Bayerisches Är zteblatt 3/2011
131 Varia
Familienfreundlicher Arbeitsplatz für Ärztinnen und Ärzte – Lebens- qualität in der Berufsausübung
Zum Artikel von Dr. Astrid Bühren in Heft 1-2/2011, Seite 25 f.
Mit großem Interesse habe ich Ihren Artikel im Bayerischen Ärzteblatt gelesen.
Ich bin Ärztin in Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und derzeit zur Erziehung meiner inzwischen dreijährigen Tochter zuhause.
Ab Januar hatte ich die Möglichkeit wieder Teilzeit in einer Arztpraxis zu arbeiten. Da ich mich auch weiterhin ausreichend um mei- ne Tochter (die jetzt ja in den Kindergarten geht) kümmern möchte, wollte ich vorerst mit 30 Prozent wieder einsteigen. Meinen Ar- beitgebern in spe war das recht, sie brauchen dringend Verstärkung. Leider wird es von der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) nicht als Weiterbildung angerechnet und somit auch von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) nicht erlaubt, unter 50 Prozent zu arbeiten. Die Gründe hierfür sind mir völlig schleierhaft. Meine Arbeitskraft als Ärztin wird (dringend) gebraucht und ich würde auch ger- ne wieder arbeiten, darf aber nicht weniger als 50 Prozent oder gar nicht?
Meinen Recherchen zufolge ist die Anerken- nung der Teilzeitarbeit von unter 50 Prozent hauptsächlich ein bayerisches Problem und wird in anderen Bundesländern wohl anders gehandhabt.
Selbstverständlich bin ich der Meinung, dass es bessere Betreuungsmöglichkeiten für Kin- der geben sollte. Was aber meines Erachtens zu kurz kommt, ist die Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten, sodass ich mich auch selbst um mein Kind kümmern und es erziehen kann.
Dass die operativen Fächer der Medizin nicht unbedingt familienfreundlich sind, ist mir na- türlich bewusst. Aber dass es im niedergelas- senen Bereich, wo man Arbeitszeiten flexibel gestalten könnte (und ich hätte glücklicher- weise Arbeitgeber, die dazu bereit wären) von der KVB und BLÄK verhindert wird, familien- verträglich zu arbeiten, ist mir einfach unver- ständlich.
Dr. Rebecca Matzer, Ärztin, 97074 Würzburg
Antwort
Die Teilzeittätigkeit stellt für viele Ärztinnen und Ärzte oft die einzige Möglichkeit dar, be- rufliche und private/familiäre Belange zufrie- den stellend zu verbinden. Nach der (Muster-) Weiterbildungsordnung (M-WBO) kann Wei- terbildung inzwischen grundsätzlich in Teil- zeit erfolgen, formal jedoch nur, wenn ganz- tägige Weiterbildung nicht möglich ist. Die dadurch entstandene Nachweis- und Begrün- dungspflicht war nicht unumstritten. Mehrere Deutsche Ärztetage, zuletzt der 113. Deutsche Ärztetag 2010, forderte die Weiterbildungsgre- mien der Landesärztekammern auf, Weiterbil- dung auch in weniger als 50-prozentiger Teil- zeit zu ermöglichen. Ärztliche Weiterbildung müsse auch für Ärztinnen und Ärzte, die meh- rere Kinder betreuen und deshalb nicht min- destens 50 Prozent arbeiten können, möglich sein, lautete der Beschluss.
Ein Blick auf die Kammergesetze der Bundes- länder zeigt, dass bereits die gesetzlichen Be- stimmungen bezüglich einer Weiterbildung in Teilzeit stark divergieren. Die Mehrheit der Bundesländer setzt dabei auf eine mindestens 50-Prozent-Lösung. Dies gilt auch für das Bayerische Heilberufe-Kammergesetz.
Mit den Änderungen der Weiterbildungsord- nung in Bayern, die ab 1. April 2011 gültig werden, wurde der § 4 Abs. 6, der die Teilzeit- weiterbildung regelt, neu gefasst: „Eine Wei- terbildung in Teilzeit muss hinsichtlich Gesamt- dauer, Niveau und Qualität den Anforderungen an eine ganztägige Weiterbildung entsprechen.
Dies ist in der Regel gewährleistet, wenn die Teilzeittätigkeit mindestens die Hälfte der wö- chentlichen Arbeitszeit beträgt. Die Weiterbil- dungszeit verlängert sich entsprechend.“
Wenngleich dadurch nun die Pflicht für die Weiterbildungsassistentinnen und -assistenten entfällt, ihre Teilzeitweiterbildung bei der Kam- mer im Voraus zu beantragen, so bleibt die BLÄK dennoch verpflichtet, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Qualität der Weiterbildung auch gewährleistet ist. Dies kann durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, ab- hängig vom Fachgebiet bzw. vom jeweiligen Arbeits-Teilzeitmodell. Deshalb ist weiterhin anzuraten, rechtzeitig bei der BLÄK zu erfra- gen, ob das gewählte Teilzeitmodell auf die Weiterbildungszeit angerechnet werden wird, insbesondere, wenn aus persönlichen Gründen vorübergehend eine Arbeitszeit unterhalb der 50-prozentigen Teilzeit vereinbart wurde.
Prämisse ist jedoch immer, dass die umfassende Patientenversorgung in der Weiterbildung abgebildet wird. Weiterbildungsassistenten müssen in jedem Fall das komplette Spektrum der Patientenversorgung in ihrem Gebiet erler- nen, was sowohl Nacht-, Wochenend-, Bereit- schaftsdienste usw. beinhaltet. Somit dürfte wohl alles deutlich unter 20 Stunden illusorisch sein – zumindest über einen längeren Zeitraum hinweg. Auch die Facharztweiterbildung in Teilzeit-Blöcken könnte in den allermeisten Fäl- len ein adäquates Modell darstellen.
Fazit: Junge Ärztinnen und zunehmend auch junge Ärzte mit Kindern müssen in der Lage sein, die Facharztanerkennung zu erwerben – ohne Qualitätseinbußen in der Weiterbildung.
Hier gilt es, auf allen Ebenen kreative Lösungen zu erarbeiten und sich zu bewegen – Bundes- ärztekammer, Landesärztekammern, Kassen- ärztliche Vereinigungen und Arbeitgeber. Die Weiterbildung hat sowohl das Ziel, dass im Interesse einer qualitativ hochwertigen Pati- entenbehandlung Fachärztinnen und Fachärzte eine strukturierte und sehr gute Weiterbildung erhalten und andererseits, dass der Arztberuf weiterhin attraktiv bleibt, indem er auch mit gleichzeitigen familiären Aufgaben eine Ableis- tung der erforderlichen Weiterbildungsinhalte ermöglicht. Wir werden nicht locker lassen und uns für eine sinnvolle Teilzeit-Facharztweiter- bildung engagieren.
Dr. Astrid Bühren, Murnau und Dr. Heidemarie Lux,
Vizepräsidentin der BLÄK Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungs-
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