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Apotheker, Weltenbummler und Erzähler

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66 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Juni 2019 | www.diepta.de

PRAXIS

G

eboren wurde er

am 20. Mai 1851 in Berkum, einem kleinen Dorf etwa sieben Kilometer von Peine, Direktionskreis Hannover. Sein Vater, der evangelische Pastor Hans Brackebusch (1808 bis 1880), legte großen Wert auf eine gründliche Ausbildung und lehrte seine Söhne (Hans und Ernst) selbst intensiv in den alten Sprachen. Mit vierzehn Jahren, also ab 1865 ging der Ju- gendliche Ernst Brackebusch in der Apotheke in Hohenhameln, etwa 13 Kilometer von seinem Heimatort entfernt, in die Apo- thekerlehre und schloss die Pharmazeutische Vorprüfung 1868 in Peine erfolgreich ab. Es begannen die „Wanderjahre“

(Konditionenzeit), in der Ernst Brackebusch als Apothekenge- hilfe in Geestemünde, Morin- gen und in Hamburg seinen pharmazeutischen Horizont er- weiterte.

Übers Militär zum Studium Es war die Zeit des Deutsch- Französischen Krieges von 1870/71 und vor diesem Hinter- grund, der politisch-militärisch hochbrisanten Gemengelage ist nachvollziehbar, dass Bracke- busch sich als Freiwilliger mel- dete, um ab 1872 ein Jahr als Militärpharmazeut an der Tier- ärztlichen Hochschule in Berlin zu arbeiten. Parallel hierzu er- hielt er aber auch eine Assisten- tenstelle bei Prof. Carl Gottlieb

BERÜHMTE APOTHEKER

Er war Pastorenkind und wurde Apotheker. Er war Lehrmeister von Dr. Oetker, gründete die älteste Apotheke Wiesbadens, um als Erzähler sein Lebenswerk zu vollenden: Ernst Brackebusch (1851 bis 1912).

Apotheker, Welten-

bummler und Erzähler

© Eva-Maria Stoya

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | Juni 2019 | www.diepta.de

Heinrich Erdmann, ebenfalls Apotheker und Lehrer der Phy- sik, Chemie und Pharmazie an der Königlichen Tierarznei- schule sowie Lehrer der prakti- schen Chemie an der Königli- chen vereinigten Artillerie- und Ingenieur-Schule in Berlin. Dies ermöglichte ihm parallel auch noch Pharmazie an der Univer- sität Berlin zu studieren. Schon 1773 bestand er bei August Wil- helm (von) Hofmann (1818 bis 1892), Chemiker und entschei- dender Wegbereiter für die Er- forschung der Anilinfarbstoffe in England und Deutschland, das Staatsexamen mit der Note

„sehr gut“. Es folgte erneut ein Aufenthalt in Hamburg, wo er 1873/74 im Chemischen Labo- ratorium des Akademischen Gymnasiums (dieses war ab 1878 dann das „Chemische Staatslaboratorium zu Ham- burg“, Vorläufer des Fachberei- ches Chemie) unter der Betreu- ung des Chemikers Ferdinand Wibel (1840 bis 1902), seine Doktorarbeit verfasste. Da es in Hamburg noch kein Promo- tionsrecht gab, wurde die Arbeit an der Universität Göttingen eingereicht. Wibel selbst war Assessor für Chemie in Ham- burg, also amtlicher Sachver- ständiger für Behörden und Gerichte sowie Mitglied des Medicinal Collegium, hatte aber 1864 bei Friedrich Wöhler (u. a.

Harnstoff-Synthese) in Göttin- gen promoviert und dorthin noch gute Kontakte. Faktisch handelt es sich bei Ernst Bra- ckebuschs Dissertation „Ueber Nitroverbindungen aus der Al- lylreihe“ (1874) somit aber um eine der ersten Hamburger Pro- motionen.

Apotheker in Australien Ernst Brackebusch zog es an- schließend zusammen mit ei- nem befreundeten Arzt an das andere Ende der Welt: nach Australien. Auf den Goldfel-

dern von Charters Towers in der nördlichen Kolonie Queens- land fand er in der Apotheke von Hennings Co. eine Anstel- lung. Hier verbrachte er 1874 bis 1878 Jahre mit anstren- gendster Arbeit, bei einer äu- ßerst lehrreichen und vielseiti- gen Stelle. Die Zeit in „Down Under“ bescherte ihm nicht nur viel Lebenserfahrung in einer völlig andersartigen Umgebung, sondern war auch materiell von Erfolg geprägt. Auf Augenhöhe mit den Goldsuchern wurden deren Kiese extrahiert und ge- röstet. Unter dem Titel „The Rush von Fanning-Downs“, einer Erzählung aus dem aus- tralischen Goldgräberleben, schilderte Ernst Brackebusch auf humorvolle Art und Weise später selbst seine zum Teil abenteuerlichen Erfahrungen und eigenartigen Erlebnisse mit den seltsamsten Menschen im

„Goldgräberland“.

Über Indien, Ägypten und Ita- lien kehrte der „Weltenbumm- ler“ Ernst Brackebusch nach Deutschland zurück. Unsicher bleibt, ob er von 1778 bis 1880 in einer Apotheke in Gronau ar- beitete. Fakt hingegen ist, dass es ihm gelang 1880 die Rats- Apotheke in Stadthagen in der Nähe von Bielefeld zu pachten und zu leiten. Seine Auslands- reisen und seine Sprachkennt- nisse hatten den aufgeschlos- senen Dr. Brackebusch in be- sonderer Weise hierfür qualifi- ziert. Brackebuschs chemische Kenntnisse, vor allem seine Re- zepturen, waren sehr gefragt. In der Stadthagener Apotheke war unter anderem auch August Oetker, der spätere Lebensmit- telfabrikant, sein Lehrling. Da Brackebusch sowohl bei seinen Reisen als auch in den 13 Jahren als Pächter der Stadthagener Rats-Apotheke gutes Geld ver- dient hatte, suchte er ab 1893 – obwohl er die Pacht noch inne- hatte – nach einer neuen Her-

ausforderung und fand diese in Wiesbaden, einer damals auf- strebenden Stadt.

Gründung der Oranien- Apotheke Wiesbaden Weil die von dem Augenarzt Alexan- der Pagenstecher und seinem Bruder Hermann in der Taunus- straße in Wiesbaden gegründete Augenklinik, eine Spezialklinik, die Weltruf erlangte, auch phar- mazeutischer Präparate be- durfte, war die Ansiedlung ei- ner Apotheke in unmittelbarer Nachbarschaft sehr willkom- men. Apotheker Ernst Bracke- busch kaufte das von Bauunter- nehmer Emil Ross „auf Speku- lation“ erbaute, stolze eklektizis- tische Haus mit den windschie- fen Dachgauben in der Sicht- achse der Röderstraße (Tau- nusstraße 57) und erhielt vom Kaiser aufgrund dessen hoheit- licher Befugnisse die letzte Re- alkonzession, die im deutschen Reich vergeben wurde, für eine neue Apotheke – die „Oranien- Apotheke“. Bedingung: Er hatte die Apotheke zehn Jahre zu füh- ren sowie mit Frau und seinen zwei Töchtern im gleichen Haus auch seine Wohnung zu neh- men. Zur Führung des neuen Geschäftes mit seinen interna- tionalen Besuchern war Bracke- busch auch hier infolge seiner Auslandsreisen und Sprach- kenntnisse besonders qualifi- ziert. Das Geschäft florierte, seine Rezepturen, insbesondere die in enger Zusammenarbeit mit der Augenheilanstalt ent- standene Pharan-Augensalbe (wasserfreie gelbe Quecksil- beroxydsalbe gegen Binde- hautentzündung, Hornhaut- behandlung) und seine Sach- kenntnis, waren weithin gefragt.

Brackebusch stellte zudem ei- nen Apotheker, Friedrich Dick aus dem Kreis Ahrweiler, der bis dahin in der Mohren-Apo- theke in Dresden, tätig gewesen war, als Mitarbeiter ein, der die

ältere Tochter des Hauses heira- tete. Berufspolitisch engagierte sich Brackebusch in Hessen ebenfalls stark, war Kreisvor- steher des Kreises Nassau des Deutschen Apotheker Vereins (DAV), gehörte der Apotheker- kammer für Hessen-Nassau an, war aber auch noch Mitglied des Preußischen Apotheker- kammerausschusses. Besonders in der so komplizierten Apothe- kengesetzgebung soll Bracke- busch sehr versiert gewesen sein und so manchem Kollegen hilfreich zur Seite gestanden haben. Nach zehnjähriger akti- ver Pharmaziepraxis in Wiesba- den zog er sich 1904 mit 53 Jah- ren ins Privatleben zurück.

Ernst Brackebusch zog nach Kassel, um dort näher an der Hannoverschen Heimat seinen schriftstellerischen Neigungen nachzugehen. Schilderungen wie „An Bord des Känguruh“,

„Reise von Hamburg nach Madeira“ und eine Reihe weite- rer Erzählungen stammen aus dieser nach-apothekerlichen Zeit. 1911 schädigte ihn ein Ge- hirnschlag sehr. Bis zu seinem Tod am 24. Oktober 1912 in Kassel musste er noch längere Zeit leiden. Die Oranien-Apo- theke in Wiesbaden wurde von Ernst Brackebuschs Schwie- gersohn fortgeführt und be- findet sich noch heute in Fa- mi lien besitz. Von der Bracke- busch‘schen Einrichtung, den alten Fläschchen und Stand- gefäßen mit eigenen Rezep- tur-Etiketten ist bis heute noch viel sichtbar erhalten.  n

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

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