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Heute auf Seite 3: Der nach den Sternen griff

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UNABHÄNGIGE WOCHENZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND

Jahrgang 48 - Folge 12 Erscheint wöchentlich

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt 2 2 . M ä r z 1 9 9 7 Landsmannschaft Ostpreußen e.V. p R*\Od Parkallee 84ß6, 20144 Hamburg ^

Zeitgeschichte:

„ D a s s c h ü r t den H a ß . . . "

Stalins „Fackelmänner-Befehl" fabrizierte „deutsche Greueltaten"

D a ß geschichtliche Erkenntnisse laufena e r g ä n z t u n d daher auch f o r t w ä h r e n d die daraus resultie- renden S c h l u ß f o l g e r u n g e n neu formuliert werden, g e h ö r t z u den Grundkenntnissen eines jeden Wissenschaftlers aus der histori- schen Zunft, weshalb es auch u n - sinnig w ä r e , einen beliebigen ge- schichtlichen Erkennmisstand festschreiben u n d etwa juristisch deckein z u lassen.

D a ß die historische Elle auch bei der Bewertung des Z w e i t e n Welt- krieges s t ä n d i g neu angelegt wer- d e n m u ß , ergibt sich allein schon aus der Tatsache, d a ß noch i m m e r nicht alle A k t e n z u r Einsicht für interessierte Wissenschaftler frei v e r f ü g b a r s i n d . N a c h d e m i n den ersten Jahrzehnten n a t u r g e m ä ß das Pendel i n R i c h t u n g Sieger ausschlug, scheint es nunmehr i n eine g e g e n l ä u f i g e Phase einzutre- ten.

So ist u n l ä n g s t auch der i n E u r o - pa beispiellose Stalinsche „Fackel- m ä n n e r - B e f e h l " i n einem W a - shingtoner A r c h i v aufgetaucht, der die lange schon bekannte, v o n Stalin angeregte Taktik der „ V e r - brannten E r d e " als a u s d r ü c k l i c h e O r d e r des „ O b e r s t e n Befehlsha- bers" belegt. D a n a c h w a r e n soge- nannte „ J a g d k o m m a n d o s " der R o - ten A r m e e gehalten, i n d e n v o n der Deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten der Sowjetunion „40 bis 60 Kilometer ab der H a u p t k a m p f - linie i n die Tiefe z u z e r s t ö r e n u n d i n B r a n d z u setzen". D a m i t n u n aber diese barbarische A k t i o n kei-

DIESE WOCHE

Gesamtschulen

Brisante Erkenntnisse

verheimlicht 2

Schüsse aus dem Hinterhalt

Waigel legt den Vertriebenen- verbänden Steine in den Weg 4

US-Soldaten

Menschenverachtung

und Gewalt 5

Deutschlandtreffen

Buntes Treiben in Halle 6 9

Eine Jugend im Memelwalder Forst

Hans-Georg Tautorat

erinnert sich 12

Von der Landschaft begeistert

Schüler aus Neumünster

erkundeten Masuren 23

ne A b s c h e u bei den Bewohnern der Sowjetunion erregte, sollten die ausfuhrenden K o m m a n d o s der Roten A r m e e „ ü b e r w i e g e n d aus B e u t e b e s t ä n d e n i n U n i f o r m e n des

h i n g " i m M ü n c h e n e r Rathaus gleichsam offiziöse „ W e i h e n " er- halten hat, steht die historische Zunft v o r neuen Aufgaben, die es n u n wissenschaftlich z u beantwor-

Stalins Befehl Nr. 0428 vom 17. November 1941

Die Stawka des Obersten Befehlshabers befiehlt:

1. Alle Siedlungspunkte, an denen sich deutsche Truppen befinden, sind auf 40 bis 60 Kilometer ab der Hauptkampflinie in die Tiefe zu zerstören und in Brand zu setzen, 20 bis 30 Kilometer nach rechts und links von den Wegen.

Zur Vernichtung der Siedlungspunkte im angegebenen Radius ist die Luft- waffe hinzuzuziehen, sind Artillerie- und Granatwerferfeuer großflächig zu nutzen, ebenso die Kommandos der Aufklärung, Skiläufer und Partisanen- Divisionsgruppen, die mit Brennstoffflaschen ausgerüstet sind.

Die Jagdkommandos sollen überwiegend aus Beutebeständen in Unifor- men des deutschen Heeres und der Waffen-SS eingekleidet die Vernich- tungsaktionen ausführen. Das schürt den Haß auf die faschistischen Besat- zer und erleichtert die Anwerbung von Partisanen im Hinterland der Faschi- sten. Es ist darauf zu achten, daß Überlebende zurückbleiben, die über

„deutsche Greueltaten" berichten können.

2. Z u diesem Zweck sind in jedem Regiment Jagdkommandos zu bilden in Stärke von 20 bis 30 Mann, mit der Aufgabe, Sprengung und Inbrandset- zung der Siedlungspunkte durchzuführen. Es müssen mutige Kämpfer für diese Aktionen der Vernichtung von Siedlungspunkten ausgewählt wer- den. Besonders jene, die hinter den deutschen Linien in gegnerischen Uni- formen Siedlungspunkte vernichten, sind zu Ordensverleihungen vorzu- schlagen. In der Bevölkerung ist zu verbreiten, daß die Deutschen die Dörfer und Ortschaften in Brand setzen, um die Partisanen zu bestrafen.

(Archiv Serie 429, Rolle 461, Generalstab des Heeres, Abtlg. Fremde Heere Ost II H 3/70 Fr 6439568. Lagerstätte: Nationalarchiv Washington)

„ N e i n , m e i n e S u p p e ess' i c h nicht!!!" Zeichnung aus „Die Welt'

Gegenwind

/ v o n

PETER FISCHER

I

deutschen Heeres u n d der Waffen- SS eingekleidet die Vernichtungs- aktion a u s f ü h r e n .

W ä h r e n d n u n i n M ü n c h e n die sogenannte „ W e h r m a c h t s a u s s t e l -

ten gilt. D i e List der Geschichte ist allemal m ä c h t i g e r als die perfide Rechnung jener Kreise, die mit d e m dumpfen Geschmack der M i t - t e l m ä ß i g k e i t spekulieren. P . F .

ch bin kein N a z i ! " stand i n deut- lich lesbarer Blockschrift auf dem , gelben H e l m eines Berliner Bau- arbeiters z u lesen. Der etwa 28 Jahre alte M a n n kann natürlich kein N a z i sein, denn als diese Partei verboten wurde, krabbelten wahrscheinlich dessen Eltern noch i m Strampelan- zug. Er wollte damit nur kundtun, d a ß er es unerträglich findet, d a ß un- zählige deutsche Bauarbeiter ohne Beschäftigung sind, w ä h r e n d aus- ländische Arbeiter bevorzugt ange- heuert werden, weil sie Billiglöhne akzeptieren.

Ahnliches hört man von Rhein, Saar und Ruhr, wo freilich die ver- schmitzte Dialektik auf den Helmen fehlte. Hier dominierte ausschließ-

Im Griff der roten Mafia

Verschleppte Reformen, Mißwirtschaft und Korruption zerrütten Bulgarien 24

Zittern ums Landesmuseum

Will Niedersachsen die Ostpreußen-Einrichtung dichtmachen?

W i r d das O s t p r e u ß i s c h e Landes- m u s e u m i m n i e d e r s ä c h s i s c h e n L ü -

folgreich wahrgenommen: M e h r als z w e i D u t z e n d Gemeinschafts- nebure z u m Jahresende dichtge- projekte mit russischen, p o l n i - m^rbr? W*>nn Hi*> ^PD-RpcriPruntr sehen,litauischen,estnischen,letti- schen u n d sogar einer französi- macht? W e n n die SPD-Regierung

v o n H a n n o v e r bei i h r e m Vorhaben bleibt, ja.

Ü b e r drei Stunden verhandelten die Vertreter des Bundes u n d des Landes Niedersachsen a m D o n - nerstag vergangener Woche i n den R ä u m e n des M u s e u m s ü b e r dessen Fortbestand oder S c h l i e ß u n g - ge- nauer: ob H a n n o v e r seine Ent- scheidung z u r ü c k n i m m t , die L a n - d e s f ö r d e r u n g für die erst seit zehn Jahren i n dieser F o r m bestehende Einrichtung ab 1998 komplett z u streichen oder nicht. Bislang t r ä g t Bonn 69 Prozent der staatlichen Z u s c h ü s s e , Niedersachsen steuert die restlichen 31 Prozent bei.

„Ein M u s e u m , d e m m a n ein Drit- tel seiner Existenzmittel entzieht, ist nicht mehr e x i s t e n z f ä h i g " , stellt der Leiter des Hauses, D r . R o n n y Kabus, klar. U n d verweist auf die stolze u n d allgemein ü b e r alle Par- teigrenzen hoch anerkannte A r - beitsbilanz seines M u s e u m s . Insbe- sondere seit der Ö f f n u n g des Ostens hat die o s t p r e u ß i s c h e E i n - richtung ihre Aufgabe als Wegbe- reiter des Dialogs mtensiv u n d er-

sehen Institution w u r d e n v o n den Mitarbeitern des Landesmuseums seit 1991 erfolgreich gemeistert.

A l l e s mit vergleichsweise beschei- denen M i t t e l n , w i e R o n n y Kabus hervorhebt. Niedersachsen fördert insgesamt sechs Landesmuseen.

Die h ö c h s t e Summe, die dabei ein einziges H a u s jährlich erhält, be- trägt vier M i l l i o n e n M a r k . Das Ost- p r e u ß i s c h e Landesmuseum ist jetzt schon Schlußlicht aller sechs mit gerade 475 000 M a r k pro Jahr.

U n d ausgerechnet diesem H a u s soll n u n mit H i n w e i s auf den allge- meinen Sparzwang der H a h n ganz zugedreht werden. Dahinter k a n n w o h l nur eine b e w u ß t politische Entscheidung stehen.

Damit aber stiehlt sich die Regie- r u n g S c h r ö d e r aus ihrer Verant- wortung. N i c h t nur historisch u n d kulturell - das Bundesvertriebe- nengesetz nimmt auch die L ä n d e r a u s d r ü c k l i c h i n Pflicht für die Er- haltung des Kulturerbes der Ver- triebenen u n d Flüchtlinge. Somit ist Hannover unter anderem v o m

juristischen Standpunkt her gefor- dert.

Museumsdirektor Kabus streicht in einer Denkschrift die schlimmen Folgen einer Schließung heraus und macht deutlich, d a ß das Erbe der Ostpreußen, Pommern etc. ebenso selbstverständlich z u m gesamten deutschen Kulturerbe zählt wie das der Bayern oder Hessen. A u c h erin- nert Kabus daran, in welch umfang- reicher Weise das heutige Nieder- sachsen von den Vertriebenen ge- prägt wurde. Nach dem Gespräch zwischen dem Vertreter des Bonner mnenministeriums, Ministerialdi- rektor Pohle, und der z u s t ä n d i g e n Ministerialdirigentin i m Nieder- sächsischen Landesministerium für Wissenschaft und Kultur, Kisseler, schöpft Ronny Kabus indes wieder etwas Hoffnung: „Bund und Land suchen derzeit nach einem gangba- ren Weg. Ich bin zuversichtlich, d a ß sie es schaffen werden." Wenn sie denn wollen, möchte man hinzufü- gen. Immerhin hat das Ostpreußi- sche Landesmuseum bereits von sich aus eine 22prozentige K ü r z u n g seiner Landeszuschüsse auf dann nur noch 370 000 Markjährlich zuge- stimmt. Weiter kann Ronny Kabus wohl kaum gehen. Hans H e c k e l

lieh die direkte Forderung nach ma- terieller Hilfe, w ä h r e n d in Berlin- Brandenburg noch die u m Verständ- nis ringende und teilnehmende Be- kundung des altdeutschen Erbes mitschwang.

Soviel Gegenwind verursacht na- t u r g e m ä ß sofortige Reaktionen bei den Etablierten, die allesamt im Bann falscher nationaler oder sozialer Re- flexe ihr politisches Alltagsgeschäft betreiben: Lafontaine zog öffentlich alle demagogischen Register, freilich ohne den Arbeitern eine politische Alternative anzubieten, w ä h r e n d dem verschmitzten Jesuitenzögling unter der Hand schwant, d a ß all- mählich „auch bei uns französische Verhältnisse" aufkommen könnten, die sich dann unversehens mit ei- ner explosiven „Nun-reicht's-Stim- mung zur Entladung bringen. Ä h n - lich zungenflink versicherte auf dem Berliner Gendarmenmarkt Nieder- sachsens Schröder, er wolle Sorge dafür tragen, d a ß auch noch der letz- te Arbeiter aus dem EU-Raum tarif- gerecht bezahlt werde, obschon kein Bauarbeiter dies gefordert hatte.

Schröder verschwieg auch vornehm den Modus der Bezahlbarkeit. Daß Kanzler Kohl Zurückhaltung übte, mag nicht nur an der - medizinisch genommen - immer unüberhörbare- ren Atemnot und seiner so souverän instrumentierten Methode des poli- tischen Aussitzens b e g r ü n d e t liegen.

Es w i r d immer offenkundiger, d a ß er dem kräftig d r ü c k e n d e n Gegenwind jener Frühlingsstürme nichts mehr entgegenzusetzen weiß.

chon inserieren in den anson- sten eng an diverse Regierungs- kanäle verknüpfte Zeitungen wie der „Frankfurter Allgemeinen"

oder der „Welt am Sonntag" politi- sche Widersacher unverblümt die Forderung nach Rücktritt des glück- losen Duos K o h l / W a i g e l : „Die Re- gierung zahlt zuviel ans Ausland und für Ausländer und läßt die deut- schen Bürger mit ihren Sorgen al- lein." Wer weiß, wie komplizierte Sperrmechanismen insbesondere das politische Anzeigengeschäft be- stimmen, ahnt, d a ß hier helfende H ä n d e aus dem Lager der C-Parteien drehen. Nur, zu welchem Zweck?

Eine Politik der Improvisation ist nicht mehr möglich. Die abermalige Zahlung an die Steinkohlekumpel spricht nicht gegen dieses Argu- ment, sondern bestärkt nur, d a ß trotz

s

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Politik £05 £flprnifimblaii

22. M ä r z 1997 - Folge 12 - Seite 2

vollkommen leerer Kassen keine neuen Ideen bemüht werden. Das Regime Kohl/Waigel ist ebenso am Ende wie die Bonner Republik, wes- halb auch der Versuch, mit einer so- genannten Großen Koalition zwi- schen C D U / C S U und SPD noch ein- mal die Elemente der Rheinischen Republik zu beschwören, allenfalls zu einer bloßen Verschleppung des Niedergangs führt.

Wenn einerseits etwa Jürgen Trittin, kühl kalkulierender Vorstandsspre- cher der Grünen, angesichts der Ar- beiterunruhen frohlockt: „Einem al- ten Straßenkämpfer wie mir lacht das Herz", und damit den innenpoliti- schen Spannungsbogen konruriert, so ist etwa der frühe Satz des amerikani- schen Geopolitikers Livingstone Hartley andererseits immer noch für den äußeren politischen Rahmen gül- tig: „Amerikas Sicherheit hängt von der Aufspaltung und Unsicherheit Europas ab." Doch der gegenwärtige Einigungsversuch Europas unter Preisgabe der Währung führt, wie Ralf Dahrendorf zusammen mit vie- len anderen Sachkundigen meint, „an den Hauptthemen Europas vorbei und teilt den Kontinent." Europas Ei- nigung kann nicht an der östlichen Linie des polnischen Einflußbereichs enden, sondern muß das geschunde- ne und seit nunmehr fast hundert Jah- ren gegen Deutschland in Stellung gebrachte Rußland einbeziehen.

F

ür die innere Front schafft der Exzeß der Selbstbezichtigung, wie ihn gegenwärtig etwa der Kreis um den Tabak-Multimillionär Reemtsma im Rahmen der Wehr- machtausstellung inszeniert, kein reinigendes Purgatorium, keinen vi- talisierenden Jungbrunnen (wenn die Regisseure überhaupt je daran gedacht haben sollten) und selbst- verständlich kein Standbein, auf dem die zukünftige Berliner Repu- blik stehen könnte.

Aber, so muß man sich fragen, gibt es in den Bonner Parteien schon einen Kopf, der wenigstens sieht, daß im

„innereuropäischen Zwist die Vor- aussetzung des amerikanischen Ge- deihens" (5. Hagg Bemis) liegt, und der gleichzeitig das nationale und soziale Fundament in der Hauptstadt Berlin auf den preußisch-deutschen Traditionslinien begründet, die in ih- ren Ausläufen nocn in der Bevölke- rung Mitteldeutschlands vorhanden und belebbar sind?

Bildungspolitik:

UNABHÄNGIGE WOCHEN- ZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND

Chefredakteur: Horst Stein (Verantwortlich f. d. redaktionellen Teil) Politik, Zeitgeschehen, Leserbriefe:

Peter Fischer, Hans Heckel (Freier Mit- arbeiter), Markus Zehme; Kultur, Unter- haltung, Frauenseite: Silke Osman;

Geschichte, Landeskunde: Hartmut Syskowski; Heimatkreise, Gruppen, Ak- tuelles: Maike Mattem; Ostpreußische Familie: Ruth Geede.

Ständige Mitarbeiter: Alfred v. Ameth (Wien/Bozen), Pierre Campguilhem (Pa- ris), Helmut Kamphausen (Gartow), Eleo- nore Kutschke (Alienstein/Stettin), Jür- gen Mathus (Bonn), Dr. Paul Polak (Prag), Willy Fehling (Berlin).

Anschrift für alle: Parkallee 84/86,20144 Hamburg. Verlag: Landsmannschaft Ost- preußen e.V., Parkallee 86,20144 Ham- burg. Das Ostpreußenblatt ist das Organ der Landsmannschaft Ostpreußen und erscheint wöchentlich zur Information der Mitglieder des Förderkreises der Lands- mannschaft Ostpreußen. - Bezugspreis Inland 11,50 DM monatlich einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer. Ausland 14,90 DM monatlich, Luftpost 21,40 DM monatlich. Konten: Landesbank Ham- burg, BLZ 200 500 00, Konto-Nr.

192 344. Postbank Hamburg, BLZ 200 100 20, Konto-Nr. 84 26-204 (für Vertrieb); Konto-Nr. 907 00-207 (für An- zeigen). - Für unverlangte Einsendungen wird nicht gehaftet. Rücksendung erfolgt . nur, wenn Porto beiliegt. Für / \ Anzeigen gilt Preisliste Nr. 23.

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Brisante Erkenntnisse verheimlicht

Kultusminister halten Daten über Leistungsniveau von Gesamtschülern zurück

Trübe Verschleierungsstrategien deutscher Kultusminister sind die- ser Tage an die Oberfläche eines bundesrepublikanischen Politsum- pfes getreten. Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landes-

f

ruppe im Deutschen Bundestag, duard Oswald, spricht sogar von einem „Skandal".

Zur Vorgeschichte: Vor wenigen Wochen veröffentlichte das Berliner Max-Planck-Institut für Bildungs- forschung und das Kieler Institut für die Pädagogik der Wissenschaften die Dritte Internationale Mathema- tik- und Naturwissenschaftsstudie TTMSS. Achtkläßler aus 41 Staaten der Welt hatten sich einem Test über ihren Wissensstand und ihre Fähig- keiten unterzogen.

Peinliches kam dabei zum Vor- schein: Im internationalen Lei- stungsvergleich belegen die deut- schen Schüler nur Platz 23. Damit befinden sie sich zwar in der schlechten Gesellschaft anderer In- dustrieländer, aber eben weit abge- schlagen hinter den Schülern aus den hochentwickelten südostasiati- schen Staaten. Die Gesellschaft für Didaktik der Mathematik wertete das Ergebnis als „alarmierend".

Unbefangen könnte die besorgte Allgemeinheit jetzt erwarten, d a ß sich die Kultusminister der deut- schen Länder zusammensetzen, u m über Strategien zu beraten, die einen Ausweg aus der Misere weisen.

Weit gefehlt! Gerade das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Deutsch- lands oberste Bildungspolitiker ver- schweigen der Öffentlichkeit wich- tige Erkenntnisse aus der Studie.

Neben der offiziellen Fassung der Untersuchung existiert nämlich eine ursprüngliche, ausführlichere, die die Forscher im Januar vertrau- lich den Kultusministern zur vorhe- rigen Sichtung übergeben hatte.

Diese verständigten sich unterein- ander in gut demokratischer Ein- mütigkeit, gewisse Ergebnisse nicht

bis zur Öffentlichkeit durchsickern zu lassen. Mit anderen Worten: Zen- sur.

Trotz der Verheimlichung kamen jetzt die ungeschminkten Zahlen neraus. Wie die unveröffentlichten Daten belegen, gibt es zum Teil deutliche Leistungsunterschiede zwischen Schülern verschiedener Bundesländer. Die Kultusminister hatten sich dagegen verwahrt, d a ß einzelne Bundesländer aufge- schlüsselt erfaßt werden. Sie woll- ten nicht verschiedene Schulsyste- me vergleichbar machen. Sie woll- ten vor allem eines nicht: den Beleg

Schuliahren. Mittlerweile besteht kein Zweifel mehr, d a ß es sich bei A um das pädagogisch weniger expe- rimentierfreudige Bayern und bei B um das Gesamtschulland Nord- rhein-Westfalen handelt.

Bayern für sich genommen stünde im mternationalen Vergleich an siebter Stelle, während Länder mit rot-grüner Bildungspolitik Deutsch- land auf Rang 23 herabdrücken.

Z u m einen ist damit offenbar der Beweis erbracht, warum SPD-Politi- ker, die sich lauthals für das Ge- samtschulprojekt stark machen, ihre eigenen Kinder lieber (heim-

dafür liefern, d a ß das Konzept der Gesamtschule eindeutig fehlge- schlagen ist.

Die Werte für Gesamtschüler lie- gen nämlich laut Studie weit unter Kealschulniveau. Leistungen der Einheitsschulen strichen die M i n i - ster jedoch aus den Tabellen, die derartig bereinigt nur noch Gymna- sium, Real- und Hauptschule auf- führten.

Ebenfalls fiel eine Graphik dem Urteil der Minister zum Opfer, die die achten Klassen zweier Flächen- länder A und B miteinander ver- glich. Sie verdeutlichte Leistungs- differenzen von mehr als eineinhalb

Opfer einer verfehlten B i l d u n g s p o l i t i k : Schüler einer Gesamtschule lieh) auf private Gymnasien schik- ken. Dort erhalten sie nämlich ein- fach den besseren Unterricht. Z u m anderen stellt sich die Frage, weswe- gen Bayern nicht unter Hinweis auf sein Bildungssystem auftrumpft, sondern den Gesamtschulfanati- kern demonstrativ den Rücken stärkt, indem es sich an der Verdun- kelung brisanter Daten mitschuldig macht.

Der bayerische Kultusminister Hans Zehetmair schwieg bisher dazu. Deswegen wirkt die großspu- rige Reaktion der CSU-Landesgrup- pe nach Bekanntwerdung des Täu- schungsmanövers unglaubwürdig.

Thomas Paulwitz

Wiener G'schichten:

Prammer gegen Prammer

Z u den erfolglosesten Ministeri- en, die Österreich aus der Ära Krei- sky geerbt hat, zählt zweifellos das sogenannte Frauenministerium.

Trotz seiner jgut 15jährigen Existenz und der jahrzehntelangen Regie- rungsbeteiligung der Sozialdemo- kratie (SPÖ) ist die Einkommens- schere zwischen Mann und Frau größer denn je, fehlen nach wie vor ausreichend Kindergartenplätze.

Dafür ist die männlicne Vorherr- schaft in der Sprache der „political correetness" gewichen, wird der 8.

März als „Internationaler Frauen- tag" gebührend gefeiert.

Als politische Erbpacht gehörte dieses zahnlose, weil Kompetenzar- me Ministerium stets zur linken Reichshälfte; sprich, es wurde bis- her mit Frauen besetzt, deren ausge- prägter Grad an ideologischer Bor- niertheit und Ignoranz stets ver- kehrtproportional zum ästhetischen Erscheinungsbild der jeweiligen Amtsinhaberin war. Diese Relation war bisher auch gegeben, wenn es um die Pläne ging, die die jeweilige Ministerin zu verwirklichen trach- tete. So strebte die letzte Amtsinha- berin der Ära Vranitzky unter dem Motto „Ganze Männer machen hal- be-halbe" danach, die Aufteilung der Hausarbeit zwischen Mann und Frau als Pflicht in der österreichi- schen Verfassung zu verankern.

Vranitzkys Ende bescherte auch diesem aberwitzigen Vorschlag samt geistiger Mutter das Ende, und die glücklose Dame aus Graz wurde

von Bundeskanzler Viktor Klima durch die Oberösterreicherin Barba- ra Prammer ersetzt, die sich - trotz aller rot-grünen Orientierung - wie- der mehr mit dem Thema Frauenar- beitslosigkeit befassen möchte. Ge- hemmt in ihren bisher rudimentä- ren Anstrengungen wurde Pram- mer durch ihren Mann - seines Zei- chens Mitarbeiter der rot dominier- ten Arbeiterkammer (AK) Ober- österreichs und SPÖ-Gemeinderat von Linz. Dieser „homo sapiens",

Die Leiden einer nochjungen Familienministerin

der seine mangelnde Bereitschaft zur Hausarbeit schon in mehreren Interviews bekannte, führt ein Ge- spräch mit einer Kollegin, über des- sen Verlauf es zwei diametral entge- gengesetzte Darstellungen gibt:

Während Herr Prammer behauptet, der Dame nur seine Hilfe bei ihren beruflichen Problemen angeboten und sie ins Kaffeehaus eingeladen zu haben, hat die Betroffene das Gespräch in anderer Erinnerung. Sie behauptet, Prammer habe sie - als sie das Zimmer verlassen wollte - an die Tür gedrängt, bedrängt, mehr- mals geküßt und ihr unsittliche A n -

f

ebote gemacht, kurz - sie am A r - eitsplatz sexuell belästigt.

Aussage stand gegen Aussage;

umso interessanter war denn auch die Reaktion von Frau Prammer, ih- res Zeichens Frauenministerin; sie verlangte, d a ß sich ihr Mann bei der Dame - sie ist bezeichnenderweise seit dem Vorfall i m Krankenstand - entschuldige, da es nicht auf wahren Sachverhalt, sondern auf das sub- jektive Empfinden der Frau ankom- me. Verteidigende Worte für ihren Gemahl, der der Aufforderung nachkam, fand Prammer nicht. Ein Umstand, der auch über die Ehe der beiden einiges aussagte. Den Z u - stand dieser Verbindung beschrieb ein Kenner der beiden denn auch mit den Worten, die Prammers seien zwar verheiratet, machten aber kei- nen Gebrauch davon.

Während auf diesem Gebiet des Kampfes der Geschlechter die fort- schrittliche Seite arg ramponiert wurde, gibt es auf anderem Gebiet doch Lichtblicke. So haben die Wie- ner Philharmoniker nun die erste Frau in ihre Reihen aufgenommen, sich gleichzeitig aber entschlossen, als privater Verein auf weitere Sub- ventionen durch den Staat zu ver- zichten, um unabhängig zu sein. Die Kampagne amerikanischer Frauen- organisationen gegen die „Musiker Machos" aus Wien war übrigens - ebenso wie bei Wahldheims Affäre - weitgehend hausgemacht, nur d a ß sich in dem Fall nicht die SPÖ, son- der verbohrte weibliche Redakteure diverser Medien als Anstifter betä- tigt haben. A . v. A .

Kommentar

Signale

A n h ä n g e r v o n einschlägigen V e r s c h w ö r u n g s t h e o r i e n dürften sich abermals augenblicklich be- stätigt gefunden haben, als sie die M e l d u n g zur Kenntnis nehmen m u ß t e n , d a ß bereits am 24. Okto- ber 1947 amerikanische Besat- z u n g s b e h ö r d e n Kunstgüter, die deutsche Einsatzstäbe in der So- wjetunion sichergestellt und im Reich deponiert hatten, in 2391 K i - sten verpackt, an ihre sowjetischen V e r b ü n d e t e n i m Berliner Osthafen ü b e r g e b e n wurden. Es war dies eine jener berüchtigten Nacht-und- Nebel-Aktion, bei der sich nur für Eingeweihte der tiefere Sinn er- schließen soll. Im Nachhinein kann man freilich nur m u t m a ß e n , war- u m dieser K u n s t g ü t e r a u s t a u s c h in aller Stille stattgefunden haben kann. Der Spruch, den der ehema- lige amerikanische Außenminister Kissinger in seinen Memoiren auf- hellend e r w ä h n t , wonach sich die Sowjets u n d die Amerikaner bei aller sonstigen Feindseligkeit und Rivalität immer darin einig waren, die deutsche Teilung andauern zu lassen, k ö n n t e ein Teil der Auflö- sung sein. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, d a ß die Durchtrie- benheit der Stalinschen Machtpoli- tik so vielfältig verflochten und geheim war, d a ß seinen Nachfol- gern die Kenntnis ü b e r diese Z u - s a m m e n h ä n g e verborgen geblie- ben war. N a t ü r l i c h ist seit der Preisgabe dieses Geheimnisses al- les wieder möglich: Voran der Ver- bleib des sagenumwobenen Bern- steinzimmers, das nun durchaus in die damalige Sowjetunion zu- rückgeführt worden sein kann, aber eben auch durch einen schrä-

f

en „ D e a l " unter smarten Allianz- r ü d e r n eine andere zwischen- staatliche L ö s u n g fand, wie man dies ja noch aus der Rückkunft des Domschatzes von Quedlinburg in kläglicher Erinnerung behalten hat. A u c h wenn, wie aus den aufge- fundenen Unterlagen hervorgent, noch längst kein stimmiges Ge- samtbild vorliegt, dafür sind bei der sogenannten Abgleichung der Listen der beiden Besatzungs- m ä c h t e erhebliche Differenzen auf- getaucht, die darauf schließen las- sen, d a ß die von Sowjettruppen in Mitteldeutschland z u s ä t z h e n auf- gefundenen K u n s t g e g e n s t ä n d e noch unberücksichtigt geblieben sind, so sind nunmehr einlenken- de Signale aus dem K r e m l unerläß- lich. Die Tatsache, d a ß 2021 Fracht- stücke i n 19 Eisenbahnwaggons verladen, bereits z w e i Jahre nach dem Beginn des Waffenstillstands die Rückführung i n die damalige Sowjetunion erfolgte, läßt auf sachgerechte Lagerung schließen u n d kann nun keineswegs mehr als A k t deutscher Kulturbarbarei ge- wertet werden, zumal das bei sol- chen Gelegenheiten immer wieder angeführte Bernsteinzimmer nicht Objekt deutscher Kunstbegierde war, sondern schlicht aus der Feu- erzone der Artillerie herausge- nommen wurde. M a n kennt ähn- liche R ü c k s i c h t n a h m e aus den Kämpfen u m das aus dem 6. Jahr- hundert stammende Benediktiner- kloster Monte Cassino, bei dem deutsche T r u p p e n s t ä b e eine Ret- tungsaktion z u m Erhalt der Kunst- schätze vorschlugen, die freilich unbeachtet blieb. Es ist zudem nun an der Bundesregierung, hier ein deutlich klärendes Wort z u reden, eventuell auch ü b e r die „Deutsche Welle", damit das russische und das ukrainische V o l k Kenntnis dar- ü b e r bekommt, wie es sich mit den Kunstschätzen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs verhält. A n Moskau liegt es, aus diesen nun- mehr offenkundigen Tatsachen Schlüsse für die Zukunft z u zie- hen. Peter Fischer

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22. M ä r z 1 9 9 7 - Folge 12 - Seite 3

£05 5>fipmißmu(ail Blickpunkt

Der

nach den

Sternen griff

Von B E R N D H E N Z E

Die Eroberung des Weltraums ist eng mit seinem Namen verknüpft. Der in Wirsitz in der Provinz Posen geborene Raketenkonstrukteur Wernher von Braun baute 1942 den deutschen

Fernflugkörper A4 und stellte nach dem Krieg den USA sein Wissen zur Verfügung. Dort schuf er mit anderen deutschen Wissenschaftlern die Voraussetzungen für die erfolgreiche

amerikanische Raumfahrt. Am 23. März wäre der Forscher 85 Jahre alt geworden.

A

ls A P O L L O - 1 1 - A s t r o n a u t N e i l A r m s t r o n g a m 21. Juli 1969 als erster M e n s c h d e n M o n d betrat, w u r d e der N a m e Wernher v o n B r a u n nahezu welt- weit ein Begriff. W a s John F. K e n - nedy i m M a i 1961 proklamierte, konnte mit der ü b e r einhundert Meter hohen M o n d r a k e t e Saturn-5 W i r k l i c h k e i t werden: der bemann- te F l u g z u m M o n d , die erste w i r k l i - che Raumfahrt des M e n s c h e n z u einem anderen H i m m e l s k ö r p e r .

Entwickelt w u r d e d i e giganti- sche Saturn-5-Mondrakete, d i e eine Startmasse v o n nahezu 2900 Tonnen aufwies, unter der L e i t u n g Wernher v o n Brauns a m George C . M a r s h a l l Space Flight Center der N A S A i n H u n t s v i l l e , A l a b a m a . D i e Entwicklungsarbeiten begannen bereits unmittelbar nach d e m Start des ersten Erdsatelliten Sputnik, der i m Oktober 1957 die amerikani- sche N a t i o n w i e ein neues Pearl Harbor traf. S c h l i m m genug, d a ß die eigenen US-Raketen jener Zeit auch noch versagten u n d die G r u p - pe u m Wernher v o n B r a u n i m Redstone-Arsenal i n H u n t s v i l l e g r ü n e s Licht erhielt, innerhalb v o n 90 Tagen einen Satelliten z u star- ten. Besser h ä t t e sich die Geschich- te ein Drehbuchautor nicht aus- denken k ö n n e n : die Leute v o n H u n t s v i l l e hielten W o r t , m o d i f i - zierten ihre Rakete Jupiter C , die aus d e m deutschen Aggregat-4 hervorgegangen war, u n d a m 31.

Januar 1958 lief a m K a p Canaveral der C o u n t d o w n , u n d ... es klappte!

Der erste Satellit der freien Welt, Explorer 1, erreichte seine U m l a u f - bahn.

G l o c k e n u n d Pfeifen veranstalte- ten einen riesigen L ä r m i n H u n t s - ville, u n d die ö r t l i c h e n Rundfunk-

stationen forderten alle Bewohner auf mitzufeiern. D i e L o k a l z e i t u n g brachte sofort ihr g r ö ß t e s Extra- blatt seit den Tagen des B ü r g e r k r i e - ges heraus, u n d das Ortsschild v o n H u n t s v i l l e b e k a m den Zusatztext:

„ W e l t r a u m h a u p t s t a d t des U n i v e r - sums".

Wernher v o n Braun, n u n natio- naler H e l d A m e r i k a s , erhielt mit diesem Erfolg endlich seine langer- sehnte Chance, mit der E n t w i c k - l u n g der Saturn-Raketen den be- mannten M o n d f l u g z u v e r w i r k l i - chen, ein Projekt, welches m a ß g e b - lich der damalige P r ä s i d e n t Kenne- d y forcierte u n d z u m g r ö ß t e n Abenteuer des Menschen i n unse- rem Jahrhundert w u r d e .

W ä r e es nach den zielstrebigen Planungen v o n Brauns gegangen, h ä t t e es nach den A p o l l o - M o n d - landungen die ersten Vorarbeiten z u r s t ä n d i g e n Mondbasis gegeben, u n d u m die Jahrtausendwende h ä t t e n w i r nicht den ersten geklon-

H i m m e l s s t ü r m e r A 4 : In Peenemünde schlug die Geburtsstunde der amerika- nischen Raumfahrt

S c h ü l e r u n d L e h r e n Wernher von Braun (links) mit Hermann Oberth

Fotos (2) Archiv

ten Menschen b e g r ü ß t , sondern den ersten Menschen, der auf d e m M o n d geboren w u r d e . D i e konkre- ten Planungen sahen aber auch eine Weiterentwicklung der Mondrakete vor, die dann, ausge- stattet mit thermonuklearen Trieb- werk, den Planeten M a r s angesteu- ert h ä t t e .

Bereits 1982 sollte nach v o n Brauns P l ä n e n der M e n s c h erst- mals den roten Planeten betreten, u n d heute w ä r e n w i r Zeitzeugen, w i e die einzelnen Expeditions- gruppen, auch mit internationalen Besatzungen, v o m M a r s z u r ü c k - k o m m e n , die g r o ß e E r d a u ß e n s t a t i - o n anfliegen u n d dann z u r Erde z u r ü c k k e h r e n .

O b w o h l die bemannten M o n d - missionen allesamt ein glückliches Ende nahmen, auch der Havarie- fall mit d e m l e g e n d ä r e n Schiff N r . 13, wissen w i r , d a ß die Entwick- l u n g eine andere war. F ü r Richard N i x o n spielte das Raumfahrtpro- g r a m m i m Wettlauf mit den Rus- sen nicht mehr die vorrangige R o l - le, denn b e i m M o n d f l u g hatte M o s - kau verloren. W a r u m also den technologischen V o r s p r u n g weiter ausbauen? A b e r auch der Vietnam- krieg, die innenpolitischen A u s e i n - andersetzungen u n d sozialen Spannungen i n den U S A u n d welt- weit f ü h r t e n i n den siebziger Jah- ren z u einer völlig anderen Schwer- punktsetzung. D i e Restfragmente aus der A p o l l o - Z e i t schufen z w a r die erste Raumstation Skylab mit wechselnden Mannschaften, w i e

es die Russen bis z u m heutigen Tage praktizieren, doch n u n fehlte die offensive P r o j e k t f ü h r u n g u n d der Tatendrang v o n Brauns.

D i e Entscheidung N i x o n s z u m Bau des Space Shuttle bedeutete das Ende der zielstrebigen R a u m - f a h r t p l ä n e Wernher v o n Brauns, die er bereits A n f a n g der fünfziger Jahre ausführlich i n M a g a z i n e n , B ü c h e r n u n d F i l m e n beschrieben hatte, auch i n Zusammenarbeit mit Walt Disney, z u r Ausgestaltung eines ersten Themenparks für die amerikanische Öffentlichkeit. Be- reits damals erkannte v o n Braun

der Wernher v o n Braun auch mit H e r m a n n Oberth zusammentraf, der mit seinem Buch v o n 1923, „Die Rakete z u den P l a n e t e n r ä u m e n " , eine wahre Flut v o n Raketenbast- lern u n d Raumfahrtforschern aus- gelöst hatte, n a t ü r l i c h auch G e g - ner. D o c h Oberth kehrte i n seine Heimat, nach S i e b e n b ü r g e n , z u - r ü c k , u n d erst A n f a n g der vierziger Jahre sollten sich v o n Braun u n d Oberth wiedersehen, diesmal i n P e e n e m ü n d e . H i e r w u r d e die erste F l ü s s i g k e i t s g r o ß r a k e t e Aggregat-4 entwickelt, die a m 3. Oktober 1942 als erster F l u g k ö r p e r die Grenze z u m A l l ü b e r s c h r i t t .

A u c h w e n n das Leben Wernher v o n Brauns bereits i n den Jahren seiner west- u n d o s t p r e u ß i s c h e n Kindheit auf den W e l t r a u m fixiert war, geriet auch er i n den Sog der Zeitgeschichte. D e n deutschen R a u m f a h r t v e r b ä n d e n fällt es schwer, pseudowissenschaftliche Darstellungen z u revidieren.

O b w o h l der Verdienst Wernher v o n Brauns, auch seiner zahlrei- chen Mitarbeiter i n den U S A , für die E n t w i c k l u n g der Raumfahrt unbestritten ist, stellt eine einseiti- ge Bewertung wieder eine Gefahr dar, die U m s t ä n d e jener Peene- m ü n d e r Zeit falsch zuzuordnen.

Insbesondere bei der j ü n g e r e n G e - neration, die die tatsächlichen Strukturen, Z u s a m m e n h ä n g e u n d f r ü h e r e n L e b e n s u m s t ä n d e nur u n - zureichend kennt, entsteht ein ver- zerrtes Gesamtbild.

Es g e n ü g t keinesfalls, D o k u m e n - te als totes Schriftgut u n d Sachzeu- gen eines Regimes z u werten, w i e dies g r ö ß t e n t e i l s auch mit schriftli- chen Dokumenten der D D R er- folgt. Es ist eine Tatsache, d a ß h i - storische Q u e l l e n nur aus der Kenntnis des sie jeweils konstruie- renden Kontextes sinnvoll z u inter- pretieren sind. N i c h t ü b e r s e h e n w e r d e n darf auch die g r o ß e Schwierigkeit, sich i n das B e w u ß t - sein v o n Menschen vergangener Zeiten, völlig anderen Alltags- u n d ( Ü b e r - ) L e b e n s n o r m e n z u verset- zen, eine Zeit mit anderer Erzie- hung, anderen Werten, einseitiger Information u n d politischer A u f - k l ä r u n g .

In diesem Konfliktfeld stehen die Jahre Wernher v o n Brauns als tech- nischer Direktor der damaligen Heeresversuchsanstalt P e e n e m ü n - de. W ä h r e n d H i m m l e r v o n Braun i n eine S S - Z u g e h ö r i g k e i t „ e h r e n - halber" d r ä n g t e , w i e aufgrund ei- nes sofort erhobenen Dienstranges auch deutlich w i r d , klammerte sich H i t l e r kriegsbedingt an das A 4 , v o n Goebbels n u n V 2 genannt.

Inzwischen begann die SS ihre V 2 - Serienfertigung, geführt d u r c h SS- G r u p p e n f ü h r e r Hans K a m m l e r , d e m „ S o n d e r b e a u f t r a g t e n des Reichsführer SS für das A 4 - P r o - gramm", i n den unterirdischen Stollen i m H a r z .

Wernher v o n Braun verstarb a m 16. Juni 1977 i n Washington. Der

Es war ein realistischer Phantast"

die wichtige Brücke zwischen öf- fentlicher M e i n u n g , p o p u l ä r w i s - senschaftlicher A u f k l ä r u n g u n d enthusiastischer Motivation, u m klare Projektziele auch umzuset- zen, selbst w e n n sie nicht b i l l i g sind. D i e ersten Erfahrungen die- ser astronautischen Vermarktung machte v o n Braun bereits i n den zwanziger Jahren, als er für den damaligen Verein für Raumschiff- fahrt i n Berlin i m KadeWe-Kauf- haus einen Ausstellungsstand be- treute u n d den eiligen Kaufhaus- besuchern den F l u g i n den Welten- raum erklärte.

Das G e l d war auch damals schon knapp, besonders für die Experi- mente auf dem Raketenflugplatz i n Berlin-Reinickendorf, einer Zeit, i n

bekannte Physiker Manfred v o n A r d e n n e beschrieb Wernher v o n Braun „als genialen Pionier, Ge- stalter u n d Manager der Astronau- t i k " u n d die v o n i h m organisierten Leistungen als die w o h l schwierig- sten u n d g r ö ß t e n technischen Ta- ten unseres Jahrhunderts: „ R a u m - fahrt w a r sein Lebensziel u n d seine Leidenschaft. U n d darin war er ein faszinierender, ein genialer M a n n - ein realistischer Phantast. Ohne Beispiel i n der Geschichte der Technik waren seine Phantasie, In- tuition, seine Ausdauer, seine O r - ganisationsgabe u n d sein K ö n n e n , ... Leitbild für Generationen!"

Der Autor ist Mitglied der Hermann- Oberth-Gesellschaft und Verfasser zahlrei- cher Publikationen zum Thema Raumfahrt.

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Politik £05 Oftprnißrnbfaii

22. M ä r z 1997 - Folge 12 - Seite 4

In Kürze

KK-Chefredakteur 60

Dr. Jörg Bernhard Büke feierte kürzlich seinen 60. Geburtstag. Der Jubilar ist seit 1983 Chefredakteur der „Kulturpolitischen Korrespon- denz", des in Bonn erscheinenden Presse- und Informationsdienstes der Stiftung Ostdeutscher Kultur- rat. Büke war unter anderem Re- dakteur bei der Bundeszentrale für Politische Bildung und bei der

„Welt" i m B e r e i c h K u l t u r .

Gegen Grundrente

Z w e i Drittel der Deutschen sind dafür, das bisherige Rentensystem beizubehalten. Das ergab eine U m - frage des Forsa-Institutes für „Die Woche". Demnach sind 70 Prozent der Westdeutschen und 53 Prozent der Mitteldeutschen gegen die Ein- führung einer Grundrente für alle.

Nord-Süd-Gefälle

N u r noch 31 Prozent der Deut- schen plädieren für den Euro. In einer europaweiten Forsa-Umfra- ge sprachen sich vor allem Einwoh- ner der nördlichen EU-Staaten ge-

f

en die W ä h r u n g s u n i o n aus. Die iustimmung für den Euro nimmt in dem Maße z u , in dem der H e i - matstaat der Befragten Schwierig- keiten hat, die Maastrichtkriterien zu erfüllen. 75 Prozent der Italiener und 71 Prozent der Griechen ver- sprechen sich Vorteile von der Ein- heitswährung.

Kappel offensiv

FDP-Nationalliberaler Heiner Kappel erzielte bei den hessischen Kommunalwahlen in seinem Wohnort Bad Soden einen beachtli- chen Erfolg. Der Sprecher der „Li- beralen Offensive" verbesserte sein Ergebnis von 12,1 auf 17,6 Pro- zent. Hessens FDP-Vorsitzende Ruth Wagner freut sich nach eige- nen Aussagen nicht darüber, ob- wohl die F D P landesweit auf ledig- lich vier Prozent kam.

Killer ohne Spuren?

Rußland soll i m Tschetschenien- Krieg Giftgas eingesetzt haben. Das behauptet ein russischer Offizier, der Anfang des lahres mit einer Probe des Kampfstoffes übergelau- fen ist. Der Einsatz des tödlichen Gases soll nicht nachweisbar sein, da es sich rasch verflüchtige. Ruß- land und die U S A lagern jeweils über 30 000 Tonnen C-Waffen.

Vertriebene:

Fangschüsse aus dem Hinterhalt

Die Folgen einer unscheinbaren Anweisung an die Länderfinanzbehörden

Am 26. Oktober 1995 erging vom Bundesfinanzminister per Kund- schreiben die Anweisung an die Län- derfinanzbehörden, die Gemeinnüt- zigkeit von Vertriebenenverbänden künftig nach denselben strengen Krite- rien der Abgabenordnung zu beurtei- len wie die Gemeinnützigkeit anderer Körperschaften. Würden Satzungsbe- stimmungen, die der Forderung nach selbstlosem und ausschließlich der A l l -

f

emeinheit zugute kommendem Wir- en zuwiderliefen, nicht bis Ende 1996

g

eändert, müsse den Verbänden ab em Veranlagungszeitraum 1996 die Gemeinnützigkeit aberkannt werden, was gravierende steuerliche Folgen hätte: Wegfall der Befreiung von Kor- perschafts-, Gewerbe- und Vermö- genssteuer sowie der Umsatzsteuerer- mäßigung für Zweckbetriebe und der Steuerbefreiung für Großspenden.

Eine ernste Drohung, zumal die Bun- desmittel etwa für den BdV allein zwi- schen 1990 und 1995 um ein Drittel, von 12,9 auf 8,6 Mio D M , gekürzt wurden.

Die Aktion war zwar nicht ohne vor- herige Konsultierung des BdV gesche- hen; doch ändert dies wenig an der vom Waigel-Ministerium geschaffe- nen Zwangslage. Beanstandete Sat- zungszwecke smd insbesondere sol- che, die die Forderung nach Wieder- vereinigung der Heimatgebiete mit Deutschland oder den „Anspruch der Volksgruppen und der einzelnen Landsieute auf Rückerstattung des ge- raubten Vermögens und die sich dar- aus ergebenden Entschädigungsan- sprüche" festschreiben. Eben diese Forderung entfernte z. B. die Sudeten- deutsche Landsmannschaft auf ihrer XI. Bundesversammlung Anfang Fe- bruar 1997 aus § 3 Abs. 1 ihrer Satzung und ersetzte sie durch die allgemeinere Formulierung „Rückgabe des konfis- zierten Vermögens auf der Basis einer gerechten Entschädigung".

Das ist nicht so nebensächlich, wie es klingt. Die jetzt zu streichenden Sat- zungsziele gehörten seit Jahrzehnten ohne jede Beanstandung zu Aufbau und Arbeit der Vertriebenenverbände;

sie sind Teil ihrer Identität. Da die Bun- desrepublik es umging, Exilverwal- tungen und Exilparlamente für die un- ter polnischer und sowjetischer Ver- waltung stehenden Heimatgebiete an- zuerkennen, blieb den Verbänden die- ses „Gewohnheitsrecht"; die plötzliche Abkehr von der bisherigen Auslegung der Abgabenordnung Kommt einem Wegfall der Geschäftsgrundlage gleich. Mit der Satzungsänderung ist es schließlich nicht getan; die Verbände geraten gegenüber ihren Mitgliedern m Rechtfertigungszwang, und zudem würden bei jeder künftigen Überprü- fung der Gemeinnützigkeit die Ver- bände in Wort und Tat am neuen Buch- staben der Satzung gemessen. Schon die schiere zeitliche Nähe des sudeten- deutschen Beschlusses zur Auseinan-

Presseschau

„Gewalt muß sein"

Der „Berliner Kurier" ängstigt sich vor einer anarchischen Zukunft:

„,Gewalt muß sein, sonst reagiert ja keiner mehr.' Ein erschreckender Satz.

Gesprochen von einem Bauarbeiter in Berlin. Nach Castor-Gewalt, wütenden Kumpeldemos jetzt die Bauarbeiter.

Demnächst Schüler gegen Lehrer, Grü- ne gegen Straßenbauer und, und ... je- der scheint zu glauben, nur Gewalt würde noch zu dem von ihm er- wünschten Ergebnis führen. Verhand- lungen, Kompromisse, Gespräche - überflüssig. So beginnt gewöhnlich die Anarchie, das Leben onne Ordnung, das Chaos. Siehe Albanien."

Stagnation

Der Züricher „Tages-Anzeiger" kritisiert scharf die Politik des Bundeskanzlers im Hinblick auf den Kohlekonflikt:

„14 Jahre Kohl haben das Land in ei- nen Stillstand geführt, der nun auf der Straße aufgebrochen wird. Der Kanzler agiert nicht mehr, er kann nur noch reagieren. Hektisch wirkender Aktionismus ersetzt die durchdachte Aktion ... Nein, nicht das Land schaut

nach hinten. Nur hat es halt eine Regie- rung, die sich viel zu lange mit dem bewährten ,Weiter so' zufriedengab.

Nicht aus Einsicht in das langfristig Unabänderliche beschneidet Kohl die Kohle-Subventionen, sondern weil sei- ne Kasse leer ist. Und obwohl diese Kasse leer ist, will er nun Milliarden für den Bau auftreiben. Das ist keine stete, auf die Zukunft gerichtete Politik, das ist die Reaktion auf eigene Versäum- nisse. Die holen nun den Staatsmann K.

Bewußtlos

Zu den Wirren in Albanien meint das Pa- riser „Journal du Dimanche":

„Eine gute Gesinnung hat noch nie genügt, um die internationale Gemein- schaft zu mobilisieren. Die greift nur ein, wenn es darum geht, ihre Interes- sen zu schützen. Das ist jetzt der Fall.

Die Revolte in Albanien kann den gan- zen Balkan in Brand setzen. So fangen Kriege an. Wenn Europa schon nicht fähig war, Albanien zur rechten Zeit zu helfen, so sollte es zumindest jetzt zu sich kommen, um für seine Sicherheit zu sorgen. Die albanische Angelegen- heit ist zur Angelegenheit Europas ge- worden."

dersetzung um die Prager Erklärung deutet darauf hin, daß es sich hier nicht um eine harmlose Formalie handelt.

Bedenkt man, wie unbequem das Be- harren gerade der Sudetendeutschen auf ihren Rechtspositionen der Bun- desregierung bei den jahrelangen Ver- handlungen mit Prag wurde, ist die Vermutung plausibel, daß mancher in Bonn ganz gerne „den Vertriebenen über das Steuerrecht oder die Förde- rung einen Maulkorb verpassen" wür- de, wie es der Fraktionsvorsitzende der Republikaner im Landtag von Baden- Württemberg, Rolf Schlierer, anläßlich

Vertriebene:

Nach dem Schaden folgt der administra- tive Zugriff, hei

dem auch die Entscheidung des Bundesver- fassungsgerichts

von 1973 unberücksichtigt

bleiben soll

der Behandlung eines Berichtsantrags seiner Fraktion im Plenum am 19. Fe- bruar ausdrückte. Mit ihrem Berichts- antrag (Ds. 12/527) hatten die Republi- kaner Auskunft verlangt, inwieweit die Landesregierung die Vertriebenen- verbände in Baden-Württemberg über die drohenden Änderungen informiert habe, und angesichts der bei vielen Vertriebenen Deobachteten Verunsi- cherung rechtliche Aufklärung ver- langt. Zudem sollte der Antrag, so Schlierer, deutlich machen, „daß wir von Anfang an jeder Tendenz entge- genwirken wollen, die Vertriebenen- verbände (...) politisch zu kastrieren und auf den Status von Trachten- und Brauchtumsvereinen zu reduzieren".

C D U und Staatsregierung spielten das Problem in der Debatte herunter.

Man arbeite mit „unseren Vertriebe- nenverbänden" gut zusammen, so Fi- nanzstaatssekretär Rückert; dort sä- ßen, so der Redner der CDU-Fraktion,

„recht vernünftige Leute. Die nehmen Hinweise der Behörden ernst, prüfen dann ihre Satzung (...) und sie andern sie im Zweifel einfach". Freilich bleibt ihnen auch kaum etwas anderes übrig.

BdV-Vorsitzender Staatssekretär Wa- bro nahm, wiewohl anwesend, die Ge- legenheit nicht wahr, als Regierungs-

mitglied das Wort zu ergreifen und den Standpunkt der Verbände darzulegen.

Von grotesken Mißverständnissen und Polemik gezeichnet war die Aus- einandersetzung um den zweiten Teil des Republikaner-Antrags. Die Frage, ob die zahlreichen, auch von der Bun- desrepublik unterzeichneten völker- rechtlichen Verträge, die seit 1949 das Vertreibungs- und Annexionsverbot kodifiziert haben, nicht auch auf die

„Ostgebiete des Deutschen Reiches"

anzuwenden wären, war von der Staatsregierung schon in ihrer schriftli- chen Stellungnahme glatt verneint

worden. Eine Antwort auf die Frage, ob der deutsch-polnische Vertrag von 1992 als „Gebietsabtretungsvertrag"

zu beurteilen sei, hatte die Staatsregie- rung durch wortreiches Referieren des Vertragstextes vermieden. Zur Erinne- rung: Bonn hat zwar die Grenze an Oder und Neiße bestätigt, aber auf eine ausdrückliche Gebietsabtretung ver- zichtet, um nicht mit den Entschädi- gungsansprüchen von Millionen Ver- triebener konfrontiert zu werden. Von dieser komplizierten rechtlichen Pro- blematik blieb in der Debatte nur billi- ge Polemik. Nach Ansicht des Grünen Kretschmann habe das Unrecht damit begonnen, „daß zum Beispiel in der Heimat meiner Mütter und Väter in Ostpreußen 55 Prozent die Nazis ge- wählt haben". Wer auf dem „alten Recht" beharre, provoziere „neue Krie- ge". SPD-Mann Bebber sieht in indirek- ter Kritik an den vom Bundestag ratifi- zierten Verträgen bereits „undemokra- tische" und „verfassungsfeindliche"

Methoden am Werk. Mit solchen Tot- schlageargumenten wurde die Chance vergeben, die längst noch nicht gelöste rechtliche Problematik des deutschen Ostens und seiner Menschen fair und offen zu erörtern. M . P.

Kultur:

Kein Geld für Deutsche

Verschiebung des deutsch-dänischen Gleichgewichts

Zwar gibt es im deutsch-dänischen Grenzgebiet keinen „Grenzkampf"

mehr, wie er nach 1945 von starken Kräften sowohl der dänischen Minder- heit im nördlichen Schleswig-Holstein als auch von Kreisen der dänischen Be- völkerung im Königreich entfesselt wurde, doch ist nicht zu verkennen, daß die kulturelle wie nationalpoliti- sche Konkurrenz sehr lebendig ist.

So hatte in den letzten Jahrzehnten die deutsche Seite im Gebiet südlich der Grenze einiges unternommen, um zu vermeiden, daß das deutsche Element gegenüber dem dynamischen däni- schen nicht ins Hintertreffen gerät. Ge- genüber dem vorzüglichen danischen sollte ein gut ausgebautes deutsches Büchereiwesen dafür sorgen, daß auch im ländlichen Bereich jedermann Zu- gang zu deutschen Bücnern hat. Deut- sche kulturelle Aktivitäten wurden ge- tragen vom Jugendhof Scheersberg in Angeln, der Akademie Sankelmark, der Heimvolkshochschule Leck in Nord- friesland und mehreren anderen Bür- gerhäusern usw.

Den überall aus dem Boden geschos- senen dänischen Kindergärten stand ein gut ausgestattetes deutsches Kin- dergartenwesen, getragen von der Ar- beitsgemeinschaft Deutsches Schles- wig, gegenüber.

Dieses Element der deutschen Seite südlich der Grenze scheint der sozial-

demokratisch geführten schleswig- holsteinischen Landesregierung nun- mehr überflüssig zu sein. Nachdem Heide Simonis Ministerpräsidentin ist, hat die Landesregierung immer wieder darauf hingewirkt, daß die deutschen kulturellenlnstitutionen ihren Auftrag hinten anstellen.

Die finanzielle Daumenschraube ist

E

tzt so fest angezogen worden, daß der eutsche Grenzverein kurz vor dem Aus steht. Das Büchereiwesen ist ihm bereits entzogen, und die Mittel für die Büchereien im Landesteil Schleswig sind gekürzt worden. Die noch übrig- gebliebenen Personalkosten für die Akademie Sankelmark, den Jugendhof Scheersberg, die Heimvolkshochschu- le usw., die über 4 Millionen D M aus- machen, können nicht mehr gedeckt werden.

Die Arbeitsgemeinschaft Deutsches Schleswig müßte in ihren 23 Kinder- gärten überall Gruppen schließen, wenn die angedrohten Kürzungen in die Tat umgesetzt werden. Ein Jugend- freizeitheim der ADS steht vor der Schließung.

Kenner der Situation befürchten, daß mit der Schwächung der deut- schen Position das Gleichgewicht im deutsch-dänischen Grenzland ins Wanken gerät, mit noch nicht zu über- schauenden Folgen. v. Leesen

Drogen:

Dealer an der Macht

Den Petitionsausschuß des schles- wig-holsteinischen Landtages er- reichte die Bitte einer Frau aus Sach- sen, man möge ihr Haschisch zu- kommen lassen. Sie habe erfahren, daß man in Schleswig-Holstein „völ- lig legal" das Rauschgift bekommen könne.

So wirkt es sich aus, wenn sozial- demokratische „Gesundheits"poli- tiker planen, in einem Bundesland über Apotheken Marihuana und Haschisch kontrolliert und „völlig legal" zu verkaufen. Die rot-grüne Landesregierung in Kiel begründet ihre seltsame Idee (und wird dabei von der oppositionellen FDP unter- stützt), sie wolle auf diese Weise den Markt von „harten und weichen Dro- gen" trennen und verhindern, daß Menschen, die „ n u r " von Marihuana oder Hasch abhängig sind, abrut- schen in den Gebrauch von Heroin und anderen über kurz oder lang tödlichen Rauschgiften.

Noch liegen diese Pläne, die von der C D U eBenso abgelehnt werden wie etwa von Lehrer- und Apothe- kerverbänden, zur Prüfung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, einer nachgeord- neten Behörde des Bonner Gesund- heitsministeriums. Daß sie geneh- migt werden, ist unwahrscheinlich.

Es ist ein Schlag ins Gesicht der schleswig-holsteinischen Landesre- gierung, d a ß der Internationale Suchtstoffkontrollrat der Vereinten Nationen die rot-grünen Pläne scharf kritisiert hat. „Der Rat zeigt sich über solche Vorhaben besorgt, weil die Verteilung von CannaBis keinem wissenschaftlichen Zweck dient, im Widerspruch zur Konvention von 1991 steht und einer Legalisierung von Cannabis gleichkommt." Die U N vertraue darauf, „daß die deut- sche Bundesregierung ihr möglich- stes zur Verhinderung dieser Art von Cannabis-Verteilung tun wird". Der UN-Fachausschuß weist auch die Be- hauptung der schleswig-holsteini- schen Gesundheitsministerin Moser zurück, eine kontrollierte Freigabe

„weicher" Drogen habe in den Nie- derlanden positive Wirkung gehabt.

Im Gegenteil beschuldigt der U N - Suchtstoffkontrollrat die niederlän- dische Regierung, eine Schlüsselrolle bei der Produktion synthetischer Rauschgifte einzunehmen.

Das wiederum wies die holländi- sche Regierung zurück: sie habe im GegenteU in der jüngsten Zeit ihre Politik zur Bekämpfung von Rausch- gift deutlich verschärft.

Nach dem Drogenbericht der Ver- einten Nationen sind die USA „der größte Drogenschwarzmarkt der Welt". Die Zahl der Kokain- und Heroinkonsumenten, vor allem der jugendlichen, steige rapide an. Das am weitesten verbreitete Rauschgift auf dem europäischen Drogenmarkt sei Haschisch.

Bundesgesundheitsminister See- hofer verweist darauf, daß die Bon- ner SPD Überlegungen anstellt, ver- suchsweise sogar das tödliche Hero- in freizugeben. „Danach beginnt eine atemberaubende Freigabespirale", so Seehofer. In Wahrheit plane die SPD einen Wertewandel mit dem Ziel einer Freigabe schlechthin.

Es müsse das erste Ziel sein, das Rauschgiftangebot überall zu verrin- gern. Dann gene es um die Warnung vor den Konsumfolgen, um die Auf- klärung der jungen Leute und schließlich um Hilfe für die bereits Kranken. Die Behauptung, man müsse zwischen harten und weichen Drogen unterscheiden, nannte See- hofer „heuchlerisch".

Zeitgenossen mit nicht allzu kur- zem Gedächtnis erinnern sich an eine der Hauptforderungen der Revoluz- zer von 1968: sie verlangten, und wurden dabei beispielsweise laut- stark von der „liberalen" Wochen- zeitung „Die Zeit" unterstützt, die Freigabe von Drogen. Die alten 68er sind nun, nachdem sie an die Schalt- hebel der Macht gelangt sind, dabei, ihr damaliges Ziel zu verwirklichen.

Jochen Arp

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22. M ä r z 1997 - Folge 12 - Seite 5

£05 CflpmifimNaii Politik

Polen:

Eigentumsfragen

In einer Sendung des polnischen Rundfunks v o m 22.1.97 wurde auch die Rückgabe jüdischen Eigentums diskutiert. Dazu hieß es in einem Bei- trag:

„Pawel Wildstein, der Vorsitzende der j ü d i s c h e n Gemeinden in Polen, hat dies - wie er sich a u s d r ü c k t e - mit

t

emäßigter Zufriedenheit zur Kenntnis genommen. W a r u m nur ,gemäßigte Zufriedenheit'? N u n , aus z w e i G r ü n d e n :

1. W e i l das Gesetz, welches auch andere Glaubensgemeinschaften be- trifft, die Rückgabe privaten Eigen- tums ü b e r g a n g e n habe.

Doch in dieser Frage kann die Re- gierung die Juden mcht bevorzugt behandeln. Denn es gibt i n Polen noch immer kein Repnvatisierungs-

f

esetz. Die Millionen Polen, denen igentum entrissen wurde, von wem auch immer, von den Nazis oder von den Kommunisten, warten ebenfalls immer noch auf das Gesetz.

2. Bleibt die Frage offen, wer von den Juden sich u m die Rückgabe be- werben dürfe; die heute in Polen le- benden Juden oder auch die Juden im Ausland, auch wenn sie aus Polen stammen?

,Warum sollen die wenigen Juden in Polen all das erben, was die 3,5 Millionen polnischer Juden verloren hatten?' Lnese Fragen stellten dem polnischen Ministerpräsidenten i n Israel seine jüdischen Gesprächs- partner. Doch das ist ein Streit, der schon innerhalb der jüdischen Ge- meinschaften ausgetragen werden sollte.

Die in Polen geltenden Prozeduren können nur die ,Bürger unseres Staa- tes' umfassen. Die rxjlnischen Juden können, genauso wie die Polen aus Kasachstan, diese Prozeduren in A n - spruch nehmen - sie können nach Po- len zurückkehren und sich am größ- ten Werk der Restaurierung jüdischer Friedhöfe, Synagogen, Schulen, Kran- kenhäuser, beteiligen.

Solche R ü c k w a n d e r u n g e n werden vom polnischen Staat erleichtert. In den nächsten Tagen w i r d z. B. be- schlossen werden, d a ß die Zehntau- senden luden, die von den kommu- nistischen Behörden nach 1968 genö- tigt wurden, z u emigrieren und auf ihre Staatszugehörigkeit z u verzich- ten, ihre polnische Staatszugehörig- keit wiedererhalten k ö n n e n . Eben- falls in diesen Tagen haben die polni- schen Behörden mit der Suche der Erben der einstigen Eigentümer der schweizerischenBankkonten begon- nen, damit Polen ihnen das seinerzeit von der Schweiz rückerstattete Geld auszahlen kann." A . B.

USA:

Menschenverachtung und Gewalt

Beim amerikanischen Militär sind Übergriffe gegen Frauen keine Seltenheit

Wer sich i n der deutschen M i l i - t ä r g e s c h i c h t e auskennt, der hat z u - n ä c h s t fassungslos u n d dann mit Abscheu Kenntnis genommen v o n Ritualen, die i n der sowjetischen A r m e e ü b l i c h waren (und i n der russischen A r m e e offenbar noch ü b l i c h sind). Rituale, die sich aber i n A n s ä t z e n auch bei den Streit- kräften der U S A erkennen lassen.

Da erfährt man, d a ß junge sowjeti- sche - jetzt russische - Rekruten sich scnrecklichster Grausamkei- ten d u r c h ihre ä l t e r e n Kameraden ausgesetzt sehen. Sie werden be- stohlen, geschlagen, das Essen w i r d ihnen vorenthalten, sie wer- d e n vergewaltigt u n d nicht selten i n den T o d getrieben.

Soldaten der Bundeswehr be- richteten, mit welchen brutalen M i t t e l n amerikanische Militärpoli- zei, aber auch U S - A u s b i l d e r gegen Kameraden vorgingen, die ihnen ausgeliefert waren. N i c h t wenige H o l l y w o o d - F i l m e , die das deut- sche Fernsehen ausstrahlt, belegen diese offenbare Allgegenwart dienstlicher Brutalität. Eine beson- dere Q u a l i t ä t der Menschenver- achtung ist z u registrieren, seit i n d e n U S A i m m e r mehr Frauen Sol- dat werden. E t w a vierzehn Prozent der US-Berufssoldaten, n ä m l i c h 69 000, sind Frauen. F ü r F e m i n i - stinnen, sofern sie nicht a u ß e r d e m noch Pazifistinnen sind, ist die In- tegration ein A k t der Emanzipati- on der Frau. Sie verlangen sogar, d a ß Soldatinnen auch i m E r d - k a m p f eingesetzt werden, was bis- her noch nicht i n der U S - A r m e e vorgesehen ist, o b w o h l weibliche M i t g l i e d e r v o n Flugzeugbesatzun- gen sehr w o h l K a m p f e i n s ä t z e ge- flogen sind, etwa i m Golfkrieg.

N u n berichten die M e d i e n immer häufiger, d a ß i n den US-Streitkräf- ten sexuelle Gewalt gegen Soldatin- nen zur Tagesordnung z u g e h ö r e n scheint. In v o l k s t ü m l i c h e r F o r m w u r d e das den deutschen Zuschau- ern k ü r z l i c h i n einem 1995 i n den U S A produzierten Spielfilm vorge- führt, der i n P R O 7 unter dem Titel

„Brutale Exzesse - Skandal i n der N a v y " lief. Das Original heißt „She stood alone". Ihm Regen tatsächli- che Begebenheiten zugrunde: Bei einer Tagung v o n amerikanischen Marmeoffizieren 1991 m u ß t e n i m

geselligen Teil weibliche Offiziere S p i e ß r u t e n laufen. Ihre m ä n n l i c h e n Kameraden rissen ihnen die Kleider vom Leib. In dem Spielfilm wagte eine der so beleidigten u n d ernied- rigten weiblichen Offiziere M e l - dung z u machen - ohne Erfolg. Erst als sie sich an die Öffentlichkeit wandte, w u r d e n Untersuchungen angestellt. Bestraft wurde niemand.

Das alles entsprach den Tatsachen, die unter dem Begriff „Tailhook- Skandal" bekannt wurden.

Fast täglich werden i n den U S A Sexualverbrechen an Soldatinnen bekannt, begangen v o n ihren m ä n n l i c h e n Kameraden (wenn m a n sie denn noch so nennen kann). In der Rekrutenausbildung der A r m e e sind so zahlreiche Fälle von Vergewaltigungen aufge- deckt, d a ß eine eigene Untersu- chungskommission mit Polizeibe- fugnis eingesetzt w u r d e , u m den A n z e i g e n nachzugehen. D i e

„ F A Z " berichtete: „ E s w u r d e ein Telefondienst eingerichtet, ü b e r den innerhalb weniger W o c h e n fast 7000 A n r u f e z u m Thema Belä- stigungen, sexuelle Angriffe oder Vergewaltigungen eingingen, v o n denen etwa 950 so ernst genommen w u r d e n , d a ß Detektive den Be-

schuldigungen nachgingen." A l - lein an einem einzigen Standort fanden z u r selben Zeit 28 Untersu- chungsverfahren gegen A n g e h ö r i - ge der A r m e e wegen Vergewalti- gung u n d ä h n l i c h e r Delikte statt. In einem anderen laufen solche Ver- fahren gegen 25 A u s b i l d e r .

A u c h die Kadettenanstalten blei- ben v o n dieser amerikanischen E i - genart nicht u n b e r ü h r t . Z w a r ver- suchten sich diese A u s b i l d u n g s - s t ä t t e n für die Elite z u n ä c h s t gegen die Aufnahme v o n Frauen z u w e h - ren, d o c h erzwangen Gerichtsur- teile deren Zulassung. Das führte d a z u , d a ß gegen die Frauen dort mit besonderer Brutalität vorge- gangen w i r d .

M a n erfährt aus einem Bericht der „ F A Z " , d a ß bis vor k u r z e m amerikanische Rekruten nach d e m g e b r ü l l t e n Vers marschieren lern- ten: „ O n e T w o Three Four / Every N i g h t W e Pray for W a r / Five Six Seven Eight / Rape. K i l l . Mutilate."

Z u deutsch: „Eins, z w e i , drei, vier, jede Nacht beten w i r u m K r i e g . Fünf, sechs, sieben, acht. Verge- waltige! Töte! V e r s t ü m m e l e ! "

Hans-Joachim v. Leesen

G e w a l t t ä g i g e Exzesse z e r s t ö r e n die M o r a l : Antrainierte Aggression ent- lädt sich auch gegen die Kameraden

Besser, JHammer" als Amboß sein ?

Molotows trübe Erinnerungen - Von Pierre Campguilhem / P. F.

V o n M o l o t o w schrieb einst W i n - ston C h u r c h i l l i n seiner „ G e s c h i c h - te des Z w e i t e n Weltkrieges", er sei der „ z i s e l i e r t e s t e D i p l o m a t " des zwanzigsten Jahrhunderts gewe- sen, eine Bezeichnung, die der ein- stige sowjetische A u ß e n m i n i s t e r i n seinen G e s p r ä c h e n mit Felix Tschochev z u r ü c k w e i s t . Im Selbst- urteil w a r er, M o l o t o w , einfach ein

„ P o l i t i k e r " gewesen, ein „ P r a g m a - tiker".

Diese A u s s a g e n stammen aus ei- n e m W e r k des russischen Schrift- stellers Tschochev, das 1990 i n M o s k a u u n d n u n i m September 1996 v o m Pariser V e r l a g A l b i n M i - chell i n seiner f r a n z ö s i s c h e n Uber- setzung unter d e m Titel „ C o n v e r - sations avec M o l o t o w " veröffent- licht w u r d e .

D a ß dieses B u c h bislang noch nicht auf deutsch erschienen ist, mag nur z u m Teil daran liegen, d a ß die f r a n z ö s i s c h e Intelligenzia schon i m m e r hinsichtlich der V o r - gaben i n Sachen A u ß e n p o l i t i k a m ß e b s t e n u n k r i t i s c h nach M o s k a u

sah. Der Politiker, Revolutionsna- me M o l o t o w ( „ H a m m e r " ) , der u n - ter d e m richtigen N a m e n Skarjabin seine politische Karriere begann, w u r d e 1964 i m Z u g e der sowjeti- schen Entstalinisierungspolitik aus der K P d S U ausgeschlossen, aber 1984 unter Tschernenko w i e - der g n ä d i g aufgenommen. Er er- weist sich i n all seinen Beiträgen als ein stets ü b e r z e u g t e r , linientreuer K o m m u n i s t , der keinen A u g e n - blick v o n der erprobten Vorgabe Stalins abweicht. Insofern schafft er s e l b s t v e r s t ä n d l i c h auch die Rechtfertigungen für die „ S ä u b e - rungen" der 30er Jahre, die er mit- gemacht u n d unterzeichnet hat.

Für i h n waren die blutigen Ver- folgungen angesichts des A u f - schwungs des „ F a s c h i s m u s " i n Europa eine Notwendigkeit, die es auf die beispiellose Opferzahl v o n 66 M i l l i o n e n Toten brachte.

A u c h i m Fortgang des Werkes u n d der Molotowschen Rechtferti- gung w i r d für den Leser sehr

schnell einsichtig, d a ß der sowjeti- sche K o m m u n i s m u s i n der Stalin- schen Ä r a vor allen D i n g e n ein auf das A u s l a n d ausgerichtetes Erobe- rungsunternehmen gewesen ist.

M o l o t o w : „Ich habe als A u ß e n m i - nister gedacht, d a ß es meine Pflicht war, die Grenzen unseres Vaterlan- des so weit w i e nur m ö g l i c h auszu- weiten." Bei soviel r e v o l u t i o n ä r e m S e n d u n g s b e w u ß t s e i n läßt sich na- türlich leicht jeder a u ß e n p o l i t i s c h e Aggressionsschritt rechtfertigen, wie man dies auch nach dem Rück- tritt M o l o t o w s i n U n g a r n , i n der Tschechoslowakei u n d anderswo erleben konnte.

E i n z i g für die F r ü h z e i t bestätigt M o l o t o w die direkte Verantwor- tung Lenins für die E r m o r d u n g der Zarenfamilie. Dies aber wahr- scheinlich auch nur, w e i l L e n i n schon viele Jahre tot u n d längst kein Geheimnis mehr preiszuge- ben ist.

Die Beziehungen zwischen der Sowjetunion u n d Deutschland,

d e m ohnehin eine Spitzenstellung in der w e l t r e v o l u t i o n ä r e n Strategie e i n g e r ä u m t wurde, laufen, laut M o l o t o w , nach der b e r ü h m t ge- wordenen Salamitaktik ab: M a n gibt ein Scheibchen, w i l l d a f ü r aber ganze Landstriche einheimsen.

Selbst die p r e k ä r e n Jahre v o m A u - gust 1939 bis z u m A u s b r u c h des Krieges 1941 werden ohne Preisga- be bekannter sowjetischer Positio- nen angeboten. M o l o t o w wieder- holt, der deutsch-sowjetische Ver- trag v o m 23. A u g u s t 1939 sei v o m W i l l e n Stalins g e p r ä g t gewesen, den K r i e g so lange w i e m ö g l i c h hinauszuschieben. M o l o t o w ver- neint auch das Unterzeichnen v o n Geheimabkommen mit der deut- schen Reichsregierung.

A u f s c h l u ß r e i c h für deutsche L e - ser bleibt i m m e r h i n die Tatsache, d a ß laut M o l o t o w Beria 1953 die D D R preisgeben wollte, was für die nachfolgenden K r e m l - H e r r e n of- fenbar so schwerwiegend war, d a ß sie kurze Zeit s p ä t e r seine H i n r i c h - tung v e r a n l a ß t e n .

Zitate • Zitate

,£>er deutsche Liberalismus in seiner sittlichen Wertlosigkeit aber sagt le- diglich zum Staate nein, ohne die Fä- higkeit, das durch ein ebenso großge- dachtes und energisches Ja zu rechtfer- tigen. Von innerm Range kann in Deutschland nur der Sozialismus in ir- gendeiner Fassung sein. Der Liberalis- mus ist eine Sache für Tröpfe. Er be- schwatzt, was er nicht besitzt. Wir sind einmal so: wir können nicht Engländer, nur Karikaturen von Engländern sein - und das sind wir hinreichend oft gewe- sen. Jeder für sich: das ist englisch; alle für alle: das ist preußisch. Liberalismus aber heißt: Der Staat für sich, jeder für sich. Das ist eine Formel, nach der sich nicht leben läßt, sofern man nicht in liberaler Weise das eine sagt und das andre zwar nicht will und tut, aber schließlich geschehen läßt.

Es gibt in Deutschland verhaßte und verrufene Grundsätze, verächtlich aber ist auf deutschem Boden allein der Liberalismus, der stets die Unfrucht- barkeit repräsentierte, das Nichtverste- hen dessen, was gerade notwendig war und was man nach zwanzig Jahren, wenn man es nicht hatte verderben können, in den Himmel hob, die Unfä- higkeit, mitzuarbeiten oder zu entsa- gen, die gänzlich negative Kritik als Ausdruck nicht eines mächtigen A n - derswollens - wie sie die Soziaüsten der Bebelzeit übten - , sondern ledig- lich eines Nichtmögens. Nicht lebens- tüchtig, sondern nur gesinnungstüch- tig, ohne innere Zucht, ohne Tiefe des lebendigen Seins, ohne eine Ahnung von der straffen Aktivität und Zielsi- cherheit des englischen Liberalismus, war er immer nur der Stein auf unsrem Wege.

Seit Napoleon hat er sich die Köpfe der Gebildeten Deutschlands erobert;

der gebildete Spießbürger, der B i l - dungsphilister, der unpraktische Ge- lehrte, dem abstraktes Wissen die Welt verbaut hat, waren immer seine dank- barsten Verteidiger. Mommsen, der sein ungeheures Gebiet mit preußi- scher Energie beherrschte, der die preußischen Züge im Römertum ver- stand und bewunderte, hat es im Parla- ment Bismarck gegenüber doch nur zu verständnisloser Opposition gebracht.

Mit ihm vergleiche man den eng- lischen Bearbeiter der History of Greece, Grote, einen Kaufmann und Liberalen. Unsre Schriftsteller und Professoren haben mit der Fruchtbar- keit von Feldmäusen Deutschland mit Büchern und Systemen bevölkert, in denen die englischen Schlagworte des freien Staates, des freien Bürgers, der freien Persönlichkeit, des souveränen Volkes, der allgemeinen, freien und beständig fortschreitenden Mensch- lichkeit aus der Wirklichkeit engli- scher Kontore in die deutschen Wol- ken erhoben wurden. Man muß Bis- marck, den Bruno Bauer schon 1880 als sozialistischen Imperialisten be- zeichnet hatte, über diese Gebildeten hören, welche die Welt mit ihrer Lektü- re verwechselten. Aber auch Bebel verriet seinen stets sicheren Instinkt, als er einmal gegen die Akademiker in seiner Partei lospolterte. Er fühlte den antipreußischen Instinkt des deutschen Gebildeten heraus, der in seinem Staa- te heimlich an der Disziplin fraß - und er hat recht behalten.

Zur preußischen Art gehört es, daß der Einzelwille im Gesamtwillen auf- geht. Das Offizierkorps, das Beamten- tum, die Arbeiterschaft Bebels, endlich

„das" Volk von 1813,1870,1914 füh- len, wollen, handeln als überpersönli- che Einheit. Das ist nicht Herdenge- fühl; es ist etwas unendlich Starkes und Freies darin, das kein nicht Zugehöri- ger versteht. Das Preußentum ist ex- klusiv. Es weist selbst in seiner proleta- rischen Fassung die Arbeiter andrer Länder samt ihrem egoistischen Scheinsozialismus ab. Bedientenseele, Untertanenverstand, Kastengeist - das sind Worte für etwas, das man nur in seiner Ausartung versteht und dann verachtet. Das echte Preußentum ver- achtet niemand; man fürchtet es.

Oswald Spengler

Philosoph, in „Preußentum und Sozialismus"

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