik und Praxis
Zahlreiche Aufgaben des öffentli- chen Gesundheitsdienstes können unter Führung der Ärzte des öffent- lichen Gesundheitsdienstes in Zu- sammenarbeit mit den freipraktizie- renden Ärzten wahrgenommen werden.
Beispielsweise sei hier der schul- ärztliche Dienst genannt: Es bietet sich geradezu an, daß niedergelas-
sene Ärzte die Gesundheitsüber- wachung der Kinder in den Schu- len ihres Praxisbereichs im Auftrag der Gesundheitsämter überneh- men.
Auch an der Gesundheitserziehung der Bevölkerung in Schulen, Volks- schulen und ähnlichen Einrichtun- gen sollten freipraktizierende und Krankenhausärzte mitwirken. Den Ärzten des Gesundheitsamtes wird vor allem die Planung der Unter- richtsprogramme zufallen.
Auf anderen Gebieten, etwa der Mütterberatung, der Tuberkulose- fürsorge und bei Impfungen, sind heute freipraktizierende und Kran- kenhausärzte in großem Umfang tätig. Auch diese Aufgaben sollten aber im Auftrag und in enger Zu- sammenarbeit mit den Ärzten des öffentlichen Dienstes wahrgenom- men werden, in dessen Zuständig- keit sie liegen.
Für die Betreuung Suchtkranker und Körperbehinderter, insbeson- dere körperbehinderter Kinder, wird es notwendig sein, eine aus- reichende Zahl von Beratungsstel- len einzurichten. Diese sind zwar Einrichtungen des öffentlichen Ge- sundheitsdienstes, könnten aber weitgehend in Zusammenarbeit mit niedergelassenen und Kranken- hausärzten betreut werden.
I> Notwendige Sofortmaßnahmen Der Deutsche Ärztetag weist mit Nachdruck auf den erheblichen Personalmangel im öffentlichen Gesundheitsdienst und die sich daraus ergebende Konsequenz für die Leistungsfähigkeit des öffentli- chen Gesundheitsdienstes hin.
Durch einen Zusammenbruch des öffentlichen Gesundheitsdienstes würde das Funktionieren des ge- samten Gesundheitswesens ernst- lich in Frage gestellt.
Der Deutsche Ärztetag fordert da- her wiederholt eine umfassende, an der Leistung und der Verant- wortung dieser Ärztegruppe orien- tierte Besoldungsneuregelung so- wie eine Verbesserung der Arbeits- bedingungen und der Fortbildungs- möglichkeiten."
3. Ärztliche Dienste bei den Trägern der Sozialversicherung
Die durch die Beratung im Bundes- arbeitsministerium zur Vereinheitli- chung des sozialärztlichen Dien- stes ausgelöste Diskussion veran- laßte den Ausschuß zur Ablehnung aller Bestrebungen, die die ver- schiedenen ärztlichen Gutachter- dienste der einzelnen Sparten un- seres gegliederten Versicherungs- systems zu einem einheitlichen
„sozialärztlichen Dienst" zusam- menfassen wollen. Die Ärzte bei den Trägern der Sozialversiche- rung erfüllen eine vielseitige Mitt- lerrolle zwischen den Bürgern und den Sozialleistungsträgern.
Der Ausschuß erarbeitete zu die- sen Fragen folgende Stellungnah- me für den Deutschen Ärztetag:
„Die ärztlichen Dienste der ver- schiedenen Versicherungszweige:
D vertrauensärztliche Dienste der gesetzlichen Krankenversicherung, I> ärztliche Dienste der Arbeitsäm- te r,
Durchgangsärzte und Ärzte der berufsgenossenschaftlichen Klini- ken im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung und
• vorsorgungsärztliche Dienste müssen ihre Begutachtung auf Grund verschiedenartiger Rechts- grundlagen erstellen und Sachver- halte nach unterschiedlichen Versi- cherungs- bzw. versorgungsrechtli- chen Vorschriften beurteilen. Die Probleme, die sich für den Versi- cherten ergeben, sind nicht so sehr in der Tätigkeit verschiedener Gut- achterdienste begründet, sondern in juristischen und verwaltungs- technischen Gegebenheiten, die sich aus der unterschiedlichen Art und Zielsetzung der Versiche- rungsträger herleiten. Diese Pro- bleme lassen sich durch einen ein- heitlichen Gutachterdienst nicht aus der Welt schaffen. Im übrigen sind Divergenz- und Mehrfachbe- gutachtungen, wie sich bei Erhe- bungen im Bereich der LVA-Würt-
2000 Sondernummer 26a vom 19. 7. 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
E. Der Arzt im Beruf
temberg zeigt, durchaus nicht so häufig wie behauptet wird. Auf je- den Fall wirken sie sich auf den Patienten weniger nachteilig aus als die Begutachtung durch die Mammutinstanz eines sozialärztli- chen Dienstes, gegen den ein Wi- derspruch schwierig und langwie- rig wäre.
Der Deutsche Ärztetag hält es aber für erforderlich, daß
> die Kooperation der ärztlichen Dienste unter Beibehaltung des ge- gliederten Versicherungssystems verstärkt wird, vor allem zwischen vertrauensärztlichem Dienst, ar- beitsamtsärztlichem Dienst und Gutachterdienst der Rentenversi- cherung.
D gesetzliche Grundlagen für eine bessere juristische und verwal- tungsmäßige Verzahnung der ver- schiedenen Versicherungsträger geschaffen werden, etwa im Rah- men des geplanten Sozialgesetzbu- ches,
E> gleiche Fälle nach einheitlichen Grundsätzen, unabhängig von der Zuständigkeit des Versicherungs- trägers, selbstverständlich aber un- ter Beachtung der unterschiedli- chen Rechtsgrundlagen begutach- tet werden,
D außerdem sollte jede Möglich- keit einer Beschleunigung der Ver- waltungsvorgänge genutzt werden.
Weiterentwicklung
Auch die im Rahmen der Begut- achtung anfallenden epidemiologi- schen und sozialwissenschaftli- chen sowie arbeits- und sozialme- dizinischen Daten aus Kranken- und Rentenversicherung sollten unter Wahrung des Patientenge- heimnisses gesammelt und wissen- schaftlich ausgewertet werden. Der medizinischen Forschung würde die Auswertung dieser Daten wich- tige Aufschlüsse liefern; im Be- reich der Sozialmedizin könnte sie grundlegende neue Impulse geben.
Zusammenarbeit mit Klinik und Praxis
Eine enge Zusammenarbeit der ärztlichen Dienste der Sozialversi- cherungsträger mit den in Klinik
und Praxis tätigen Kollegen sollte organisatorisch sichergestellt wer- den. Es wäre z. B. wünschenswert, wenn der behandelnde Arzt Infor- mationen über den Verlauf des Be- gutachtungsverfahrens erhalten und abschließend zu der Begutach- tung Stellung nehmen könnte.
Ablehnung des gemeinsamen sozialärztlichen Dienstes
Der Deutsche Ärztetag lehnt die Einrichtung eines einheitlichen so-
1. Bemühungen der Bundesärztekammer um das
Krankenhauswesen
Die Entwicklung des Krankenhaus- wesens, die Krankenhausplanung und die Krankenhausfinanzierung sowie die innere Struktur der Kran- kenhäuser standen im Berichtsjahr weiterhin im Mittelpunkt des öffent- lichen Interesses. Das 1973 in Kraft getretene Krankenhausfinanzie- rungsgesetz und die seit Januar 1974 geltende Bundespflegesatz- verordnung haben in der prakti- schen Anwendung zahlreiche Pro- bleme aufgeworfen. In den meisten Bundesländern wird noch an Fol- gegesetzen zum Krankenhausfi- nanzierungsgesetz gearbeitet. Die- se Landesgesetze werden — so- weit bisher erkennbar — teilweise erheblich in die Struktur der Kran- kenhäuser eingreifen. Damit wird erneut klar, welche gesellschafts- politische Bedeutung viele Politiker dem Krankenhauswesen beimes- sen. Es gibt unter ihnen starke Tendenzen, der Institution Kran- kenhaus gegenüber den niederge- lassenen Ärzten eine stärkere Stel- lung einzuräumen als bisher. Das zeigt sich etwa in dem immer wie- derholten Versuch, den Kranken- häusern institutionell Aufgaben im Bereich der ambulanten Behand- lung zuzuweisen.
Für die Bundesärztekammer ist es dagegen seit jeher selbstverständ-
zialärztlichen Dienstes ab. Durch die Zusammenfassung der ver- schiedenen ärztlichen Gutachter- dienste zu einem gemeinsamen so- zialärztlichen Dienst wird die Mitt- lerrolle des Arztes zwischen dem Versicherten und dem zuständigen Träger der Sozialversicherungs- zweige beeinträchtigt.
Ein zentraler Gutachterdienst kann den spezifischen Gegebenheiten der einzelnen Sparten unseres ge- gliederten Versicherungssystems nicht Rechnung tragen.
lich, daß solchen Versuchen zum Abbau der individualen Medizin nachhaltig zu begegnen ist. Für sie sind Krankenhaus und freie Praxis zwei gleichwertige Bereiche unse- res Gesundheitswesens, die — je- weils mit spezifischen Mitteln — ähnliche, aber auch differente Auf- gaben zu erfüllen haben. Ziel aller Bemühungen muß es dabei sein, keinen Graben zwischen Kranken- haus und freier Praxis entstehen zu lassen, sondern im Gegenteil die Kooperation zu fördern.
Krankenhausleitsätze des Deutschen Ärztetages
Ihre eigene Haltung hat die Bun- desärztekammer mit den „Leitsät- zen zur Struktur der Krankenhäu- ser und ihres ärztlichen Dienstes", die der 75. Deutsche Ärztetag 1972 in Westerland einmütig verabschie- dete, umrissen. Auf die entspre- chenden Veröffentlichungen hier- über sei verwiesen (vgl. DEUT- SCHES ÄRZTEBLATT Heft 24/1972, Seite 1687).
Leider sind die Leitsätze in ihrem entscheidenden Reformansatz noch nicht Allgemeingut geworden, vielfach nicht einmal bei Politikern, die sich schwerpunktmäßig mit Ge- sundheitsfragen beschäftigen. Er- freulicherweise hat aber der Deut- sche Krankenhaustag 1973, die Hauptversammlung der Deutschen Krankenhausgesellschaft, in einer Schrift „Moderne Krankenhaus- strukturen" Vorschläge vorgelegt,
VII. Arzt und Krankenhaus
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Sondernummer 26a vom 19. 7.1974 2001