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GESCHICHTESPAZIERGANG „Auf den Spuren jüdischen Lebens im Brunnenviertel in Wien-Ottakring“

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Mag. Petra Stein:

Abschlussarbeit an der Pädagogischen Hochschule Linz zum Lehrgang

„Pädagogik an Gedächtnisorten“ im WS 2008/09 und SS 2009 Betreuer: Dr. Christian Angerer und Dr. Werner Dreier

verfasst im Sommer 2009

GESCHICHTESPAZIERGANG

„Auf den Spuren jüdischen Lebens

im Brunnenviertel in Wien-Ottakring“

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INHALT

1. Vorwort ... 5

2. Pädagogischer Rahmen ... 7

2.1 Pädagogische Zielsetzung... 7

2.2 Verknüpfung mit Prinzipien der Holocaust Education ... 8

2.3 Hintergrundsituation mit der betreffenden Klasse ... 9

2.3.1 Ausstellung „Das Dreieck meiner Kindheit. Herklotzgasse 21 und die jüdischen Räume in einem Wiener Grätzel“... 9

2.3.2 Lektüre von „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ ... 12

3. Geschichte Ottakrings ... 13

3.1 Entstehung Ottakrings... 13

3.2 Die jüdische Bevölkerung in Ottakring und ihre religiösen Orte... 14

4. Stationen des Geschichtespaziergangs „Auf den Spuren jüdischen Lebens im Brunnenviertel in Wien-Ottakring“ ... 16

4.1 Ludo-Hartmann-Platz 4: Arik (Erich) Brauer... 16

4.1.1 Lebensgeschichte ... 17

4.1.2 Ideen zur Gestaltung der Station... 19

4.2. Thaliastraße – nahe dem Gürtel: Chaim Miller (Fredl Müller) ... 22

4.2.1 Lebensgeschichte ... 23

4.2.2 Ideen zur Gestaltung der Station... 24

4.3 Brunnengasse 40: Edith Arlen Wachtel, Walter Arlen und das Kaufhaus der Familie Dichter .. 25

4.3.1 Das Kaufhaus Dichter ... 25

4.3.2 Lebensgeschichten von Walter Arlen und Edith Arlen Wachtel ... 28

4.3.2.1 Edith Arlen Wachtel... 29

4.3.2.2 Walter Arlen ... 30

4.3.3 Kunst, Geschichte, Gedenken und Stadtteilarbeit ... 33

4.3.4 Ideen zur Gestaltung der Station... 38

Exkurs1: Grundsteingasse 29 – 31: Grundsteinhof ... 40

Exkurs 2: Grundsteingasse10... 40

4.4 Die Synagoge in der Hubergasse 8 ... 41

4.4.1 Menschen ... 42

4.4.2 Geschichte ... 44

(3)

3

4.4.3 Architektur... 45

4.4.4 Ideen zur Gestaltung der Station... 47

4.5. Stein der Erinnerung an Kálmán und Elisabeth Klein ... 49

4.5.1 Ideen zur Gestaltung der Station... 51

4.6 Die „Ewigkeitsgasse“ ... 52

4.6.1 Geschichte Frederic Mortons und der Familie Mandelbaum ... 56

4.6.2 Ideen zur Gestaltung der Station... 59

4.7 Schuhmacherfamilie Waldinger aus der Neulerchenfelderstraße 5 ... 61

4.7.1 Ernst Waldinger ... 62

4.7.2 Theo Waldinger ... 65

4.7.3 Ideen zur Gestaltung der Station... 66

5. Materialsammlung ... 69

5.1 Material zu Arik Brauer ... 69

5.1.1 Wikipedia-Artikel über Arik Brauer ... 69

5.1.2 Biograpie Arik Brauers... 73

5.1.3 Gespräch mit Arik Brauer, Judaistik-Institut... 75

5.1.4 Interview mit Arik Brauer, Wiener Zeitung ... 78

5.1.5 Interview „Der Antisemitismus ist auch nicht mehr, was er einmal war“, NU ... 83

5.1.6 Textauszüge aus „Die Farben meines Lebens“... 91

5.2. Material zu Chaim Miller ... 105

5.2.1 Profil-Artikel „Aktion Nakam“ ... 105

5.2.2 Kantara-Artikel „Wir wollten Rache“... 113

5.3 Material zur Familie Dichter ... 118

5.3.1 Falter-Interview mit Walter Arlen ... 118

5.3.2 Biographischer Artikel von Edith Arlen Wachtel ... 124

5.3.3 Biographischer Artikel von Walter Arlen... 131

5.4. Material zur Synagoge in der Hubergassse ... 141

5.4.1 „Die Synagoge in der Hubergasse“... 141

5.4.2 „Die Rekonstruktion der Synagoge in der Hubergasse“... 143

5.5 Material zum Stein der Erinnerung für Kalman und Elisabeth Klein... 146

5.5.1 Rede von Nelly Sturm bei der Eröffnung... 146

5.5.2 Meine Eltern.Text von Nelly Sturm ... 147

5.6 Material zu Frederic Morton (Fritz Mandelbaum) ... 149

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4

5.6.1 Wikipedia-Artikel über Frederic Morton ... 149

5.6.2 „Etwas Süßes für die schwere Reis’“ von Frederic Morton... 151

5.6.3 „Frederic Morton, ein Amerikaner mit Wiener Herkunft“ von Helga Häupl-Seitz... 153

5.6.4 Lebenslauf von Frederic Morton ... 158

5.6.5 „Vom Türkenplatzl zur Thelemanngasse“. Interview mit Frederic Morton ... 159

5.7 Material zu Ernst und Theo Waldinger... 164

5.7.1 Wikipedia-Artikel über Ernst Waldinger... 164

5.7.2 Bio-/Bibliographie über Ernst Waldinger, Literaturhaus Wien ... 166

5.7.3 Gedichte von Ernst Waldinger... 171

5.7.3.1 „Die kuehlen Bauernstuben“ (Typoskript) ... 171

5.7.3.2 „Haus Nr. 5“ (Typoskript) ... 172

5.7.3.3 „Der Fünfer-Wagen“ (Typoskript) ... 173

5.7.3.4 „Bettel-Wien“ (Typoskript)... 174

5.7.3.5 „An einen Freund im KZ“ ... 175

5.7.3.6 Gedicht „Hof in Neulerchenfeld“ ... 176

5.7.3.7 „Liebhartsthal“ ... 177

5.7.3.8 „Wiener Elendsviertel“... 178

5.7.4 Auszüge aus „Zwischen Ottakring und Chicago“... 179

6 Verzeichnis der verwendeten Literatur, Fußnoten, Stadtplan... 187

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1. Vorwort

„Grab, wo du stehst!“ bzw. „Dig where you stand“ ist eine wichtige Maxime der Alltagsgeschichte, die für mich bei dieser Abschlussarbeit im Vordergrund steht. Seit sechs Jahren wohne ich mit meinem Mann nun im Wiener Brunnenviertel, das an den Gürtel grenzt und somit den 16. Bezirk (Ottakring) an einer Seite abschließt. Die anderen Bezirksgrenzen werden durch den Wienerwald, den 15. bzw. den 17.

Bezirk gebildet. Begrenzt wird das Brunnenviertel von Lerchenfelder Gürtel, Veronikagasse, Ottakringer Straße, Hubergasse, Kirchstetterngasse und Thaliastraße.

Das Gebiet ist ein traditioneller Arbeiterbezirk; die Mehrzahl der Gebäude wurde für die Arbeitskräfte, die im Zuge der Industrialisierung nach Wien gekommen sind, errichtet. Die ökonomische Situation des Viertels ist tendenziell schwach; heute leben viele alte Menschen hier, was die hohe Zahl an Kleinhaushalten erklärt. Ferner ist das Viertel von einem hohen AusländerInnenanteil (41%) geprägt, insgesamt leben hier rund 7.000 Menschen.1

Die pulsierende Hauptader des Viertels ist der Markt in der Brunnengasse, der

„Brunnenmarkt“2 – einer von Europas längsten Straßenmärkten, heute ein Schmelztiegel der Kulturen, ein Treffpunkt von Orient und Okzident.

Brunnenmarkt3

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Sich hier auf die Suche nach jüdischen Spuren zu machen, könnte manchem als aussichtsloses Unterfangen erscheinen. Viele würden den zweiten Wiener Gemeindebezirk – die Leopoldstadt – dafür empfehlen. Doch bin ich bzw. ist mein Mann im Laufe unseres Wohnens hier nicht nur auf den einen oder anderen jüdischen Händler gestoßen4, sondern auch auf „Standler“ mit antisemitischen Tendenzen5. Nach und nach habe ich immer mehr Spuren und Schichten verschwundenen und vergessenen jüdischen Lebens entdeckt, so dass es mir nun zu einem echten Bedürfnis geworden ist, diese Puzzlesteine zu einem Geschichtespaziergang zusammenzustellen. Ein erst vor wenigen Wochen von mir in einem Buch entdecktes Foto6 eines koscheren Fleischers in der Grundsteingasse 12 aus dem Jahre 1900 (siehe Geschäftsschild in hebräischen Lettern am linken Bildrand) illustriert das Titelblatt der Arbeit: So zufällig wie dieses Bild habe ich auch etliche andere Spuren gefunden, die Stationen auf dem Rundgang bilden werden.

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2. Pädagogischer Rahmen

2.1 Pädagogische Zielsetzung

Nicht ein fertig aufbereiteter Rundgang soll das Endprodukt sein, vielmehr möchte ich das mir als relevant erscheinende Material so weit aufbereiten und mit Ideen ergänzen, dass SchülerInnen und Schüler einer von mir unterrichteten 3. (oder auch höheren) Klasse daraus eine von ihnen geführte und moderierte Spurensuche gestalten können, bei der sie ihr Wissen anhand von kleinen Referaten präsentieren können. Einzelne Stationen können durchaus auch weggelassen werden, auf Ideen für Anschlussprojekte bzw. für ältere Jugendliche soll an geeigneter Stelle verwiesen werden. Ich stelle mir vor, dass eine „offene Mappe“ entsteht, die durch neue Entdeckungen oder auch die Arbeit anderer Lehrer des Gymnasiums, in dem ich unterrichte (BgGrgOrg Maroltingergasse in Wien-Ottakring), angereichert werden kann.

Welche Elemente aus dem Ganzen verwendet werden sollen, welche Form die Arbeit damit annehmen soll, kann und soll durchaus von den Interessen, Fähigkeiten und vom Alter der SchülerInnen abhängen. Meine Abschlussarbeit verstehe ich als Grundlagenarbeit, die für Weiterentwicklungen offen sein soll. Material zu den einzelnen Stationen soll im Anhang - so weit wie möglich – zur Verfügung stehen, so dass jede/r LehrerIn selbst entscheiden kann, ob den SchülerInnen nur die Zusammenfassung in meiner Arbeit oder ergänzende Materialien aus dem Anhang (Kurztexte oder Langtexte) zur Station zur Verfügung stehen sollen.

Als Arbeitszeit schlage ich drei bis sechs Vorbereitungsstunden in der Schule vor, bevor die Referate an den Stationen präsentiert werden können. Bei älteren SchülerInnen würde ich das Recherchieren selbst zu einer Aufgabe machen, so dass der Lehrer das in der Mappe enthaltene Material zur eigenen Hintergrundinformation behält bzw. nur teilweise zur Verfügung stellt. Für die von mir ausgewählte Klasse von 12- bzw. 13-Jährigen und den mir zur Verfügung stehenden Zeitraum eignet es sich am besten, kürzere Texte und Hinweise zu Hörtexten zur Verfügung zu stellen.

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Literaturhinweise zu autobiographischen Büchern können für Oberstufenschüler bzw. bei besonderem Interesse Anreize für Referate darstellen.

Fächerübergreifende Anschlussmöglichkeiten nach dem Geschichtespaziergang selbst könnten bei der Arbeit mit älteren SchülerInnen das Gestalten einer Ausstellung (Bildnerische Erziehung, Werken, Deutsch, Geschichte, Religion, Musik) bzw. in weiterer Zusammenarbeit mit dem Fach Informatik die Herausgabe eines Führers zum Geschichtespaziergang sein. Je nach gewählten Stationen und Interessen der SchülerInnen kann es zu Vertiefungen in Deutsch (z. B. Gedichte Ernst Waldingers, biographischer Text von Arik Brauer, Romane von Frederic Morton), in Musik (z. B. Austropop am Beispiel Arik Brauer), Bildnerische Erziehung (Wiener Schule des Phantastischen Realismus – Arik Brauer, Museums- bzw.

Ausstellungsbesuch), Religion (jüdische Bräuche, Feste, Synagogenbesuch…) kommen. Die noch lebenden Personen könnten – so weit in Wien verfügbar - vor oder nach dem Geschichtespaziergang in die Schule zu Zeitzeugengesprächen eingeladen werden. Denkbar wäre auch die Begleitung beim Rundgang selbst.

2.2 Verknüpfung mit Prinzipien der Holocaust Education

Wie soll man heute SchülerInnen den Holocaust vermitteln? Zentrale Prinzipien der Holocaust Education sind unter anderem die Darstellung am Einzelfall und das Nichtreduzieren der jüdischen Schicksale auf den Holocaust, das Leben davor und danach soll genauso betrachtet werden. Altersadäquat soll die Vermittlung sein. Wie eine Spirale soll früh mit Einzelschicksalen begonnen werden, dann erst soll es Erweiterungen zu Familien, Gemeindeleben bzw. Gesellschaft geben und erst später zur Vermittlung der Geschichte/der Fakten kommen.7

Insofern scheint es mir sehr geeignet, die Stationen mit den Lebensgeschichten einzelner Menschen zu verbinden, diese aber wenn möglich auch mit künstlerischen oder autobiographischen Äußerungen dieser Personen anzureichern. Im Fall der Familie Dichter wird auch auf die Geschichte des Hauses einzugehen sein, an ihr kann exemplarisch auf das Thema Arisierung eingegangen werden. Eine für das Brunnenviertel charakteristische Verbindung von Geschichte mit künstlerischem

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Schaffen der hier lebenden Artisten soll in meiner Arbeit ebenso Beachtung finden.

Menschliche Elementarereignisse wie Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Beten sollen anhand der Lebensgeschichten mit Orten verknüpft werden.

2.3 Hintergrundsituation mit der betreffenden Klasse

2.3.1 Ausstellung „Das Dreieck meiner Kindheit. Herklotzgasse 21 und die jüdischen Räume in einem Wiener Grätzel“

„Das Dreieck meiner Kindheit. Herklotzgasse 21 und die jüdischen Räume in einem Wiener Grätzel“ war der Titel einer Ausstellung, die ich mit 26 SchülerInnen der 2 D am 25. November 2008 im Haus Herklotzgasse 21 im 15. Wiener Gemeindebezirk (U6-Station Gumpendorferstraße) besuchte. Passend für die Altersgruppe der Zwölfjährigen wurde hier der Zugang über eigene Erinnerungsgegenstände und die Geschichte(n), die diese erzählen, gewählt. Dieser Einstieg wurde im Rahmen eines Diskussionsraums erarbeitet, dann wurde mit den eigenen Erinnerungsgegenständen und den Notizen dazu eine kleine Ausstellung gestaltet.

Anschließend wurde die Brücke zu den Erinnerungsgegenständen der jüdischen Kinder, die im Haus Herklotzgasse 21 den Kindergarten besucht hatten (Zeichnungen, Briefe, Fotos etc.) geschlagen und so die Thematik „Jüdisches Leben und dessen Verschwinden in dieser Gegend“ eröffnet.

Von den ca. 15 Themenbereichen, die mit Text- und Bilddokumenten sowie auf Video-Hör-Stationen aufgezeichneten Interviews von Menschen, die als Kinder bzw.

Jugendliche mit diesem Haus/dieser Gegend zu tun hatten, ausgestaltet sind, wurden den Zwölfjährigen aber nur sieben ausgewählte Bereiche vorgestellt und dialogisch erarbeitet, häufig wurde hierbei der Einstieg über Objekte gewählt:

1. der Kindergarten in der Herklotzgasse 21 (Taschen, Zeichnungen…) 2. Aktivitäten und jüdisches Vereinsleben in der Herklotzgasse 21 (Turnen,

Suppenküche)

3. Fluchtwege (Briefe, Fotos)

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10 4. Jüdisches Geschäftsleben und Arisierung

5. Vernichtungslager (Uhr des Großvaters als einzige Erinnerung) 6. der Turnertempel als religiöses Zentrum der Gemeinde

7. die Storchenschul als orthodoxes Bethaus in Sechshaus und die Familie des Rabbiners Aron Weiss

Für die Vertiefung in die einzelnen Themenbereiche und die Erschließung neuer Stationen standen den Kindern 20 Minuten zur freien Verfügung, wobei sie fakultativ folgende Fragen (Handout) beantworten konnten: Welches Thema steht bei diesem Video im Mittelpunkt? Was ist neu für dich? Was ist überraschend? Welche Erinnerungsgegenstände sind dir aufgefallen und warum? Beschreibe sie kurz?

Die Kinder zeigten großes Interesse am Anhören (bzw. –sehen) der Interviews mittels Kopfhörer und Videoprojektionen, weitere Interviews standen am Computer zur Verfügung. Meine begleitende Kollegin schilderte mir, dass besonders die Station Vernichtungslager sehr stark frequentiert wurde und es dort zu Stausituationen kam.

Den Abschluss des Vormittags bildete ein offener Diskussionsraum, in dem Eindrücke und noch offene Fragen offen diskutiert werden konnten. Für mich war das ein sehr spannender Vormittag, der mir Wege zeigte, wie man auch mit Kindern erstmalig an die Thematik Holocaust herangehen kann. Das Vermittlungsprogramm von Frau Mag. Alexandra Zaharansky und ihrem Team halte ich für sehr gelungen.

Teile des Projekts sowie einige Fotos von unserer Gruppe sind auf der Projekthomepage8 zugänglich, die Publikation zur Ausstellung9 ist sehr lesenswert.

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2D-Lehrausgang

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2.3.2 Lektüre von „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“

Ein halbes Jahr nach dem Besuch der Ausstellung - es ging dann schon dem Schulende zu – begann ich mit den Kindern mit der Lektüre des autobiographischen Jugendbuchs „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ von Judith Kerr10. Anfangs stellte ich den Kindern die Frage, was ich wohl damit meinte, dass sich nun der Kreis schließe, wenn man das Schuljahr als solches betrachte. Einigen war schon nach wenigen Seiten Lektüre klar, dass das alte, schmutzige, ausgebleichte „rosa Kaninchen“ ein Erinnerungsgegenstand der Protagonistin Anna war, den sie aber bei ihrer Flucht nach einer schwierigen Situation der Entscheidungsfindung zugunsten des neuen und sauberen Stoffhündchens zurückließ.

Als Ergänzung zum Buch spielte ich dann mit den SchülerInnen Dilemmasituationen durch: Welche zwei Gegenstände würde ich als auf eine Flucht mitnehmen wollen?

Für welchen würde ich mich entscheiden?11 Warum? Die SchülerInnen sollten ihre Erwägungen schriftlich festhalten und bei Wunsch der Klasse vorstellen. Da es sich bei der Protagonistin um ein 10-jähriges Mädchen und ihren etwas älteren Bruder handelt, es auch eine Überlebensgeschichte darstellt, finde ich es als Einstiegswerk für Unterstufenklassen sehr geeignet.

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3. Geschichte Ottakrings

3.1 Entstehung Ottakrings

Ottakring12 wurde im Jahre 1150 erstmals in einer Schenkungsurkunde erwähnt: ein Weingarten in „Otachringen wurde dem Stift St. Peter in Salzburg geschenkt. Erste Häuser wurden zwischen Ottakringer Bach und Ameisbach gebaut (rund um die Lambertkirche), nach und nach entstand entlang des zuerst Genannten ein von Weinbau und Milchwirtschaft lebender Ortsteil („Altottakring“). Nach der 2.

Türkenbelagerung 1683 entstand eine weitere Siedlung, ursprünglich „Unter- Ottakring“, später „Neulerchenfeld“ genannt. Als Folge des Brandes 1835 in Altottakring, bei dem 53 Häuser im Altottakringer Ortskern vernichtet wurden, entstand zwischen Neulerchenfeld und Altottakring „Neuottakring“, ein Handwerker- und Arbeiterviertel.

Bereits 1871 wurde über die Eingemeindung dieser Vororte nach Wien diskutiert. Die Bevölkerung, insbesondere jene von Neulerchenfeld weigerte sich aber nicht ohne Grund rund 20 Jahre: In Neulerchenfeld gab es wegen der in den Vororten – so auch Neulerchenfeld - nicht geltenden Wiener Verzehrsteuer von 20 % und der daraus folgenden niedrigen Preise in dieser Gegend noch immer sehr viele Gasthäuser – sodass man Ottakring als „das größte Wirtshaus Wiens“ bezeichnete. Schon um 1800 hatte man Neulerchenfeld das „größte Gasthaus des Heiligen Römischen Reichs“ genannt - rund 86 von 153 Häusern hatten als Gastwirtschaften gedient, weitere 13 zeitweise. Der Kompromiss war, die Verzehrsteuerlinie an die äußere Grenze zu verlegen, so dass die Bevölkerung den Widerstand aufgab und ein mit 1.

Jänner 1892 geltendes Gesetz die Eingemeindung der Dörfer Neulerchenfeld und Ottakring als 16. Wiener Gemeindebezirk vornahm. Alle neuen Bezirke (neben Ottakring auch Heiligenstadt, Gersthof, Döbling, Währing, Hernals, Breitensee, Penzing und Hütteldorf) wurden durch zwei neue Bahnlinien verbunden. Entlang des Gürtels entstand die von Otto Wagner geplante Stadtbahn auf den Überresten des früheren Linienwalls.

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3.2 Die jüdische Bevölkerung in Ottakring und ihre religiösen Orte

Seit dem Jahr 1848 durften sich Juden in Niederösterreich ansiedeln. 1873 schlossen sich die Ottakringer Israeliten mit den Hernalser und Neulerchenfelder Israeliten zu einer Kultusgemeinde zusammen13, die bei der Eingemeindung Ottakrings nach Wien in der Israelitischen Kultusgemeinde Wien aufging, die seit 167 bestand. 1914 gab es im 16. Bezirk Ottakring schon 4.500 Juden, im Zuge des 1.

Weltkriegs stieg die Zahl auf über 5.000 an. 1935 gehörten der IKG Wien 170.000 Mitglieder an, rund 4.000 davon wohnten in Ottakring.

Die von den Nationalsozialisten am 17. Mai 1939 vorgenommene Zählung der jüdischen14 Bevölkerung Ottakrings ergab 1653 „Glaubensjuden“ (= Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde), 221 „Volljuden“ (= Menschen mit drei oder vier Großeltern jüdischen Glaubens), 833 „Mischlinge 1. Grades“ (= Menschen mit zwei jüdischen Großeltern) und 416 „Mischlinge 2. Grades“ (= Menschen mit einem jüdischen Großelternteil).15 Unter den Ottakringer Juden waren Ärzte, die sofort Berufsverbot erhielten, und andere akademische Berufe genauso vertreten wie Straßenbahner und Metallarbeiter. Jüdische Besitzer von Geschäften, Firmen, Marktstandeln auf dem Brunnenmarkt oder kleine Flickschuster usw. wurden meist in der Form enteignet, dass sie ihr Eigentum verkaufen mussten, das Geld aber nicht bekamen, weil es auf einem Sperrkonto lag. Arisiert wurden neben der Ottakringer Brauerei der jüdischen Familie Kufner die Apotheken in der Hasnerstraße 29, Herbststraße 99 und Johann-Nepomuk-Berger-Platz 2 sowie vier Ottakringer Kinos (Weltspiegel, Lerchenfelder Gürtel 55; Lux, Neulerchenfelder Straße 43; Ottakringer Straße 133; Savoy, Thaliastraße 28).16 Wie überall in Wien wurden auch in Ottakring Wohnungen geplündert und zerstört. 1988 wohnten in Ottakring nur mehr 35 jüdische Familien.17 Neben der in der „Reichskristallnacht“ zerstörten Synagoge in der Hubergasse 8, auf die ich bei der Behandlung der ihr gewidmeten Station noch genauer eingehen möchte, gab es in Ottakring noch weitere Bethäuser, die in dieser Nacht geplündert und zerstört wurden18:

• In der Neulerchenfelderstraße 64 existerte das Bethaus „Scheweth Achim“ (=

Gemeinschaftliche Brüderlichkeit), der Obmann hieß S. Einleger.

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• In der Thelemanngasse 8, die auch Teil einer Station sein wird und an dieser Stelle noch genauer behandelt wird, gab es das Vereinsbethaus Gemilath Chesed („Man übt Gnade“), das sich im Haus von Bernhard Mandelbaum (Fabriksbesitzer und Großvater des Schriftstellers Frederic Morton) befand.

Obmann war Julius Kruppnik, Rabbiner Markus Leib Habermann.

• In der Lindauergasse 5 befand sich das Vereinsbethaus „Ahawath Scholaun“

(= Liebe zum Frieden), dessen Obmann Moses Huhn war, als Rabbiner fungierte wiederum Markus Leib Habermann.

• In der Wurlitzergasse 11 sollen sich noch ein jüdischer Wohltätigkeitsverein und an einer unbekannten Adresse eine Betstube in einem Privathaus befunden haben.

Diese historische Einführung würde ich den Kindern beim Geschichtespaziergang schon anfangs geben, sei es noch in der Schule vor dem Weggehen, sei es bei der ersten Station als Vorabinformation. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, diese bei der Synagogen-Station einzubauen.

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4. Stationen des Geschichtespaziergangs „Auf den Spuren jüdischen Lebens im Brunnenviertel in Wien-Ottakring“

„Juden gab es in Ottakring nur wenige: die Dichters etwa, die drüben am Brunnenmarkt ein Kaufhaus betrieben; den Schuhmacher Brauer, dessen Sohn Arik so gut malen konnte – und eben auch die Müllers, Arbeiter, wie fast alle in dieser ärmlichen Vorstadt.“19

Chaim Miller – früher Alfred Müller, genannt Fredl – beschreibt so die Situation in Wien-Ottakring in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Mit Stationen zu diesen drei Familien – Brauer, Müller und Dichter – beginnt der Geschichtespaziergang im Wiener Brunnenviertel. Ausgehend von der Ausstiegsstelle „Lugner-City„ des 48-A- Busses an der Grenze zwischen 15. und 16. Bezirk wird der Rundgang entlang der Achse Brunnengasse durch das Brunnenviertel führen, bis die Grenze zum 17.

Wiener Gemeindebezirk erreicht ist. Zwanzig Meter von der Bushaltestelle entfernt liegt der Ludo-Hartmann-Platz: Im Haus Nr. 4 auf diesem Platz wohnte die Familie des heute 80-jährigen Künstlers Arik Brauer.

4.1 Ludo-Hartmann-Platz 4: Arik (Erich) Brauer

Eingangstür und Fassade des Zinshauses, in dem Arik Brauer bis zur NS-Zeit wohnte

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17 4.1.1 Lebensgeschichte

Arik Brauer wurde als Sohn eines aus Vilna in Litauen stammenden jüdischen Schuhmachers in Ottakring geboren und verbrachte im Haus Ludo-Hartmann-Platz Nr. 4 eine unbeschwerte Kindheit, bis die Nationalsozialisten die Macht auch in Österreich ergriffen. Heuer (2009) feierte er seinen 80. Geburtstag, weshalb in den Medien viel von ihm zu hören war. Er hat sich einen Namen als Maler, Graphiker und Bühnenbildner, aber auch als Sänger und Dichter gemacht. Im Wiener Dommuseum am Stephansplatz war bis Juni 2009 seine Ausstellung mit Bildern zu Geschichten aus dem Alten Testament zu sehen.

Arik Brauer (2009)

Arik Brauer (als junger Künstler)

An dieser Stelle soll ein kurzer Abriss seiner Biographie20 gegeben werden. Im Anschluss wird auf verschiedene Lese- bzw. Hörtexte verwiesen, die den Schülern zur Bearbeitung zur Verfügung und zur Auswahl stehen sollen:

Arik (eigentlich Erich) Brauer wurde am 4. Jänner 1929 als zweites Kind des 1907 aus Litauen nach Wien emigrierten jüdischen Schuhmachers Simche Brauer und seiner Frau Hermine geboren. Die Herrschaft der Nationalsozialisten beendete seine

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unbeschwerte Kindheit im Wien der 1930er Jahre. Brauers Vater starb in einem Konzentrationslager, er selbst besuchte verschiedene jüdische Sammelschulen, arbeitete dann als Tischlergehilfe für die Israelitische Kultusgemeinde (u. a. zimmerte er begehbare Hühnerstelle für SS-Funktionäre), seiner drohenden Deportation entkam er, weil er sich bis Kriegsende verstecken konnte.

„Mein Vater wurde im Jahr 1883 in Vilna geboren. Er emigrierte 1907 nach Wien und arbeitete hier als selbstständiger Schuhmachermeister. Im Jahre 1924 heiratete er die 1898 geborene Hermine geb. Sekirnjak, die zwei Kinder zur Welt brachte - 1927 meine Schwester Lena und 1929 mich, Erich. Meine Familie wohnte in einer Zimmer-Küche-Wohnung im 16.

Wiener Gemeindebezirk. Die Rassegesetze in den Jahren 1938 bis 1945 hatten auch für unsere Familie katastrophale Folgen. Mein Vater wurde aus dem Haus gewiesen, musste sich verstecken und seine Werkstätte wurde konfisziert, desgleichen die Ersparnisse meiner Mutter. Meine Schwester und ich wurden aus den Schulen geworfen. Meine Mutter und meine Schwester waren zum so genannten Stichtag 1933 nicht Mitglieder der israelischen Kultusgemeinde (Ältestenrat der Juden in Wien), sie mussten daher keinen Judenstern tragen. Ich hingegen war Mitglied, trug den Stern, hatte jüdische Lebensmittelkarten und im Reisepass das große rote „J“. Die Flucht nach Riga gelang nur meinem Vater. Für den Rest der Familie war es zu spät. Bis zum meinem 13. Lebensjahr besuchte ich noch diverse jüdische Schulen, dann arbeitete ich in der Kultusgemeinde. Gegen Ende des Krieges wurde mir die Kennkarte abgenommen und ich wurde zur Verschickung „ausgehoben“. Es gelang mir unterzutauchen und in den Wirrnissen des Kriegsendes zu überleben. Mein Vater verstarb 1944 in einem Konzentrationslager in Lettland, meine Mutter lebte in Wien bis zu ihrem Tod 1987.“21

Nach dem Krieg schloss sich der junge Arik Brauer der KPÖ an, wandte sich aber bald enttäuscht von kommunistischen der Bewegung ab. Er studierte bis 1951 an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Robin Christian Andersen und Albert Paris Gütersloh und gründete mit Ernst Fuchs, Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter und Anton Lehmden die „Wiener Schule des Phantastischen Realismus“. Ab 1947 studierte er zusätzlich Gesang an der Musikschule der Stadt Wien.

Wegen Geldmangels reise er zwischen 1951 und 1954 mit dem Fahrrad durch Europa und Afrika. 1954/55 lebte er als Sänger und Tänzer in Israel und trat 1956 als Tänzer im Raimundtheater in Wien auf. Im Jahr darauf heiratete er die jemenitische Jüdin Naomi Dahabani in Israel und zog mit ihr nach Paris, wo das Paar als israelisches Gesangsduo „Neomi et Arik Bar-Or“ seinen Lebensunterhalt verdiente.

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Dort gelang ihm auch der Durchbruch als Maler. 1964 kehrte er mit seiner Famile – mittlerweile waren die Töchter Timna und Talja geboren (die jüngste Tochter Ruth kam erst 1972 zur Welt) – nach Wien zurück. „Die Wiener Schule des Phantastischen Realismus“ genoss bereits große Popularität, und es gab von 1953 bis 1965 eine Weltwanderausstellung.

Neben seinem Wohnsitz in Wien schuf Brauer auch im Künstlerdorf Ein Hod in Israel aus einer Ruine ein künstlerisch gestaltetes Haus. Er gestaltete Bühnenbilder für die Wiener Staatsoper, das Opernhaus Zürich, das Theater an der Wien und die Pariser Oper. Seine Gesangskarriere erreichte in den siebziger Jahren ihren Höhepunkt: Mit seinen Liedern im Wiener Dialekt wie „Sie ham a Haus baut“ und „Sein Köpferl im Sand“ ("Hinter meiner, vorder meiner") wurde Brauer zu einem der Väter des Austropop. Seit 2000 tritt er immer wieder mit seinen Töchtern und Elias Meiri als Die Brauers auf. Von 1986 bis 1997 war Arik Brauer ordentlicher Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien. 1991 begann er mit der künstlerischen Gestaltung des 1994 fertig gestellten Brauer-Hauses im 6. Wiener Gemeindebezirk Mariahilf. Er erhielt zahlreiche Preise für sein Schaffen. Kennzeichnend für das künstlerische Werk Brauers sind die farbenfrohen Flächen, die detaillierte Kleinarbeit und die Einbindung aktueller politischer Ereignisse in Bilder mit traum- und märchenhafter Atmosphäre.

4.1.2 Ideen zur Gestaltung der Station

Als Ort der Präsentation bieten sich die Sitzgelegenheiten aus Beton am Ludo- Hartmann-Platz selbst – schräg gegenüber dem Eingang von Haus Nr. 4 am Platz an. Die vorbeiführende Straße selbst ist relativ ruhig, sodass Texte und Lieder problemlos präsentiert werden können. Für SchülerInnen und Schüler, die diese Station gestalten wollen, eignet sich folgendes Material (sowohl zur Vorbereitung des Referats als auch zum Einbauen – z. B. von Interviewpassagen - in die Präsentation an der Station).

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• Aufnahme der Ö1-Sendung „Logos“ vom 1. April 2009 zur Person Arik Brauer, die ich auf Hörkassette zur Verfügung stellen kann – Dauer ca. 25 Minuten. Es sind auch Liedaufnahmen von Arik Brauer enthalten, die man an der Station vorspielen kann.

• Auf You-Tube sind derzeit (Juli 2009) Aufnahmen der Lieder „Sein Köpferl im Sand“, „Sie ham a Haus baut“, „Der Blick in die Hölle“ und „Der Surmi Sui“

verfügbar, die heruntergeladen und zur Untermalung eingebaut werden können.

• Kurzbiographie Arik Brauer von Wikipedia22 bzw. ausführlichere, tabellarische Biographie des Künstlers von seiner Homepage23 (siehe Materialanhang).

• Diverse Interviews mit Arik Brauer: Zusammenfassung eines Gesprächs am Judaistik-Institut 200924, Interview in der Wiener Zeitung 199925, Interview in NU 200926 (behandelt nichtreligiöse Erziehung im Elternhaus, Jugend als Gassenbub, Überleben als Jude während der NS-Zeit…) (siehe Materialanhang).

• Als Langtext u. U. auch für ergänzende Referate für Oberstufenschüler in Geschichte, Deutsch oder Bildnerische Erziehung eignet sich Brauers autobiographisch-künstlerisches Erinnerungsbuch „Die Farben meines Lebens“ (bzw. Abschnitte darin27), welches in der Wiener Stadtbücherei oder bei mir ausgeliehen werden kann. Besonders empfehlenswert für den Stadtspaziergang finde ich die Kapitel „Das Viererhaus“ (über die Menschen, die im Haus Ludo-Hartmann-Platz 4 lebten, S. 33 – 41), „Der Chef“ (Leben als Mitglied einer Bubenbande als einziger Jude, Umgang mit Schlurfs, S. 48 – 54), „Der Surmi sui“ (über einen sehr strengen Volksschullehrer, der begeisterter Nazi wurde, seine Schulerfahrungen in der NS-Zeit, das Schicksal seiner jüdischen Freundin Litzi, S. 60 – 70), „Die Tischlerei im Tempel (über seine Arbeit als Tischler in der Tempelgasse und seine Flucht, die ihm das Überleben sicherte, S. 77 – 82). Diese Texte sind in der Materialsammlung im Anhang zu finden, besonders empfehlen kann ich die Kombination von „Surmi sui“-Kapitel und dem auf You tube verfügbaren Lied dazu, da hier Parallelen zur Schulerfahrungen der Kinder gezogen werden können.

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• Denkbar sind auch Besuche in Ausstellungen von Arik Brauer in Wiener Museen (wenn möglich) bzw. in seinem unterirdischen Museum in Wien- Döbling sowie eine Einladung des Künstlers zu einem Gespräch in die Schule bzw. die Einladung zur Teilnahme am Geschichtespaziergang.

Kombinationsmöglichkeiten bieten sich vor allen mit den Fächern Bildnerische Erziehung (malerisches und graphisches Werk Brauers), Deutsch (Brauers Gedichte), Religion (vor allem Brauers bildhafte Interpretationen des Alten Testaments) und Musik an (Brauers Dialektlieder als Vorreiter/Vertreter des Austropop).

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4.2. Thaliastraße – nahe dem Gürtel: Chaim Miller (Fredl Müller)

Auf Chaim Miller stieß als „Brunnenviertler Juden“ stieß ich eigentlich zufällig, da ein Artikel über ihn aus einem „Profil“ im Mai dieses Jahres in unserem Lehrerläufer lag.

Dazu gab es einen Vermerk, dass er als Zeitzeuge vor kurzem unsere Schule besucht hatte. Dies war – so fand ich später heraus – so kurzfristig erfolgt, dass keine Zeit mehr für eine größere Ankündigung blieb, so dass interessierte LehrerInnen wie ich keine Möglichkeit zur Teilnahme hatten. Doch war mein Interesse nun geweckt, und ich besorgte mir sofort die entsprechende Profil- Ausgabe.

„Seine Eltern nannten ihn Fredl. Alfred klang zu steif im Wiener Arbeiterbezirk Ottakring. Also Fredl Müller, geboren 1921 in der Thaliastraße, nicht weit vom Gürtel. Juden gab es in Ottakring nur wenige: (…) An jedem 1. Mai zog Fredl auf seinem mit rotem Krepp zwischen den Speichen geschmückten Fahrrad auf den Rathausplatz und hörte die Reden von Karl Seitz und Otto Bauer. Der Vater war schließlich Mitglied beim Schutzbund, der Wehrorganisation der Sozialdemokraten. Religiös war die jüdische Familie Müller aus der Thaliastraße nicht. Mit 14 begann Fredl die Schlosserlehre in einer Werkstätte im Nachbarbezirk Fünfhaus. Einmal in der Woche besuchte er die Berufsschule in der Mollardgasse. Alles schien vorgezeichnet. Bis zu jenem Tag im März 1938, nach dem so viele Leben eine dramatische Wendung nahmen. Wie auch jenes von Fredl Müller (…). An jenem Märztag `38, an dem sich sein Leben ändern sollte, stand der 17-jährige Schlosserlehrling Alfred Müller an der Ringstraße, sah die Nazis die Stadt übernehmen und beschloss das Land zu verlassen. Im Februar 1939 hatte er die nötigen Papiere beisammen und verabschiedete sich von den Eltern, die er nie mehr sehen sollte. Am 15. März legte sein Schiff in Palästina an. Am selben Tag marschierten Hitlers Truppen in Prag ein. Fredl Müllers Vater wurde wenig später von der Gestapo zur Zwangsarbeit nach Norddeutschland verschleppt. 1941 kam er zu Tode geschunden nur mehr zum Sterben heim in die Thaliastraße. Wenige Tage danach wurde die Mutter deportiert.(…)“28

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23 4.2.1 Lebensgeschichte

Chaim Miller29

Chaim Miller wurde als Alfred (genannt Fredl) Müller in einer jüdischen, sozialdemokratisch orientierten Familie in der Thaliastraße (am Beginn, Hausnummer unbekannt) in Wien-Ottakring geboren. Er besuchte die Unterstufe im Gymnasium in der Maroltingergasse, begann dann eine Lehre als Schlosser. Nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Wien konnte er nach Palästina fliehen, er fand in einem Kibbuz Arbeit. Seine Eltern wurden verschleppt und umgebracht. Er landete im Mai 1945 als Soldat der Britischen Armee in Oberitalien und wurde mit der

„Jüdischen Brigade Nakam“ in Tarvis stationiert. Diese „Rachebrigade“ hatte zum Ziel, ehemalige SS- und Gestapo-Mitglieder für ihre Verbrechen zu bestrafen. Heute arbeitet er als 88-Jähriger noch als Schlosser im Kibbuz. Im Frühjahr 2009 besuchte er im Rahmen von Vorträgen bzw. Interviews neben anderen Schulen auch unser Gymnasium in der Maroltingergasse, an dem er die Unterstufe absolvierte.30 Im Zuge seines Österreich-Besuchs kam es auch zu dem vorne angeführten Profil-Interview, in dem er neben seinem Leben auch über die Tätigkeit in der Nakam-Brigade sprach, was er bei den Zeitzeugengesprächen normalerweise aussparte.

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24 4.2.2 Ideen zur Gestaltung der Station

Da Chaim Miller im Juni 2009 in einer 4. Klasse in unserer Schule als Zeitzeuge eingeladen war und als ehemaliger Schüler dieser Anstalt eine besondere Verbindung aufweist, würde ich dieser Station besondere Bedeutung beimessen. Als Ort des Erzählens eignet sich, da die Thaliastraße selbst zu laut ist und die genaue Hausnummer unbekannt ist, am ehesten der der Thaliastraße in Gürtelnähe vorgelagerte Hoffer-Platz mit seinen Sitzgelegenheiten. Ist das Interview schon auf der Homepage von „ A letter to the stars“ verfügbar, würde ich schon im Vorfeld einen Besuch im EDV-Raum einlegen und es von den Schülern recherchieren und anhören lassen. Vor Ort würde dann eine kurze Zusammenfassung reichen.

Ansonsten würde ich die Biographie etwas genauer vorstellen lassen. Als Quellen bietet sich neben dem Profil-Artikel (im Anhang) und dem hoffentlich bald vorhandenen Interview ein etwa zehn Jahre älterer Text von John Kantara an. 31 Ob und wie genau auf die „Rachebrigade“ Nakam eingegangen wird, sollte vom Alter der SchülerInnen abhängen. Dieses „Phänomen“ mit seinen eigenen Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit vorzustellen und zu diskutieren – eventuell auch als Dilemmasituation durchzuspielen (z. B. Wie kann ich denken und handeln, wenn ich dem Mörder meiner Mutter/meines Vaters gegenüberstehe bzw. wenn ich einen Menschen vor mir habe, der für den Tod von Tausenden Menschen verantwortlich ist?) – kann in einer dafür ausreichend reifen Klasse sicherlich eine spannende Erfahrung sein. Eine Erkenntnis wird vermutlich auch sein, dass Moralvorstellungen sowohl zeitlos wie auch von den Umständen abhängig sein können.

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4.3 Brunnengasse 40: Edith Arlen Wachtel, Walter Arlen und das Kaufhaus der Familie Dichter

Eigentlich markiert diese Station den Beginn meiner Beschäftigung mit der Thematik:

Als ich zwischen meinem Unterrichtspraktikum und meiner Vollbeschäftigung im Schulwesen vier Jahre lang (2002 – 2006) im Allgemeinen Entschädigungsfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus tätig war, wurde eines Tages - vermutlich im Jahre 2004 - die Tür geöffnet und eine Kollegin drückte mir den Akt der Familie Dichter in die Hand, weil sie wusste, dass diese Adresse „bei mir um die Ecke“ liegt. Tatsächlich dachte ich bis dahin, dass es so etwas wie jüdisches Leben in Ottakring und vor allem im Brunnenviertel nicht oder kaum gegeben habe, doch ab diesem Tag betrachtete ich beim Nachhausegehen das Kaufhaus der Familie Dichter - nun hieß es Osei und ich hatte dort sogar schon Weihnachsgeschenke eingekauft – mit anderen Augen. Verstärkt wurde meine Aufmerksamkeit dann durch die ab 2005 einsetzende Beschäftigung der im Brunnenviertel ansässigen Künstler mit der Geschichte dieses Hauses und jener der Familie Dichter, die von 2005 bis 2009 in mehreren Ausstellungsprojekten der Öffentlichkeit – so auch mir als interessierter „Nachbarin“ – zugänglich gemacht wurde. Doch dazu später mehr.

4.3.1 Das Kaufhaus Dichter

Logo des Warenhauses Dichter32

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Warenhaus Dichter, um 1910, vor der Renovierung

Leopold Dichter, der Großvater mütterlicherseits von Walter Arlen und Edith Arlen Wachtel, gründete 1890 das Warenhaus Dichter in der Brunnengasse (40) an der Kreuzung mit der Grundsteingasse.

4 Generationen der Familie Dichter: Leopold (rechts hinten), sein Sohn Isidor (links neben ihm), sein Enkel Walter (Aptowitzer, später Arlen), vorne rechts Leopolds Vater

Salomon Dichter, im Jahre 1925 aufgenommen

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Schon in den 1930er-Jahren war es zum größten Kaufhaus Wiens außerhalb des Gürtels geworden. 1935 wurde es von Philipp Diamandstein, der gemeinsam mit Clemens Holzmeister ein Büro betrieb, im modernen Baustil umgestaltet.

Es wurde bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten als Kommanditgesellschaft (die Kinder waren Kommanditisten) und Familienbetrieb geführt. So arbeiteten nicht nur Walters und Ediths Eltern dort, auch die Schwestern der Mutter (eine geborene Dichter) und ihr Bruder waren in verschiedenen Abteilungen beschäftigt. 1938 wurde es unter die kommissarische Verwaltung von Arthur Lohre gestellt, im November desselben Jahres arisierte es der korrupte und bankrotte Bankhausbesitzer Edmund Topolansky. Dieser bezahlte nur ein Drittel des wahren Wertes, doch nicht aus seinem eigenen Privatbesitz, sondern aus den Erträgen des Kaufhauses. Mit dem gut gehenden Geschäft, das er bis 1949 besaß, sanierte er sein vor dem Konkurs stehendes Bankhaus im 1. Bezirk. Es kam in den Jahren 1949 – bis 1951 zu einem Rückstellungsverfahren (Topolansky hatte sich vor dem Volksgericht für seine Taten

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verantworten müssen und 1947 Selbstmord begangen), das mit einem merkwürdigen, aber nicht unüblichen „Vergleich“ endete: Die Familie musste der Witwe des Ariseurs Topolansky noch Geld bezahlen, um die Angelegenheit abschließen zu können. Das Geschäft wurde dann an Oskar Seidenglanz (die Anfangsbuchstaben des Vor- und Familiennamens bildeten den neuen Namen des Kaufhauses OSEI), der selbst im 20. Bezirk ein anderes Geschäft arisiert hatte, verkauft. Bis zum Winter 2003/04 - ich zog im Sommer 2003 in die Grundsteingasse und kaufte dort noch Weihnachtsgeschenke – bestand das Geschäft. Das Gebäude wurde zwischen 2005 und 2007 als Kunstraum von den in der Gegend ansässigen Künstlern genutzt, es fanden vier Ausstellungen statt. Das Haus wurde im Frühjahr 2007 abgerissen, die Bauarbeiten des neuen Gebäudes wurden im Herbst 2008 abgeschlossen, nun befinden sich Mietwohnungen, eine Polizeidienststelle und ein Penny-Supermarkt darin.

Dichterhof, seit Oktober 2008 fertig gestellt, Ort des früheren Kaufhauses Dichter 4.3.2 Lebensgeschichten von Walter Arlen und Edith Arlen Wachtel

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4.3.2.1 Edith Arlen Wachtel

Edith Arlen Wachtel 33

Edith Arlen Wachtel34 war eine Enkeltochter des Kaufhausgründers Leopold Dichter und die Tochter von Leopolds Tochter Mina, die mit Michael Aptowitzer (daraus wurde Arlen) verheiratet war. Sie kam 1925 zur Welt und lebte mit ihrem Vater und dem älteren Bruder Walter im dritten Stock des Kauhausgebäudes in einer Wohnung. Als Kind schon begann sie bei Grete Wiesenthal eine Tanzausbildung, die sie bei der Opernballerina Hedy Pfundmayr fortsetzte, welcher sie die Aufnahme in die Ballettschule der Wiener Staatsoper im Alter von sieben Jahren verdankte. Sie trat sogar in der Welturaufführung der Lehar-Operette „Giuditta“ 1935 auf, musste aber aus gesundheitlichen Gründen ihre Ausbildung unterbrechen und konnte nach dem Einmarsch und der Emigration nie ihre Tanzkarriere wiederaufnehmen.

Edith erlebte mit, wie die Wohnung der Eltern ausgeraubt und ihr Vater verhaftet wurde. Als ihr Bruder Walter einen Tag vor Ablaufen seines Visums im März 1939 in die USA flüchtete, blieb sie mit der durch die Ereignisse psychisch völlig verstörten Mutter und der Großmutter väterlicherseits, welche 1942 in Theresienstadt umgebracht wurde, allein in Wien zurück. Der Vater wurde im Frühjahr 1939 aus dem Konzentrationslager Buchenwald entlassen und Edith und ihre Eltern konnten im Mai 1939 nach England emigrieren. Dort wurde ihr Vater nach Kriegsbeginn im September 1939 als „enemy alien“ auf

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der „Isle of Man“ interniert und Edith blieb mit ihrer nervenkranken Mutter wieder allein zurück. Sie verdiente den Lebensunterhalt als Buchhalterin für die Tageszeitung „Daily Telegraph“ und übersetzte Texte aus dem Deutschen.

Bomben beschädigen drei Mal ihre Unterkunft. Zur Vereinigung mit dem Bruder Walter und anderen Mitgliedern der Familie in den USA kam es erst nach Kriegsende: Visa und Schiffskarten erlaubten die Ausreise, Chicago wurde zum neuen Lebensmittelpunkt.

Edith absolvierte an der University of Chicago ihr Studium der Sozialpsychologie. In ihrer beruflichen Tätigkeit verfasste sie u. a. eine Studie, die die Auswirkungen des Fernsehens auf Kinder untersuchte. Im Jahre 1970 heiratete sie den verwitweten, 1938 aus Österreich nach Peru geflüchteten Hans Wachtel und lebte mit ihm in Lima, bis sie 1976 wegen der brisanten politischen Lage nach Los Angeles zogen. Er starb 1997. Edith Arlen Wachtel ist seit ihrer Pensionierung als Volontärin in Kunstmuseen, musikalischen Gesellschaften und sozialen Organisationen tätig. Als sie im Oktober 2007 zur Eröffnung des Projekts „Dichterherbst“ in mein Nachbarhaus in Wien kam, hatte ich die Gelegenheit, sie kennenzulernen und mich mit ihr zu unterhalten.

4.3.2.2 Walter Arlen

Walter Arlen

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Walter Arlen35 – Edith Arlen Wachtels älterer Bruder – wurde 1920 als Walter Aptowitzer geboren. Er war das erste Kind von Michael und Mina Aptowitzer (geborene Dichter) – also ein Enkel des Kaufhausgründers und –besitzers Leopold Dichter – und lebte mit seiner Familie im 2. Stock des Hauses. So erlebte er auch mit, wie unmittelbar nach dem Einmarsch SA-Männer in die Wohnung eindrangen, Schmuck, Briefmarken und Bargeld an sich nahmen und ihn und seinen Vater Walter misshandelten. Dieser wurde in das einer Schule geschaffene Gefängnis in der Karajangasse gebracht, von dort ins Konzentrationslager Dachau, nach seiner Entlassung von dort wurde er aber bei einer Razzia auf der Straße wieder festgenommen und im Konzentrationslager Buchenwald interniert.

Da die meisten engeren Familienmitglieder mit Hilfe von in Chicago lebenden Verwandten (Es handelte sich um die bekannte Chicagoer Familie Pritzker, in die eine Schwester Leopolds eingeheiratet hatte, welche gegenwärtig den bekannten Pritzker-Architekturpreis sponsort und u. a. auch den der Chicagoer Öffentlichkeit als Freiluftkonzertsaal im Grant Park zur Verfügung stehenden Pritzker-Pavillion finanziert hat – siehe Foto unten.) emigrieren konnten, musste der 18-jährige Walter vom Ariseur Topolansky Geld für den Lebensunterhalt der verbliebenen Familienmitglieder vom Sperrkonto erbetteln. Die Familie musste aus dem Haus in der Brunnengasse ausziehen. Da Walters US-Visum am 15.

März ablief, verließ er am 14. März 1939 Österreich. Nach der Freilassung seines Vaters Ende April konnte im Mai auch seine Schwester Edith mit Vater und Mutter nach England fliehen.

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32 Pritzker-Pavillon im Grant Park in Chicago

Walter Aptowitzer, der sich nun Arlen nannte, arbeitete in Chicago zuerst in einem Kürschnergeschäft, nebenher nahm er Musikstudien bei dem Komponisten Leo Sowerby auf und versuchte, sich als Komponist, Musikwissenschaftler und –kritiker zu etablieren.

1947 konnten seine Eltern und seine Schwester Edith nach Chicago ziehen. Er wurde für vier Jahre Assistent des Komponisten Roy Harris, schrieb ab 1952 (bis 1980) Musikkritiken für die „Los Angeles Times“. 1969 folgte er dem Ruf als Universitätsprofessor an die Loyola-Marymount-University in Los Angeles, deren Vorstand er wurde. Erst mit 78 Jahren beendete er seine akademische Karriere.

Sein zwiespältiges Verhältnis zu Österreich ist geprägt durch persönliche Freundschaften zum mittlerweile verstorbenen Thomas Klestil und Peter Moser (späterer US-Botschafter in Washington), dem Wiedererlangen der österreichischen Staatsbürgerschaft und etlichen Wienbesuchen, bei denen er persönliche Freundschaften knüpfen konnte, aber auch durch negative Erinnerungen wie das Verhalten der Sauerbrunner Gemeinde

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(Burgenland), die ihn zum Beseitigen des „Schandfleckes“ (Reste der abgebrannten Villa) aufforderte und so zum Verkauf der Liegenschaft um einen Bagatellpreis brachte, statt ihn über Finanzhilfen durch den Marshallplan für den Wiederaufbau in solchen Fällen zu informieren. Mehr als die finanziellen Versuche zur Wiedergutmachung, die nur minimal die Verluste ausgleichen können, versöhnen ihn die Projekte der Künstler und Stadtteilarbeiter im Brunnenviertel, die sich dem Gedenken der Geschichte seiner Familie (siehe z. B.

Kapitel 4.3.3 Fotos der Gedenktafel am Dichterhof) widmen. Dieses Thema soll im nächsten Kapitel behandelt werden.

4.3.3 Kunst, Geschichte, Gedenken und Stadtteilarbeit

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Gedenktafel für die Familie Dichter beim Hauseingang zum Dichterhof , Brunnengasse 40, 1160 Wien

"Die Gedenktafel und die Benennung in `Dichter Hof´ versöhnt mich und meine Familie mehr als alle Versuche der `Wiedergutmachung´!"

So beschrieb Walter Arlen seine Gefühle hinsichtlich der Benennung des neuen – ab Oktober 2008 bewohnbaren - Wohngebäudes der Conwert- Immobiliengesellschaft, das auf der Liegenschaft des ehemaligen Kaufhauses Dichter errichtet wurde am 8. März 2008.36

Verschiedene Ausstellungen der in der Grundsteingasse und umliegenden Gassen angesiedelten Brunnenviertler Künstler – die bekanntesten Festivals sind „Soho in Ottakring“ und „grundstein“ – befassen sich seit 2005 mit der Geschichte der Familie Arlen und des Warenhauses Dichter, beispielsweise gab es eine Ausstellung zur Familiengeschichte im Ragnarhof, das Projekt „Dichterherbst“, bei dem ein bekannt gewordener Spross der Familie – Leopold Dichters Neffe Ern(e)st

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Dichter und sein Schaffen im Zentrum standen – einen Abend, bei dem eine Komposition von Walter Arlen aufgeführt wurde oder die Säulen der Erinnerung am Yppenplatz, die sogar gegenwärtig noch existieren. Informationen zu den Projekten werden laufend auf www.sammlungdichter.com veröffentlicht. Dort werden auch die Beweggründe für die Sammlung Dichter dargelegt:

„warum sammlung dichter?

die „sammlung dichter“ wurde als hommage an die aus wien vertriebene familie dichter im sommer 2006 von der Masc Foundation ins leben gerufen. sie steht in der tradition der klassischen privatsammlung (sammlung dakis joannou, sammlung hummel...). ihr schwerpunkt ist, die arbeiten von künstlerInnen einer breiten internationalen öffentlichkeit vorzustellen und dabei auf die veränderte und sich verändernde politische situation im 20/21.

jahrhundert einzugehen. für uns war es sehr wichtig, zum abschluss unserer ausstellungsreihe (september 2005 bis oktober 2007) auf die gründer dieses ersten kaufhauses in der vorstadt von wien hinzuweisen. somit endet die über hundert jahre andauernde geschichte dieses hauses (ca 1890-2006) mit der präsentation der sammlung dichter. es schließt sich der kreis.

Das letzte Kunstprojekt ist sogar jetzt – im September 2009 noch im öffentlichen Raum am Yppenplatz präsent, virtuell sogar in all seinen Veränderungen seit seinem Beginn im März 2008. Am 8. dieses Monats lud der Ottakringer Bezirksvorsteher Franz Prokop anlässlich des Gedenkjahres 2008 zu einem Festakt zur symbolischen Benennung der Piazza am Yppenplatz in „Edith Arlen Wachtel und Walter Arlen Piazza" ein: Das Kunstprojekt „Säulen der Erinnerung" der Ottakringer Kulturfreunde stellte dann an diesem Platz - stellvertretend für alle Opfer des Nationalsozialismus - die beiden aus Ottakring geflüchteten Geschwister Edith und Walter, die persönlich aus den USA angereist waren, um an der Präsentation und Platzbenennung teilzunehmen, in den Mittelpunkt. Mithilfe von biografischen Zitaten, Fotografien, Zeichnungen und Literatur wurden von März bis Ende Oktober 2008 Litfasssäulen von KünstlerInnen immer wieder neu gestaltet, was auch auf der oben genannten Homepage über die Verweildauer im öffentlichen Raum hinaus virtuell langfristig zu sehen war bzw. noch immer ist. Die Idee dahinter ist, Geschichtsschreibung aus der Wissenschaftlichkeit herauszulösen und historische Ereignisse auch für jene

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nachvollziehbar zu machen, denen die Sprache der Historiker unverständich ist, so Roland Schütz, ein Künstler der Künstlergruppe „grundstein“.

Säulen der Erinnerung

Symbolisch werden die beiden wieder Brunnenviertler bzw.Ottakringer Bürger mit einer Adresse auf der nach ihnen benannten Piazza.

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bei der Eröffnung: Walter Arlen und Edith Arlen Wachtel links und in der Mitte der 1. Reihe, dahinter Wiener Politiker (Ulli Sima, Franz Prokop, Christian Oxonitsch und )

oben: Eröffnungsrede; unten: Geschwister mit Drach-Quartett (meinen Nachbarn)

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Derzeit werden die Säulen der Erinnerung mit Arbeiten zum Thema „Frederic Morton“ und „Heimat“ belegt. Da diesem aber eine eigene Station gewidmet ist, möchte ich hier nur die Gestaltung der Säulen zeigen, aber erst später in der Arbeit auf Frederic Morton genauer eingehen. Wichtig ist zu betonen, dass viele der Künstler auch die Thematik MigrantInnen im Brunnenviertel in ihre Arbeiten einbeziehen.37

Säulen der Erinnerung/pillars of memory

4.3.4 Ideen zur Gestaltung der Station

Seit Juni 2009 gibt es im neu gestalteten Brunnengassenabschnitt, der an den Dichterhof grenzt, einen kleinen Platz mit Bänken bzw. Liegen, wodurch sich geeignete Sitzgelegenheiten für eine Klasse ergeben, falls das Geschehen am Markt nicht zu turbulent ist. Hier kann die Geschichte der Familie Dichter von den

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SchülerInnen präsentiert werden. Anschließend würde ich mit ihnen die Brunnengasse bis zum Yppenplatz entlanggehen und zur Arlen-Platz spazieren. Eine interessante zusätzliche Aufgabe wäre schon im Vorfeld die Gruppe hinzuschicken, die die Station vorstellt, damit diese einfache Befragungen der Hausbewohner durchführen kann: Sinn der Befragung wäre es, herauszufinden, ob sie wissen, welchen Namen das Haus trägt, warum es diesen Namen bekommen hat, was sie über die Geschichte der Familie Dichter wissen, eventuell auch woher sie das Wissen haben und ob die Geschichte des Dichterhofs ein Thema ist. Eine Verknüpfung mit dem Fach Psychologie wäre, sich mit dem Vater der Motivforschung Ernest (früher Ernst) Dichter in Form eines Referats oder einer Fachbereichsarbeit auseinanderzusetzen. Spannend fände ich auch eine Fachbereichsarbeit, die sich generell mit möglichen bzw. vorhandenen Formen des Gedenkens an den Holocaust im öffentlichen Raum in Wien oder speziell im Brunnenviertel auseinandersetzt (z. B.

Gedenktafeln, Steine der Erinnerung, Säulen der Erinnerung…).

Folgende Quellen stehen zur Verfügung (je nach Alter und Zeit)

- Homepage www.sammlungdichter.com mit kurzen Texten zur Familie und den beiden Geschwistern Walter und Edith sowie viel über Kunstprojekte, viele Fotos - Falter-Interview mit Walter Arlen38 (länger) (siehe Anhang)

- ausführliche Artikel von und über Walter Arlen und Edith Arlen Wachtel aus dem Buch „Vertrieben. Erinnerungen burgenländischer Juden“39 (siehe Anhang). Geplant ist auch die Herausgabe einer „Vertrieben“-DVD, derzeit ist diese aber noch nicht verfügbar.

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40 Exkurs1: Grundsteingasse 29 – 31: Grundsteinhof

Dort wo der Dichterhof steht, kreuzen sich Brunnen- und Grundsteingasse. Falls Zeitressourcen vorhanden sind, bietet sich ein kleiner Abstecher nach links in die Grundsteingasse 29 - 31 an. Dieses Haus ist der „Grundsteinhof“, dessen Geschichte ich erst kürzlich durch Zufall von meinem Nachbarn erfuhr40: Die Familie Kufner, die jüdischen Besitzer der Ottakringer Brauerei von ca. 1850 – 1938, ließ dieses Haus für ihre Brauereiarbeiter bauen. Um 1938 lebten rund 50 aus Schlesien stammende Arbeiterfamilien darin, 40 von ihnen wurden deportiert. Es gibt heute noch einen alten Mann namens Paul, der über die Geschichte des Hauses berichten kann. Ihn könnten die Schüler interviewen bzw. könnte man ihn in die Klasse einladen. Interessant wäre auch ein Referat über die Geschichte der Ottakringer Familie Kufner41.

Exkurs 2: Grundsteingasse10

Geht man von der Kreuzung rechts in die Gasse, erreicht man innerhalb weniger Meter das Haus, in dem sich vor etwa 100 Jahren eine jüdische Fleischerei befand, die auf der alten Postkarte (siehe Titelblatt) abgebildet ist. Hat man ein paar Minuten Zeit, empfiehlt es sich, die Postkarte herzuzeigen und das Haus (heute der Künstlertreff und –ausstellungsort Ragnarhof) kurz aufzusuchen, um die Schüler lokalisieren zu lassen, an welcher Ecke es den koscheren Fleischer gab.

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4.4 Die Synagoge in der Hubergasse 8

Über den Yppenplatz bzw. Arlen-Piazza – hier kann man erstmals die Säulen der Erinnerung (Edith Arlen Wachtel und Walter Arlen im Namen aller anderen Holocaustopfern gewidmet) betrachten - gelangt man in ein bis zwei Minuten zur nächsten Station, dem Ort, an dem die ehemalige Synagoge stand. Nur mehr eine kleine Gedenktafel am gelb angestrichenen „Haus der jungen Generation“ erinnert heute daran, dass hier bis zur „Reichskristallnacht“ der „Ottakringer Tempel“ stand.

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Gedenktafel am Haus Hubergasse Nr. 5 (ehemaliger Ottakringer Tempel, Hubersynagoge) mit der Aufschrift „Hier stand eine um 1885/86 nach Plänen des Architekten Ludwig Tischler erbaute Synagoge, zerstört in der Reichskristallnacht am 10. November 1938.“

4.4.1 Menschen

„Wir mussten alles liegen und stehen lassen, hatten nur mehr unsere Kleider. Wir sind in eine Pension gezogen. Die anderen Verwandten waren bald weg, wir blieben wegen dem Vater. Ich war sehr oft bei der Gestapo im Hotel Metropol am Morzinplatz und habe dort wegen meines Vaters angesucht, der trotz seines Visums nicht freikam. Zuhause hat mir meine Mutter gesagt: ,Sie haben dich schon wieder gesucht.´ In der kalten Nacht vom 9.

November bin ich hinauf nach Steinhof. In der Zeit haben sie den Ottakringer Tempel angezündet.“42

So erinnert sich Walter Arlen (früher Aptowitzer, siehe voriges Kapitel) an die Zerstörung der großen Synagoge in der Hubergasse, in der er als 13-Jähriger im Dezember 1933 seine Bar-Mitzwa feierte. Seine Familie bezeichnet er als nicht sehr religiös, doch habe seine Familie die Feiertage gepflegt und koscher gegessen, wenn auch nicht sehr streng. Seine Eltern hatten im Jahr Walter und Mina Aptowitzer hatten 1919 im Hubertempel ihre Hochzeit gefeiert. Den hohen Feiertagen blieb die

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Familie Dichter bzw. Aptowitzer aber meist fern, da diese meist in der Villa in Sauerbrunn im Burgenland gefeiert wurden. 43

Die Stimmung in der Synagoge sei sehr feierlich und etwas dämmrig gewesen, da das Tageslicht durch die angrenzenden Gebäude beeinträchtigt gewesen sei. Die Vorhalle sei mit Marmor verkleidet gewesen und habe einen sehr eleganten Eindruck erweckt. Schöne, aus Holz geschnitzte Bänke hätten den Hauptraum geschmückt.44 Paul Grosz, der vor wenigen Wochen verstorbene Präsident der IKG (1976 – 1987) feierte ebenfalls sein Bar-Mitzwa im Hubertempel und sang dort im Knabenchor.Er erinnerte sich daran, dass die Sitzplätze in der Synagoge unterteilt waren, vielleicht habe es sogar Einzelsitze gegeben. 45

Frederic Morton, auf den später noch genauer eingegangen wird, hielt es für wahrscheinlich, dass seine Familie, die in der Thelemangasse u. a. Orden und Auszeichnungen für die Monarchie herstellen ließ, an der Finanzierung des Tempels beteiligt war (sein Großvater hatte auch schon in den früheren Werkstatträumen ein Bethaus eingerichtet). An den Innenraum konnte er sich nicht mehr gut erinnern, doch berichtete er über den Fortgang des Rabbiners Dr. Julius Max Bach nach 1938:

Er habe im New Yorker Exil bis zu seinem Tod 1951 die „American Congregation of Jews from Austria“ geleitet. Morton lässt in seiner Autobiografie „Runaway Waltz – Durch die Welt nach Hause“ die Erinnerung an die Wiener Schabbath-Abende wieder auferstehen. U. a. feierte er seine Bar-Mitzwa-Feier im Hubertempel, worüber ein Zeitungsartikel46 berichtete:

Barmizwah-Feier. Samstag, den 9. d. M., fand im Ottakringer Gemeindetempel die Barmizwah des Studenten Fritz Mandelbaum, Sohn des Herrn Franz Mandelbaum und seiner Gattin Rosalia, geb.

Ungary unter großer Beteiligung statt. Unter den Festgästen sah man viele Vertreter des Bethausvorstandes und aller Wohltätigkeitsvereine des 16. und 17. Bezirkes. Der Barmizwah trug die Segenssprüche und die Haftorah in ausgezeichneter Weise vor, was seinem Lehrer, Kantor M.

Harendorff zu großer Ehre gereichte. Nachdem Oberkantor R. Kogan einen feierlichen Segensspruch vorgetragen hatte, hielt Herr Rabbiner Dr. J. M. Bach an den Knaben eine sehr herzliche Ansprache, in der er auf die Tradition der beiden Familien Mandelbaum und Ungvary hinwies, in welchen Religion und Wohltätigkeit gepflegt wird, und besonders des Großvaters Bernhard Mandelbaum s. A. als eines Mitgründer des Ausspeisungsvereins gedachte. Sr. Ehrwürden richtete am Schluss seiner Rede an den Konfirmanden herzliche Worte der Ermunterung, dem Bespiele seines Vaters nachzueifern, der als angesehener Fabrikant und edler Mensch in weiten Kreisen geehrt und geschätzt wird.

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44 4.4.2 Geschichte

Straßenansicht des Hubertempels 47

Vorab sei der Name der Hubergasse selbst erklärt: Sie wurde 1856 nach dem Baumeister Anton Huber benannt, der um 1850 die Gasse eröffnet und kanalisiert hatte. Vorher befand sich hier der Hernalser Exerzierplatz.

Eckdaten48 der Synagoge in der Hubergasse:

1874 formierten sich die Ottakringer „Israeliten“ unter der Leitung von Ignaz Kuffner.

1882 wurde das Grundstück Nr. 2265 (Einlagezahl 1470) durch den

„Tempelbauverein der Israelitischen Cultusgemeinde Hernals, Ottakring und Neulerchenfeld“ angekauft.

1885 wurde der Architekt Ludwig Tischler mit der Planung einer Synagoge beauftragt.

1886 (am 23. September) wurde die Synagoge im Stil der Neo-RenaissanceZur fertiggestellt (. 406 Sitzplätze für Männer, 122 für Frauen)

1891 werden die Frauengalerien49 im 1. Stock erweitert (von 122 auf 266 Sitze).

1892 wird Ottakring in Wien eingemeindet.

1909 wird für die IKG Wien das Eigentumsrecht einverleibt.

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1899 wird der letzte Rabbiner Dr. Max Julius Bach berufen.

1927/28 wird nach den Plänen von Architekt Ignaz Reiser ein beheizbarer Winterbetsaal angebaut. (Der große Tempel ist wie in großen Tempeln üblich unbeheizbar.)

1938 plündern und zerstören in der Nacht von 9. auf 10. November 1938

„(Reichskristallnacht“, „Novemberpogrom“) die Nationalsozialisten die Synagoge.

1942 wird die Liegenschaft durch die IKG Wien erzwungenermaßen an Herrn Josef Kaufmann verkauft.50

1970 wurde die Ruine der Synagoge abgetragen und von der GESIBA (Gemeinnützige Siedlungs- und Bauaktiengesellschaft) das Wohnhaus der „jungen Generation“ gebaut.

1988 wurde eine Gedenktafel am Wohnhaus angebracht.

4.4.3 Architektur

Außenansicht der Synagoge

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Die Synagoge war dreischiffig angelegt, in den Vorraum gelangte man durch einen von drei Eingängen. Es folgte der Hautraum mit einem Fassungsvermögen von 406 Männer- und 266 Frauensitzen. Die Frauengalerien in den Seitenschiffen ruhten auf gemauerten Pfeilern in zwei Etagen. Abgesehen von den religiösen Elementen (zwei Gesetzestafeln an der Giebelspitze und zwei Davidsterne) wirkte die Synagoge nicht auf den ersten Blick wie ein sakraler Bau. Hohe Eingangstüren prägten die Außenfassade, darüber lagen drei große Bogenfenster, an den Seitenfenstern flankierende Rundfenster. Weder Türme noch Kuppeln wurden ergänzt.

1926/27 wurde der von Ludwig Reiser51 geplante Winterbetsaal mit 124 Plätzen angebaut, der leicht beheizt werden konnte. In beinahe allen großen Synagogen wurden der Hauptraum nur am Schabbat bzw. an Feiertagen verwendet, an Wochentagen nutzte man die „Winterschul“.

Hauptraum der Galerie

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Winterbetsaal

4.4.4 Ideen zur Gestaltung der Station

Ich halte es für sinnvoll, die Gedenktafel am Haus der „jungen Generation“ laut vorlesen zu lassen, die Präsentation würde ich in den schräg gegenüber liegenden Huberpark verlegen. Dort gibt es hinten eine ruhige Sitzgelegenheit – auch in Klassengröße – und die Kinder können in Ruhe vortragen, ohne durch Straßenlärm gestört zu werden. Auch sollte hier eine Pause zum Jausnen und Herumtollen eingeplant werden. Der mittelgroße Park bietet hierfür ausreichend Gelegenheit.

Als Material kann man den Schülern – je nach Alter – entweder nur die beiden Kurzartikel aus „David. Jüdische Kulturzeitschrift“ zur Verfügung stellen, für ältere Schüler wäre es interessant, mit der Diplomarbeit von Gerlinde Grötzmeier zum Hubertempel zu arbeiten.

Es gibt etliche Erweiterungsmöglichkeiten. Natürlich bietet sich Religion als Partnerfach hier an: Behandlung des Judentums als Religion, Besuch des Wiener Stadttempels in der Seitenstettengasse, Besuch des Jüdischen Museums in der Dorotheergasse, Besuch der Reste der jüdischen mittelalterlichen Synagoge am Judenplatz usw. Referate zur Stellung der Frau im Judentum (ev. Vergleiche mit

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anderen Religionen), zum Novemberpogrom und zur Zerstörung von rund 50 Synagogen allein in Wien in dieser Nacht würden sicher ertragreich sein.

Für ältere Schüler bietet sich auch eine Umfrage unter den Hausbewohnern an:

Kennen sie die Geschichte des Hauses? Wie gehen sie mit dieser um? Gibt es eine Art von Gedenken52 an die zerstörte Synagoge? Ein Besuch im Bezirksmuseum Ottakring stellt eine andere Möglichkeit dar: Dort ist ein Foto der abgebrannten Synagogenruine zu sehen, das ich sonst nirgends gefunden habe. Dies zu recherchieren ist für ältere Schüler sicher eine Herausforderung (Öffnungszeiten Sonntag 10 – 12 Uhr).

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4.5. Stein der Erinnerung an Kálmán und Elisabeth Klein

Frau Nelly Sturm (im Bild mit Tochter Eva und Enkel Paul)53

Am Mittwoch, 7. Mai 2008 um 16.00 Uhr wurde vor dem Haus Ottakringer Straße 35 ein „Stein der Erinnerung" in den Gehweg gesetzt. Ziel dieses Projektes sei, an alle OttakringerInnen zu erinnern, die vor allem in der Zeit von 1938 und 1945 vertrieben und ermordet wurden, meinte Bezirksvorsteher Franz Prokop anlässlich der Gedenkfeier. Da ich den über den Newsletter des Vereins „Steine der Erinnerung“54 über die Steinsetzung informiert war – es handelt sich übrigens bis jetzt um den einzigen Stein im 16. Bezirk – konnte ich als eine von ca. 30 TeilnehmerInnen der Veranstaltung beiwohnen.

Referenzen

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