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60) (2)74 Autopoiesis die sich durch Befruchtung und Reifung aus den Bestandteilen, aus denen sie beste­ hen, reproduzieren

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Autopoiesis 73

Autopoiesis

-> Konstruktivismus | Kultur | Performance/Performativität

Der Begriff »Autopoiesis« ist eine Wortschöpfung des chilenischen Neurobiologen Humberto Maturana und wurde erstmals 1974 zur Beschreibung einer besonderen Qualität lebender Systeme geprägt. »Autopoiesis« kann ins Deutsche mit »Selbst­

erzeugung« oder »Selbstherstellung« übersetzt werden. Maturana kennzeichnet da­

mit die biologischen Vorgänge der Bildung, Organisation und Reproduktion lebender Systeme (Maturana 1974). Maturanas Standardbeispiel ist die Zelle, die sich durch Zellteilung aus ihren eigenen Bestandteilen selbst reproduziert, sowie Organismen, Originalveröffentlichung in: Bering, Kunibert ; Niehoff, Rolf ; Pauls, Karina (Hrsgg.): Lexikon der Kunstpädagogik, Oberhausen 2017, S. 73-75 (Artificium : Schriften zu Kunst und Kunstvermittlung ; 60)

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74 Autopoiesis

die sich durch Befruchtung und Reifung aus den Bestandteilen, aus denen sie beste­

hen, reproduzieren.

Der Soziologe Niklas Luhmann hat diesen Begriff 1982 auf die Organisation so­

zialer Systeme übertragen. Soziale Systeme entstehen durch Kommunikation. Kom­

munikation reproduziert sich durch Kommunikation und durch nichts Anderes. Ma- turana selbst hat diese Übertragung von lebenden Organismen auf soziale Systeme kritisiert. Luhmanns mehr metaphorische als wortwörtliche Verwendung des Begriffs hat in der Folge einen immensen Innovationsschub in der Soziologie und angrenzen­

den Fachdisziplinen ausgelöst. Es wurde der Blick frei für eigendynamische Prozesse in sozialen Systemen, die weitgehend ohne äußere Einwirkung ablaufen. So wurden beispielsweise Vorgänge spontaner, nicht-hierarchischer Selbstorganisation besser von Prozessen gezielter Eingriffe und Interventionen von außen unterscheidbar. Zum anderen konnte nun das Problem der Selbstreferenz, der reflexiven oder rekursiven Bezugnahme auf sich selbst, im systemtheoretischen Modell behandelt werden.

1986 übertrug Luhmann den Gedanken der autopoietischen Reproduktion so­

zialer Systeme auf die Kunst. In dem Aufsatz »Das Kunstwerk und die Selbstrepro­

duktion der Kunst« wurde zum ersten Mal die Kunst als ein autopoietisches System beschrieben, das sich durch die Art der Produktion und Rezeption seiner Bestandteile beständig neu erzeugt, erhält und reproduziert. Der Begriff ist durch Michael Lingner, Kunibert Bering, Michael Fehr und Hans Dieter Huber in die Kunstwissenschaft über­

tragen, seit 2004 auch von Francis Halsall und Erika Fischer-Lichte (-» Performance/

Performativität) verwendet worden. Jüngst ist der Begriff auch in der Designtheorie zur Anwendung gekommen. Eine Übertragung des Begriffs auf die Kunstpädagogik steht jedoch noch aus.

Literatur:

Francis Halsall: Systems of Art. Art, History and Systems Theory, Oxford - Bern u. a.

2008

Hans Dieter Huber: Kunst als soziale Konstruktion, München 2007

Hans Dieter Huber: Bild Beobachter Milieu. Entwurf einer allgemeinen Bildwissen­

schaft, Ostfildern-Ruit 2004

Hans Dieter Huber: Die Autopoiesis der Kunsterfahrung. Erste Ansätze zu einer konstruktivistischen Ästhetik; in: Klaus Rehkämper - Klaus Sachs-Hombach (Hgg.): Bild, Bildwahrnehmung, Bildverarbeitung, Opladen 1998, S. 163-171 Michael Fehr: Understanding Museums. Ein Vorschlag: Das Museum als autopoieti­

sches System, in: Michael Fehr u. a. (Hgg): Platons Höhle. Das Museum und die elektronischen Medien, Köln 1995, S. 11-20

Kunibert Bering: Kunst und Kunstvermittlung als dynamisches System, Münster - Hamburg 1993

Volker Riegas - Christian Vetter (Hgg.): Zur Biologie der Kognition. Ein Gespräch mit Humberto R. Maturana und Beiträge zur Diskussion seines Werkes, Frank­

furt a. M. 1990

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Avantgarde _______________________ 75

Michael Lingner: Kunst aus Kunst. Autopoiesis - die aktuelle Autonomieproblema­

tik aus systemtheoretischer Perspektive, in: Wolkenkratzer Art Journal 5/1988, S. 30-35

Niklas Luhmann: Das Kunstwerk und die Selbstreproduktion der Kunst, in: Hans Ulrich Gumbrecht - Karl Ludwig Pfeiffer (Hgg.): Stil. Geschichten und Funk­

tionen eines kulturwissenschaftlichen Diskurselements, Frankfurt a. M. 1986, S. 620-672

Humberto R. Maturana: Strategies cognitive, in: Edgar Morin - Massimo Piatelli- Palmarini (Hgg.): L’unite de l’homme, Paris 1974; S. 418-442. Deutsche Über­

setzung, in: Humberto R. Maturana: Erkennen: Die Organisation und Verkör­

perung von Wirklichkeit, Ausgewählte Arbeiten zur biologischen Epistemologie, Braunschweig - Wiesbaden 1982

Niklas Luhmann: Autopoiesis, Handlung und kommunikative Verständigung, in:

Zeitschrift für Soziologie; Jg. 11, 4/1982, 366-379

Hans Dieter Huber

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