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„Viele Grüße aus dem Knast …“

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Ärzteblatt Sachsen 10|2020

… waren die Verabschiedungsworte meiner Oma unter ihrer Osterkarte die- ses Jahr an die Familie . Sie lebt zusam- men mit meinem Opa in einem Pflege- heim in der Lausitz . Sie spielte damit vor allem auf die fehlenden Besuchs- möglichkeiten durch die Angehörigen und das aus ihrer Sicht schlechte Essen an . Doch was bedeutete dieser Zustand für die ärztliche Versorgung der Patienten?

Bis März dieses Jahres versorgten Haus- und andere Fachärzte ihre Pati- enten in den Pflegeeinrichtungen in der Regel im Rahmen regelmäßiger Visiten und bei akuten Problemen im zusätzli- chen Hausbesuch .

Mit dem gehäuften Auftreten von Infektionen mit COVID-19 in ganz Deutschland wurden ab März auch in Sachsen von der Landesregierung zu - sätzliche Bestimmungen für die Pfle- geeinrichtungen erlassen . Außer einem klaren Besuchsverbot, mit Ausnahme für dringende medizinische Maßnah- men und die Begleitung in der Sterbe- phase, wurde die weitere Umsetzung von notwendigen Hygienemaßnahmen in die Hände der Heimleitungen gege- ben, indem diese ein Hygienekonzept erstellten, welches vom zuständigen Gesundheitsamt dann genehmigt wer- den musste .

Für die medizinische Versorgung be - deutete dies, dass Hausbesuche in vie- len Heimen nur noch in absoluten Aus- nahmefällen durchgeführt wurden, im Normalfall unter Einhaltung aller Schutzmaßnahmen, was sich bei zum Teil auch noch anhaltender fehlender Verfügbarkeit von Schutzausrüstung als sehr schwierig erwies .

Notwendige therapeutische Maßnah- men (wie Physiotherapie, Ergotherapie), vor allem nach akuten Ereignissen,

mussten für mehrere Wochen unter- brochen werden, jegliche Diagnostik, ob ambulant oder stationär, sehr sorgsam abgewogen werden, ganz abgesehen von stationären Einweisungen .

Heimbewohner, die Infektzeichen hat- ten, neu in eine Einrichtung einzogen oder von einer stationären Behandlung zurückkamen, mussten in der Regel nach dem Hygieneplan für 14 Tage iso- liert werden . Wenn möglich in ihrem Zimmer, bei fehlender Compliance wenig- stens innerhalb ihres Wohnbereiches . Gerade für Bewohner in einer akuten Krankheitsphase oder nach kurzfristi- gem Neueinzug direkt nach einem Kran- kenhausaufenthalt, also ungeplant, waren die letzten Monate in den Pfle- geeinrichtungen ohne direkten Kon takt zu engen Bezugspersonen sehr schwer zu bewältigen . Die Heimleitungen ver- suchten mit dem Abgeben von persön- lichen Sachen durch die Angehörigen, Internettelefonie, Kommunikation über Balkone und Fenster, Ausweitung der hausinternen Angebote und über ent- lastende Gespräche ihr Möglichstes, um das persönliche Fehlen der Ange- hörigen zu kompensieren .

Für die meisten Heimbewohner ließ sich die „Isolationszeit“ im Verbund mit ihrer Wohngruppe, den festen Tages- strukturen und ihnen bekannten Pfle- gekräften gut bewältigen . Den Angehö- rigen machten die notwendigen Maß- nahmen dagegen sichtlich mehr Pro- bleme . Flaschenzüge an Fenstern, um Lebensmittel zu transportieren, über Feuerleitern kletternde Enkel und Urenkel, Beschimpfungen, anwaltliche Drohungen und Äußerungen wie „las- sen Sie die Seuche doch rein, dann kommt es wenigstens mal zu einer natürlichen Durchmischung“ sind nur einige Beispiele, mit denen sich Heim- leitungen konfrontiert sahen .

Insgesamt war es in den letzten Wo - chen nicht einfach, alle Heimbe wohner gut zu schützen, ausreichend gesund- heitlich zu versorgen und vor allem emotional gut zu betreuen . Ein gutes und engagiertes Miteinander, vor allem der Mitarbeiter in den Pflegeeinrich- tungen, die meist konstruktiv und ein- fallsreich versucht haben, aus den Gegebenheiten das Beste zu machen, hat auch die Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten meist positiv beeinflusst und vor allem die Teambil- dung in den Einrichtungen nachhaltig gefördert und verbessert . Gesundheit- liche Folgen für die Heimbewohner scheinen sich aktuell im Rahmen zu halten, bleiben aber weiter abzuwarten . Nun werden die Pflegeeinrichtungen schrittweise unter Einhalten von Auf- lagen wieder für Therapeuten und Be - sucher geöffnet und notwendige Qua- rantänezeiten verkürzt . Die Angehöri- gen ge wöhnen sich langsam an die einzuhaltenden Regeln und auch wir Ärzte besuchen wieder regelmäßiger un sere Heimpatienten, die, wenn es ihnen kognitiv möglich ist, meistens sehr gut verstehen, warum es aktuell zu diversen Einschränkungen und Ver- änderungen kommt . Außer – meine Oma!

Jenny Gullnick, Angestellte Hausärztin, Werdau

CORONA-PANDEMIE

„Viele Grüße aus dem Knast …“

© Privat

„Zugang“ zu einem Pflegeheim, April 2020

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