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29. November 1997

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Heute auf Seite 3: Die Schlacht hat begonnen

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U N A B H Ä N G I G E W O C H E N Z E I T U N G F Ü R D E U T S C H L A N D

Jahrgang 48 - Folge 48 Erscheint wöchentlich

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt

29. November 1997

Landsmannschaft Ostpreußen e.V. r*

Parkallee 84786, 20144 Hamburg OO^H

A r b e i t s l o s i g k e i t :

W a r u m g e s c h i e h t n i c h t s ?

H a n d e l s k a m m e r : B o n n k ö n n t e m i t g e z i e l t e n M a ß n a h m e n v i e l b e w i r k e n

„Stellt endlich mehr Leute ein!"

forderte der Präsident der Bundes- anstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, Anfang der Woche von den Arbeit- gebern. Vor allem sollten Überstun- den abgebaut und mehr Teilzeitstel- len geschaffen werden.

Das hört sich gut an. Auch Politiker schließen sich deshalb solchen Vor- stößen immer wieder gern an, zumal sie auf diese Weise den Schwarzen Peter an die Arbeitgeberseite weiter- geben können. Bei näherer Betrach- tung indes scheint es kaum glaub- haft, d a ß Deutschlands Unterneh- mer aus Uneinsichtigkeit oder kal- tem Desinteresse für das Schicksal der Menschen so wenig neue A r - beitsplätze schaffen. Schließlich be- deuten die aus Massenarbeitslosig- keit geborenen sozialen Spannungen auch eine Schwächung des Unter- nehmensstandorts Deutschland.

Und das kann nicht im Interesse deutscher Firmenchefs liegen.

Mehr Aufmerksamkeit als die letztlich hilflosen Appelle Jagodas oder gar das wohlfeile Gezeter Bon- ner Politgrößen verdient daher die neueste Studie der Hamburger Han- delskammer. Dort sind gut 100 000 Unternehmen mit rund 680 000 A r - beitsplätzen vertreten. Die Kammer legt gleich ein ganzes Bündel an Maßnahmen vor, wie der Massenar- beitslosigkeit zu Leibe gerückt wer- den könnte. Auch wird aus der Stu- die leicht ersichtlich, warum Forde- rungen wie die von der Bundes-

D I E S E W O C H E E U - H a u s h a l t

„Nach Strich und Faden geplündert' G e d a n k e n z u r Z e i t Die dritte Vertreibung der Vertriebenen I r a k s Ö l r e s e r v e n Die Golfkrise und ihre Hintergründe

W i s s e n s c h a f t l i c h e U n t e r s u c h u n g Die Schriften J. G. Hamanns

finden großes Interesse 7 G e l i e b t e s b l e i b t u n s t e r b l i c h

Jahrestag der Deportation der Deutschen aus Nord-Ostpreußen 12 V e r b r e c h e n n i c h t v e r g e s s e n Entschließung des BdV-

Landesverbandes Thüringen 31 M i t t e l d e u t s c h l a n d

n a c h d e r W e n d e

„Molli", die „kleine Dott"

und der sanfte Tourismus 32 Beilagenhinweis: Dieser Ausgabe ist ein Abo-Bestellschein für Das Ostpreußenblatt beigefügt.

anstalt für Arbeit bis dato verhallt sind.

Es beginnt mit dem Arbeitsrecht:

Der immer noch sehr weitgehende Kündigungsschutz etwa läßt nach Angaben der Handelskammer viele Unternehmen vor Neueinstellungen zurückschrecken. Hinzu kommen ein starres Tarifrecht mit unflexiblen Löhnen und Arbeitszeiten und ein undurchdringlicher Wust an Regeln und Vorschriften, die Investitionen verteuern, verschleppen und kom-

E

lizieren. Auch verweisen die A r - eitgeber erneut auf die gewaltigen Lohnstückkosten, die vor allem aus den horrenden Steuern und Sozial- abgaben resultierten.

Indes bezweifelt die Handelskam- mer aber auch die Zuverlässigkeit der gängigen Arbeitslosenstatistik:

Nach ihrer Berechnung gliedern sich die 93 000 in Hamburg arbeitslos Gemeldeten zu je einem Drittel in

„Direkt Vermittelbare", „Nicht d i - rekt Vermittelbare" und solche, die gar keine Arbeit suchen und sich al- lein der Unterstützung wegen ar- beitslos gemeldet haben.

Dies sei, so die Kammer, nicht nur ein statistisches Problem. Damit dürfte sie recht haben, schließlich schleppen die Vermittler bei den Ar- beitsämtern so allein in Hamburg rund 30 000 Fälle vor sich her, die gar keine Arbeit wollen. Ergebnis: A r - beitgeber erleben immer wieder, d a ß ihnen völlig desinteressierte „Bewer- ber" vorbeigeschickt werden, wes- halb viele resigniert aufgeben, dem Amt überhaupt noch offene Stellen zu melden. Außerdem blähen diese

„Nicht Arbeitsuchenden" natürlich den Verwaltungsaufwand bei den Arbeitsämtern auf, zu Lasten derer, die wirklich eine Stelle wollen.

Warum viele gar keine Stellung mehr anstreben, kann die Handels- kammer leicht vorrechnen: So ver- diene ein Industriearbeiter (verhei- ratet, zwei Kinder) bei niedriger Qualifikation in Hamburg 3 102 Mark netto, an Sozialhilfe erhielte er 2 824 Mark. Die Differenz zwischen gearbeiteter und nicht gearbeiteter Stunde beträgt somit lächerliche 1,85 Mark. Mit Schwarzarbeit steht der Sozialhilfeempfänger sogar sehr viel besser da. Der Wiedereinstieg von der „Sozi" in reguläre Arbeit wird nach Ansicht der Hamburger aber auch noch dadurch erschwert, d a ß schon geringe Nebenverdienste gleich auf die Stütze angerechnet würden. Sie plädieren daher für ei- nen „Kombilohn", der geringe Z u - verdienste ohne Minderung der So- zialhilfe ermögliche, um so den Weg zurück zum Arbeitsmarkt zu ebnen.

Entschieden wehren sich die Han- delskammer-Experten gegen den Irrglauben, die Arbeit müsse nur

„gerechter verteilt" werden. Einen konstanten „Kuchen" an Arbeit gebe es nicht. Und lineare Arbeitszeitver- kürzung verteuere relativ die Inve- stitionskosten für den einzelnen Ar- beitsplatz. Überdies habe etwa die Vier-Tage-Woche bei V W zu einer Explosion der Schwarzarbeit i m Raum Wolfsburg geführt.

Die Botschaft aus Hamburg zielt auf die Politik. Viele der hier erbrach- ten Vorschläge wären schnell um- setzbar, wie betont wird. Warum dennoch nichts Durchgreifendes ge- schieht, verstehen im Lande immer weniger. Statt dessen legen sich Ko- alition, SPD und Grüne gegenseitig lahm und ergehen sich in endlosen, eitlen Taktierereien. Der Fisch stinkt vom Kopf her. Hans Heckel

Kurt Beck, S P D - M i n i s t e r p r ä s i d e n t von Rheinland-Pfalz, ist an den Bonner Blockadefronten gescheitert. Sowohl die Koalition als auch die eigene Partei verwarfen seinen Vorschlag, eine Herabsetzung der R e n t e n b e i t r ä g e durch eine drastische M e h r w e r t s t e u e r e r h ö h u n g auf 18 Prozent z u finanzieren. Foto dpa

S c h w a r z b u c h / v o n P e t e r F i s c h e r

Wi

ä h r e n d mit der wissen- schaftlich äußerst zwei- felhaft angelegten soge- nannten Wehrmachtsausstellung, die gegenwärtig mit weithin offizi- eller Billigung deutsche Städte durchläuft, das nationalpolitische Gewissen unseres Volkes noch weiter gedrosselt werden soll, öff- net sich i m benachbarten Frank- reich unter der zwingenden Logik historischer Erkenntnisse allmäh- lich die Schleuse der Wahrheit über das blutigste Kapitel unseres Jahr- hunderts: die Opfer kommunisti- scher Regime seit 1917.

Lenin, Trotzki, Stalin, Bierut, Gierek (das ist der, den der vorma- lige Kanzler Schmidt gerne i n sei-

Luxemburger Gipfel mit magerem Ergebnis

K o s t e n t r ä c h t i g e s t a a t l i c h e B e s c h ä r l t i g u n g s p r o g r a m m e k o n n t e n a b g e w e n d e t w e r d e n N u n sind sie alle wieder zufrieden

vom Luxemburger Beschäftigungs- gipfel heimgekehrt - die Staats- und Regierungschefs der fünfzehn Mit- gliedstaaten. Die Zufriedenen jubeln nicht allzu laut und die eigentlich Unzufriedenen tun so, als ob sie zu- frieden seien. Das Gesicht wahren und Harmonie demonstrieren, ist angesichts der bevorstehenden Ost- erweiterung und Euro-Entschei- dung selbstauferlegte Verhaltensre- gel der EU-Regierungen.

So wurde denn auch diesmal der Eindruck vermittelt, daß in Luxem- burg Großes beschlossen worden sei.

Glücklicherweise sieht die Wirklich- keit anders aus. Erinnern wir uns:

Frankreichs Premier Lionel Jospin versprach als Oppositionsführer, die Massenarbeitslosigkeit zu überwin- den. Nach seinem Wahlsieg öffnete er den ohnehin personell üDerquel- lenden Staatsapparat für 350.000 ar- beitslose Jugendliche. Ahnliche großangelegte Arbeitsbeschaffungs- maßnahmen nach den gescheiterten Rezepten verflossener Sozialistenre- gierungen sollten folgen.

Da jedoch Paris an leeren Kassen leidet, sollte die E U einspringen - mit einem ebenfalls großangelegten Pro- gramm zur europaweiten Bekämp- fung der Massenarbeitslosigkeit. Da- her denn auch Jospins Verlangen nach einem europäischen Beschäfti- gungsgipfel, auf dem solche Maß- nahmen zu Lasten der Gemeinschaft - ein Drittel zahlt Deutschland - be- schlossen werden sollten. Die Kriti- ker solcher Pläne dachten an das Harmoniegebot und machten gute Miene zum finanziell bösen Spiel nach dem Motto „Kommt Zeit, kommt Rat".

Der kam denn auch in Luxemburg.

Die erlauchte Versammlung verein- barte Leitlinien, die der offiziellen Zufriedenheit dienen sollen: Allen jugendlichen Arbeitslosen sei nach sechs Monaten ein Ausbildungs-, Umschulungs- oder Weiterbil- dungsplatz anzubieten. Dafür sollen in den nächsten fünf Jährend) Strate- gien entwickelt werden. Ähnliches

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ilt für Erwachsene, die ein Jahr ar- eitslos sind. Als Fördermaßnahme

soll die bereits seit langem - zumin- dest theoretisch - praktizierte Praxis der Arbeitsvermittlung unserer A r - beitsämter gelten. Und jedes Jahr sol- len - welch eine erschröckliche For- derung! - die Mitgliedsstaaten über den Erfolg ihrer Bemühungen be- richten. Sanktionen gegen jene Staa- ten, welche die Schlußlichtformation bilden, wurden nicht vereinbart.

Diese und weitere schönklingende Maßnahmen werden - dafür sorgten nicht zuletzt Deutschland und Groß- britannien - die Gemeinschaft nichts kosten. Die Bekämpfung der A r - beitslosigkeit bleibt Aufgabe der Ta- rifpartner und der nationalen Regie- rungen - auch wenn Jospin mit den platonischen Beschlüssen daheim glänzen kann. Also eine Mammut- konferenz ohne Ergebnis? Nein: Sie war ein Erfolg - jedenfalls für Deutschland, denn wenigstens un- sinnige sozialistische Arbeitsbe- schaffungsprojekte dürften nun auf mittlere Sicht unserem Geldbeutel erspart bleiben. Elimar Schubbe

nem Kabinett gesehen hätte), Gott- wald, Ulbricht und Honecker (das ist der, mit dem u m Haaresbreite die deutsche Teilung sanktioniert worden wäre), allesamt willige Vollstrecker des Kommunismus, deren beispielloses blutiges Wir- ken nunmehr der französische H i - storiker Stephane Courtois unter dem Titel „Le Ii vre noir du cummu- nisme" (Schwarzbuch des K o m - munismus") auf über 800 Seiten wissenschaftlich untersucht hat.

Vorläufig rund 100 Millionen Opfer lautet die Bilanz des Grau- ens. Ihre Blutspur reicht von Kron- stadt über den Weißmeerkanal bis Workuta, von Sachsenhausen über Bautzen bis Buchenwald, v o n Nemmersdorf über Königsberg bis Aussig; die Toten rein militärischer Auseinandersetzungen nicht ein- gerechnet.

Der Autor, ein Glücksfall, v o n weit links kommend, übrigens den Lesern des Ostpreußenblattes nicht unbekannt, weil er in einem Inter- view unter dem Titel „Stalin - der Schiedsrichter Europas" (OB 28/

96, S. 5) dem Moskauer Diktator eine entscheidende Rolle am Aus- bruch der deutsch-sowjetischen Krieges zuerkannte, durchbricht alle bisherigen Tabus. Für ihn ha- ben die „kommunistische Regime"

eindeutig „alle Arten von Verbre- chen begangen", sie entsprachen der „Logik des Völkermordes"

und galten Bevölkerungsgruppen, die verfolgt wurden für das, was sie sind, und nicht für das, was sie eventuell getan haben.

' ü r Kritiker kommunistischer Regime mögen die Einsichten Courtois bereits seit Solsche- nizyn nicht sonderlich neu sein.

Doch was für manche G e m ü t e r verwunderlich blieb, d a ß der pro- pagandistische Druck gegen die Mitte Europas mit dem zeitlichen Abstand von 1945 eher z u als ab- nahm, wird i m Gefolge jenes Dis- puts nunmehr auch diskutiert wer-

Fi

(2)

Politik Das ßffpicujcnblatl

29. N o v e m b e r 1997 - Folge 48 - Seite 2

den m ü s s e n : Jene scheinbar para- doxe V e r b ü n d e l u n g v o n Sowiet- r u ß l a n d mit jenen raumfremden u n d insbesondere auf ö k o n o m i - schen Vorteile bedachten M ä c h t e , die fünf gerade sein ließen u n d i n geradezu v e r s c h w ö r e r i s c h e s Still- schweigen verfielen, w e n n es u m die Verbrechen M o s k a u s ging.

Schon i n N ü r n b e r g (Katyn!) fiel es schwer, als moralische Ü b e r m a c h t aufzutreten, u n d zugleich i m G e - p ä c k nicht nur die Last der geschei- terten „ N e w deal-Politik" (und etwa die v o n Dresden) z u schlep- pen, sondern mit einem K o m p l i z e n i m Bunde z u sein, der bereits seit 1917 knietief i m Blut stak.

S

tephan Courtois führt auch kommunistische Sympathi- santen an, die den M u t z u m E i n g e s t ä n d n i s ihres Irrtums bis- lang nicht fanden u n d er schlußfol- gert: „ D e r K o m m u n i s m u s ist für eine fundamentale T r a g ö d i e des 20. Jahrhunderts verantwortlich."

Z u d e m bringt er die Diskussion auf den unausgefochten gebliebe- nen deutschen „ H i s t o r i k e r s t r e i t "

u m Ernst Nolte neuerlich z u r ü c k ( „ N o l t e wirft legitime Fragen auf"), w e n n er i n einem „Zeit"-In- terview auf die Frage „ S e h e n Sie i n den russischen Lagern das M o d e l l für A u s c h w i t z ? " antwortet: „ D i e Faktenlage ist eindeutig. L e n i n hat 1917 die M a c h t ergriffen, H i t l e r 1933. Es ist heute einwandfrei do- kumentiert, d a ß L e n i n u n d T r o t z k i das System der Konzentrationsla- ger erfunden haben. A b 1920/21 w u r d e n politische Gegner i n diese Lager geschickt mit d e m Z i e l , sie dort d u r c h Zwangsarbeit z u ver- nichten."

In a l l unserer S c h w ä c h e haben w i r einen unschlagbaren V e r b ü n - deten: die Wissenschaft, die aus- schließlich der Wahrheit verpflich- tet bleibt. M a n darf hoffen, d a ß das Buch, das i m Piper-Verlag erschei- nen w i r d , auch i n unseren S c h u l b ü - chern B e r ü c k s i c h t i g u n g findet.

Beispielloser V ö l k e r m o r d , L a n d - raub u n d Vertreibung d ü r f e n nicht d e m Vergessen anheim fallen.

E U - H a u s h a l t :

E U - K o m m i s s i o n :

Nach Strich und Faden geplündert

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eiche Antwort des Präsidenten

2 1 , 7 M i l l i a r d e n M a r k n i c h t o r d n u n g s g e m ä ß a u s g e g e b e n

£ a s a r i p r c u t c n b l a i i ^ UNABHÄNGIGE W O C H E N - ZEITUNG FÜR D E U T S C H L A N D Chefredakteur: E l i m a r S c h u b b e

(Verantwortlich f. d. redaktionellen Teil) Politik, Zeitgeschehen, Feuilleton, Le- serbriefe: Peter Fischer, Hans Heckel (Freier Mitarbeiter); Kultur, Unterhal- tung, Frauenseite: Silke Osman; Ge- schichte, Landeskunde, Ostpreußen heute, Wissenschaft: Dr. Jan Heitmann;

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Ruth Geede.

Ständige Mitarbeiter: Alfred v. Ameth (Wien/Bozen), Wilfried Böhm (Melsun- gen), Pierre Campguilhem (Paris), Hel- mut Kamphausen (Gartow), Eleonore Kutschke (Allenstein/Stettin), Jürgen Ma- thus (Bonn), Dr. Paul Polak (Prag), Willy Fehling (Berlin).

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D u r c h M i ß w i r t s c h a f t , Betrug u n d Schlendrian sind der E u r o p ä i - schen K o m m i s s i o n i m Jahre 1996 r u n d acht M i l l i a r d e n M a r k verlo- rengegangen. Dies ermittelte der EU-Rechnungshof i n L u x e m b u r g . Tatsächlich d ü r f t e n etliche M i l l i a r - den mehr verschwunden, versik- kert oder i n die falschen K a n ä l e ge- flossen sein. Europa-Experten ver- muten seit langem, d a ß jede siebte M a r k aus Brüsseler Kassen nicht bei den vorgesehenen E m p f ä n g e r n ankommt oder nicht für den ge- dachten Z w e c k verwendet w i r d . Das w ä r e n bei einem E U - H a u s - haltsvolumen v o n 1522 M i l l i a r d e n M a r k insgesamt 21,7 nicht o r d - n u n g s g e m ä ß ausgegebene M i l l i a r - den.

Der P r ä s i d e n t des Rechnungsho- fes, der ehemalige C D U - B u n d e s - tagsabgeordnete Bernhard Fried- mann, sagte vor d e m E u r o p ä i s c h e n Parlament, der g r ö ß t e Teil der nicht korrekt abgerechneten Gelder sei i n die Landwirtschaft geflossen.

A l l e i n die Getreideausgleichszah- lungen für die e u r o p ä i s c h e n L a n d - wirte seien u m 5,7 M i l l i a r d e n M a r k z u hoch gewesen. E i n besonderer Schwerpunkt b e t r ü g e r i s c h e r A k t i - v i t ä t e n liegt i m Zollbereich. D i e E U habe hohe E i n n a h m e n verloren, w e i l Importeure ihre W a r e n falsch deklarierten, u m i n den G e n u ß g ü n s t i g e r e r Zolltarife z u k o m m e n . A u c h w e r d e n die Herkunftsnach- weise gefälscht, w e i l W a r e n aus bestimmten Staaten ( P r ä f e r e n z g e - biet) g ü n s t i g e r e i n g e f ü h r t w e r d e n d ü r f e n . Friedmann: „Es v e r w u n - dert daher nicht, d a ß mehr als die Hälfte der Betrugsfälle u n d U n r e - g e l m ä ß i g k e i t e n bei Z ö l l e n u n d A b - s c h ö p f u n g e n auftritt."

Der B u n d der S e l b s t ä n d i g e n (BDS) hatte bereits i m Jahre 1994 die H ö h e e u r o p ä i s c h e r F ö r d e r m i t - tel, die entweder gar nicht oder bei den falschen E m p f ä n g e r n anka- men, auf 20 M i l l i a r d e n M a r k bezif- fert. „In einigen Staaten sind Betrü- gereien z u Lasten der E u r o p ä i - schen U n i o n straffrei", klagte B D S - P r ä s i d e n t Rolf K u r z . A u c h nach Ansicht des Bundes der Steuerzah- ler w e r d e n die E U - K a s s e n v o n Sub- v e n t i o n s b e t r ü g e r n „ n a c h Strich u n d Faden g e p l ü n d e r t " . Der Erfin- dungsreichtum der B e t r ü g e r ist grenzenlos: M a l w u r d e n Beschei- nigungen z u r ü c k d a t i e r t , m a l w u r - de ein Kostenvoranschlag als Rech-

n u n g verbucht. Bei einem Projekt i n Griechenland ließen sich für 3,66 M i o . D M keine Rechnungen fin- den.

Besonders s c h ö n für viele b e i m M o g e l n ertappte E m p f ä n g e r : D i e eine A b t e i l u n g i n Brüssel stoppte weitere Z a h l u n g e n , informiert aber die Zahlstelle nicht d a v o n . Folge: M i l l i o n e n b e t r ä g e flössen ungehindert weiter. In Spanien för- derte die E U sogar einen privaten Z o o . In der A b r e c h n u n g für Brüssel standen auch die G e n ä l t e r aller spanischen Beamten, die mit d e m Projekt beschäftigt w a r e n (zehn M i l l i o n e n D M ) .

M a n c h e Projekte der E U fallen nicht unter die Rubrik Betrug oder Schlendrian, sind aber sinn- u n d nutzlos u n d kosten nur G e l d , ins- besondere G e l d der deutschen Steuerzahler, die v o n jeder i n B r ü s - sel ausgegebenen M a r k 30 Pfennig z u finanzieren haben. Das s u m - mierte den Bonner Netto-Beitrag i m vergangenen Jahr auf 27,5 M i l l i - arden M a r k . „ P h i l o x e n i a " soll ein solches EU-Projekt h e i ß e n . M i t 50 M i l l i o n e n M a r k w i l l die E U - K o m - mission den e u r o p ä i s c h e n Touris- mus f ö r d e r n . Der B u n d der Steuer- zahler h ä l t dagegen: „ D a soll eine neue B ü r o k r a t i e geschaffen wer- den, die d e m T o u r i s m u s vor Ort mit einem W u s t v o n Vorschriften das Leben schwerer m a c h t / '

E i n e n besonderen drastischen F a l l k o s t e n t r ä c h t i g e r Brüsseler Re- gelungs- u n d B ü r o k r a t i e w u t deck- te der Bundesrat bei der geplanten E U - A g e n t u r für „ t i e r ä r z ü i c n e u n d pflanzengesundheitliche Ü b e r w a - c h u n g " auf. W a r e n für die L ä n d e r schon „ z w i n g e n d e G r ü n d e für die Errichtung einer e i g e n s t ä n d i g e n A g e n t u r nicht erkennbar", so stel- len sie z u s ä t z l i c h auch fest: „ D e r Bundesrat h ä l t es nicht für ange- messen, w e n n der Leiter einer E G - A g e n t u r mit 40 Beschäftigten mehr verdient als der deutsche Bundes- kanzler." H e l m u t K o h l e r h ä l t 26.468 M a r k (plus 5650 M a r k D i ä - ten).

D i e „ R e v i t a l i s i e r u n g (Wiederbe- lebung) der Eisenbahn" i n der E U treibt makabre Blüten: W ä h r e n d i m Ruhrgebiet ein Kohlenberg- w e r k nach d e m anderen stillgelegt w i r d , finanziert die E U den Erhalt

der Zechenbahnen. H L

Im Zusammenhang mit der E i n l a d u n g der Nato an die T s c ^ ^ ^ R e p u b l i k , dem B ü n d n i s beizutreten, wandte sich der C D U - B u n d e s - tagsabgeordnete Prof. D r . Egon J ü t t n e r an den EU-Prasidenten Jac- ques Sanier mit der M a h n u n g , bei der H e r a n f ü h r u n g Prags an die westlichen Gemeinschaften auf die Menschenrechtssituation z u achten. Das Ostpreußenblatt dokumentiert (unwesentlich g e k ü r z t ) den Brief J ü t t n e r s v o m 10. September u n d die i n z w i s c h e n eingetrof- fene A n t w o r t aus B r ü s s e l :

„Mehrfach habe ich in den vergan- genen Janren die Tschechisclie Repu- blikbesucht. Dabeihaben mich immer wieder die Gespräche mit Deutschen beeindruckt, die ich auf eigene Faust in Dörfern Sudetenschlesiens und Nordmährens aufgesucht und nach ihrem Schicksal befragt habe. Er- schütternde Berichte mußte ich von Menschen anhören, die vis zu zehn Jahre interniert waren, ihre deutsche Sprache unter Strafandrohung nicht sprechen durften, später beim Kirch- gang als Faschisten'beschimpft wur- den, die keine höheren Schulen besu- chen und nicht studieren durften, die ihre Heimatorte verlassen mußten und später bewußt in anderen Orten verstreut angesiedelt wurden, um sie zu entwurzeln, nur weil sie Deutsche waren.

Diese Menschen wurden entschä- digungslos enteignet und müssen heute - obwohl sie seit ca. 40 Jahren wieder tschechoslowakische bzw.

tschechische Staatsbürger sind - er- dulden, daß ihnen unter Hinweis auf die BenesrDekrete ihr Eigentum nicht zurückgegeben wird - nur weil sie deutscher Nationalität sind...

Wie kann es unter diesen Umstän- den beßrwortet werden, die Tsche- chische Republik in die Nato aufzu- nehmen, solange dort Staatsbürger deutscher Nationalität wie Bürger zweiter Klasse behandelt und die Menschenrechte mit Füßen getreten werden? Dies läßt sich nicht mit dem Anspruch der Tschechischen Repu- blik vereinen, ein demokratischer Staat zu sein. Leider war in den inter- nationalen Gesprächen nie ein kriti- sches Wort über das Problem der als Bürger zweiter Klasse diskriminier- ten Deutschen in der Tschechischen Republik zu hören.

Ich bitte Sie deshalb, in zukünftigen Verhandlungen dieses Thema anzu- schneiden und darauf hinzuwirken, daß der Tschechischen Republik eine demokratische Handlungsweise ge- genüber ihren eigenen Bürgern deut- scher Nationalität abverlangt wird.

Überall klagen gerade die USA - mit Recht - die Einhaltung der Men- schenrechte ein, so daß gerade von ei- nem Staat, der Mitglied der westli-

chen Wertegemeinschaft werden will, verlangt werden kann, ein offensicht- lich menschenrechtswidriges Han- deln einzustellen."

A n t w o r t v o n Santers Generaldi- rektor D r . G . Burghardt:

„Die Kommission ist sich des ge- schichtlichen Zusammenhanges, der politischen Tragweite und der menschlichen Dimension der von Ih- nen angesprochenen Problematik be- wußt. Sie hat desMb die .Deutsch- Tschechische Erklärung über die ge- genseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung vom 21. Janu- ar 1997, vor allem deren Ausrichtung und Einbindung in eine gesamteuro- päische Integration, begrüßt. Sowohl die Erklärungais auch die Integration der Tschechischen Republik in die Strukturen und die Rechtsordnung der Europäischen Union hält die Kommission für die bestmöglichen Ausgangspunkte für eine Lösung der angesprochenen Problematik. In die- sem Zusammenhang kann ich Ihnen versichern, daß die Kommission die Frage der Einhaltung der Menschen- rechte in allen assoziierten mitteleu- ropäischen Ländern in den entschei- denden Jahren der Heranführphase sehr aufmerksam weiterverfolgen wird."

Stellungnahme J ü t t n e r s :

„Ich b i n e n t t ä u s c h t ü b e r die we- nig a u s s a g e k r ä f t i g e Stellungnah- me ... Offensichtlich ist die K o m - mission nicht i n der Lage oder nicht w ü l e n s , die Aufnahme Tschechiens i n die E U mit der klaren Auflage z u verbinden, die Menschenrechte uneinge- s c h r ä n k t einzuhalten. Dies ist ge- nauso bedauerlich wie die H ä l - tung der Bundesregierung, die ungerechte u n d undemokratische Behandlung der zwangsweise in der Tschechei verbliebenen Deut- schen d u r c h die Tschechische Re- publik sei „ e i n e innere Angele- genheit" des Landes. A m Beispiel der fortdauernden Diskriminie- r u n g der Deutschen i n Tschechien zeigt sich eindeutig, w i e weit ent- fernt dieser Staat v o n demokrati- schen V e r h ä l t n i s s e n ist."

Auch der Schriftsteller Max Frisch war dabei...

S c h w e i z e r A u t o r e n u n t e r s c h i e d e n s i c h s e i n e r z e i t n i c h t v o n d e u t s c h e n K o l l e g e n A l s G ü n t e r Grass seine Rede bei

der V e r l e i h u n g des Friedensprei- ses des deutschen Buchhandels mit w i l d e n Angriffen gegen die deut- sche A s y l p o l i t i k w ü r z t e u n d ein paar Andersdenkende K r i t i k dar- an ü b t e n , protestierte die „political correetness" i m L a n d e m ä c h t i g . A u t o r e n , die sich selbst hochange- sehen w ä h n t e n , sehen es als U n v e r - frorenheit an, d a ß m a n einem Intel- lektuellen nicht allein harte K r i t i k erlaubt, sondern ebenso kritisch antwortete.

Schriftsteller, so versicherten l i - terarisch ambitionierte Blätter, sei- en einfach angesehener einzu- s c h ä t z e n als normale Teilnehmer a m öffentlichen Diskurs. U n d V e r - b ä n d e v o n Schriftstellern erst recht. D i e schreibende Zunft lag angeblich i m m e r auf der richtigen Schiene. N u r i n Deutschland nat w ä h r e n d der braunen Jahre dieser Mechanismus nicht funktioniert.

A u s der i n die weltweite K r i t i k geratenen Schweiz k o m m t n u n die Nachricht, d a ß es nicht nur i n Deutschland Schriftsteller gab, die aus der vielbeschworenen „Ein-

heitsfront der Intellektuellen" aus- brechen u n d sich obendrein ohne N o t als Denunzianten b e t ä t i g e n .

In unserem N a c h b a r l a n d exi- stiert ein „ S c h w e i z e r i s c h e r Schrift- steller-Verband" (SSV), z u dessen 600 M i t g l i e d e r n w ä h r e n d des Z w e i t e n Weltkrieges so z i e m l i c h alles g e h ö r t e , was seinen N a m e n i n B ü c h e r n oder Zeitschriften ge- druckt sehen konnte. A l s 1933 die Verfolgung deutscher A u t o r e n d u r c h die N S D A P begann, gab ein anscheinend weiser Bundesrat d e m V e r b a n d s p r ä s i d i u m den A u f - trag, die Deutschen, die bei N a c h t u n d N e b e l ü b e r die G r e n z e n k a - men, z u begutachten.

Der Literatur-Wissenschaftler Charles Linsmayer, heute Redak- teur bei der Z e i t u n g „ D e r B u n d " , hat sich i n den A r c h i v e n sachkun- d i g gemacht u n d ein Buch ü b e r die Intellektuellen verfaßt, die sich mit Unterschrift ü b e r die verfolgten Kollegen ä u ß e r t e n , w o h l wissend, d a ß ihre z u Papier gebrachten M e i - nungen z u r A u s w e i s u n g i n das N S - R e i c h " f ü h r e n oder z u m i n - dest z u r V e r w e i g e r u n g einer

A r b e i t s g e n e h m i g u n g b e i t r a g e n konnten.

W a s Linsmayer entdeckte, läßt gruseln. D i e gutachtenden Intel- lektuellen p l ä d i e r t e n a u s s c h l i e ß - lich für solche Kollegen, die be- r ü h m t genug waren, v o n ihren H o n o r a r e n a u ß e r h a l b der Schweiz leben z u k ö n n e n u n d keine sozia- len Einrichtungen i n A n s p r u c h nehmen z u m ü s s e n . W e r als K o n - kurrenz angesehen w u r d e , sah sich als „ j ü d i s c h e r Vielschreiber" de- nunziert, als „ d r i t t r a n g i g e r Schrei- ber" oder als Menschen charakteri- siert, der v o n seinem Aufenthalt i n der Schweiz profitiert, u m „ d e n einheimischen A u t o r e n ernsthaft K o n k u r r e n z z u machen".

Ü b e r G o l o M a n n liegt noch ein Gutachten v o m 24. A u g u s t 1938 vor, i n d e m es als „ s e h r s c h ä d l i c h "

bezeichnet w u r d e , w e n n ehemali- ge deutsche S t a a t s b ü r g e r ihren K a m p f gegen die N S D A P v o n schweizerischem Boden aus führ- ten. Seinen Kollegen verdankt w o h l auch Robert M u s i l , d a ß er z w a r i n die Schweiz einreisen durf- te, aber sein A s y l nur unter den

B e d i n g u n g e n b e k a m , nicht für Zei- tungen z u schreiben, keine Vorträ- ge z u halten, w e d e r als Redakteur noch Lektor z u arbeiten.

D i e N a m e n der Denunzianten u n d der „ E r f o l g " ihrer Taten sagen heute k a u m n o c h etwas. Sachken- ner J ü r g A l t w e g g glaubt sogar, es seien n u r zweit- o d e r drittklassige A u t o r e n gewesen, die ihre schlech- te Rolle gespielt haben. D o c h das stimmt so nicht. Selbst ein heute unter Intellektuellen hochgeachte- ter M a n n , w i e M a x Frisch, machte bei d e m b ö s e n S p i e l mit.

Der S S V hat nie versucht, den d u n k l e n Fleck v o n seiner w e i ß e n Weste z u tilgen. Bei einer gemein- samen V e r a n s t a l t u n g des Verban- des z u r K l ä r u n g erschienen ganze 40 der 600 M i t g l i e d e r . D i e Ent- schlossenheit deutscher Schrift- s t e l l e r - V e r b ä n d e , die Jahre des Dritten Reiches i n den Mittelpunkt der A r b e i t z u stellen, findet unter den betroffenen S c h w e i z e r n keine N a c h a h m u n g . U n d nicht nur dort nicht. G e r h a r d R e d d e m a n n

(3)

29. November 1997 - Folge 48 - Seite 3

£>a$ £>ffprtu0tnb!afi Hintergrund

Washington:

D i e S c h l a c h t h a t b e g o n n e n

Aus „Partnern" werden Konkurrenten: Die künftige US-Weltpolitik nimmt Gestalt an

V o n S T E F A N G E L L N E R

„Wir sind erfreut, d a ß Sie hier sind": Chinas Staatschef Zemin feiert mit Bill Clinton die neue Zusammenarbeit Foto dpa

U

S-Geschäftswelt ließ C h i - nas F ü h r e r hochleben", so die euphorische Über- schrift, mit der Jim Drinkard von der Nachrichtenagentur Associa- ted Press den Empfang für Jiang Z e m i n i n den U S A illustrierte.US- Präsident Bill Clinton stellte Z e m i n anläßlich des g r o ß e n Banketts z u Ehren des Pekinger Gastes jeden einzelnen Geschäftsführer der i n China engagierten amerikanischen Unternehmen unter ausdrückli- cher E r w ä h n u n g des Konzernna- mens vor. Aufschlußreich ist, wie herzlich u n d vertraut die US-Ge- schäftsleute laut Drinkard auf Ze- m i n zugingen. Dafür nur ein Bei- spiel: Der Vorstandsvorsitzende von I B M , Louis Gerstner, b e g r ü ß t e den chinesischen Staatspräsiden- ten wie einen alten Freuna, d r ü c k t e seine H a n d u n d sagte: „Wir sind erfreut, d a ß Sie hier sind."

Dieser Vorgang zeigt eines ganz deutlich: das ü b e r r a g e n d e Interes- se der U S A an wirtschaftlichen Vorteilen p r ä g t seit dem Ende des Kalten Krieges die US-Sicherheits- u n d Außenpolitik in einem Maße, wie es die „öffentliche M e i n u n g " i n Deutschland kaum wahrnehmen w i l l . So w i r d z. B. i n der v o m Natio- nalen Sicherheitsrat verantworte- ten „National Security Strategy for a N e w Century" (NSS) klar und deutlich herausgestellt, d a ß nun- mehr die Stärkung der amerikani- schen Wirtschaft das alles andere ü b e r s c h a t t e n d e Ziel der U S A sei.

Der Wohlstand Amerikas, w i r d dort festgestellt, h ä n g e auch von der Fähigkeit der U S A ab, auf den internationalen M ä r k t e n wettbe- werbsfähig z u sein u n d sich durch- zusetzen. Präsident Clinton selber erklärte die Sicherung des ameri- kanischen „ w a y of life" neben der Sicherung v o n Mensch u n d Terri- torium z u m bestimmenden Faktor der US-Sicherheitspolitik. Clinton erklärte i n der N S a weiter, d a ß es die U S A z u ihrer „Mission" ge- macht hätten, die Handelsbarrie- ren i n aller Welt z u dem Zweck nie- d e r z u r e i ß e n , u m z u Hause „Jobs"

z u schaffen. Die oft pathetisch vor- getragenen Forderungen nach der

„Freiheit" des Welthandels dienen also kaum einem hehren Mensch- heitsziel, sondern dem eigenen Geldbeutel. Z u r besseren Durch- setzung dieses Vorhabens schufen die U S A erstmals i n ihrer Geschich- te eine nationale Exportstrategie,

Wachstumsraten u n d verspreche, eine herausragende wirtschaftli- che Macht i m kommenden Jahr- hundert z u werden. Aufgrund sei- ner schnellen ökonomischen Ex- pansion gewinne der chinesische Markt i m e r h ö h t e n M a ß e für die US-Wirtschaftsinteressen an Be- deutung. Dementsprechend schla- gen die amerikanischen Strategen vor, China i n das globale Handels- systems einzubinden. Die U S A sollten darauf hinwirken, den A n - teil der US-Exporteure und Inve- storen i n China (auf Kosten ande- rer, versteht sich) auszudehnen.

Diese Vorgaben bestimmten denn auch die Gespräche zwischen Clinton und Jiang Zemin. U n d au- genscheinlich ist es den U S A auch gelungen, den A n s p r ü c h e n ihrer Sicherheitspolitik gerecht z u wer- den. Unterzeichneten doch beide Seiten ein nukleares Kooperations- abkommen, das amerikanischen Reaktorunternehmen den Zugang auf den chinesischen Atomener-

rekt die Interessen Amerikas, stellt doch die NSS fest, d a ß die U S A eine Welt anstrebten, i n der es keine Region mehr gebe, die von einer Macht dominiert werde, die den U S A feindlich gegenüberstehe.

Hier liegt denn auch einer der G r ü n d e für das obige Kooperati- onsabkommen, für das ein zwölf- jähriger Exportstop für Atomtech- nologie aufgehoben wurde. China verpflichtete sich i m Gegenzug,

„Scnurkenstaaten" wie dem Iran keine Atomwaffen mehr z u liefern.

Damit ist jedoch nur ein Aspekt dieses Kooperationsabkommens beleuchtet. U m die ganze Dimen- sionen des Jiang-Zemin-Besuchs i n den U S A und dessen geostrategi- sche Bedeutung ausleuchten z u können, bedarf es eines schärferen Blickes.

Nicht z u übersehen war i m Vor- feld der Reise, d a ß sich das Verhält- nis zwischen den U S A und China zunehmend entfremdet hatte. Die Spannungen im Handel (und in der Taiwanfrage, die hier einmal aus- geklammert werden soll) hatten weiterreichende Folgen, als die Regierung Clinton erwartete. Zäh- neknirschend nimmt man in den U S A das ständig wachsende Han- delsbilanzdefizit gegenüber China zur Kenntnis, das auch in diesem Jahr bei rund 75 Milliarden Mark liegen dürfte. Noch mehr erbittert es allerdings die Amerikaner, d a ß die Chinesen ihre Gewinne z u Waf- fenkäufen nutzen - und das auch noch bevorzugt bei der russischen Konkurrenz. China baue nicht nur ständig seine militärische Macht weiter aus, stellte etwa Nicholas D . Kristof schon in der „ N e w York Times" vom 21. A p r i l 1992 fest, son- dern versuche d a r ü b e r hinaus, sei- ne Macht über seine Grenzen hin- aus auszudehnen.

Den Amerikanern ist die Annä- herung zwischen Moskau und Pe- king in den letzten Monaten natür- lich nicht entgangen. Hier und da wurde i n den U S A bereits eine

„Achse" Moskau - Peking progno-

stiziert, die gegen die Weltmacht- A n s p r ü c h e der U S A gerichtet sei.

Die Mißtöne i m Verhältnis z u Pe- king waren i n allererster Linie i n der Weigerung der U S A z u suchen, China Waffen z u verkaufen. So weigerte sich z. B US-Verteidi- gungsminister Fred Pery auf seiner China-Reise i m Jahre 1994, die Fra- ge von Waffengeschäften auch nur theoretisch anzuschneiden. Die

ser stellte weiter in Aussicht, d a ß die Beziehungen Chinas z u Mos- kau noch enger werden könnten.

A u f diese Weise wurde auch Ruß- land gegenüber dem Ausland er- heblich aufgewertet, denn mit C h i - na als möglichen Partner i m Rük- ken konnte mit den U S A oder euro- päischen Mächten erheblich leich- ter verhandelt werden.

Für Boris Jelzin ist die „strategi- sche Partnerschaft für das 21. Jahr- hundert" zwischen China und Rußland natürlich auch eine Ant- wort auf die Nato-Osterweiterung.

Rußland m u ß geradezu zwangs- läufig nach neuen Allianzen i n Asien suchen, wenn es sich nicht selbst isolieren w i l l . So bezeichnete Rußlands Außenminister Prima- k o w die strategischen Beziehun- gen z u China als höchst wichtig.

U n d Jelzin wies darauf hin, zitiert nach einem Artikel von Stephan Petrow i n der „Moscow N e w s "

vom 2. M a i 1996, d a ß China Ruß- land voll und ganz unterstütze, weil es die Osterweiterung der Nato an die Grenzen Rußlands für inakzeptabel halte. Die Triebfeder sowohl für China als auch für Ruß- land ist also die gemeinsame Ver- stimmung über die Politik der U S A , die in ihren Augen auf das Ziel alleiniger Vorherrschaft auf der ganzen Welt zuzulaufen droht.

Natürlich widerstrebt eine derar- tige Entwicklung den strategi- schen Prinzipien der U S A , die der NSS zugrunde liegen. Dies ist der eigentliche Hintergrund für die amerikanische Haltung beim Staatsbesuch Jiang Zemins. Wie schrieb doch Michael Kramer i m

„Time"-Magazin v o m 29. Novem- ber 1993: „China ist diejenige Wirt- schaft in der Welt, die am schnell- sten wächst. W i r wollen ein Stück

Menschenrechte? Es geht um Jobs!

die das ausdrückliche Z i e l verfolgt, US-Ausfuhren i n gemeinschaftli- cher Kraftanstrengung auszuwei- ten. Z u r Koordinierung dieser amerikanischen Export-Offensive schuf Washington eigens das „Tra- de Promotion Coordination C o m - mittee" (TPCC).

V o r diesem Hintergrund ist auch der Staatsbesuch des chinesischen Staatspräsidenten Jiang Z e m i n z u sehen, w i r d doch i n der NSS fest- gestellt, d a ß der asiatisch-pazifi- sche R a u m der Schlüssel für die ö k o n o m i s c h e Stabilität der U S A sei. Die Erwartungen, die die U S A hinsichtlich Chinas hegen, kom- men deutlich i n einem von ameri- kanischen Botschaftsangehörigen in China abgefaßten Papier z u m Ausdruck. Das „Bureau of East Asians and Pacific Affairs" veröf- fentlichte dessen Inhalt: China ver- zeichne derzeit außergewöhnliche

giemarkt ermöglicht. Das Auf- tragsvolumen liegt bei der gewalti- gen Summe von wahrscheinlich ü b e r 100 Milliarden Mark und er- streckt sich über zwanzig Jahre.

Weiter w i r d durch diesen Auftrag das Defizit der U S A i m beiderseiti- gen Handel s p ü r b a r sinken.

Hinter dem „ d e a l " stehen aller- dings nicht nur wirtschaftliche In- teressen. So zitierten die Autoren Markey, Gilman u n d Cox in der

„Washington Post" v o m 29. Okto- ber einen Bericht des C I A , in dem China als der wichtigste Lieferant von Massenvernichtungswaffen und -technologie bezeichnet w i r d . Weiter w i r d der israelische Ge- heimdienst Mossad angeführt, der behauptet, Peking liefere Lang- streckenraketen mit nuklearen Sprengköpfen an den Iran.

A u s Sicht der U S A bedroht C h i - na mit diesem Waffenhandel d i -

Umdenken in Bonn ist überfällig

Chinesen gaben deshalb die Hoff- nung auf, die U S A als Waffenliefe- rant anstelle Rußlands gewinnen z u können.

A u f Perrys Besuch folgte denn auch prompt der Oberbefehlshaber der russischen Marinestreitkräfte, A d m i r a l Felix Gromow, mit dem die Chinesen sofort handelseinig wurden, wie die „Moscow News am 25. November 1994 berichtete.

Dieses Geschäft war überdies nur der Auftakt z u einer immer enge- ren Beziehung zwischen China und Rußland, die Washington zuneh- mend argwöhnisch beobachtete.

A m auffälligsten war die Unter- s t ü t z u n g Chinas durch Rußland i n der Taiwan-Krise vor etwa andert- halb Jahren. Unisono verdammten Jelzin und Jiang Zemin die Unter- s t ü t z u n g Taiwans durch die U S A als „ H e g e m o n i s m u s " und prokla- mierten eine „strategische Partner- schaft für das 21. Jahrhundert". In den U S A wurden diese Signale sehr wohl verstanden. So kommen- tierte z. B. Joseph Kahn i m „Wall Street Journal" vom 26. A p r i l 1996:

„China und Rußland stellen ihre A n n ä h e r u n g zur Schau - eine of- fensichtliche Warnung an die U S A . " Z w e i Tage zuvor hatten Kahn und seine Kollegen Claudia Rosett ebenfalls i m einflußreichen

„Wall Street Journal" einen Ruß- landexperten der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaf- ten zitiert, der offen aussprach, d a ß China die U S A warnen wollte. Die-

des Kuchens, ein großes Stück, und w i r werden es beKommen."

Wie wenig Verständnis in Deutschland über diese Vorgänge z u finden ist, zeigte nicht nur das Herumreiten auf der Menschen- rechtsfrage, die beim Treffen z w i - schen Jelzin und Clinton noch nicht einmal die Rolle eines „Neben- kriegsschauplatzes" einnahm. Be- denklich ist, d a ß viele deutsche Po- litiker augenscheinlich nicht mehr die geistigen Fähigkeiten haben, derartige Vorgänge wie das Treffen der beiden mächtigsten Staatsmän- ner der Welt angemessen einzuord- nen. Ein Beispiel für die Bonner Ein- fältigkeit lieferte der „Außenpoliti- sche Sprecher" der SPD, Günter Verheugen, als er i m „Spiegel" (45/

97) erklärte, d a ß es „ n u n wirklich nicht die Aufgabe des deutschen Steuerzahlers sei, „durch Subven- tionen dafür z u sorgen, d a ß die deutsche Industrie i m nationalen Wettbewerb einen solchen Auftrag (gemeint ist der Bau einer U-Bahn in Shanghai) i n China" gewinne.

Sehr wohl aber scheint es die Auf- gabe des deutschen Steuerzahlers zu sein, die Bürokratenmetropole Brüssel mit immer neuen Milliar- den z u subventionieren, ohne d a ß für deutsche Firmen und mithin Arbeitnehmer ein wirtschaftlicher Nutzen erkennbar wird. Die Unfä- higkeit (und Unwilligkeit), natio- nale Interessen international z u verfolgen, schlägt so direkt auf den deutschen Arbeitsmarkt durch.

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Politik

£ ) d 5 s r i p r c u f u n b l a l l 29. N o v e m b e r 1997 - Folge 4 8 - S e i t e 4

C S U - P a r t e i t a g : D r e i e r t r e f f e n :

Edmund Stoiber Symbolisch kann abwarten an der Oder

K u r z v o r wichtigen W a h l e n ris- kiert nur eine Partei mit s e l b s t m ö r - derischen Absichten offenen Streit oder einen Putsch gegen ihren V o r - sitzenden. Dies vor A u g e n verord- nete sich die C S U auf ihrem Partei- tag i n M ü n c h e n Jubel auf Knopf- druck. Dennoch bekam Vorsitzen- der Waigel einen Schlag unter die G ü r t e l l i n i e , i n d e m i h n die Dele- gierten mit d e m schlechtesten E r - gebnis seit Beginn seiner Amtszeit i n die n ä c h s t e n z w e i Jahre schick- ten. W e n n Waigel, der l ä n g s t den Ruf eines stark v e r s e t z u n g s g e f ä h r - deten S c h ü l e r s genießt, nicht doch noch die Wende schafft, d ü r f t e sei- ne letzte A m t s z e i t gerade begon- nen haben. D o c h mitten i m Strom werden bekanntlich die Pferde nicht gewechselt. U n d nur deshalb hatte Waigels Erzrivale Stoiber be- reits i m F r ü h h e r b s t signalisiert, d a ß er nicht gegen den Parteivor- sitzenden antreten werde. Stoiber kann warten. E r w a r der eigentli- che Star des Parteitages u n d bleibt die Idolfigur der C S U . Waigel, den viele bereits als den Sekretär des Bundeskanzlers für C S U - A n g e l e - genheiten verspotten, v e r s p r ü h t keine F u n k e n mehr. Sein C h a r i s m a ist d e m Bangen v o r der n ä c h s t e n Finanzkrise gewichen. A l l e i n Stoiber hat es gewagt, die m i l d e H a l t u n g der Schwesterpartei C D U z u den Stabilitätskriterien der E u r o - W ä h r u n g massiv anzugrei- fen u n d den gemeinsamen Frakti- onsvorsitzenden S c h ä u b l e unter Dauerfeuer z u nehmen. D i e Beto- n u n g der bayerischen Sonderrolle steht ganz i n der Tradition eines Franz-Josef S t r a u ß . K o h l w e i ß das, k a n n sich aber der C S U sicher sein, solange deren Vorsitzender W a i g e l

heißt. H L

A l s symbolisch sollte es gelten, das Treffen der A u ß e n m i n i s t e r Frankreichs, Polens u n d der B u n - desrepublik Deutschland i n Frank- f u r t / O d e r . In der Sache selber hat- ten Bronislaw Geremek (Polen), Hubert V e d r i n e (Frankreich) u n d der deutsche A u ß e n m i n i s t e r K l a u s K i n k e l nichts z u verhandeln. A l s symbolisch mag aber gelten, w e l - che Bedeutung die drei Politiker d e m Treffen schenkten. So sprang der Franzose noch w ä h r e n d der Pressekonferenz auf u n d eilte z u den Beratungen i n Genf ü b e r die Irak-Krise. W e n i g s p ä t e r stand auch K i n k e l auf, denn der russische A u ß e n m i n i s t e r Jewgenij P r i m a - k o w wollte mit i h m telefonieren.

Thema hier: ebenfalls die Lage i n Nahost. So blieb Geremek alleine z u r ü c k .

W ä h r e n d der Konferenz hat K l a u s K i n k e l die Forderungen des Bundes der Vertriebenen - Recht auf die Heimat, Niederlassungs- recht, R ü c k g a b e des deutschen Eigentums oder E n t s c h ä d i g u n g , R ü c k g a b e der v o n Polen w i d e r - rechtlich z u r ü c k g e h a l t e n e n deut- schen K u l t u r g ü t e r - nicht ange- sprochen. Dies ist nicht nur für den B u n d der Vertriebenen e n t t ä u - schend.

D a trifft es sich gut, d a ß bereits a m 5. Dezember Bundeskanzler H e l m u t K o h l ebenfalls i n Frank- f u r t / O d e r einen g r u n d s ä t z l i c h e n Vortrag ü b e r das k ü n f t i g e p o l - nisch-deutsche V e r h ä l t n i s halten w i r d . D e n n d a n n hat der C D U - Vorsitzende die Gelegenheit, end- lich die W ü n s c h e der Vertriebenen g e g e n ü b e r seinen polnischen Part- nern anzusprechen. E r w ä r e gut be- raten, dies z u tun u n d die Vertrie- benen nicht erneut v o r den K o p f z u s t o ß e n . Schließlich ist n ä c h s t e s Jahr Bundestagswahl. H . N .

(Helmut Kamphausen) Das Ö l i m N a h e n Osten ist i m m e r eine Inter- v e n t i o n wert. Jedenfalls für die V e r e i n i g t e n Staaten v o n A m e r i k a . N a c h der Niederlage des Irak i m G o l f k r i e g 1990/91, an d e m sich die B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d auf Seiten der westlichen Wertege- meinschaft m i t einer B a r z a h l u n g i n H ö h e v o n 18 M i l l i a r d e n D M be- teiligte, w u r d e es i n den letzten W o c h en i n der R e g i o n u m Bagdad w i e d e r u n r u h i g . Es gab Schwierig- keiten z w i s c h e n . d e n Uno-Beauf- tragten für die Ü b e r p r ü f u n g der W a f f e n p r o d u k t i o n der Iraker u n d der Regierung i n Bagdad. A m e r i - kaner w u r d e n z u m Verlassen des Landes aufgefordert, die U n o - M i t - arbeiter v e r l i e ß e n das irakische

T e r r i t o r i u m , k a m e n s c h l i e ß l i c h w i e d e r u n d arbeiteten weiter.

A b e r i n jenen Tagen rechnete die Welt mit einer Intervention der V e r e i n i g t e n Staaten. D i e m i l i t ä r i - schen Kräfte waren i n der Golfre- g i o n bereits p r ä s e n t u n d w u r d e n noch d u r c h einen weiteren F l u g - z e u g t r ä g e r v e r s t ä r k t . A b e r es k a m nicht z u einem m i l i t ä r i s c h e n E i n - greifen der U S A i m N a m e n der V e r e i n t e n N a t i o n e n , w e i l R u ß - lands A u ß e n m i n i s t e r Jewgenij P r i m a k o w (Foto) den Irak z u m E i n l e n k e n bewegen konnte. M i t dieser erfolgreichen Vermitt- l u n g s a k t i o n hat sich M o s k a u i m N a h e n Osten nach einer Periode der P a s s i v i t ä t w i e d e r v e r n e h m l i c h z u r ü c k g e m e l d e t . Foto dpa

M i c h e l s S t a m m t i s c h

„Runenartige Zeichen" erschütterten das Postministerium und brachten den Stammtisch im Deutschen Haus zu Ge- lächter und Kopfschütteln in Richtung Bonn. Die zweitausend Jahre alten Ru- nen aus der ältesten Schrift germani- scher Völker waren als SymboleJfür An- fang und Ende des Lebens vom Offenba- cher Grafiker Lienenmeyer auf dem Bo- genrand der Briefmarken zum 200. Ge- burtstag des Dichters Heinrich Heine angebracht worden.

Die Hüter der politischen Korrektheit gerieten völlig aus dem Häuschen: Sol- che Runenzeichen benutzten in den zwei Jahrzehnten ihres unwürdigen Tuns auch die Nationalsozialisten, und - wie

„Die Welt" alarmierend mitteilte - „tü- melnde Kreise" tun es noch heute. Ein Glück nur, daß das Postministerium so- wieso in ein paar Wochen aufgelöst wird, sonst hätten die politisch Korrekten des- sen Auflösung wegen mangelhafter ideo- logischer Wachsamkeit verlangen müs- sen. So konnte sich die Post AG darauf beschränken, eilends alle Postfilialen an- zuweisen, die Heine-Marken nicht mehr auszugeben und neue „mit gändertem Umfassungsrand" anzukündigen. Der Stammtisch wartet nun neugierig auf den entrunifizierten Heine-Bogen und hofft inständig, daß bei ihm die lateini- sche Schrift vermieden wird, die im Jahre 1941 mitten in der NS-Zeit in Deutsch- land eingeführt wurde und - oh Schrek- ken - selbst in politisch korrekten Publi- kationen noch immer verwendet wird.

Mit Spannung wartet der Stamm- tisch, ob die Entrunifizierung nun auch die „Friedensbewegung" samt „Anti- Atomtod-Kämpfern" erfassen wird, die zur Tarnung eine leicht verfremdete To- desrune benutzen und sie neben Sprü- chen wie „Deutschland verrecke!" und

„Nie wieder Deutschland" an Mauer- wände sprühen. Auch sie sind nun end- lich als Rechtsextremisten entlarvt. Hei- ne aber wäre angesichts des absolutisti- schen Gehabes politischer Korrektheit in Deutschland endgültig „um den Schlaf gebracht".

G e d a n k e n z u r Z e i t : P a r t e i f i n a n z e n :

Nach der zweiten die dritte Vertreibung [Die SPD - reichste Partei

A u s m e r z u n g d e s g e s a m t d e u t s c h e n G e s c h i c h t s b e w u ß t s e i n s / V o n H e i n z R a d k e | C D U g u t b e i K a s s e / C S U u n d F D P i n G e l d n ö t e n

v ö l k e r r e c h t l i c h

D i e Heimatver- triebenen haben i m letzten Jahr- zehnt eine i n d i - rekte „ z w e i t e Vertreibung aus ihrer H e i m a t "

erleben m ü s s e n , Foto Fischer als infolge der

O s t v e r t r ä g e ihr u n d v o r allem staatsrechtlich verbrieftes Heimat- recht seitens der bundesdeutschen Regierung u n d ihrer parlamentari- schen Vertretung aufs Spiel gesetzt w u r d e .

Entgegen den Versprechungen aller westdeutschen Parteien i n den ersten Nachkriegsjahren er- folgte plötzlich ein Sinneswandel, der z w a r intensiven Protest der Heimatvertriebenen hervorrief, aber seitens der Bundesregierung völlig ignoriert w u r d e . Heute scheint festzustehen, d a ß das be- hauptete J u n k t i m der Anerken- n u n g der O d e r - N e i ß e - G r e n z e als Bedingung für die Z u s t i m m u n g zur Wiedervereinigung West- u n d Mitteldeutschlands d u r c h die 4+2- Staaten keineswegs den Tatsachen entsprach.

D i e E n t t ä u s c h u n g der Heimat- vertriebenen ü b e r diese nunmehr festgeschriebene „ z w e i t e Vertrei- b u n g aus ihrer H e i m a t " i m Sinne der A b e r k e n n u n g ihres v ö l k e r - rechtlichen A n s p r u c h s auf ihr H e i - matrecht u n d der Vertrauensver- lust i n bisherige politische Voraus- sagungen ist v e r s t ä n d l i c h , z u m a l m a n diese a m Wiederaufbau m a ß - geblich beteiligten B e v ö l k e r u n g s -

g r u p p e n neuerdings als „ E w i g - gestrige" oder sogar als rechtsex- tremistisch orientierter Tendenzen v e r d ä c h t i g abzuqualifizieren ver- sucht.

D a r ü b e r hinaus w i r d die Resi-

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nation der i n den Vertreibungsge- ieten verbliebenen deutschen M i n d e r h e i t e n g r u p p e n i m m e r deutlicher s p ü r b a r . M a n fühlt sich auch hier i m Stich gelassen, Ver- sprechungen u n d Hoffnungen w u r d e n nicht erfüllt. Dies gilt v o r allem für die nach N o r d - O s t p r e u - ß e n seit einigen Jahren ü b e r g e s i e - delten R u ß l a n d - u n d Kasachstan- Deutschen.

D i e schwerwiegende u n d leider auch v o n Bonner diplomatischen Kreisen m i ß b r a u c h t e V e r d ä c h t i - gung angeblicher „ R e g e r m a n i s i e - rungstendenzen" hat der russische Germanist Professor G i l m a n o w entschieden z u r ü c k g e w i e s e n u n d i m Gegenteil das v ö l k e r v e r b i n d e n - de Element dieser M ö g l i c h k e i t e n für die Zukunft aufgezeigt:

„In diesem L a n d k ö n n t e ein M o - dell e u r o p ä i s c h e r Zusammenar- beit entwickelt werden, ein M o d e l l der Kooperationen verschiedener V o l k s g r u p p e n u n d ihrer K u l t u r e n d u r c h Besinnung auf historische Gemeinsamkeiten, d u r c h die E i n - beziehung der aus der Region V e r - triebenen u n d deren N a c h k o m - men, d u r c h die G r ü n d u n g e i - ner p a n e u r o p ä i s c h e n U n i v e r s i t ä t . D u r c h die E i n f ü h r u n g eines ü b e r s c h a u b a r e n Wirtschaftsrechts w ä r e dieses M o d e l l i m Endeffekt ein Leitfaden z u einer neuen osteu-

r o p ä i s c h e n Gemeinschaft, z u einer F o r m der slawisch-deutsch-balti- schen K o n f ö d e r a t i o n mit der G e - meinsamkeit symbolisierenden | Hauptstadt K ö n i g s b e r g - K a l i n i n - grad. M i t der Hauptstadt des E w i - gen Friedens i m Sinne der faszinie- renden Friedenskonzeption v o n Immanuel K a n t . "

G e r a d e z u v e r h ä n g n i s v o l l droht i n unseren Tagen sogar eine dritte j Vertreibung - n ä m l i c h die Vertrei-1 b u n g der Heimatvertriebenen aus ihrer Geschichte. W i e aus den i n den M e d i e n u n d auch i m politi- schen Bereich i m m e r mehr zutage tretenden Tendenzen hervorgeht, scheint m a n bestrebt z u sein, das gesamtdeutsche Geschichtsbe- w u ß t s e i n z u unterminieren b z w . z u verfälschen. W e n n z. B. eine | ranghohe D i p l o m a t i n öffentlich eine Minderheitenvereinigung i m polnischen Gebiet O s t p r e u ß e n s r ü g t , w e i l diese i n i h r e m H a u s der | Begegnung eine Deutschlandkarte i n den G r e n z e n v o n 1937 aufge- h ä n g t hatte, u n d i n diesem Z u s a m - menhang droht, d a ß d a d u r c h die- ser G r u p p e finanzielle Z u w e n d u n - gen entzogen w e r d e n k ö n n t e n , so erscheint diese Tatsache als signifi- kant.

Dagegen scheint sich gerade i m A u s l a n d die Einsicht durchzuset- zen, d a ß auch die v o r 50 Jahren v o m A l l i i e r t e n Kontrollrat v e r f ü g - te A u f l ö s u n g P r e u ß e n s eine Fehl- entscheidungwar, dieses P r e u ß e n - tums, das als M a ß s t a b eines Wertes

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alt, der i n der ganzen Welt als vor- ildliche Lebensordnung aner- kannt war.

D i e mit 1,5 M i l l i a r d e n M a r k pro Jahr v o m Staat direkt u n d indirekt subventionierten Parteien haben ihre E i n n a h m e n sehr unterschied- lich genutzt. W ä h r e n d die S P D V e r m ö g e n hortet u n d ihr K a p i t a l seit 1984 auf 289,2 M i l l i o n e n M a r k glatt verdoppelte, konnte die C D U nach einem Bericht v o n Bundes- t a g s p r ä s i d e n t i n Rita S ü ß m u t h i h r V e r m ö g e n „ n u r " v o n 106 auf 131,9 M i l l i o n e n M a r k e r h ö h e n . D i e G r ü - nen vermehrten ihren Besitz v o n 27,5 auf 45,9 M i l l i o n e n . D i e P D S , 1990 noch V e r m ö g e n s m i l l i a r d ä r , sackte - offiziell - auf nur 30 M i l l i o - nen D M ab. D i e a u ß e r p a r l a m e n t a - rischen Parteien sind v e r h ä l t n i s - m ä ß i g a r m oder verschuldet: E n d e 1995 b e s a ß e n die Republikaner e i n V e r m ö g e n v o n 4,1 M i l l i o n e n M a r k u n d die Ö k o l o g i s c h - D e m o k r a t i - sche Partei 1,7 M i l l i o n e n . Stark ver- schuldet w a r e n die Deutsche V o l k s - U n i o n mit 7,6 u n d der B u n d freier B ü r g e r mit 3,2 M i l l i o n e n .

P r e k ä r ist auch die Lage der k l e i - nen Bonner Regierungsparteien:

Der C S U - L a n d e s v e r b a n d ist „ i n hohem M a ß e ü b e r s c h u l d e t " . N u r die bessere Lage der K r e i s - u n d Orts v e r b ä n d e f ü h r e noch z u einem positiven V e r m ö g e n . Das C S U - R e i n v e r m ö g e n sackte z w i s c h e n 1993 u n d 1995 v o n 34,8 auf 17,8 M i l l i o n e n D M .

A u c h w e n n die F D P ihr Reinver- m ö g e n seit 1984 v o n damals 987 000 D M auf 29,5 M i l l i o n e n stei-

gern konnte, w i r d ihre Kassenlage als „ b e d e n k l i c h " bezeichnet. Es k o m m t noch schlimmer: Das Köl- ner Verwaltungsgericht hat soeben der F D P bescheinigt, d a ß sie 12,4 M i l l i o n e n M a r k W a h l k a m p f k o - stenhilfe z u U n r e c h t erhalten hat.

Falls die Partei das G e l d sofort z u - r ü c k z a h l e n m ü ß t e , w ä r e sie pleite, w e i l sich i h r V e r m ö g e n nicht so schnell realisieren läßt.

D e n P r o z e ß hatten die Republi- kaner, D i e G r a u e n u n d der S ü d - schleswigsche W ä h l e r v e r b a n d an- gestrengt. Das G e r i c h t stellte fest, d a ß FDP-Schatzmeister H e r m a n n Otto Solms es v e r s ä u m t hat, fristge- recht die 12,4 M i l l i o n e n bei der Bundestagsverwaltung z u bean- tragen. D o c h i n B o n n kennt man u n d hilft sich: S ü ß m u t h ließ die M i l l i o n e n trotz W a r n u n g ihrer Fachabteilung ü b e r w e i s e n . Das Gericht entschied ü b r i g e n s i n Sa- chen F D P genauso w i e i m F a l l der Republikaner, d i e seinerzeit 2,8 M i l l i o n e n z u r ü c k z a h l e n m u ß t e n .

In B o n n erwartet m a n , d a ß unab- h ä n g i g v o m A u s g a n g eines Beru- fungsverfahrens e i n W e g gefun- d e n w i r d , die F D P v o r Schaden z u bewahren. E i n anderer Schaden ist jedoch schon eingetreten: Wieder e i n m a l k o m m t der E i n d r u c k auf, d a ß „ d i e d a o b e n " i n die Staatskas- se greifen u n d sich notfalls sogar gegen das Gesetz bedienen - und dies gleichsam unter der Schirm- herrschaft der B u n d e s t a g s p r ä M - dentin. l . H .

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