A 604 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 14|
4. April 2014N
aumburg ist in diesen Tagen ganz auf Uta eingestellt. Die jüngste Teilnehmerin am Uta-Tref- fen ist gerade einmal 14 Monate alt.Ihre rüstige Großmutter gleichen Namens steckt der Enkelin einen Schnuller in den Mund, als diese sich während des Fest- aktes im Dom mit lautem Ge- schrei bemerkbar macht.
Domdechant Curt Becker zeigt sich indes begeistert dar - über, dass manche der insge- samt 118 Utas bereits zu
„Wiederholungstäterinnen“ ge - worden sind.
Das Uta-Treffen ist inzwi- schen eine feste Institution in der Stadt an der Saale. Nach- dem sich jährlich Tausende von Besuchern den Hals ver- drehen, um die ebenso schöne wie rätselhafte Stifterfigur der Markgräfin Uta von Naumburg auf der Empore im Westchor des Do- mes zu bewundern, lag diese Initia- tive auf der Hand, meint eine Uta aus Leipzig.
Ein Heer von Pressefotografen bittet jetzt zum Gruppenfoto. Unten an der Treppe haben sich drei acht- jährige Naumburgerinnen im Uta- Kostüm mit selbst gebastelter Kro-
ne aufgestellt. Und im Kreuzgang warten bereits die zwölf Stifterfigu- ren – die Damen in langen Mänteln mit elegantem Faltenwurf, die Männer bewaffnet mit Schwertern und Schilden.
Bei der Führung durch die Ausstellung „Weg und Werke des Naumburger Meisters“ er- klärt ein als Naumburger Meister verkleideter Kunstex- perte, inwieweit sich die Stif- terfiguren im Dom von den in früheren Epochen geschaffe- nen Skulpturen unterschei- den. Die Gesichter zeigen zum ersten Mal Emotionen.
Wie Uta und ihre Entourage wirklich aussahen, liegt je- doch völlig im Dunkeln. Die Stifterfiguren wurden erst 200 Jahre nach deren Tod, also im 13. Jahrhundert, in Stein ge- hauen. Unverkennbar ist die Ähn- lichkeit der Figuren mit jenen an der Kathedrale von Reims. Der Steinmetz hinterließ seine Hand- schrift ebenfalls an den Sakralbau- ten in Metz, Noyon und Mainz. Den Zenit seiner Kunst aber erreichte er in Naumburg.
Die Zwillingsschwestern Clau- dia und Nadja Beinert aus Staßfurt
in Sachsen-Anhalt haben mit ihrem Roman „Die Herrin der Kathedra- le“ Uta ein literarisches Denkmal gesetzt. Auf die Lesung in der Ma- rienkirche im Schatten des Naum- burger Doms setzt ein wahrer Run ein. Welche Uta möchte nicht erfah- ren, wie sich das Leben ihrer Na- mensgeberin abgespielt haben könnte. Denn über die Vita der Markgräfin ist kaum etwas bekannt.
Wahrscheinlich lebte sie zwischen 1000 und 1046. In der Fantasie der beiden Autorinnen setzt eine gütige Uta sich nach der Ermordung ihrer Mutter durch den Vater zeitlebens für Recht und Menschlichkeit ein.
Dieser mittelalterliche Thriller dürfte der Domstadt und ihrer Ikone zu weiterer Popularität verhelfen.
In diesem Jahr erfüllt das Uta- Treffen einen weiteren Zweck. Die Region Saale-Unstrut mit ihren Burgen, Weinbergen und schmu- cken Orten bewirbt sich um die Aufnahme ins Weltkulturerbe.
Naumburg bildet mit seinem Dom, den Stifterfiguren im Westchor und dem geschlossenen Stadtbild den Mittelpunkt dieser Initiative. Alle sind zuversichtlich, dass die
„Schutzpatronin“ Uta es schon rich- ten wird. Denn wer kann ihrer An- mut und Schönheit widerstehen?
Kein Geringerer als Umberto Ecco bekannte unlängst: „Wenn ich ein weibliches Geschöpf aus der Kunst- geschichte treffen wollte, dann Uta von Naumburg oder Leonardos Da- me mit Hermelin.“
Bevor das Uta-Treffen endet, wird noch einmal Bilanz gezogen.
Die meisten der 118 Teilnehmerin- nen kamen wie üblich aus der Nachbarschaft, aus Sachsen-An- halt, Sachsen und Thüringen, einige wenige aus Bayern, Baden-Würt- temberg und Hamburg. 2012 be- grüßte Naumburg allerdings eine Uta aus Jamaika mit Nachnamen Smith. „Weil ich einen so banalen Nachnamen habe, dachten meine Eltern, mein Vorname müsste nun ein ganz besonderer sein“, erklärte sie in einem Interview. Das nächste Uta-Treffen findet im März 2016
statt.
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Uta Buhr
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www.naumburg.de/uta-treffenNAUMBURG AN DER SAALE
Gruppenfoto mit Uta
Alle zwei Jahre strömen Frauen und Mädchen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in die Domstadt, um ihrer Namenspatronin Uta im Westchor des Naumburger Doms ihre Reverenz zu erweisen.
Uta und Uta: Zum diesjährigen Treffen zu Ehren der eben- so schönen wie rät- selhaften Markgrä- fin reisten 118 Teil- nehmerinnen glei- chen Namens an.
Fotos: dpa