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er Tarifabschluss im öffentlichen Dienst war überfällig. Jahrelang wa- ren entsprechende Sondierungsge- spräche immer wieder vertagt oder abge- brochen worden – wegen unüberbrück- barer Differenzen zwischen den öffent- lichen Arbeitgebern und den Gewerk- schaften. Erst als sich die Bundesländer aus den Verhandlungen zurückzogen,kam Bewegung in die festgefahrene Situation.Wichtigste Punkte des nun vereinbarten Kompromisspapiers für die Klinikärzte ist der Wegfall zahlreicher Eingruppie- rungsmerkmale und daraus resultierend eine neue Entgelttabelle, der zaghafte Einstieg in eine leistungsbezogene Be- zahlung sowie die erstmalige tarifrechtli- che Wertung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit. Zu Letzterem wird es einen eigenen Tarifvertrag geben mit moderaten Öffnungsmöglichkeiten für Dienst- und Betriebsvereinbarungen.
Das neue Tarifrecht tritt am 1. Okto- ber 2005 in Kraft und gilt nur für jene rund 50 000 Ärzte, die in kommunalen Krankenhäusern und Bundeswehrklini- ken tätig sind. Die Arbeitsbedingungen für die Krankenhäuser in freigemeinnüt- ziger und privater Trägerschaft werden gesondert verhandelt. Ob sich einzelne Bundesländer nachträglich der Tarifeini- gung im öffentlichen Dienst anschließen, ist noch offen. Bislang haben dazu Nord- rhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz zurückhaltend Bereit- schaft signalisiert. Auch für die rund 22 500 Ärzte an Hochschulkliniken bleibt somit zunächst alles beim Alten.
Wie sich die vereinbarten Eckpunkte auf die Vergütung der Klinikärzte aus- wirken, ist derzeit noch nicht absehbar.
Die bisherigen Lohn- und Vergütungs- tabellen werden durch eine neue Ent- gelttabelle ersetzt. Damit gehören Orts- und Kinderzuschläge, Alters- und Be- währungsaufstiege ab dem 1. Oktober der Vergangenheit an. Eine neue Matrix
aus 15 Vergütungsgruppen und sechs Leistungsstufen reduziert 17 000 theo- retische Eingruppierungsmöglichkeiten auf 90 Felder. Die Ärzte werden dabei nur in den beiden obersten Vergütungs- gruppen zu finden sein. Niemand kann bisher absehen, wie die individuelle Eingruppierung für den jeweiligen Arzt aussehen wird. „Klar ist nur, dass nie- mand weniger verdienen wird als bis- her“, sagte Lutz Hammerschlag dem Deutschen Ärzteblatt. Der Tarifexperte des Marburger Bundes (MB), der in der Tarifgemeinschaft mit ver.di an den Ver- handlungen beteiligt war, hofft, dass die neue Entgelttabelle nicht nur übersichtli- cher, sondern vor allem auch gerechter ist als die alte. In den bis Oktober zu führenden Detailverhandlungen will sich der MB dafür einsetzen, dass die Ärzte adäquat eingruppiert werden. Berück- sichtigt werden müsse dabei die lange Ausbildung, die anhaltende Weiter- und Fortbildung sowie die Verantwortung der Ärzte im Krankenhaus.
Ärzte als Leistungsträger hoffen auf mehr Geld
Die Tarifpartner haben sich auch auf die Einführung einer variablen, leistungsori- entierten Bezahlung geeinigt, die neben das Monatsentgelt tritt. Zielgröße ist ein Volumen von acht Prozent der Entgelt- summe der Tarifbeschäftigten des jewei- ligen Arbeitgebers. Der MB-Bundesvor- sitzende, Dr. med. Frank Ulrich Montgo- mery, geht davon aus, dass die Ärzte von dieser Neuregelung profitieren: „Ärzte sind die Leistungsträger in den Kran- kenhäusern, und sie verdienen deshalb leistungsgerechte Bezahlung.“ Im Jahr 2007 wird mit einem Volumen von einem Prozent der Summe der ständigen Mo- natsentgelte des Vorjahres gestartet. Das Geld dafür stammt aus „umgewidmeten
Entgeltbestandteilen“, das heißt: aus der Kürzung beziehungsweise Zusammen- legung von Weihnachts- und Urlaubs- geld. Für die Laufzeit des Tarifvertrages sind keine prozentualen Gehaltssteige- rungen vorgesehen. Die Beschäftigten erhalten jedoch Einmalzahlungen in Höhe von jeweils 300 Euro für die Jahre 2005 bis 2007.
Die Umsetzung des Urteils des Eu- ropäischen Gerichtshofs vom 9. Septem- ber 2003, wonach Bereitschaftsdienst auch in Deutschland als Arbeitszeit zu werten ist, soll in einem gesonderten Tarifvertrag erfolgen. Bereits verein- bart worden ist, dass die wöchentliche Höchstarbeitszeit durch Ableistung von Bereitschaftsdiensten in den Stufen A und B von den sonst nach dem Arbeits- zeitgesetz erlaubten 48 auf bis 58 Stun- den (in den Stufen C und D auf 54 Stun- den) in der Woche verlängert werden kann. Täglich ist in den Bereitschafts- dienststufen A und B eine 16-stündige Arbeitszeit (in den Stufen C und D: 13 Stunden) erlaubt. Voraussetzung für die- se Ausnahmeregelungen ist eine entspre- chende Dienst- oder Betriebsvereinba- rung, wie es auch das Arbeitszeitgesetz vorsieht. „Bis zu dreizehn Stunden am Stück in hoch belasteten Dienstsituatio- nen, sechzehn Stunden in A und B – das macht Sinn und erhält die Flexibilität“, kommentiert Montgomery. Er forderte die Arbeitgeber aus den Bundesländern auf, sich der „mutigen Tarifreform“ mit Bund und Kommunen nicht zu ver- schließen. Eine flächendeckende und bessere Bezahlung werde auch den Arzt- beruf in den Universitätskliniken attrak- tiver gestalten. Um den Druck auf die Bundesländer zu erhöhen, will der MB weitere Aktionen an Universitätsklini- ken initiieren. Dazu hat der MB für den 17. Februar Assistentensprecher der Universitätskliniken zu einem Treffen nach Köln eingeladen. Jens Flintrop P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 718. Februar 2005 AA389