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Das deutsche Wirtschaftswunder - Wohlstand für allle?

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Academic year: 2022

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Fachwissenschaftliche Orientierung

Die 50er-Jahre gingen in die Geschichte der Bundesrepublik als das Jahrzehnt der Auf- bruchsstimmung und des Wirtschaftswunders ein, das erst durch die Bergbaukrise Anfang der 60er-Jahre beendet wurde. Nach Ende des von Deutschland begonnenen Zweiten Welt- kriegs galt es, die darniederliegende Wirtschaft möglichst schnell wieder aufzubauen und die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen zu verbessern. Die Voraussetzungen waren gegeben, denn auch nach den Bombardierungen und Demontagen der Besatzungs- mächte waren noch Teile der deutschen Industrieanlagen intakt. Dass sich die junge Bun- desrepublik so schnell von den Kriegsfolgen erholte, war vor allem der Unterstützung der westlichen Alliierten zu verdanken, die während des beginnenden Kalten Krieges einen starken Bündnispartner an ihrer Seite brauchten. Insbesondere von der wirtschaftlichen Aufbauhilfe der USA, dem Marshallplan, konnte der noch junge Staat profitieren.

Was steckt hinter dem Begriff „Wirtschaftswunder“?

Der Begriff bezeichnet den rasanten wirtschaftlichen Aufschwung Westdeutschlands in den 50er-Jahren. Der schnelle Aufstieg wurde durch verschiedene Rahmenbedingungen wie die Währungsreform von 1948, den Marshallplan der USA, die Einführung der sozialen Marktwirtschaft sowie die Leistungsbereitschaft und den Aufbauwillen der Bevölkerung er- möglicht. Das so genannte Wirtschaftswunder war gekennzeichnet unter anderem durch hohe Wachstumsraten des realen Sozialprodukts, zügig wachsenden materiellen Wohl- stand, verbesserte Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie den Abbau der Arbeitslosigkeit.

Hinzu kam ein sozialpolitischer und gesellschaftlicher Wandel, der wesentliche Verände- rungen innerhalb der deutschen Bevölkerung nach sich zog. So veränderte sich beispiels- weise nicht nur das Konsumverhalten, sondern es fand auch eine Restauration des Rollen- bildes der Frau statt.

Ludwig Erhard – der „Vater des Wirtschaftswunders“?

Der Wirtschaftsaufschwung in den 50er-Jahren ist eng verbunden mit dem Namen Ludwig Erhard, dem ersten Wirtschaftsminister der Bundesrepublik. „Soziale Marktwirtschaft“ und

„Wohlstand für alle“ waren seine Motti. Er sah nicht nur die Liberalisierung der Wirtschaft vor, sondern plädierte auch dafür, dass Produktion und Konsum mehr Freiheit haben müss- ten, denn Wettbewerb und Leistungswille seien das Gebot der Stunde. Gegen den Begriff

„Wirtschaftswunder“ hatte sich Erhard stets gewehrt, sah er doch den wirtschaftlichen Auf- stieg als eine Folge von harter Arbeit, Wiederaufbauleistung und zunächst in dem Verzicht auf die Erfüllung persönlicher Konsumbedürfnisse. Ob seine umstrittene und anfangs er- folglose Politik tatsächlich für den Aufschwung der Wirtschaft sorgte oder ob dieser stärker auf andere Faktoren zurückzuführen ist, lässt sich nicht sicher klären.

Das Ende des Wirtschaftswunders

Ab Mitte der 60er-Jahre begann sich das Wirtschaftswachstum in Westdeutschland abzu- schwächen. Hierfür gab es verschiedene Gründe. Zum einen waren die steigenden Löhne dafür verantwortlich, die die Kosten für deutsche Produkte auf dem Weltmarkt erhöhten, zum anderen das Versiegen des stetigen Zustroms qualifizierter Arbeitskräfte aus der DDR (gegründet 1949), nachdem 1961 die Berliner Mauer gebaut worden war. Wachstumsstö- rungen und Arbeitslosenzahlen nahmen zu. Mit Ludwig Erhard als Bundeskanzler geriet das Wirtschaftswunder allmählich in die Krise und bald an sein Ende. Als Erhard 1966 zurück- trat, ging eine Ära zu Ende. Obwohl auch heute noch viele Deutsche am Begriff des Wirt- schaftswunders festhalten, ist dieser umstritten. Verglichen mit den Wachstumsraten an- derer europäischer Staaten in diesem Zeitraum, aber auch im Hinblick auf die wirtschaftspolitischen Leistungen Ludwig Erhards, die keineswegs so außergewöhnlich waren, wie sie gerne darstellt, kann weniger von einem Wunder, sondern muss vielmehr von einem Mythos gesprochen werden.

Reihe 36 S 2

Verlauf Material Klausuren Glossar Literatur

I/H1 VORSC

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Didaktisch-methodische Überlegungen

Voraussetzungen der Lerngruppe

Inhaltliche Voraussetzungen zur Bearbeitung der vorliegenden Reihe sind Kenntnisse rund um das Deutschland des Nationalsozialismus sowie der unmittelbaren Nachkriegszeit, da das Ausmaß und die Besonderheit des Wirtschaftswunders ansonsten nicht erfasst werden können.

Aufbau der Reihe

Der Fokus der vorliegenden Unterrichtseinheit liegt zum einen auf den Voraussetzungen und Rahmenbedingungen des Wirtschaftswunders, zum anderen auf den Folgen, zu denen vor allem der wirtschaftliche, sozialpolitische und gesellschaftliche Wandel zählt. Darüber hinaus wird der Begriff des Wirtschaftswunders kritisch beleuchtet und der Frage nachge- gangen, ob dieser angemessen ist.

Als Einstieg in das Thema werden in den ersten beiden Stunden die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen behandelt, die wesentlich für das Verständnis des so genannten Wirt- schaftswunders sind. Dabei findet eine Annäherung an das Thema durch eine Bilderreihe statt, bevor auf Kriegsende und Wiederaufbau bzw. auf die Faktoren eingegangen wird, die den rasanten Wirtschaftsaufschwung in Westdeutschland begünstigten.

Im Fokus der folgenden Stunde steht der wirtschaftliche und sozialpolitische Wandel, wozu das steigende Interesse am Industriestandort Deutschland, die sozialpolitischen Errungen- schaften der jungen Bundesrepublik sowie das erste Anwerbeabkommen von Arbeitskräf- ten mit Italien gehören.

In der vierten Stunde setzen sich die Lernenden mit dem gesellschaftlichen Wandel ausei- nander, der mit dem Wirtschaftswunder einherging. Hier erfahren sie, wie die Rollenbilder von Mann und Frau in den 50er-Jahren aussahen, was charakteristisch für die Konsumge- sellschaft dieser Zeit war und inwieweit von einer Spaltung der Jugend gesprochen werden kann.

Im Zentrum der letzten Stunde steht die Beschäftigung mit den Schattenseiten der Wirt- schaftswunderzeit. Hier setzen sich die Schülerinnen und Schüler kritisch mit dem Begriff auseinander und erfahren, weshalb das Wirtschaftswunder auch als ein Mythos bezeichnet wird.

Ein Multiple-Choice-Test steht am Ende der Unterrichtseinheit. Das Glossar dient als Hilfs- mittel und sollte der gesamten Klasse zum besseren Verständnis zur Verfügung gestellt werden.

Reihe 36 S 3

Verlauf Material Klausuren Glossar Literatur

VORSC I/H1

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Materialübersicht

Stunde 1/2 Das Wirtschaftswunder – Voraussetzungen und Rahmenbedingungen

M 1 (Fo) Das Wirtschaftswunder in Bildern – eine Annäherung

M 2 (Ab) Kriegsniederlage und Wiederaufbau – die Sehnsucht nach heiler Welt und Idylle (Gruppe 1)

M 3 (Ab) Der Marshallplan – Grundlage für den Wirtschaftsaufschwung (Gruppe 2)

M 4 (Ab) Die Währungsreform – „Auf einmal gab es alles!“ (Gruppe 3)

M 5 (Ab) Die soziale Marktwirtschaft – Deutschlands neue Wirtschaftsordnung (Gruppe 4)

M 6 (Ab) Rahmenbedingungen und Voraussetzungen des Wirtschaftswunders

Stunde 3 Das Wirtschaftswunder – der wirtschaftliche und soziale Wandel

M 7 (Bd) „Made in Germany“ – das Qualitätsmerkmal für Exportgüter M 8 (Tx) Sozialpolitische Errungenschaften der jungen Bundesrepublik

(Partner 1)

M 9 (Tx) Mangel an Arbeitskräften – das erste Anwerbeabkommen von 1955 (Partner 2)

Stunde 4 Das Wirtschaftswunder – der gesellschaftliche Wandel M 10 (Tx) Die Rolle der Frau – Hausfrau und Mutter als Leitbild der 50er-Jahre

(Gruppe 1)

M 11 (Tx) Kaufrausch, Fresswelle und Reiselust – die westdeutsche Konsumgesellschaft der 50er-Jahre (Gruppe 2)

M 12 (Tx) Coca-Cola, Jeans und Rock ‘n’ Roll – das neue Lebensgefühl der Jugend (Gruppe 3)

Stunde 5 Das Wirtschaftswunder – Kritik und Schattenseiten M 13 (Tx) Das deutsche Wirtschaftswunder – ein Mythos?

Lernerfolgskontrolle

M 14 (LEK) Was weißt du über das Wirtschaftswunder?

Reihe 36 S 4

Verlauf Material Klausuren Glossar Literatur

I/H1 VORSC

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Reihe 36 Verlauf Material S 10

Klausuren Glossar Literatur

M 7 „Made in Germany“ – das Qualitätsmerkmal für Exportgüter

Die Fotos und die Statistik geben dir einige Hinweise dazu, was die Wirtschaft der 1950er- Jahre prägte.

Aufgabe

Erläutere, was den wirtschaftlichen Strukturwandel in der Bundesrepublik in den 1950er-

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Alle Bilder: Thinkstock/iStock

Exporte in Millionen D-Mark

Importe in Millionen D-Mark

Handelsbilanz in Millionen D-Mark

1938 5.257 5.449 -192

1950 8.362 11.374 -3.012

1955 25.717 24.472 +1.245

1960 47.787 42.322 +5.456

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M 9 Mangel an Arbeitskräften – das erste Anwerbe - abkommen von 1955 (Partner 2)

Eine Folge des rasanten Wachstums in der Bundesrepublik war auch ein schneller Rück- gang der Arbeitslosigkeit. Während 1952 noch rund zwei Millionen Menschen erwerbslos gemeldet waren, sank ihre Zahl bis 1955 beinahe auf null. Damit war die Vollbeschäftigung – insbesondere in den wirtschaftlich starken Regionen wie Nordrhein-Westfalen, Baden- Württemberg, Bayern und Hessen – erreicht. Da beim erwarteten anhaltenden Wirtschafts- wachstum in bestimmten Regionen schon bald mit einem Arbeitskräftemangel gerechnet wurde, begann die Bundesrepublik ausländische Arbeitskräfte ins Land zu holen.

Am 22. Dezember 1955 wurde das erste Anwerbeabkommen mit Italien unterzeichnet. Da- mit sollte die Zuwanderung italienischer Migranten nach Deutschland organisiert werden.

Die meist ungelernten Arbeitskräfte arbeiteten vor allem in der Landwirtschaft, in Fabriken und im Bergbau. Für die so genannten „Gastarbeiter“ war die Arbeit in Deutschland finan- ziell attraktiv. Sie erhielten eine begrenzte Aufenthaltserlaubnis, die zunächst nur in Aus- nahmefällen verlängert wurde. Die Behörden konnten die Zuwanderung so den wirtschaft- lichen Bedingungen in der Bundesrepublik flexibel anpassen. Theoretisch waren die

„Gastarbeiter“ ihren deutschen Kollegen gleichgestellt, praktisch arbeiteten sie jedoch häu- fig zu Bedingungen und Löhnen, die viele deutsche Arbeitnehmer nicht akzeptierten. Etwa zwei Millionen Italiener kamen zwischen 1956 und 1972 als Arbeiter in die Bundesrepublik.

Die Mehrzahl von ihnen kehrte in ihre Heimat zurück.

Italienische Gastarbeiter aus dem VW-Werk in Wolfsburg verlassen am 11.07.1965 mit dem Zug die Stadt Richtung Italien, um ihre Ferien in ihrem Heimatland zu verbringen. Wegen des großen

Andrangs von italienischen Arbeitern setzte die Bahn Sonderzüge ein.

Aufgaben

1. Notiere die Gründe dafür, weshalb die Bundesrepublik ausländische Arbeitskräfte anwarb.

2. Welche Gründe könnten die ausländischen Arbeitnehmer bewogen haben, nach Deutschland zu kommen? Erläutere.

Reihe 36 Verlauf Material S 12

Klausuren Glossar Literatur

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Bild: picture-alliance/Hans Heckmann

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Reihe 36 Verlauf Material S 17

Klausuren Glossar Literatur

M 12 Gruppe 3: Coca-Cola, Jeans und Rock ‘n’ Roll – das neue Lebensgefühl der Jugend

Die Jugend, geprägt durch die erzwungene Selbstständigkeit in den ersten Nachkriegsjah- ren und die Erfahrungen mit der amerikanischen Besatzungsmacht, rebellierte gegen die scheinbar heile Welt der Wiederaufbaugesellschaft, die alle Probleme unter den Teppich kehrte.

Die Erziehung der Kinder war geleitet von konservativen Vorstellungen. Es wurden strikte Regeln aufgestellt, Befeh- le erteilt und Freiräume auf ein Minimum begrenzt. Diesen Vorstellungen von An- stand und Ordnung widersetzte sich ein Teil der Jugend, die sogenannten „Halb- starken“, indem sie die bisherigen Vor- stellungen von Anstand und Ordnung durch öffentliche Krawalle und Randale verletzten, sich prügelten und mit knat- ternden Mopeds durch die Straßen düs- ten. Nicht nur die Halbstarken, sondern alle Jugendlichen, suchten nach neuen Leitbildern und für viele wurden die USA, die durch die amerikanische Besatzungs- macht in Deutschland präsent waren, zum Vorbild für Kleidung, Aussehen, Mu- sik, neue Ideen und Verhaltensweisen.

Die USA waren der Inbegriff modernen Lebens. Erstmals gab es eine besondere

Mode für die Jugend: Jungen trugen typischerweise Lederjacken und eine Haartolle, Mäd- chen Petticoats und Pferdeschwanz oder toupiertes Haar. Die Jeans wurde für Jungen und immer mehr auch für Mädchen zum Trendmerkmal. Der Rock’n‘Roll spiegelte das Lebens- gefühl der Jugendlichen wider und wurde zur Musik und zum Tanzstil des Jahrzehnts. Auch Coca-Cola, die Jugendzeitschrift „Bravo“, die Jukebox sowie das Genießen der eigenen Freizeit gehörten zum Alltag der Jugendlichen der 50er-Jahre.

Aufgaben

1. Entwickelt anhand der Informationen im Text und in den Bildern ein etwa dreiminütiges Rollenspiel, in dem das Lebensgefühl der Jugend in den 50er-Jahren dargestellt wird. Geht dabei insbesondere auf die folgenden Themen ein:

a. Gründe für den Protest b. Vorbild USA

c. Kleidung, Musik und Verhalten 2. Führt das Rollenspiel eurer Klasse vor.

3. Achtet bei der Beobachtung der anderen Rollenspiele auf weitere Aspekte des gesell- schaftlichen Wandels.

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Bild: Thinkstock/iStock

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Referenzen

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